Strategie
„Ich war ein Spätzünder, Albert ein junger Wilder“

Reinhold Würth, Albert Berner und Gerhard Sturm sind zusammen zur Schule gegangen. Im impulse-Interview erzählen die drei erfolgreichen Unternehmer über ihre Jugend, das Versagen der Politik und die Liebe.

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Ein Spätsommermorgen in Künzelsau, Treffpunkt ist das Hotel Anne-Sophie, ein schmucker Fachwerkbau in der Altstadt. Es gehört der Familie Würth. Gerhard Sturm kommt als Erster, Albert Berner und Reinhold Würth treffen fast zeitgleich ein, ein wenig zu spät. Die Rollen werden schnell klar: Sturm ist der Höfliche, Ausgleichende, Berner noch immer der Draufgänger, Würth der gelassene Grandseigneur.

Reinhold Würth: Da haben Sie aber sehr, sehr großes Glück, dass Sie uns treffen können. Wir sind ja alle viel beschäftigt und unterwegs.
Wie oft sehen Sie drei sich?
Albert Berner: Ab und zu gehen wir essen, und zu Geburtstagen laden wir uns ein. Da gibt es keine Barrieren. Das ist bei uns beiden, Reinhold und mir, etwas Komisch-Gutes-Schönes, weil es den Wettbewerb gibt, und man sich trotzdem freut, wenn man sich sieht.

Wie lange waren Sie in einer Klasse?
Berner: Drei Jahre, von der zweiten bis zur vierten Klasse. Ich habe dann die Hauptschule weitergemacht, die beiden die Oberschule. An der Prüfung habe ich auch teilgenommen, aber meine Eltern hatten kein Geld, das kostete ja damals noch was.

Was waren Sie damals für Charaktere?
Gerhard Sturm: Ich war ein typischer Spätzünder, Albert war ein junger Wilder.
Berner: Wenn einer frech wurde, dann habe ich nicht lange gefackelt. Ich war wie ein wilder Hund. Es hat sich ja niemand um mich gekümmert. Ich habe schon mit 16 Mädchen gehabt und nicht nach einem halben Jahr mal ein Küssle gekriegt wie du, Reinhold.

Wie war Reinhold Würth damals?
Berner: Ein zurückhaltender Junge mit Kamera um den Hals. Er hat gern fotografiert. Reinhold war nicht wie wir, er ist nicht mit auf den Sportplatz gegangen und war zurückgezogen.
Sturm: Reinhold war eben ein netter junger Mann.

Würth sitzt locker zurückgelehnt in seinem Stuhl, verzieht keine Miene.

Berner: Und er ist in einer sehr wohlbehüteten Familie aufgewachsen, ich nicht. Meine Eltern hatten Metzgerei und Wirtschaft, da gibt es keine Familie, sondern nur Katastrophen. Ich habe ihn immer beneidet darum.

Die Unternehmer
Albert Berner: Statt Metzger zu werden, machte sich Albert Berner mit 3000 D-Mark und einem alten Auto im Alter von 21 selbstständig, nachdem er die Firma Würth verlassen hatte. Auch er setzte auf Schrauben und Direktvertrieb, auch bei ihm funktionierte es. Hinter seinem einstigen Schulkameraden Reinhold Würth allerdings blieb er immer weit zurück. Heute hat die Berner-Gruppe 8000 Mitarbeiter weltweit und setzte 2009 856 Mio. Euro um. Albert Berner ist Vorsitzender des Aufsichtsrats, in dem auch seine Tochter Kerstin sitzt. Sein Sohn Christian soll ebenfalls ins Unternehmen einsteigen. Reinhold Würth: Statt Lehrer zu werden, ging Reinhold Würth mit 14 Jahren von der Schule ab, um eine Lehre in der Schraubenhandlung seines Vaters zu machen. Mit 19 übernahm er den Zweimannbetrieb und baute ihn zu einem internationalen Handelskonzern aus, mit heute 400 Gesellschaften in 84 Ländern. Würth – kein anderer Name steht so für Direktvertrieb: 19.000 Außendienstler sind weltweit für den Montage- und Befestigungsspezialisten unterwegs. Der Umsatz des Unternehmens lag 2009 bei 7,5 Mrd. Euro. Reinhold Würth sitzt dem Stiftungsaufsichtsrat der Würth-Gruppe vor, seine Tochter Bettina dem Beirat. Gerhard Sturm: Statt Pfarrer zu werden, gründete Gerhard Sturm mit 28 sein eigenes Unternehmen. Er begann mit 35 Mitarbeitern und seinem alten Chef Heinz Ziehl in Mulfingen. Sie setzten auf den Außenläufermotor als Ventilatorenantrieb und lagen richtig. Sturms EBM-Papst überholte die Mutterfirma Ziehl-Abegg und liegt bei Ventilatoren weltweit vorn: Umsatz 2009: 986 Mio. Euro, 10.000 Mitarbeiter weltweit. Gerhard Sturm schied 2007 aus dem operativen Geschäft aus und ist seitdem Beiratsvorsitzender.

Sie sollten eigentlich selbst Metzger werden.
Berner: Zwei Jahre habe ich in der Metzgerei meines Vaters gearbeitet, dann hatte ich keine Lust mehr. Ich war glücklich, als mich Adolf Würth, Reinholds Vater, als Lehrling eingestellt hat. Das war eine Zeit, das könnt ihr Jungen euch heute gar nicht vorstellen. Es gab keine Lehrstellen, im Krieg auch keine Lehrer, die waren ja alle an der Front. Wir waren 1945 ein Dreivierteljahr ohne Schule.

