Gesellschafter-Austritt
So gelingt eine einvernehmliche Trennung

Der Austritt von Gesellschaftern zählt zu den schwierigsten Situationen für eine Firma. Ein Rauswurf wird schnell zur Schlammschlacht. Was Unternehmer beachten sollten.

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Nach zehn Jahren ging Meike Müller neue Wege. Sie schied aus der Marketingagentur aus, die sie gemeinsam mit einem Partner gegründet hatte. „Unsere unterschiedlichen Persönlichkeiten waren gut für die Aufbaujahre, für den weiteren Ausbau waren sie eher hinderlich“, erzählt die Berlinerin. Doch von einem Tag auf den anderen wollte sie ihr Unternehmen nicht verlassen.

Schließlich sollten auch nach ihrem Ausscheiden die Geschäfte reibungslos weiterlaufen und die 14 Mit­arbeiter ihre Jobs behalten. Zwei lange Jahre nahm die Trennung von ihrem Kompagnon in Anspruch – hinter den Kulissen. Müller: „In der Zwischenzeit waren unzählige Punkte zu klären.“

Gerade diese Details sind es, die häufig für Unmut sorgen. Zum Beispiel: Welchen Wert hat der Firmenanteil? Darf der Ex-Partner künftig in derselben Branche tätig werden? Und wenn ja, sofort oder erst in einigen Jahren? Und verbleiben die Kunden, die ausschließlich von ihm betreut wurden, im alten Betrieb? Die Klärung solcher Fragen ist nicht nur für den ausscheidenden Gesellschafter immens wichtig, sondern vor allem für das Unternehmen selbst.

Denn kommt es zum Streit über den Ausstieg eines Mitstreiters an der Unternehmensspitze, droht Stillstand – und das ist langfristig der Tod für jede Firma. Das Problem: Kaum einer will sich mit dem unangenehmen Thema Streit unter Gesellschaftern befassen. Dabei lässt sich ein möglicher Konflikt von vornherein entschärfen, wenn Gründer beziehungsweise erfahrene Unternehmer ihre Gesellschafterverträge entsprechend anpassen – und am besten nach jeder Änderung im Führungsteam überprüfen.

Konflikte verunsichern Mitarbeiter

„Eine Trennung im gegenseitigen Einvernehmen ist eher die Ausnahme – in der Regel kommt es bei den Verhandlungen über Konditionen zu handfesten Auseinandersetzungen, weil jeder seine Vorstellungen durchsetzen will“, sagt der auf Gesellschaftsrecht spezialisierte Rechtsanwalt René Matz von der Frankfurter Kanzlei Patzina.

Auch Außen­stehende lassen sich schnell von der schlechten Stimmung anstecken: „Oftmals verunsichern die Konflikte die Mitarbeiter und Geschäftspartner, sodass sie das Interesse verlieren, weiterhin gemeinsam an einem Strang zu ziehen“, beobachtet der Rechtsanwalt. Wer im Gesellschaftervertrag die wichtigsten Punkte in Sachen außerplanmäßige Abnabelung fixieren will, sollte einige wichtige Punkte beachten. So gilt etwa: Je mehr Gesellschafter involviert sind, desto größer die Hürden, weil mehr Formalitäten beachtet werden müssen.

Mit einem Standardvertrag oder einer Mustersatzung, wie sie zum Beispiel von den Berufsverbänden angeboten werden, lassen sich die potenziellen Streitpunkte allerdings nicht im Vorfeld erfassen. „Gründer oder auch Unternehmer, die den Gesellschaftsvertrag ändern wollen, sollten nicht am falschen Ende sparen – besser ist es, wenn alle Beteiligten gemeinsam mit einem versierten Experten diese individuellen Klauseln formulieren“, so Matz.

Besonders häufig betroffen von den Konflikten sind Betriebe, bei denen die Gesellschafter nicht nur ihr Kapital investieren, sondern persönlich in der Geschäftsführung engagiert sind. Also zum Beispiel Freiberufler, die gemeinsam eine Praxis beziehungsweise ein Büro führen.

