Ikigai
Dieses Prinzip hilft Chefs, Mitarbeiter für ihren Job zu begeistern

Ein hochmotiviertes Team, das für die Arbeit brennt - wäre das nicht ein Traum? Mit dem japanischen Ikigai-Prinzip können Sie genau das erreichen. Und auch sich selbst zufriedener stimmen.

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Ein sofortiger Wow-Effekt? Der stellt sich mit Ikigai nicht zwingend ein - das Prinzip kann aber dafür sorgen, dass Mitarbeiter sich mehr mit ihrem Job identifizieren.
© photocase.de/antifalten

Wofür stehen Sie morgens auf? Um Geld zu verdienen? Weil man nun mal morgens aufstehen muss? Oder weil Sie jeden Tag daran arbeiten, Ihren Traum zu verwirklichen?

Wer über diese Frage länger nachdenken muss, sollte sich mit Ikigai beschäftigen: ein traditionsreiches japanisches Prinzip, bei dem es darum geht, das zu finden, wofür man wirklich brennt – und diese Leidenschaft mit seinem Beruf zu verbinden. Das kann nicht nur Unternehmer zufriedener machen, sondern auch Mitarbeitern helfen, einen Sinn in ihrer Arbeit zu erkennen, und ihnen einen Motivationsschub geben.

Führungscoach Joachim Wolbersen wendet das Ikigai-Prinzip regelmäßig in Coachings an. Ein Gespräch darüber, wie Chefs Ikigai für die Mitarbeiterführung nutzen können, wie man sein Ikigai findet und was das Prinzip mit einem langen Leben zu tun hat.

impulse: Herr Wolbersen, was genau ist Ikigai?

Joachim Wolbersen: Es ist, etwas boshaft gesagt, mehr als dieses esoterische „Finde zu dir selbst“. „Iki“ heißt auf Japanisch Leben und „gai“ Schale. Japaner denken viel in Symbolen, und die Schale ist ein Symbol fürs Leben. Ikigai heißt also quasi: Was füllst du in deine Schale, womit füllst du dein Leben?

Das klingt schon ein bisschen esoterisch.

Die Idee ist ziemlich bodenständig und pragmatisch. Es geht darum, das zu finden, was einen wirklich zufrieden macht, womit man aber auch Geld verdient und was anderen Menschen etwas nützt. Eigentlich kennen viele schon ihr Ikigai. Sie nehmen sich nur zu wenig Zeit, darüber nachzudenken.

Zur Person
Joachim Wolbersen ist Strategie- und Führungskräfte-Coach. Der studierte Betriebswirt und Informatiker ist COO der Consultingfirma Five Elements.

Wie findet man sein Ikigai?

Nicht von heute auf morgen. Man muss durch Reflexion nach und nach herausfinden, was einem Freude bereitet, worin man aufgeht. Ein Beispiel: Wenn jemand unheimlich gut darin ist zu zeichnen, er das liebt und dabei die Zeit vergisst, dann ist das Zeichnen seine Passion. Aber: Er kann wunderschöne Bilder zeichnen und trotzdem verhungern. Deshalb sollte er das Zeichnen mit einer anderen Idee verbinden, mit der er Geld verdient. Vielleicht wird er Theatermaler.

Und damit hat er sein Ikigai gefunden?

Noch nicht. Wenn man etwas gefunden hat, das man liebt, gut kann und wofür man bezahlt wird, sollte man sich die Frage stellen: Braucht die Welt das? Mache ich die Welt dadurch ein bisschen besser? Dann findet der Zeichner vielleicht sein Ikigai darin, anderen Menschen beizubringen, Freude durchs Zeichnen zu bekommen. Indem er zum Beispiel Volkshochschulkurse gibt.

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Das Ikigai-Prinzip: Überschneiden sich die vier Bereiche (die vier farbigen Kreise), hat man sein Ikigai gefunden.

 

Wie können Unternehmer das Prinzip auf ihre Firma übertragen?