Und was taten Sie in dieser Zeit?
Berner: Gar nichts, rumgeschlägert haben wir.
Sturm: Das war die schönste Zeit, von April bis Herbst war nichts, bis das Schuljahr wieder anfing.
Würth: Ich habe in der Zeit Kippen gesucht. Mein Vater war Raucher, und die Amis haben ihre Zigaretten oft bloß bis zur Hälfte geraucht, die habe ich dann aufgesammelt.
Berner: Ich habe die Zigaretten geklaut. In den Kasernen bei den Amis hatte ich Freunde. Wenn die zum Mittagessen sind, bin ich eingestiegen und habe die Packungen aus den Schränken geholt.

Herr Sturm, was sollten Sie werden?
Sturm: Ich sollte erst mal zur Schule gehen …
Würth: Pfarrer.
Sturm: … und dann katholischer Pfarrer werden.
Berner: Oh, lieber Gott.
Sturm: Ich war Ministrant und habe Latein gelernt. Mein Weg war vorgegeben, aber dann wollte ich nicht mehr. Ich habe gesehen, wie der Pfarrer lebte. Das war für mich so eine Art Isolationshaft.
Würth: Da waren die Mädle zu hübsch.

Und Sie, Herr Würth, sollten Sie immer schon in den Schraubenhandel des Vaters einsteigen?
Würth: Meine Mutter wollte, dass ich Schulmeister werde. Mein Vater fand: Der Kerle kommt in den Betrieb. So war das dann.

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Sie kamen als Lehrling zu Würth, Herr Berner.
Berner: Das war der Wendepunkt in meinem Leben. Vater Würth starb, kurz nachdem meine Lehre zu Ende war, und Reinhold hat mir dann gekündigt.

Wieso eigentlich?
Berner: Na, weil Reinhold ein Bub von 19 Jahren war! Er hat Angst gehabt, ob er den Betrieb weiterführen kann. Der einzige andere Angestellte hat aber gekündigt. Da hat Reinhold meine Kündigung zurückgezogen, und ich habe weitergemacht.

1957 sind Sie ausgestiegen und haben Ihren eigenen Schraubenhandel gegründet. Warum?
Berner: Ach, wissen Sie, es hat sich im Laufe der Zeit einfach gezeigt … Eifersucht kann man so nicht sagen. Aber ich habe gemerkt: Es kann schwierig werden. Wir sind ein paarmal zusammengerasselt, wegen belangloser Sachen. Ich hatte den Instinkt zu sagen: Es ist besser, ich gehe.

Wie war das damals für Sie, Herr Würth?
Würth: Ich kann mich nicht genau erinnern, aber es war sicher ein Schock. Du warst der einzige Verkäufer gewesen mit mir zusammen, oder?
Berner: Ja, natürlich.
Würth: Man sagt nicht umsonst, Konkurrenz belebt das Geschäft. Das ist ja heute noch ein guter Antrieb.

Sie sind die ewige Nummer zwei hinter Würth, Herr Berner. Ärgert Sie das?
Berner: Natürlich ist Reinhold mein Wettbewerber. Aber ich sehe Würth anders als alle anderen. Der kann machen, was er will, der geht seinen Weg. Ich gehe meinen, der ist auch erfolgreich.

Sie sind bei Ziehl-Abegg ausgestiegen und haben 1963 eine Firma gegründet, Herr Sturm.
Sturm: Aber das war nicht so spektakulär. Ich habe nach der Schule erst mal eine technische Ausbildung gemacht, die drei Jahre habe ich im Lehrlingsheim gewohnt. Das war hart für einen Bub mit 14 Jahren. Einmal im Monat konnte ich nach Hause. Dann ging ich wieder nach Künzelsau und begann, bei meinem Mentor Heinz Ziehl zu arbeiten. Später hat er mit mir EBM-Papst gegründet.

Sie haben aus dem Nichts Weltmarktführerfirmen aufgebaut. Was hat Sie angetrieben?
Sturm: Da kann ich wohl für uns alle sprechen: Wir waren eine Kriegsgeneration, wir sind in ganz, ganz schwierigen Verhältnissen aufgewachsen, hatten Sehnsucht nach Dingen, die es nicht gab. Und wenn es nur Süßigkeiten oder Orangen waren. Wir waren alle von einem getrieben: Wir wollten es mal besser haben. Das war die innere Triebfeder, die Zeit hat uns geholfen. Stichwort Wirtschaftswunder. Die Betriebe sind da nicht nur fünf, sondern jedes Jahr 20, 30 Prozent gewachsen.
Berner: Wir hatten einmal im Jahr einen schönen Abend, das war der Heilige Abend. Mein Vater hat Metzgerei und Wirtschaft zugemacht, wir haben Karten gespielt und Würstchen mit Kartoffelsalat gegessen. Wir haben meine Eltern sonst nie gesehen. Die Kerle saßen da und haben bis Mitternacht gesoffen. Ich kriege heute noch Gänsehaut, wenn ich dran denke. Mein Traum war ein Auto – ein kleiner Topolino – ein kleines Häuschen und eine schöne Frau. Dafür habe ich geschuftet.
Würth: Meine liebe Frau verdanke ich übrigens dem Albert Berner.