Familienstreit um die Rendite

Ein noch größeres Spannungspotenzial bergen Familienunternehmen. „Weil bei ihnen die emotionale Bindung an die Firma besonders hoch ist“, sagt Rudolf Wimmer, Professor am Institut für Familienunternehmen der Universität Witten/Herdecke. Dies gilt insbesondere für jene Betriebe, die bereits seit drei oder mehr Generationen desselben Clans bestehen. Wimmer: „Meist gibt es jeweils einen Familienzweig, der stärker in der Firma engagiert ist.“

Während die einen als bloße Investoren stets hohe Renditen erwarten, sind die anderen an der langfristigen Weiterentwicklung des Unternehmens interessiert und bringen auch einmal für Geschäftsjahre mit hohen Investitionen und geringeren Erträgen Verständnis auf. Die Konflikte bei den Versammlungen sind also programmiert – und enden nicht selten im Rauswurf eines vermeintlich unfä­higen Gesellschafters.

Das wohl prominenteste Beispiel hierzulande für einen solchen Streit lieferte die Bahlsen-Familie. Jahrelang zankten sich die Erben des 120 Jahre alten Keks- und Snack-Imperiums um die vermeintlich richtige Strategie. Bis die Verantwortlichen die Reißleine zogen und den Konzern in drei Teile zerlegten: Die Sparten Süßgebäck, Snacks und Immobilien- beziehungsweise Finanzdienstleistungen wurden eigenständig und jeweils einem einzelnen Clanangehörigen unterstellt. „Die Aufteilung war die richtige Lösung“, kommentierte Gründer­enkel Werner Michael Bahlsen, Geschäftsführer der Keks-Sparte, nach rund vier Jahren Eigenständigkeit. „Ansonsten hätte das gesamte Unternehmen unter dem Streit Schaden genommen.“

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Realteilung als Lösungsweg

Die Hannoveraner setzten bei der Trennung auf das wohl einfachste Verfahren, die Realteilung. Dabei wurden die einzelnen Vermögensbestandteile der alten Bahlsen KG nach ihrem Buchwert in der Bilanz gewichtet und an die neuen Chefs übertragen.

„Die Realteilung ist eine der sinnvollsten Lösungen für einen Gesellschafterstreit“, meint Professor Wimmer. Und eine schnelle dazu: Endet der Zwist um die Höhe von Abfindungen oder die Bewertungen einzelner Firmenteile erst einmal vor Gericht, müssen sich die Beteiligten in Geduld üben. „Meist sind die Richter mit der Bewertung überfordert und beauftragen einen Sachverständigen – und bis dieser Experte zu einem Ergebnis kommt, können zwei Jahre Rechtsstreit vergehen“, sagt Christian Lentföhr.

Hinzu kommen noch die anfallenden Kosten. Diese beziffert der Düsseldorfer Fach­anwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht auf bis zu 20.000 Euro: „Da kommt es wesentlich günstiger, wenn sich die Beteiligten zuvor unter­einander einigen konnten.“

Der Fall des Unternehmers Michael Weiß (Name von der Redaktion geändert) zeigt aber, wie schwer eine solche Lösung in der Praxis ist, wenn sich die Gesellschafter erst einmal zerstritten haben. Weiß, ein Mandant von Anwalt Lentföhr, gründete gemeinsam mit seinen drei Partnern vor sechs Jahren ein IT-Haus. Die Spezialisten boten ihren Kunden eine selbst entwickelte Software und als Hauptgeschäft Services rund um SAP-Produkte an. Ihre zweigleisige Strategie führte schnell zum Durchbruch, der Jahresumsatz erreichte schon in den ersten Geschäftsjahren mehr als 500.000 Euro.

Als es galt, die künftige Wachstumsstrategie festzulegen, kam es jedoch zum Streit: Während zwei Gesellschafter weiterhin Kapital in das Programm investieren wollten, um dieses Standbein auszubauen, plädierten die anderen beiden dafür, diesen Zweig ganz aufzugeben und sich auf die bisher so lukrativen SAP-Dienstleistungen zu konzentrieren. Heimlich meldete Weiß mit einem Gründerkollegen im Ausland eine neue Gesellschaft an – unter gleichem Namen, mit dem Ziel, die eigene Beratung stärker zu vermarkten.

Nach rund zwölf Monaten bekamen die Gründerkollegen das Doppelspiel spitz – und wollten die Abtrünnigen verklagen. „Ich konnte ihnen aber rasch klarmachen, wie lange ein Markenrechtsprozess dauern würde und dass die anfallenden Kosten schnell den Liquiditätsrahmen der Firma sprengen würden“, berichtet Lentföhr. Die Aussicht, das eigene Unternehmen in den Ruin zu treiben, zwang die Partner an den Verhandlungstisch. „Nach nur vier Wochen war der Teilungsvertrag reif zur Unterschrift“, so Anwalt Lentföhr. Die beiden Frak­tionen gehen künftig getrennte Wege. Dank der schnellen Einigung, so die Hoffnung der verbliebenen Gesellschafter, hat das IT-Haus nicht allzu viel Vertrauen bei Kunden und Mitarbeitern eingebüßt.

