Marley-Spoon-Gründer Fabian Siegel
„Wir sind wie Uber fürs Essen“

Das Geschäft mit Kochboxen wächst. Warum der Food-Markt vor dem Umbruch steht und warum er froh über den Erfolg des Konkurrenten Hello Fresh ist, erzählt Marley-Spoon-Gründer Fabian Siegel.

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Fabian Siegel ist Co-Gründer von Marley Spoon.
Fabian Siegel ist Co-Gründer von Marley Spoon.
© Marley Spoon

Berlin-Kreuzberg, einer dieser Hinterhöfe, in denen sich die Start-ups der Hauptstadt so gerne einmieten. Zu Marley Spoon geht es über eine enge Wendeltreppe. Drinnen ist es dann angenehm weitläufig und statt Ikea dominieren Designermöbel das Büro. Im Zentrum steht eine riesige Experimentierküche. Hier entwickeln Köche all jene Gerichte, die sich die Kunden des Koch-Start-ups Woche für Woche nach Hause schicken lassen.

Das Konzept ähnelt dem der Wettbewerber Hello Fresh oder Kochhaus: Für verschiedene Gerichte erhält der Käufer genau die Zutaten, die er braucht, von frischem Fleisch und Fisch bis hin zu einzelnen, grammgenau abgemessenen Gewürzen. Gegründet wurde Marley Spoon von Till Neatby und Fabian Siegel, der zuvor Lieferheld aufgebaut hat. Im Interview spricht Siegel ein Jahr nach dem Start über die Besonderheiten des Geschäftsmodells, die Beziehung zum Rivalen Hello Fresh und die Unterschiede zwischen deutschen und australischen Hobby-Köchen.

impulse: Herr Siegel, es gab vor einigen Jahren schon mal Versuche, die Deutschen zum Lebensmittel-Einkauf im Netz zu bewegen, fast alle sind gescheitert. Was ist jetzt anders?

Fabian Siegel: In der Vergangenheit wurde online oft die Offline-Welt imitiert, also der Supermarkt eins zu eins ins Netz gestellt. Das ist aber nicht nur logistisch schwierig bei 15.000 Produkten und mehr. Außerdem stellt sich die Frage: Was daran soll besser sein als beim stationären Handel? Die Food-Start-ups, die wir heute sehen, haben einen ganz anderen Ansatz: Wir zum Beispiel konzentrieren uns auf die Lösung eines einzigen Problems mit dem Ziel, perfekt darin zu werden und unseren Kunden so einen realen Mehrwert zu bieten. So gesehen sind wir das, was Uber international für die Mobilität ist – wir machen eine einzige Sache, aber die richtig gut und verändern so eine ganze Branche.

Das Problem ist, dass keiner mehr Zeit zum Kochen hat?

Das Problem ist, dass viele gerne gesund und abwechslungsreich kochen würden, ihnen aber die Zeit fehlt, um erst nach interessanten Rezepten zu suchen und dann auch noch im Supermarkt zwischen all den 15.000 anderen Produkten genau das zu finden, was sie für die Umsetzung brauchen, weshalb sie letztlich gar nicht oder immer das gleiche kochen. All die Vorarbeit übernehmen ab jetzt wir: Der Kunde bekommt genau jene Zutaten, die er braucht und konzentriert sich aufs Kochen. Unser Versprechen lautet: Mehr Zeit für Familie und Freunde und trotzdem täglich frisch kochen.

Klingt bequem für die Kunden und nach einem enormen logistischen Aufwand für ein kleines Start-up.

Ortsbesuch

Ist es aber gar nicht. Wir müssen eben nicht die 15.000 Produkte des Supermarkts vorrätig haben, sondern konzentrieren uns auf vielleicht 70 Zutaten pro Woche. Daran sehen Sie auch, wie ineffizient der Lebensmittelhandel im Moment organisiert ist: Mit einem Bruchteil der Menge erfüllen wir die Bedürfnisse der Kunden besser als jeder Einzelhandelsriese der Foodbranche.

Wo bekommen Sie die Zutaten her?