Sie sollten ihre Mitarbeiter aktiv auffordern, die Frage zu beantworten: Was macht mir am meisten Freude? Und gibt es da eine Verbindung zu dem, was dieses Unternehmen macht?

Aber wenn die Mitarbeiter feststellen, dass keine Verbindung gibt, verlassen sie womöglich die Firma.

Entweder man ist sie schnell los, oder die Mitarbeiter sagen: „Das eine ist Arbeit, das andere ist privat.“ Oder sie finden eben doch eine Verbindung, wie sie ihre Leidenschaft im Unternehmen anwenden und umsetzen können.

Wie zum Beispiel?

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Bei einem meiner Strategieworkshops war ein Vertriebsmitarbeiter eines großen Elektronikhändlers. Wir haben das Thema Ikigai lange bearbeitet. Er stellte dabei fest: Was ihm totale Freude bereitet, ist, über Zahlen, Daten und Fakten nachzudenken, mit Excel zu arbeiten. Am Ende des Workshops war klar: Er beherrscht zwar die Rolle als Vertriebler, aber wirklich Spaß macht ihm etwas anderes. Er hat dann mit dem Unternehmen einen Wechsel in einen anderen Bereich vereinbart. Da ist er total glücklich und leistet tolle Arbeit. Dieses Gefühl von tiefer Zufriedenheit, darum geht es.

Damit Mitarbeiter ihr Ikigai mit der Arbeit verbinden können, ist es sicher auch hilfreich, wenn Unternehmer ihnen die Vision der Firma vermitteln: Warum gibt es dieses Unternehmen? Was bringt es der Welt?

Ja, ich würde aber noch einen kleinen Schritt weitergehen: Unternehmer sollten auch die Mitarbeiter fragen: „Was denkst du, welchen Mehrwert wir bieten?“ Sie haben vielleicht Mitarbeiter, die sagen: „Wir machen die schönsten, hochwertigsten Türklinken. Aber die Welt machen wir damit nicht besser. Vielleicht gelingt uns das mit anderen Produkten.“ Und dann entsteht etwas tolles Neues daraus.

Welche Erfahrungen haben Sie als Coach mit dem Ikigai-Prinzip noch gemacht?

Ich habe gerade ein einjähriges Coaching-Projekt mit jungen Führungskräften abgeschlossen. Da war das Prinzip die Grundlage, mit der wir angefangen haben.

Also hat jeder erstmal für sich die Frage beantwortet, was sein Ikigai ist, wofür er brennt?

Genau. Ich hatte das große Glück, dass deren Unternehmen sehr offen war: Der Auftraggeber sagte, wenn ich feststelle, dass ich den Führungskräften eine andere Aufgabe geben muss, kann ich das tun. Ich habe sechs Leute betreut, zwei haben heute eine andere Rolle im Unternehmen: Einer ist aus der Führungsposition in eine Fachreferentenstelle gewechselt. Der zweite hat ein anderes Themenfeld übernommen, das ihm mehr Freude bereitet.

Manche Forscher sehen einen Zusammenhang zwischen dem Ikigai-Prinzip und der Tatsache, dass in bestimmten Regionen Japans Menschen überdurchschnittlich alt werden. Was steckt dahinter?

Wiederum eine alte Idee: Man tut das, was man gerne tut, und lässt sich nicht einschränken durchs Alter. Auf der japanischen Insel Okinawa gibt es zum Beispiel Karatelehrer, die älter als 100 Jahre sind. Sie haben ihr Leben lang trainiert und sich dadurch die Gesundheit erhalten. Karate zu lehren, ist ihr Ikigai. Außerdem werden alte Menschen auf Okinawa sehr gut in ihre Familie eingebunden.

Das heißt?

Früher hat Oma mit 80 nicht im Altenheim gesessen. Sie hat Kartoffeln geschält und auf die Kinder aufgepasst. Sie fühlte sich gebraucht und gewollt, war ein wichtiger Bestandteil der Familie. Sie musste nicht mehr mit aufs Feld, sondern hat sich um Dinge gekümmert, die sie körperlich gut bewältigen konnte und gerne tat. Das ist heute in Europa etwas verlorengegangen, alte Menschen werden nicht mehr so stark mit einbezogen. Auf Okinawa, wo viele Menschen sehr alt werden, ist das erhalten geblieben.