Ein Moderator für heikle Themen

Ein Anliegen, das auch Meike Müller während ihrer zweijährigen Abnabelungsphase sehr am Herzen lag. „Wir gingen bei unseren Verhandlungen so unauffällig vor, dass viele Geschäftspartner überrascht waren, als ich tatsächlich ausgeschieden bin“, erzählt sie. Bei diesem geräuschlosen Abschied half ihr ein neutraler Mediator, der bei allen Treffen mit ihrem Ex-Partner dabei war. „Seine Moderation hat dafür gesorgt, dass wir immer wieder auf die sachliche Verhandlungsebene zurückgekommen sind – auch bei so heiklen Themen wie der Bewertung der Anteile“, so Müller.

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Einen Firmenstart ohne detaillierte Ausstiegsklauseln im Gesellschaftervertrag würde sie nicht empfehlen. Müller: „Man lernt seinen Gründerkollegen ja viel besser kennen, wenn man im Vorfeld über so heikle Themen wie die Details einer Trennung diskutiert.“

Um Streit im Trennungsfall zu vermeiden, sollten Unternehmer bei der Gründung oder auch später einige Punkte schriftlich festhalten. Je mehr Details im Vorfeld geregelt sind, desto reibungsloser erfolgt später die Abnabelung.

Die Gründe für den Austritt

Beschreiben Sie exemplarisch, bei welchen Vorfällen eine Trennung von einem Geschäftsführer möglich ist. Zum Beispiel, wenn er sich strafbar gemacht hat, nachweislich Firmengelder veruntreut oder gegen das Wettbewerbsverbot verstoßen hat. Schwierig wird es später bei so pauschalen Formulierungen wie etwa „das Verhältnis ist so zerrüttet, dass eine vertrauensvolle Zusammenarbeit nicht mehr möglich ist“. Versuchen Sie, anhand von Beispielen konkreter zu werden – lassen Sie sich aber immer eine Hintertür für einen bisher nicht bedachten Trennungsgrund offen.

Die Gesellschafterversammlung

Legen Sie die Frist fest, innerhalb derer zur alles entscheidenden Gesellschafterversammlung geladen werden muss, und bestimmen Sie, wer eine solche Zusammenkunft einberufen darf. Zudem sollte der Teilnehmerkreis und wenn möglich auch der Ort fixiert werden. In einigen Firmen ist es üblich, in einer ersten Versammlung den Rauswurf anzudrohen und den Betroffenen noch einmal anzuhören – anschließend erhält er erneut die Chance, sein Verhalten zu ändern. Erst in einem zweiten Treffen wird über die endgültige Trennung entschieden. Auch hier gilt: immer konkrete Fristen setzen.

Die Abstimmung

Klären Sie vorab, ob für den Rauswurf ein einstimmiges oder ein mehrheitliches Votum der Gesellschafter vorliegen muss. Wichtig zu wissen ist auch, ob der Betroffene selbst mitstimmen darf und ob Enthaltungen möglich sind.

Die Abfindung

Über das Trennungsgeld wird am häufigsten gestritten. Deshalb bei diesem Punkt besonders sorgsam formulieren. Auf welcher Basis wird zum Beispiel der Wert der Unternehmensanteile berechnet – zum Verkehrswert oder zum Buchwert? Werden tatsächlich alle Bilanzposten – etwa auch die stillen Reserven – dabei berücksichtigt?

Für den Fall, dass der Rauswurf bereits vollzogen wurde, bevor die Abfindung berechnet werden konnte: Welche Firmenunterlagen darf der Ex-Partner anschließend einsehen, um die korrekte Berechnung der Abfindung zu kontrollieren?

Die Abläufe

Die Chefs sollten sich zudem Gedanken darüber machen, wie ihre Firma während der Trennungsphase weitergeführt werden soll. Zum Beispiel: Wie viele Stimmanteile werden benötigt, um in dieser Zeit bestimmte Entscheidungen zu treffen?