In vielen Fällen direkt vom Bauern, teils auch noch von Händlern. Langfristig wollen wir aber alles direkt vom Erzeuger beziehen, auch um es den Kunden zu ermöglichen, die Herkunft eines jeden Produkts nachzuvollziehen. Unseren Fisch zum Beispiel bekommen wir von den Müritz Fischern aus Brandenburg – so guten Fisch kriegen Sie sonst nirgends.

Ihr größerer und bekannterer Konkurrent Hello Fresh von Rocket Internet steht angeblich kurz vor einem Börsengang und wird bereits mit 2,6 Milliarden Euro bewertet. Wie schwer haben Sie es im Schatten dieses Rivalen?

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Ach, wir sind eigentlich ganz froh, dass Hello Fresh in den letzten vier Jahren schon viel getan hat, um das Konzept der Kochbox etwas bekannt zu machen. Die meisten Leute kennen es ja noch gar nicht, weshalb es auch niemand googelt und so auf uns oder unsere Wettbewerber stößt. Das heißt, wir wachsen vor allem über Empfehlungen und Mund-zu-Mund-Propaganda. Potentiell ist der Markt sowieso so groß, dass das Platz ist für eine Reihe von Anbietern.

Klingt ja geradezu harmonisch.

Für mich ist nicht Hello Fresh der Rivale, sondern der Supermarkt. Und wenn man sich anschaut, dass die Deutschen jedes Jahr 180 Milliarden Euro für Lebensmittel ausgeben, dann ahnt man das Potential. Zudem wird erst ein Prozent dieser Ausgaben online getätigt, während es bei Mode und Elektronik bis zu 40 Prozent sind. Wir stehen da noch ganz am Anfang, der Übergang von offline zu online kommt im Lebensmittel-Handel erst noch.

Zu Ihren Investoren zählt auch Global Founders Capital, dessen Kopf Oliver Samwer zugleich Vorstandschef von Rocket Internet ist. Das sieht von außen so aus, als würde Geld auf zwei Pferde gesetzt und abgewartet, welches gewinnt.

Ich glaube eher, es wird meine Meinung geteilt, dass der Markt genug hergibt für mehrere erfolgreiche Companys in dem Segment.

Was machen Sie anders als die anderen Kochbox-Anbieter?

Wir arbeiten auch mit dem Abonnement-Modell, aber bei uns können die Kunden, wenn Sie wollen, jede Woche die Gerichte einzeln auswählen, die wir Ihnen dann zuschicken. Bei den anderen gibt es diese Wahlmöglichkeit so nicht, soviel ich weiß. Außerdem machen wir bei Marley Spoon alles selbst, also auch das Einpacken der Boxen, nichts haben wir ausgelagert. Ich würde sagen, unser Produkt ist mit mehr Liebe gemacht, denn wir lieben kochen.

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Nach Deutschland sind Sie nach nur einem Jahr bereits in den Niederlanden, Australien und den USA aktiv. Warum die schnelle Expansion?

Weil wir zwei Dinge wissen: Dass unser Modell gut funktioniert. Und dass es eher langsam wächst, weil es sich erst herumsprechen muss, da niemand von sich aus auf die Idee kommt, mal eine Kochbox zu bestellen, wenn er das Konzept gar nicht kennt. Beides zusammen gesehen ergibt es also Sinn, schon früh in andere Märkte zu gehen, um möglichst früh mit dem – eben eher langsamen – Wachstum loslegen zu können.

Gibt es große Unterschiede zwischen den einzelnen Märkten?

Insgesamt ist das Konsumverhalten weltweit überraschend ähnlich. Es gibt immer mal Ausreißer, aber das sind dann Ausnahmen. Wir entwickeln in Europa, Australien und den USA jeweils eigene Produkte, auch der Einkauf und die Verpackung findet vor Ort statt. Der größte Unterschied, der uns aufgefallen ist, ist der zwischen dem Kochen unter der Woche und dem am Wochenende. Da ist Deutschland der Ausreißer: Überall sonst wollen die Leute ihre Kochbox am Anfang der Woche haben, um dann abends schön kochen zu können. In Deutschland kochen die Leute aber eher am Wochenende, weil unter der Woche das klassische Abendbrot weit verbreitet ist. Hier wird eben mittags warm gegessen, in den USA greift man da eher zum Sandwich und kocht abends richtig.

