Ethnomarketing
„Zielgruppe um sieben Millionen erweitert“

Warum sollten Firmen Ethnomarketing machen? Marketing-Profi Burhan Gözüakça im impulse-Interview über Millionen potenzielle Neukunden, Berührungsängste und Türken, die mit Ostern nichts am Hut haben.

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Burhan Gözüakça über Ethnomarketing: "Eine Osterkampagne wird bei Türken nicht funktionieren."
Burhan Gözüakça über Ethnomarketing: "Eine Osterkampagne wird bei Türken nicht funktionieren."

Herr Gözüakça, warum sollte ich als Unternehmer darüber nachdenken, das Marketing meiner Produkte speziell auf Migranten abzustimmen?

Zum einen ist die Zielgruppe sehr attraktiv – Deutsch-Türken etwa sind überdurchschnittlich jung, konsumfreudig und markentreu. Vor allem aber ist die Zielgruppe einfach zu groß, um sie auszuklammern: Migranten machen derzeit schon zehn Prozent der deutschen Gesellschaft aus – und durch den demografischen Wandel wird sich dieser Wert weiter erhöhen.

Ich übersetze also einfach alle meine Werbetexte ins Türkische und erreiche so Millionen neue Kunden?

Ganz so einfach ist es natürlich nicht. Bei unseren Kunden hinterfragen wir im ersten Schritt immer: Ist das Produkt überhaupt geeignet für die Zielgruppe? Wenn ja, müssen wir nur an der Kommunikation arbeiten.

Welche Produkte sind denn für die Zielgruppe geeignet?

Vor allem Konsumgüter, beispielsweise Lebensmittel, Möbel oder Autos. Ein Beispiel: Die große Mehrheit junger Türken lebt zuhause. Erst wenn zwei junge Türken heiraten, ziehen sie aus  – und dann brauchen sie alles: Möbel, Waschmaschine, Fernseher … Jedes Jahr richten sich zehntausende Paare komplett neu ein, weil in ihrer Kultur so üblich ist. Ich verstehe einfach nicht, warum die Möbelindustrie das noch nicht geschnallt hat!

Und wenn mein Angebot Migranten nicht interessiert?

Burhan Gözüakça, 43, ist Gründer und Account Director der Beys marketing & media GmbH. Als Full-Service-Agentur ist die Beys marketing & media GmbH auf kultursensibles Marketing spezialisiert und unterstützt Unternehmen in der Markenkommunikation mit Migranten, vor allem solchen mit türkischen Wurzeln. Die Agentur wurde 1998 gegründet und hat Büros in Berlin und Istanbul. Zu den Kunden gehören Finanzdienstleister und Versicherungen wie Allianz oder Western Union ebenso wie Lebensmittelmarken wie Katjes oder Yayla, ein Hersteller türkischer Lebensmittel mit Sitz in Krefeld.

Oft ist es möglich, ein Produkt mit wenigen Änderungen für viele potenzielle Neukunden interessant zu machen. Beispielsweise ist ein Großteil der Geflügelprodukte inzwischen halal zertifiziert. Damit hat sich die Zielgruppe dieser Produkte mit einem Schlag um sieben Millionen Muslime in Deutschland erweitert. In Europa sind es sogar 20 Millionen Muslime.

Das klingt einleuchtend. Warum ist Ethnomarketing dennoch für viele Firmen kein Thema?

In der Wirtschaft gibt es teilweise dramatische Berührungsängste gegenüber Migranten. Viele Unternehmen müssen wir zuerst einmal überzeugen, dass sie diese Zielgruppe brauchen. Zudem ist kultursensibles Marketing nicht für alle Branchen relevant.

Angenommen, mein Produkt ist potenziell für Migranten interessant. Wie geht es weiter?

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Manche für die deutsche Mehrheitsgesellschaft entwickelten Kampagnen lassen sich sicher übertragen. Eine Osterkampagne beispielsweise wird aber bei Türken nicht funktionieren – die haben mit Ostern nichts am Hut. Werbung funktioniert, wenn sie die Kultur der Zielgruppe aufgreift, die Menschen auf emotionaler Ebene anspricht. Dafür ist hilfreich, die simplen Andersartigkeiten im Alltag der Menschen zu kennen.

Das Produkt passt, die Kampagne steht – wie kann ich türkische Migranten nun mit meiner Werbung erreichen?

Zum Beispiel über das deutschtürkische Radio Metropol FM. Wenn der Sender im Herbst  in NRW mit weiteren Frequenzen auf Sendung geht, erreicht er über eine Million türkischstämmige Hörer.  Außerdem schauen 81 Prozent der Türken in Deutschland türkisches Fernsehen. Hier kann man Werbung schalten, die nur an Zuschauer in Deutschland ausgespielt wird.