Darf der Ausscheidende mit – beraten und abstimmen, beziehungsweise sind auch Beschlüsse ohne sein Mitwirken in Zukunft gültig? Wenn er nicht dabei sein darf: Wie werden seine Stimmanteile aufgeteilt?

Die Zukunft

Viel Ärger lässt sich sparen, wenn sich die Betroffenen schon über die Zeit nach der Trennung Gedanken gemacht haben. Etwa darüber, ob der Abtrünnige Kunden mitnehmen darf, bei denen der Auftrag noch nicht voll abgeschlossen ist. Und ob er direkt wieder in derselben Branche tätig werden darf.

Wenn die Mehrheit geht

Der Super-GAU: Sechs von insgesamt zehn Partnern verlassen die Anwaltskanzlei. Dennoch gilt der alte Gesellschaftervertrag weiter, entschied der Bundesgerichtshof (BGH, Az: II ZR 181/04). Allerdings verboten die Richter die zuvor festgelegten Abfindungsregeln: Danach hätten die Ausgeschiedenen ihre schwebenden Verfahren nicht fortführen dürfen, hätten keinen Ausgleich für ihre Anteile am Gesellschaftsvermögen erhalten, dafür eine Abfindung, über deren Höhe jedoch die Verbleibenden nach Gutdünken hätten entscheiden können.

Wenn der Chef stirbt

Der Geschäftsführer hatte Tochter und Sohn die Firma zu gleichen Teilen hinterlassen. Seine Bedingung: Nach Ablauf einer Mindestfrist kann der Sohn seiner Schwester kündigen und den Betrieb allein weiter führen. Ein entsprechender Verweis musste in den Gesellschaftervertrag aufgenommen werden. Der BGH erkannte diese Klausel an, weil sie auf dem letzten Willen des Erblassers gründete (Az II ZR 300/05).

Wenn der Neue kommt

Für den Ausschluss eines Gesellschafters muss stets ein wichtiger Grund vorliegen. Die Hürde darf aber nicht dazu führen, dass potenzielle neue Kandidaten über mehrere Jahre hinweg geprüft werden. So geschehen bei einem Laborarzt, der zehn Jahre lang keinen Gesellschaftervertrag unterschreiben durfte, da seine Kollegen sich noch immer nicht sicher waren, ob eine vertrauensvolle Zusammenarbeit möglich sei. Zu lange, befand der BGH (Az: II ZR 281/05). Spätestens nach drei Jahren muss die Entscheidung fallen.