Kritiker des Konzepts bemängeln die vielen Verpackungen, die beim Versand der Kochboxen anfallen.

Das ist natürlich alles recycelbar. Und die Schafwolle und Kühlelemente, die wir nutzen um die Waren frisch zu halten, können kostenlos an uns zurückgeschickt werden und wir kümmern uns darum, es umweltfreundlich wieder in den Kreislauf zurück zu führen. Viel wichtiger aber finde ich, dass durch unser Modell beim Handel als auch beim Konsumenten viel weniger Lebensmittel weggeworfen werden, da man nur das bekommt, was man auch wirklich verbraucht.

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Im Interview spricht Siegel ein Jahr nach dem Start über die Besonderheiten des Geschäftsmodells, die Beziehung zum Rivalen Hello Fresh und die Unterschiede zwischen deutschen und australischen Hobby-Köchen. impulse: Herr Siegel, es gab vor einigen Jahren schon mal Versuche, die Deutschen zum Lebensmittel-Einkauf im Netz zu bewegen, fast alle sind gescheitert. Was ist jetzt anders? Fabian Siegel: In der Vergangenheit wurde online oft die Offline-Welt imitiert, also der Supermarkt eins zu eins ins Netz gestellt. Das ist aber nicht nur logistisch schwierig bei 15.000 Produkten und mehr. Außerdem stellt sich die Frage: Was daran soll besser sein als beim stationären Handel? Die Food-Start-ups, die wir heute sehen, haben einen ganz anderen Ansatz: Wir zum Beispiel konzentrieren uns auf die Lösung eines einzigen Problems mit dem Ziel, perfekt darin zu werden und unseren Kunden so einen realen Mehrwert zu bieten. So gesehen sind wir das, was Uber international für die Mobilität ist – wir machen eine einzige Sache, aber die richtig gut und verändern so eine ganze Branche. Das Problem ist, dass keiner mehr Zeit zum Kochen hat? Das Problem ist, dass viele gerne gesund und abwechslungsreich kochen würden, ihnen aber die Zeit fehlt, um erst nach interessanten Rezepten zu suchen und dann auch noch im Supermarkt zwischen all den 15.000 anderen Produkten genau das zu finden, was sie für die Umsetzung brauchen, weshalb sie letztlich gar nicht oder immer das gleiche kochen. All die Vorarbeit übernehmen ab jetzt wir: Der Kunde bekommt genau jene Zutaten, die er braucht und konzentriert sich aufs Kochen. Unser Versprechen lautet: Mehr Zeit für Familie und Freunde und trotzdem täglich frisch kochen. Klingt bequem für die Kunden und nach einem enormen logistischen Aufwand für ein kleines Start-up. Ist es aber gar nicht. Wir müssen eben nicht die 15.000 Produkte des Supermarkts vorrätig haben, sondern konzentrieren uns auf vielleicht 70 Zutaten pro Woche. Daran sehen Sie auch, wie ineffizient der Lebensmittelhandel im Moment organisiert ist: Mit einem Bruchteil der Menge erfüllen wir die Bedürfnisse der Kunden besser als jeder Einzelhandelsriese der Foodbranche. Wo bekommen Sie die Zutaten her? In vielen Fällen direkt vom Bauern, teils auch noch von Händlern. Langfristig wollen wir aber alles direkt vom Erzeuger beziehen, auch um es den Kunden zu ermöglichen, die Herkunft eines jeden Produkts nachzuvollziehen. Unseren Fisch zum Beispiel bekommen wir von den Müritz Fischern aus Brandenburg – so guten Fisch kriegen Sie sonst nirgends. Ihr größerer und bekannterer Konkurrent Hello Fresh von Rocket Internet steht angeblich kurz vor einem Börsengang und wird bereits mit 2,6 Milliarden Euro bewertet. Wie schwer haben Sie es im Schatten dieses Rivalen? Ach, wir sind eigentlich ganz froh, dass Hello Fresh in den letzten vier Jahren schon viel getan hat, um das Konzept der Kochbox etwas bekannt zu machen. Die meisten Leute