Und wovon sollten Unternehmen beim Thema Ethnomarketing lieber die Finger lassen?

Wir haben schon erlebt, dass ein Unternehmer sagt: „Wir haben doch einen türkischen Feinmechaniker, der macht jetzt die Werbung.“ Eine wirklich schlechte Idee – denn auch wenn der Feinmechaniker die türkische Kultur gut kennt: Er ist kein Kommunikationsprofi. Man muss ja keine spezialisierte Agentur einschalten, sollte aber wenigstens die hauseigene Kommunikationsabteilung ranlassen.

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Herr Gözüakça, warum sollte ich als Unternehmer darüber nachdenken, das Marketing meiner Produkte speziell auf Migranten abzustimmen? Zum einen ist die Zielgruppe sehr attraktiv - Deutsch-Türken etwa sind überdurchschnittlich jung, konsumfreudig und markentreu. Vor allem aber ist die Zielgruppe einfach zu groß, um sie auszuklammern: Migranten machen derzeit schon zehn Prozent der deutschen Gesellschaft aus - und durch den demografischen Wandel wird sich dieser Wert weiter erhöhen. Ich übersetze also einfach alle meine Werbetexte ins Türkische und erreiche so Millionen neue Kunden? Ganz so einfach ist es natürlich nicht. Bei unseren Kunden hinterfragen wir im ersten Schritt immer: Ist das Produkt überhaupt geeignet für die Zielgruppe? Wenn ja, müssen wir nur an der Kommunikation arbeiten. Welche Produkte sind denn für die Zielgruppe geeignet? Vor allem Konsumgüter, beispielsweise Lebensmittel, Möbel oder Autos. Ein Beispiel: Die große Mehrheit junger Türken lebt zuhause. Erst wenn zwei junge Türken heiraten, ziehen sie aus  - und dann brauchen sie alles: Möbel, Waschmaschine, Fernseher ... Jedes Jahr richten sich zehntausende Paare komplett neu ein, weil in ihrer Kultur so üblich ist. Ich verstehe einfach nicht, warum die Möbelindustrie das noch nicht geschnallt hat! Und wenn mein Angebot Migranten nicht interessiert? Oft ist es möglich, ein Produkt mit wenigen Änderungen für viele potenzielle Neukunden interessant zu machen. Beispielsweise ist ein Großteil der Geflügelprodukte inzwischen halal zertifiziert. Damit hat sich die Zielgruppe dieser Produkte mit einem Schlag um sieben Millionen Muslime in Deutschland erweitert. In Europa sind es sogar 20 Millionen Muslime. Das klingt einleuchtend. Warum ist Ethnomarketing dennoch für viele Firmen kein Thema? In der Wirtschaft gibt es teilweise dramatische Berührungsängste gegenüber Migranten. Viele Unternehmen müssen wir zuerst einmal überzeugen, dass sie diese Zielgruppe brauchen. Zudem ist kultursensibles Marketing nicht für alle Branchen relevant. Angenommen, mein Produkt ist potenziell für Migranten interessant. Wie geht es weiter? Manche für die deutsche Mehrheitsgesellschaft entwickelten Kampagnen lassen sich sicher übertragen. Eine Osterkampagne beispielsweise wird aber bei Türken nicht funktionieren - die haben mit Ostern nichts am Hut. Werbung funktioniert, wenn sie die Kultur der Zielgruppe aufgreift, die Menschen auf emotionaler Ebene anspricht. Dafür ist hilfreich, die simplen Andersartigkeiten im Alltag der Menschen zu kennen. Das Produkt passt, die Kampagne steht - wie kann ich türkische Migranten nun mit meiner Werbung erreichen? Zum Beispiel über das deutschtürkische Radio Metropol FM. Wenn der Sender im Herbst  in NRW mit weiteren Frequenzen auf Sendung geht, erreicht er über eine Million türkischstämmige Hörer.  Außerdem schauen 81 Prozent der Türken in Deutschland türkisches Fernsehen. Hier kann man Werbung schalten, die nur an Zuschauer in Deutschland ausgespielt wird. Und wovon sollten Unternehmen beim Thema Ethnomarketing lieber die Finger lassen? Wir haben schon erlebt, dass ein Unternehmer sagt: "Wir haben doch einen türkischen Feinmechaniker, der macht jetzt die Werbung." Eine wirklich schlechte Idee - denn auch wenn der Feinmechaniker die türkische Kultur gut kennt: Er ist kein Kommunikationsprofi. Man muss ja keine spezialisierte Agentur einschalten, sollte aber wenigstens die hauseigene Kommunikationsabteilung ranlassen.
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