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Berner nickt und brummt zustimmend.

Würth: Wir waren am Bodensee zum Verkaufen unterwegs. Ich hatte das Auto, er musste zu Fuß durch Friedrichshafen tigern, abends wollten wir uns treffen, aber wir haben uns verpasst. Die Zeit habe ich mir in einem Gottesdienst vertrieben. Ich war sehr religiös erzogen. Ich saß in der Bank, und da ist eine vorbeigeschwebt in gelber Strickjacke, schwarze Haare, hübsches Gesicht. Dann habe ich das Mädle immer bestaunt und nicht viel mitgekriegt von der Predigt. Später habe ich jemanden, der auch in Künzelsau wohnte und wie ich neuapostolisch ist, nach ihrem Namen gefragt.

Sie haben sie an dem Tag nicht angesprochen?
Berner: Er war schüchtern. Ich hätte das gemacht.
Würth: Ich bat meinen Bekannten, sich zu erkundigen, ob sie einen Freund hat. So war das damals.
Berner: So war er. Nachher erzähle ich mal, wie ich meine erste Frau kennengelernt habe.
Würth: Ich habe einen Brief geschrieben, ich würde sie gern kennenlernen. Wochenlang kam keine Antwort, dann mal ein kurzer Brief mit der Bitte um ein Foto, dann wieder nichts. Schließlich habe ich mir ein Herz gefasst und bin hingefahren. Ich musste sie noch überzeugen, nicht zur Singstunde zu gehen. Feuer und Flamme war ich damals, ein halbes Jahr später haben wir geheiratet.

Wie viel Zeit hatten Sie in all den Jahren für das Privatleben?
Sturm: Man konnte die Uhr nicht nach der Familie stellen, alles musste nach der Firma gehen. Man hat die Auszeiten bekommen, aber nicht so wie andere. Mit den Kindern ins Schwimmbad oder auf den Fußballplatz, das ging bei mir nicht. Ich hatte deswegen lange Schuldgefühle. Meine Kinder sagen heute, dass ich da war, wenn sie mich wirklich gebraucht haben. Das beruhigt mich sehr.
Würth: Gestern Abend habe ich noch bis halb elf Post diktiert und hatte vorher den ganzen Tag gearbeitet. Ich habe heute noch 14-Stunden-Tage.

Ist es denn so schwer, loszulassen?
Würth: Ach, das ist halt die elektrische Eisenbahn. Wenn da alles schön schnurrt und summt und läuft im Unternehmen, das ist schön. Und ich möchte die Firma natürlich in einem Topzustand hinterlassen. Wir haben zu viel Lebenszeit und Herzblut hineingesteckt, als dass man jetzt sagen würde, lass die komplett machen, was sie wollen. Und die Jungen sind ja dankbar, wenn sie noch den einen oder anderen Rat bekommen.
Berner: Ich bin nur noch morgens ein paar Stunden im Geschäft, operativ halte ich mich raus. Das reicht, mehr schaffe und will ich nicht. Ich möchte noch ein paar Jahre leben und was davon haben.

Sind Sie jeden Tag in der Firma, Herr Würth?
Würth: Nein, gerade war ich zweieinhalb Monate in der Karibik unterwegs mit meiner Yacht.

Mit der berühmten, die rund 100 Mio. Euro gekostet haben soll. Dann die Steueraffäre, die österreichische Staatsbürgerschaft – die Negativschlagzeilen haben sich gehäuft.
Würth: Das mit der Yacht liegt hinter mir. Jetzt haben die Leute sich daran gewöhnt, dass der Würth halt ein größeres Boot hat. Was mich noch immer beschäftigt, ist die Vorstrafe wegen Steuerhinterziehung. Ich hatte 15 Betriebsprüfungen in 60 Jahren, nie gab es ein Problem. Dann stehen bei der 16. plötzlich Ledernacken vor dem Haus und nehmen den ganzen Betrieb auseinander. Mein Anwalt hatte mich schlecht beraten.

Lautes Protestgebrummel. Sturm und Berner regen sich auf, wie Würth behandelt wurde.

Trotzdem tragen Sie die Verantwortung. Denken Sie, Sie haben gar keinen Fehler gemacht?
Würth: Ich bin nicht fehlerlos. Aber strafrechtlich ist mein Unrechtsbewusstsein in diesem Fall recht limitiert. Einen kleinen Tick muss ich zugeben. Eine Mitarbeiterin hatte mir geschrieben, man müsse die Querverrechnungen innerhalb des Konzerns sauber regeln. Es ging ja vor allem um die Auslandsgesellschaften. Meine Antwort war: Das lassen wir jetzt, wie es seit Jahrzehnten war. Wir ändern nicht um des Änderns willen. Das war der Hauptbeweis für Steuerhinterziehung. Wenn ich damals gewusst hätte, was ich heute über Steuerstrafrecht weiß, wäre ich vor Gericht gegangen und hätte gekämpft wie ein Löwe.

Sie sind vorbestraft. Hängt Ihnen das nach?
Würth: Natürlich. Allein in den letzten Jahren vor dem Verfahren habe ich insgesamt 100 Mio. Euro gespendet und gesponsert. In die Schule, die meine Tochter gegründet hat, sind 42 Mio. Euro geflossen. Wenn ich unbedingt Geld sparen wollte, würde ich doch wohl da anfangen, oder?