kennen es ja noch gar nicht, weshalb es auch niemand googelt und so auf uns oder unsere Wettbewerber stößt. Das heißt, wir wachsen vor allem über Empfehlungen und Mund-zu-Mund-Propaganda. Potentiell ist der Markt sowieso so groß, dass das Platz ist für eine Reihe von Anbietern. Klingt ja geradezu harmonisch. Für mich ist nicht Hello Fresh der Rivale, sondern der Supermarkt. Und wenn man sich anschaut, dass die Deutschen jedes Jahr 180 Milliarden Euro für Lebensmittel ausgeben, dann ahnt man das Potential. Zudem wird erst ein Prozent dieser Ausgaben online getätigt, während es bei Mode und Elektronik bis zu 40 Prozent sind. Wir stehen da noch ganz am Anfang, der Übergang von offline zu online kommt im Lebensmittel-Handel erst noch. Zu Ihren Investoren zählt auch Global Founders Capital, dessen Kopf Oliver Samwer zugleich Vorstandschef von Rocket Internet ist. Das sieht von außen so aus, als würde Geld auf zwei Pferde gesetzt und abgewartet, welches gewinnt. Ich glaube eher, es wird meine Meinung geteilt, dass der Markt genug hergibt für mehrere erfolgreiche Companys in dem Segment. Was machen Sie anders als die anderen Kochbox-Anbieter? Wir arbeiten auch mit dem Abonnement-Modell, aber bei uns können die Kunden, wenn Sie wollen, jede Woche die Gerichte einzeln auswählen, die wir Ihnen dann zuschicken. Bei den anderen gibt es diese Wahlmöglichkeit so nicht, soviel ich weiß. Außerdem machen wir bei Marley Spoon alles selbst, also auch das Einpacken der Boxen, nichts haben wir ausgelagert. Ich würde sagen, unser Produkt ist mit mehr Liebe gemacht, denn wir lieben kochen. Nach Deutschland sind Sie nach nur einem Jahr bereits in den Niederlanden, Australien und den USA aktiv. Warum die schnelle Expansion? Weil wir zwei Dinge wissen: Dass unser Modell gut funktioniert. Und dass es eher langsam wächst, weil es sich erst herumsprechen muss, da niemand von sich aus auf die Idee kommt, mal eine Kochbox zu bestellen, wenn er das Konzept gar nicht kennt. Beides zusammen gesehen ergibt es also Sinn, schon früh in andere Märkte zu gehen, um möglichst früh mit dem – eben eher langsamen – Wachstum loslegen zu können. Gibt es große Unterschiede zwischen den einzelnen Märkten? Insgesamt ist das Konsumverhalten weltweit überraschend ähnlich. Es gibt immer mal Ausreißer, aber das sind dann Ausnahmen. Wir entwickeln in Europa, Australien und den USA jeweils eigene Produkte, auch der Einkauf und die Verpackung findet vor Ort statt. Der größte Unterschied, der uns aufgefallen ist, ist der zwischen dem Kochen unter der Woche und dem am Wochenende. Da ist Deutschland der Ausreißer: Überall sonst wollen die Leute ihre Kochbox am Anfang der Woche haben, um dann abends schön kochen zu können. In Deutschland kochen die Leute aber eher am Wochenende, weil unter der Woche das klassische Abendbrot weit verbreitet ist. Hier wird eben mittags warm gegessen, in den USA greift man da eher zum Sandwich und kocht abends richtig. Kritiker des Konzepts bemängeln die vielen Verpackungen, die beim Versand der Kochboxen anfallen. Das ist natürlich alles recycelbar. Und die Schafwolle und Kühlelemente, die wir nutzen um die Waren frisch zu halten, können kostenlos an uns zurückgeschickt werden und wir kümmern uns darum, es umweltfreundlich wieder in den Kreislauf zurück zu führen. Viel wichtiger aber finde ich, dass durch unser Modell beim Handel als auch beim Konsumenten viel weniger Lebensmittel weggeworfen werden, da man nur das bekommt, was man auch wirklich verbraucht.
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