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Nach zehn Jahren ging Meike Müller neue Wege. Sie schied aus der Marketingagentur aus, die sie gemeinsam mit einem Partner gegründet hatte. "Unsere unterschiedlichen Persönlichkeiten waren gut für die Aufbaujahre, für den weiteren Ausbau waren sie eher hinderlich", erzählt die Berlinerin. Doch von einem Tag auf den anderen wollte sie ihr Unternehmen nicht verlassen. Schließlich sollten auch nach ihrem Ausscheiden die Geschäfte reibungslos weiterlaufen und die 14 Mit­arbeiter ihre Jobs behalten. Zwei lange Jahre nahm die Trennung von ihrem Kompagnon in Anspruch – hinter den Kulissen. Müller: "In der Zwischenzeit waren unzählige Punkte zu klären." Gerade diese Details sind es, die häufig für Unmut sorgen. Zum Beispiel: Welchen Wert hat der Firmenanteil? Darf der Ex-Partner künftig in derselben Branche tätig werden? Und wenn ja, sofort oder erst in einigen Jahren? Und verbleiben die Kunden, die ausschließlich von ihm betreut wurden, im alten Betrieb? Die Klärung solcher Fragen ist nicht nur für den ausscheidenden Gesellschafter immens wichtig, sondern vor allem für das Unternehmen selbst. Denn kommt es zum Streit über den Ausstieg eines Mitstreiters an der Unternehmensspitze, droht Stillstand – und das ist langfristig der Tod für jede Firma. Das Problem: Kaum einer will sich mit dem unangenehmen Thema Streit unter Gesellschaftern befassen. Dabei lässt sich ein möglicher Konflikt von vornherein entschärfen, wenn Gründer beziehungsweise erfahrene Unternehmer ihre Gesellschafterverträge entsprechend anpassen – und am besten nach jeder Änderung im Führungsteam überprüfen. Konflikte verunsichern Mitarbeiter "Eine Trennung im gegenseitigen Einvernehmen ist eher die Ausnahme – in der Regel kommt es bei den Verhandlungen über Konditionen zu handfesten Auseinandersetzungen, weil jeder seine Vorstellungen durchsetzen will", sagt der auf Gesellschaftsrecht spezialisierte Rechtsanwalt René Matz von der Frankfurter Kanzlei Patzina. Auch Außen­stehende lassen sich schnell von der schlechten Stimmung anstecken: "Oftmals verunsichern die Konflikte die Mitarbeiter und Geschäftspartner, sodass sie das Interesse verlieren, weiterhin gemeinsam an einem Strang zu ziehen", beobachtet der Rechtsanwalt. Wer im Gesellschaftervertrag die wichtigsten Punkte in Sachen außerplanmäßige Abnabelung fixieren will, sollte einige wichtige Punkte beachten. So gilt etwa: Je mehr Gesellschafter involviert sind, desto größer die Hürden, weil mehr Formalitäten beachtet werden müssen. Mit einem Standardvertrag oder einer Mustersatzung, wie sie zum Beispiel von den Berufsverbänden angeboten werden, lassen sich die potenziellen Streitpunkte allerdings nicht im Vorfeld erfassen. "Gründer oder auch Unternehmer, die den Gesellschaftsvertrag ändern wollen, sollten nicht am falschen Ende sparen – besser ist es, wenn alle Beteiligten gemeinsam mit einem versierten Experten diese individuellen Klauseln formulieren", so Matz. Besonders häufig betroffen von den Konflikten sind Betriebe, bei denen die Gesellschafter nicht nur ihr Kapital investieren, sondern persönlich in der Geschäftsführung engagiert sind. Also zum Beispiel Freiberufler, die gemeinsam eine Praxis beziehungsweise ein Büro führen. Familienstreit um die Rendite Ein noch größeres Spannungspotenzial bergen Familienunternehmen. "Weil bei ihnen die emotionale Bindung an die Firma besonders hoch ist", sagt Rudolf Wimmer, Professor am Institut für Familienunternehmen der Universität Witten/Herdecke. Dies gilt insbesondere für jene Betriebe, die bereits seit drei oder mehr Generationen desselben Clans bestehen. Wimmer: "Meist gibt es jeweils einen Familienzweig, der stärker in der Firma engagiert ist." Während die einen als bloße Investoren stets hohe Renditen erwarten, sind die anderen an der langfristigen Weiterentwicklung des Unternehmens interessiert und bringen auch einmal für Geschäftsjahre mit hohen Investitionen und geringeren Erträgen Verständnis auf. Die Konflikte bei den Versammlungen sind also programmiert – und enden nicht selten im Rauswurf eines vermeintlich unfä­higen Gesellschafters. Das wohl prominenteste Beispiel hierzulande für einen solchen Streit lieferte die Bahlsen-Familie. Jahrelang zankten sich die Erben des 120 Jahre alten Keks- und Snack-Imperiums um die vermeintlich richtige Strategie. Bis die