Sind Sie verbittert?
Würth: Ja, eine gewisse Bitternis ist geblieben.

Ist das ein Grund, wieso Sie die österreichische Staatsbürgerschaft angenommen haben?
Würth: Ja, das hat schon was damit zu tun. Ich habe jetzt beide Staatsbürgerschaften, die deutsche und die österreichische. Wir haben hier im Land außerdem einen deutlichen Linkstrend. Das hat man bei den Wahlen in Nordrhein-Westfalen gesehen, das sieht man auch an der Zunahme der Partei Die Linke. Wir haben in Deutschland schon ähnliche Situationen in den 30er-Jahren erlebt. Die meisten Leute haben geglaubt, Hitler sei eine Mode. Ich bewundere heute jene jüdischen Familien, die schon 31/32 den Braten gerochen haben und ausgewandert sind.

Das wollen Sie jetzt tatsächlich vergleichen? Wo ist der Zusammenhang zwischen einem vermeintlichen Linksruck heute und Hitler?
Würth: Es geht darum, wie sehr sich das Volk in einer gewissen Zeit nach einem Führer sehnt, wenn alles zusammenbricht.

Die Wirtschaft wächst wie lange nicht, wir haben eine konservative, bürgerliche Regierung – da fürchten Sie wirklich einen Linksruck?
Würth: Wenn Sie jetzt zehn Jahre weiterdenken, ja, ich mache mir Sorgen. Es bedarf nur noch einer weiteren Wirtschaftskrise. Vielleicht haben die Staaten dann nicht mehr die Mittel, sie durch Bürgschaften und finanzielle Hilfen abzumildern. Stellen Sie sich dann mal vor, wir hätten fünf, sechs, sieben, acht Millionen Arbeitslose. Was glauben Sie, wie es dann zugehen würde im Land?
Berner: Als er das vor ein paar Jahren mit dem Linksruck gesagt hat, dachte ich: Unsinn. Heute sehe ich das anders. Ich fürchte die Instabilität der Politik in Deutschland und habe Angst, dass immer mehr Firmen abwandern. Die CDU ist nicht mehr die Partei der Mitte und mit Merkel um 30 Prozent nach links gerutscht. Die FDP hat versagt.
Sturm: Du darfst Reinhold nicht angreifen, das ist doch seine Partei.

So verbunden scheint Herr Würth sich der FDP nicht mehr zu fühlen …
Würth: Ich lasse meine Mitgliedschaft ruhen, so etwas gibt es im FDP-Statut nicht. Folglich bin ich eigentlich ausgetreten. Aber ich bin nach wie vor Sympathisant der liberalen Idee. Die FDP hatte gute Ansätze, aber Frau Merkel hat die Koalition mit aller Gewalt torpediert, sie will die Große Koalition zurück, weil sie recht sozialistisch denkt. Die Bundeskanzlerin hat ja seit der Kindheit nichts anderes kennengelernt als Sozialismus. Nicht nur die deutsche Wirtschaft, alle 80 Millionen Bürger profitieren von den Ergebnissen der Agenda 2010. Der momentane Wirtschaftsboom wurde von Gerhard Schröder initiiert. Der wäre der tollste CDU-Kanzler. Einen besseren kann man sich nicht vorstellen. Der hat bloß das falsche Parteibuch.

Herr Sturm, Sie sind CDU-Mitglied und kommunalpolitisch aktiv.
Sturm: Ich habe eine etwas moderatere Meinung. Die Regierung hat eine Chance verspielt. In Unternehmerkreisen war sie ja Wunschkandidat, wir hatten hohe Erwartungen. Reinhold, so leid es mir tut, da hat die FDP versagt. Wir wären alle bereit gewesen zu sagen: Hebt den Spitzensteuersatz ruhig mal ein paar Prozent an. Das wird die Sau nicht fett machen, aber es hätte psychologisch gewirkt. Jetzt haben wir es den Kleinen genommen und ziehen automatisch nach links. Jetzt strömen die Leute dahin, wo sie es scheinbar besser haben. Aber das ist ein fataler Irrtum: Um sozial sein zu können, müssen sie Geld haben.

Wie viel soziale Verantwortung tragen Sie als Unternehmer?
Sturm: Viel. Ein Unternehmen ist dazu da, Geld zu verdienen, um Arbeitsplätze und andere Dinge zu finanzieren. Und der Unternehmer, der sich das auflädt, hat eine Menge Verantwortung auf den Schultern. Alles, was er tut, wird beäugt. Geht es gut, ist er ein Held. Geht es schief, hat er alles schlecht gemacht.
Würth: Zunächst mal sehe ich die Verantwortung für 60.000 Arbeitsplätze. Und ansonsten will ich das Unternehmen natürlich weiter ausbauen.
Berner: Ich wollte ja auch noch erzählen, wie ich meine erste Frau getroffen habe. Das schaffen wir jetzt gar nicht mehr.
Würth: Jetzt bin ich auch neugierig geworden!

Berner: Ich war in Düsseldorf bei Bekannten zum Spätzleessen eingeladen. Drei hübsche Töchter hatten die, besonders die eine. Das Geschwätz ging mir auf die Nerven. „Fräulein, wollen wir ein bisschen rausfahren?“, habe ich gefragt. Dann waren wir spazieren. Zwei Stunden, wir haben uns so verknallt. Ich habe gefragt, ob sie mich heiraten will. Sie sagte ja. Dann habe ich gleich beim Vater um ihre Hand angehalten, dem musste ich versprechen, zur Not Brötchen zu verkaufen, wenn das Geschäft scheitert. Einige Monate später haben wir geheiratet. Leider ist sie sehr früh verstorben. Ich habe eine zweite Chance bekommen, dafür bin ich sehr dankbar. Mit meiner Frau Ursula bin ich jetzt seit 44 Jahren glücklich verheiratet.

Und wie war das bei Ihnen, Herr Sturm?
Sturm: Unspektakulär, meine Frau war meine Sekretärin. Ich habe sie kennengelernt, dann haben wir geheiratet. Aber ich brauchte lang, um meinen Schwiegervater zu überzeugen. Der war Schmied, fand, nur Handwerk habe goldenen Boden, und hielt mich für einen windigen Unternehmer. Nach drei Jahren hat er schweren Herzens zugestimmt.
Würth: So, jetzt wissen Sie ja bestens Bescheid. Aber nun wollen wir von Ihnen mal was wissen. Haben Sie Kinder? Sind Sie verheiratet?

Ich habe einen Freund, aber bin nicht verheiratet und habe keine Kinder.
Würth: Vergessen Sie nicht, dass wir Rentenzahler brauchen!