Verantwortlichen die Reißleine zogen und den Konzern in drei Teile zerlegten: Die Sparten Süßgebäck, Snacks und Immobilien- beziehungsweise Finanzdienstleistungen wurden eigenständig und jeweils einem einzelnen Clanangehörigen unterstellt. "Die Aufteilung war die richtige Lösung", kommentierte Gründer­enkel Werner Michael Bahlsen, Geschäftsführer der Keks-Sparte, nach rund vier Jahren Eigenständigkeit. "Ansonsten hätte das gesamte Unternehmen unter dem Streit Schaden genommen." Realteilung als Lösungsweg Die Hannoveraner setzten bei der Trennung auf das wohl einfachste Verfahren, die Realteilung. Dabei wurden die einzelnen Vermögensbestandteile der alten Bahlsen KG nach ihrem Buchwert in der Bilanz gewichtet und an die neuen Chefs übertragen. "Die Realteilung ist eine der sinnvollsten Lösungen für einen Gesellschafterstreit", meint Professor Wimmer. Und eine schnelle dazu: Endet der Zwist um die Höhe von Abfindungen oder die Bewertungen einzelner Firmenteile erst einmal vor Gericht, müssen sich die Beteiligten in Geduld üben. "Meist sind die Richter mit der Bewertung überfordert und beauftragen einen Sachverständigen – und bis dieser Experte zu einem Ergebnis kommt, können zwei Jahre Rechtsstreit vergehen", sagt Christian Lentföhr. Hinzu kommen noch die anfallenden Kosten. Diese beziffert der Düsseldorfer Fach­anwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht auf bis zu 20.000 Euro: "Da kommt es wesentlich günstiger, wenn sich die Beteiligten zuvor unter­einander einigen konnten." Der Fall des Unternehmers Michael Weiß (Name von der Redaktion geändert) zeigt aber, wie schwer eine solche Lösung in der Praxis ist, wenn sich die Gesellschafter erst einmal zerstritten haben. Weiß, ein Mandant von Anwalt Lentföhr, gründete gemeinsam mit seinen drei Partnern vor sechs Jahren ein IT-Haus. Die Spezialisten boten ihren Kunden eine selbst entwickelte Software und als Hauptgeschäft Services rund um SAP-Produkte an. Ihre zweigleisige Strategie führte schnell zum Durchbruch, der Jahresumsatz erreichte schon in den ersten Geschäftsjahren mehr als 500.000 Euro. Als es galt, die künftige Wachstumsstrategie festzulegen, kam es jedoch zum Streit: Während zwei Gesellschafter weiterhin Kapital in das Programm investieren wollten, um dieses Standbein auszubauen, plädierten die anderen beiden dafür, diesen Zweig ganz aufzugeben und sich auf die bisher so lukrativen SAP-Dienstleistungen zu konzentrieren. Heimlich meldete Weiß mit einem Gründerkollegen im Ausland eine neue Gesellschaft an – unter gleichem Namen, mit dem Ziel, die eigene Beratung stärker zu vermarkten. Nach rund zwölf Monaten bekamen die Gründerkollegen das Doppelspiel spitz – und wollten die Abtrünnigen verklagen. "Ich konnte ihnen aber rasch klarmachen, wie lange ein Markenrechtsprozess dauern würde und dass die anfallenden Kosten schnell den Liquiditätsrahmen der Firma sprengen würden", berichtet Lentföhr. Die Aussicht, das eigene Unternehmen in den Ruin zu treiben, zwang die Partner an den Verhandlungstisch. "Nach nur vier Wochen war der Teilungsvertrag reif zur Unterschrift", so Anwalt Lentföhr. Die beiden Frak­tionen gehen künftig getrennte Wege. Dank der schnellen Einigung, so die Hoffnung der verbliebenen Gesellschafter, hat das IT-Haus nicht allzu viel Vertrauen bei Kunden und Mitarbeitern eingebüßt. Ein Moderator für heikle Themen Ein Anliegen, das auch Meike Müller während ihrer zweijährigen Abnabelungsphase sehr am Herzen lag. "Wir gingen bei unseren Verhandlungen so unauffällig vor, dass viele Geschäftspartner überrascht waren, als ich tatsächlich ausgeschieden bin", erzählt sie. Bei diesem geräuschlosen Abschied half ihr ein neutraler Mediator, der bei allen Treffen mit ihrem Ex-Partner dabei war. "Seine Moderation hat dafür gesorgt, dass wir immer wieder auf die sachliche Verhandlungsebene zurückgekommen sind – auch bei so heiklen Themen wie der Bewertung der Anteile", so Müller. Einen Firmenstart ohne detaillierte Ausstiegsklauseln im Gesellschaftervertrag würde sie nicht empfehlen. Müller: "Man lernt seinen Gründerkollegen ja viel besser kennen, wenn man im Vorfeld über so heikle Themen wie die Details einer Trennung diskutiert." Um Streit im Trennungsfall zu vermeiden, sollten Unternehmer bei der Gründung oder auch später einige Punkte schriftlich festhalten. Je mehr Details im Vorfeld geregelt sind, desto