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Ein Spätsommermorgen in Künzelsau, Treffpunkt ist das Hotel Anne-Sophie, ein schmucker Fachwerkbau in der Altstadt. Es gehört der Familie Würth. Gerhard Sturm kommt als Erster, Albert Berner und Reinhold Würth treffen fast zeitgleich ein, ein wenig zu spät. Die Rollen werden schnell klar: Sturm ist der Höfliche, Ausgleichende, Berner noch immer der Draufgänger, Würth der gelassene Grandseigneur. Reinhold Würth: Da haben Sie aber sehr, sehr großes Glück, dass Sie uns treffen können. Wir sind ja alle viel beschäftigt und unterwegs. Wie oft sehen Sie drei sich? Albert Berner: Ab und zu gehen wir essen, und zu Geburtstagen laden wir uns ein. Da gibt es keine Barrieren. Das ist bei uns beiden, Reinhold und mir, etwas Komisch-Gutes-Schönes, weil es den Wettbewerb gibt, und man sich trotzdem freut, wenn man sich sieht. Wie lange waren Sie in einer Klasse? Berner: Drei Jahre, von der zweiten bis zur vierten Klasse. Ich habe dann die Hauptschule weitergemacht, die beiden die Oberschule. An der Prüfung habe ich auch teilgenommen, aber meine Eltern hatten kein Geld, das kostete ja damals noch was. Was waren Sie damals für Charaktere? Gerhard Sturm: Ich war ein typischer Spätzünder, Albert war ein junger Wilder. Berner: Wenn einer frech wurde, dann habe ich nicht lange gefackelt. Ich war wie ein wilder Hund. Es hat sich ja niemand um mich gekümmert. Ich habe schon mit 16 Mädchen gehabt und nicht nach einem halben Jahr mal ein Küssle gekriegt wie du, Reinhold. Wie war Reinhold Würth damals? Berner: Ein zurückhaltender Junge mit Kamera um den Hals. Er hat gern fotografiert. Reinhold war nicht wie wir, er ist nicht mit auf den Sportplatz gegangen und war zurückgezogen. Sturm: Reinhold war eben ein netter junger Mann. Würth sitzt locker zurückgelehnt in seinem Stuhl, verzieht keine Miene. Berner: Und er ist in einer sehr wohlbehüteten Familie aufgewachsen, ich nicht. Meine Eltern hatten Metzgerei und Wirtschaft, da gibt es keine Familie, sondern nur Katastrophen. Ich habe ihn immer beneidet darum. Sie sollten eigentlich selbst Metzger werden. Berner: Zwei Jahre habe ich in der Metzgerei meines Vaters gearbeitet, dann hatte ich keine Lust mehr. Ich war glücklich, als mich Adolf Würth, Reinholds Vater, als Lehrling eingestellt hat. Das war eine Zeit, das könnt ihr Jungen euch heute gar nicht vorstellen. Es gab keine Lehrstellen, im Krieg auch keine Lehrer, die waren ja alle an der Front. Wir waren 1945 ein Dreivierteljahr ohne Schule. Und was taten Sie in dieser Zeit? Berner: Gar nichts, rumgeschlägert haben wir. Sturm: Das war die schönste Zeit, von April bis Herbst war nichts, bis das Schuljahr wieder anfing. Würth: Ich habe in der Zeit Kippen gesucht. Mein Vater war Raucher, und die Amis haben ihre Zigaretten oft bloß bis zur Hälfte geraucht, die habe ich dann aufgesammelt. Berner: Ich habe die Zigaretten geklaut. In den Kasernen bei den Amis hatte ich Freunde. Wenn die zum Mittagessen sind, bin ich eingestiegen und habe die Packungen aus den Schränken geholt. Herr Sturm, was sollten Sie werden? Sturm: Ich sollte erst mal zur Schule gehen ... Würth: Pfarrer. Sturm: ... und dann katholischer Pfarrer werden. Berner: Oh, lieber Gott. Sturm: Ich war Ministrant und habe Latein gelernt. Mein Weg war vorgegeben, aber dann wollte ich nicht mehr. Ich habe gesehen, wie der Pfarrer lebte. Das war für mich so eine Art Isolationshaft. Würth: Da waren die Mädle zu hübsch. Und Sie, Herr Würth, sollten Sie immer schon in den Schraubenhandel des Vaters einsteigen? Würth: Meine Mutter wollte, dass ich Schulmeister werde. Mein Vater fand: Der Kerle kommt in den Betrieb. So war das dann. Sie kamen als Lehrling zu Würth, Herr Berner. Berner: Das war der Wendepunkt in meinem Leben. Vater Würth starb, kurz nachdem meine Lehre zu Ende war, und Reinhold hat mir dann gekündigt. Wieso eigentlich? Berner: Na, weil Reinhold ein Bub von 19 Jahren war! Er hat Angst gehabt, ob er den Betrieb weiterführen kann. Der einzige andere Angestellte hat aber gekündigt. Da hat Reinhold meine Kündigung zurückgezogen, und ich habe weitergemacht. 1957 sind Sie ausgestiegen und haben Ihren eigenen Schraubenhandel gegründet. Warum? Berner: Ach, wissen Sie, es hat sich im Laufe der Zeit einfach gezeigt … Eifersucht kann man so nicht sagen. Aber ich habe gemerkt: Es kann schwierig werden. Wir sind ein paarmal zusammengerasselt, wegen belangloser Sachen. Ich hatte den Instinkt zu sagen: Es ist besser, ich gehe. Wie war das damals für Sie, Herr Würth? Würth: Ich kann mich nicht genau erinnern, aber es war sicher ein Schock. Du warst der einzige Verkäufer gewesen mit mir zusammen, oder? Berner: Ja, natürlich. Würth: Man sagt nicht umsonst, Konkurrenz belebt das Geschäft. Das ist ja heute noch ein guter Antrieb. Sie sind die ewige Nummer zwei hinter Würth, Herr Berner. Ärgert Sie das? Berner: Natürlich ist Reinhold mein Wettbewerber. Aber ich sehe Würth anders als alle anderen. Der kann machen, was er will, der geht seinen Weg. Ich gehe meinen, der ist auch erfolgreich. Sie sind bei Ziehl-Abegg ausgestiegen und haben 1963 eine Firma gegründet, Herr Sturm. Sturm: Aber das war nicht so spektakulär. Ich habe nach der Schule erst mal eine technische Ausbildung gemacht, die drei Jahre habe ich im Lehrlingsheim gewohnt. Das war hart für einen Bub mit 14 Jahren. Einmal im Monat konnte ich nach Hause. Dann ging ich wieder nach Künzelsau und begann, bei meinem Mentor Heinz Ziehl zu arbeiten. Später hat er mit mir EBM-Papst gegründet. Sie haben aus dem Nichts Weltmarktführerfirmen aufgebaut. Was hat Sie angetrieben? Sturm: Da kann ich wohl für uns alle sprechen: Wir waren eine Kriegsgeneration, wir sind in ganz, ganz schwierigen Verhältnissen aufgewachsen, hatten Sehnsucht nach Dingen, die es nicht gab. Und wenn es nur Süßigkeiten oder Orangen waren. Wir waren alle von einem getrieben: Wir wollten es mal besser haben. Das war die innere Triebfeder, die Zeit hat uns geholfen. Stichwort Wirtschaftswunder. Die Betriebe sind da nicht nur fünf, sondern jedes Jahr 20, 30 Prozent gewachsen. Berner: Wir hatten einmal im Jahr einen schönen Abend, das war der Heilige Abend. Mein Vater hat Metzgerei und Wirtschaft zugemacht, wir haben Karten gespielt und Würstchen mit Kartoffelsalat gegessen. Wir haben meine Eltern sonst nie gesehen. Die Kerle saßen da und haben bis Mitternacht gesoffen. Ich kriege heute noch Gänsehaut, wenn ich dran denke. Mein Traum war ein Auto – ein kleiner Topolino – ein kleines Häuschen und eine schöne Frau. Dafür habe ich geschuftet. Würth: Meine liebe Frau verdanke ich übrigens dem Albert Berner. Berner nickt und brummt zustimmend. Würth: Wir waren am Bodensee zum Verkaufen unterwegs. Ich hatte das Auto, er musste zu Fuß durch Friedrichshafen tigern, abends wollten wir uns treffen, aber wir haben uns verpasst. Die Zeit habe ich mir in einem Gottesdienst vertrieben. Ich war sehr religiös erzogen. Ich saß in der Bank, und da ist eine vorbeigeschwebt in gelber Strickjacke, schwarze Haare, hübsches Gesicht. Dann habe ich das Mädle immer bestaunt und nicht viel mitgekriegt von der Predigt. Später habe ich jemanden, der auch in Künzelsau wohnte und wie ich neuapostolisch ist, nach ihrem Namen gefragt. Sie haben sie an dem Tag nicht angesprochen? Berner: Er war schüchtern. Ich hätte das gemacht. Würth: Ich bat meinen Bekannten, sich zu erkundigen, ob sie einen Freund hat. So war das damals. Berner: So war er. Nachher erzähle ich mal, wie ich meine erste Frau kennengelernt habe. Würth: Ich habe einen Brief geschrieben, ich würde sie gern kennenlernen. Wochenlang kam keine Antwort, dann mal ein kurzer Brief mit der Bitte um ein Foto, dann wieder nichts. Schließlich habe ich mir ein Herz gefasst und bin hingefahren. Ich musste sie noch überzeugen, nicht zur Singstunde zu gehen. Feuer und Flamme war ich damals, ein halbes Jahr später haben wir geheiratet. Wie viel Zeit hatten Sie in all den Jahren für das Privatleben? Sturm: Man konnte die Uhr nicht nach der Familie stellen, alles musste nach der Firma gehen. Man hat die Auszeiten bekommen, aber nicht so wie andere. Mit den Kindern ins Schwimmbad oder auf den Fußballplatz, das ging bei mir nicht. Ich hatte deswegen lange Schuldgefühle. Meine Kinder sagen heute, dass ich da war, wenn sie mich wirklich gebraucht haben. Das beruhigt mich sehr. Würth: Gestern Abend habe ich noch bis halb elf Post diktiert und hatte vorher den ganzen Tag gearbeitet. Ich habe heute noch 14-Stunden-Tage. Ist es denn so schwer, loszulassen? Würth: Ach, das ist halt die elektrische Eisenbahn. Wenn da alles schön schnurrt und summt und läuft im Unternehmen, das ist schön. Und ich möchte die Firma natürlich in einem Topzustand hinterlassen. Wir haben zu viel Lebenszeit und Herzblut hineingesteckt, als dass man jetzt sagen würde, lass die komplett machen, was sie wollen. Und die Jungen sind ja dankbar, wenn sie noch den einen oder anderen Rat bekommen. Berner: Ich bin nur noch morgens ein paar Stunden im Geschäft, operativ halte ich mich raus. Das reicht, mehr schaffe und will ich nicht. Ich möchte noch ein paar Jahre leben und was davon haben. Sind Sie jeden Tag in der Firma, Herr Würth? Würth: Nein, gerade war ich zweieinhalb Monate in der Karibik unterwegs mit meiner Yacht. Mit der berühmten, die rund 100 Mio. Euro gekostet haben soll. Dann die Steueraffäre, die österreichische Staatsbürgerschaft – die Negativschlagzeilen haben sich gehäuft. Würth: Das mit der Yacht liegt hinter mir. Jetzt haben die Leute sich daran gewöhnt, dass der Würth halt ein größeres Boot hat. Was mich noch immer beschäftigt, ist die Vorstrafe wegen Steuerhinterziehung. Ich hatte 15 Betriebsprüfungen in 60 Jahren, nie gab es ein Problem. Dann stehen bei der 16. plötzlich Ledernacken vor dem Haus und nehmen den ganzen Betrieb auseinander. Mein Anwalt hatte mich schlecht beraten. Lautes Protestgebrummel. Sturm und Berner regen sich auf, wie Würth behandelt wurde. Trotzdem tragen Sie die Verantwortung. Denken Sie, Sie haben gar keinen Fehler gemacht? Würth: Ich bin nicht fehlerlos. Aber strafrechtlich ist mein Unrechtsbewusstsein in diesem Fall recht limitiert. Einen kleinen Tick muss ich zugeben. Eine Mitarbeiterin hatte mir geschrieben, man müsse die Querverrechnungen innerhalb des Konzerns sauber regeln. Es ging ja vor allem um die Auslandsgesellschaften. Meine Antwort war: Das lassen wir jetzt, wie es seit Jahrzehnten war. Wir ändern nicht um des Änderns willen. Das war der Hauptbeweis für Steuerhinterziehung. Wenn ich damals gewusst hätte, was ich heute über Steuerstrafrecht weiß, wäre ich vor Gericht gegangen und hätte gekämpft wie ein Löwe. Sie sind vorbestraft. Hängt Ihnen das nach? Würth: Natürlich. Allein in den letzten Jahren vor dem Verfahren habe ich insgesamt 100 Mio. Euro gespendet und gesponsert. In die Schule, die meine Tochter gegründet hat, sind 42 Mio. Euro geflossen. Wenn ich unbedingt Geld sparen wollte, würde ich doch wohl da