reibungsloser erfolgt später die Abnabelung. Die Gründe für den Austritt Beschreiben Sie exemplarisch, bei welchen Vorfällen eine Trennung von einem Geschäftsführer möglich ist. Zum Beispiel, wenn er sich strafbar gemacht hat, nachweislich Firmengelder veruntreut oder gegen das Wettbewerbsverbot verstoßen hat. Schwierig wird es später bei so pauschalen Formulierungen wie etwa "das Verhältnis ist so zerrüttet, dass eine vertrauensvolle Zusammenarbeit nicht mehr möglich ist". Versuchen Sie, anhand von Beispielen konkreter zu werden - lassen Sie sich aber immer eine Hintertür für einen bisher nicht bedachten Trennungsgrund offen. Die Gesellschafterversammlung Legen Sie die Frist fest, innerhalb derer zur alles entscheidenden Gesellschafterversammlung geladen werden muss, und bestimmen Sie, wer eine solche Zusammenkunft einberufen darf. Zudem sollte der Teilnehmerkreis und wenn möglich auch der Ort fixiert werden. In einigen Firmen ist es üblich, in einer ersten Versammlung den Rauswurf anzudrohen und den Betroffenen noch einmal anzuhören - anschließend erhält er erneut die Chance, sein Verhalten zu ändern. Erst in einem zweiten Treffen wird über die endgültige Trennung entschieden. Auch hier gilt: immer konkrete Fristen setzen. Die Abstimmung Klären Sie vorab, ob für den Rauswurf ein einstimmiges oder ein mehrheitliches Votum der Gesellschafter vorliegen muss. Wichtig zu wissen ist auch, ob der Betroffene selbst mitstimmen darf und ob Enthaltungen möglich sind. Die Abfindung Über das Trennungsgeld wird am häufigsten gestritten. Deshalb bei diesem Punkt besonders sorgsam formulieren. Auf welcher Basis wird zum Beispiel der Wert der Unternehmensanteile berechnet - zum Verkehrswert oder zum Buchwert? Werden tatsächlich alle Bilanzposten - etwa auch die stillen Reserven - dabei berücksichtigt? Für den Fall, dass der Rauswurf bereits vollzogen wurde, bevor die Abfindung berechnet werden konnte: Welche Firmenunterlagen darf der Ex-Partner anschließend einsehen, um die korrekte Berechnung der Abfindung zu kontrollieren? Die Abläufe Die Chefs sollten sich zudem Gedanken darüber machen, wie ihre Firma während der Trennungsphase weitergeführt werden soll. Zum Beispiel: Wie viele Stimmanteile werden benötigt, um in dieser Zeit bestimmte Entscheidungen zu treffen? Darf der Ausscheidende mit - beraten und abstimmen, beziehungsweise sind auch Beschlüsse ohne sein Mitwirken in Zukunft gültig? Wenn er nicht dabei sein darf: Wie werden seine Stimmanteile aufgeteilt? Die Zukunft Viel Ärger lässt sich sparen, wenn sich die Betroffenen schon über die Zeit nach der Trennung Gedanken gemacht haben. Etwa darüber, ob der Abtrünnige Kunden mitnehmen darf, bei denen der Auftrag noch nicht voll abgeschlossen ist. Und ob er direkt wieder in derselben Branche tätig werden darf. Wenn die Mehrheit geht Der Super-GAU: Sechs von insgesamt zehn Partnern verlassen die Anwaltskanzlei. Dennoch gilt der alte Gesellschaftervertrag weiter, entschied der Bundesgerichtshof (BGH, Az: II ZR 181/04). Allerdings verboten die Richter die zuvor festgelegten Abfindungsregeln: Danach hätten die Ausgeschiedenen ihre schwebenden Verfahren nicht fortführen dürfen, hätten keinen Ausgleich für ihre Anteile am Gesellschaftsvermögen erhalten, dafür eine Abfindung, über deren Höhe jedoch die Verbleibenden nach Gutdünken hätten entscheiden können. Wenn der Chef stirbt Der Geschäftsführer hatte Tochter und Sohn die Firma zu gleichen Teilen hinterlassen. Seine Bedingung: Nach Ablauf einer Mindestfrist kann der Sohn seiner Schwester kündigen und den Betrieb allein weiter führen. Ein entsprechender Verweis musste in den Gesellschaftervertrag aufgenommen werden. Der BGH erkannte diese Klausel an, weil sie auf dem letzten Willen des Erblassers gründete (Az II ZR 300/05). Wenn der Neue kommt Für den Ausschluss eines Gesellschafters muss stets ein wichtiger Grund vorliegen. Die Hürde darf aber nicht dazu führen, dass potenzielle neue Kandidaten über mehrere Jahre hinweg geprüft werden. So geschehen bei einem Laborarzt, der zehn Jahre lang keinen Gesellschaftervertrag unterschreiben durfte, da seine Kollegen sich noch immer nicht sicher waren, ob eine vertrauensvolle Zusammenarbeit möglich sei. Zu lange, befand der BGH (Az: II ZR 281/05). Spätestens nach drei Jahren muss die Entscheidung fallen.
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