anfangen, oder? Sind Sie verbittert? Würth: Ja, eine gewisse Bitternis ist geblieben. Ist das ein Grund, wieso Sie die österreichische Staatsbürgerschaft angenommen haben? Würth: Ja, das hat schon was damit zu tun. Ich habe jetzt beide Staatsbürgerschaften, die deutsche und die österreichische. Wir haben hier im Land außerdem einen deutlichen Linkstrend. Das hat man bei den Wahlen in Nordrhein-Westfalen gesehen, das sieht man auch an der Zunahme der Partei Die Linke. Wir haben in Deutschland schon ähnliche Situationen in den 30er-Jahren erlebt. Die meisten Leute haben geglaubt, Hitler sei eine Mode. Ich bewundere heute jene jüdischen Familien, die schon 31/32 den Braten gerochen haben und ausgewandert sind. Das wollen Sie jetzt tatsächlich vergleichen? Wo ist der Zusammenhang zwischen einem vermeintlichen Linksruck heute und Hitler? Würth: Es geht darum, wie sehr sich das Volk in einer gewissen Zeit nach einem Führer sehnt, wenn alles zusammenbricht. Die Wirtschaft wächst wie lange nicht, wir haben eine konservative, bürgerliche Regierung – da fürchten Sie wirklich einen Linksruck? Würth: Wenn Sie jetzt zehn Jahre weiterdenken, ja, ich mache mir Sorgen. Es bedarf nur noch einer weiteren Wirtschaftskrise. Vielleicht haben die Staaten dann nicht mehr die Mittel, sie durch Bürgschaften und finanzielle Hilfen abzumildern. Stellen Sie sich dann mal vor, wir hätten fünf, sechs, sieben, acht Millionen Arbeitslose. Was glauben Sie, wie es dann zugehen würde im Land? Berner: Als er das vor ein paar Jahren mit dem Linksruck gesagt hat, dachte ich: Unsinn. Heute sehe ich das anders. Ich fürchte die Instabilität der Politik in Deutschland und habe Angst, dass immer mehr Firmen abwandern. Die CDU ist nicht mehr die Partei der Mitte und mit Merkel um 30 Prozent nach links gerutscht. Die FDP hat versagt. Sturm: Du darfst Reinhold nicht angreifen, das ist doch seine Partei. So verbunden scheint Herr Würth sich der FDP nicht mehr zu fühlen ... Würth: Ich lasse meine Mitgliedschaft ruhen, so etwas gibt es im FDP-Statut nicht. Folglich bin ich eigentlich ausgetreten. Aber ich bin nach wie vor Sympathisant der liberalen Idee. Die FDP hatte gute Ansätze, aber Frau Merkel hat die Koalition mit aller Gewalt torpediert, sie will die Große Koalition zurück, weil sie recht sozialistisch denkt. Die Bundeskanzlerin hat ja seit der Kindheit nichts anderes kennengelernt als Sozialismus. Nicht nur die deutsche Wirtschaft, alle 80 Millionen Bürger profitieren von den Ergebnissen der Agenda 2010. Der momentane Wirtschaftsboom wurde von Gerhard Schröder initiiert. Der wäre der tollste CDU-Kanzler. Einen besseren kann man sich nicht vorstellen. Der hat bloß das falsche Parteibuch. Herr Sturm, Sie sind CDU-Mitglied und kommunalpolitisch aktiv. Sturm: Ich habe eine etwas moderatere Meinung. Die Regierung hat eine Chance verspielt. In Unternehmerkreisen war sie ja Wunschkandidat, wir hatten hohe Erwartungen. Reinhold, so leid es mir tut, da hat die FDP versagt. Wir wären alle bereit gewesen zu sagen: Hebt den Spitzensteuersatz ruhig mal ein paar Prozent an. Das wird die Sau nicht fett machen, aber es hätte psychologisch gewirkt. Jetzt haben wir es den Kleinen genommen und ziehen automatisch nach links. Jetzt strömen die Leute dahin, wo sie es scheinbar besser haben. Aber das ist ein fataler Irrtum: Um sozial sein zu können, müssen sie Geld haben. Wie viel soziale Verantwortung tragen Sie als Unternehmer? Sturm: Viel. Ein Unternehmen ist dazu da, Geld zu verdienen, um Arbeitsplätze und andere Dinge zu finanzieren. Und der Unternehmer, der sich das auflädt, hat eine Menge Verantwortung auf den Schultern. Alles, was er tut, wird beäugt. Geht es gut, ist er ein Held. Geht es schief, hat er alles schlecht gemacht. Würth: Zunächst mal sehe ich die Verantwortung für 60.000 Arbeitsplätze. Und ansonsten will ich das Unternehmen natürlich weiter ausbauen. Berner: Ich wollte ja auch noch erzählen, wie ich meine erste Frau getroffen habe. Das schaffen wir jetzt gar nicht mehr. Würth: Jetzt bin ich auch neugierig geworden! Berner: Ich war in Düsseldorf bei Bekannten zum Spätzleessen eingeladen. Drei hübsche Töchter hatten die, besonders die eine. Das Geschwätz ging mir auf die Nerven. "Fräulein, wollen wir ein bisschen rausfahren?", habe ich gefragt. Dann waren wir spazieren. Zwei Stunden, wir haben uns so verknallt. Ich habe gefragt, ob sie mich heiraten will. Sie sagte ja. Dann habe ich gleich beim Vater um ihre Hand angehalten, dem musste ich versprechen, zur Not Brötchen zu verkaufen, wenn das Geschäft scheitert. Einige Monate später haben wir geheiratet. Leider ist sie sehr früh verstorben. Ich habe eine zweite Chance bekommen, dafür bin ich sehr dankbar. Mit meiner Frau Ursula bin ich jetzt seit 44 Jahren glücklich verheiratet. Und wie war das bei Ihnen, Herr Sturm? Sturm: Unspektakulär, meine Frau war meine Sekretärin. Ich habe sie kennengelernt, dann haben wir geheiratet. Aber ich brauchte lang, um meinen Schwiegervater zu überzeugen. Der war Schmied, fand, nur Handwerk habe goldenen Boden, und hielt mich für einen windigen Unternehmer. Nach drei Jahren hat er schweren Herzens zugestimmt. Würth: So, jetzt wissen Sie ja bestens Bescheid. Aber nun wollen wir von Ihnen mal was wissen. Haben Sie Kinder? Sind Sie verheiratet? Ich habe einen Freund, aber bin nicht verheiratet und habe keine Kinder. Würth: Vergessen Sie nicht, dass wir Rentenzahler brauchen!
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