Wofür stehen Sie morgens auf? Um Geld zu verdienen? Weil man nun mal morgens aufstehen muss? Oder weil Sie jeden Tag daran arbeiten, Ihren Traum zu verwirklichen? Wer über diese Frage länger nachdenken muss, sollte sich mit Ikigai beschäftigen: ein traditionsreiches japanisches Prinzip, bei dem es darum geht, das zu finden, wofür man wirklich brennt – und diese Leidenschaft mit seinem Beruf zu verbinden. Das kann nicht nur Unternehmer zufriedener machen, sondern auch Mitarbeitern helfen, einen Sinn in ihrer Arbeit zu erkennen, und ihnen einen Motivationsschub geben. Führungscoach Joachim Wolbersen wendet das Ikigai-Prinzip regelmäßig in Coachings an. Ein Gespräch darüber, wie Chefs Ikigai für die Mitarbeiterführung nutzen können, wie man sein Ikigai findet und was das Prinzip mit einem langen Leben zu tun hat. impulse: Herr Wolbersen, was genau ist Ikigai? Joachim Wolbersen: Es ist, etwas boshaft gesagt, mehr als dieses esoterische „Finde zu dir selbst“. „Iki“ heißt auf Japanisch Leben und „gai“ Schale. Japaner denken viel in Symbolen, und die Schale ist ein Symbol fürs Leben. Ikigai heißt also quasi: Was füllst du in deine Schale, womit füllst du dein Leben? Das klingt schon ein bisschen esoterisch. Die Idee ist ziemlich bodenständig und pragmatisch. Es geht darum, das zu finden, was einen wirklich zufrieden macht, womit man aber auch Geld verdient und was anderen Menschen etwas nützt. Eigentlich kennen viele schon ihr Ikigai. Sie nehmen sich nur zu wenig Zeit, darüber nachzudenken. Wie findet man sein Ikigai? Nicht von heute auf morgen. Man muss durch Reflexion nach und nach herausfinden, was einem Freude bereitet, worin man aufgeht. Ein Beispiel: Wenn jemand unheimlich gut darin ist zu zeichnen, er das liebt und dabei die Zeit vergisst, dann ist das Zeichnen seine Passion. Aber: Er kann wunderschöne Bilder zeichnen und trotzdem verhungern. Deshalb sollte er das Zeichnen mit einer anderen Idee verbinden, mit der er Geld verdient. Vielleicht wird er Theatermaler. Und damit hat er sein Ikigai gefunden? Noch nicht. Wenn man etwas gefunden hat, das man liebt, gut kann und wofür man bezahlt wird, sollte man sich die Frage stellen: Braucht die Welt das? Mache ich die Welt dadurch ein bisschen besser? Dann findet der Zeichner vielleicht sein Ikigai darin, anderen Menschen beizubringen, Freude durchs Zeichnen zu bekommen. Indem er zum Beispiel Volkshochschulkurse gibt.   [caption id="attachment_7453902" align="alignnone" width="430"] Das Ikigai-Prinzip: Überschneiden sich die vier Bereiche (die vier farbigen Kreise), hat man sein Ikigai gefunden.[/caption]   Wie können Unternehmer das Prinzip auf ihre Firma übertragen? Sie sollten ihre Mitarbeiter aktiv auffordern, die Frage zu beantworten: Was macht mir am meisten Freude? Und gibt es da eine Verbindung zu dem, was dieses Unternehmen macht? Aber wenn die Mitarbeiter feststellen, dass keine Verbindung gibt, verlassen sie womöglich die Firma. Entweder man ist sie schnell los, oder die Mitarbeiter sagen: „Das eine ist Arbeit, das andere ist privat.“ Oder sie finden eben doch eine Verbindung, wie sie ihre Leidenschaft im Unternehmen anwenden und umsetzen können. Wie zum Beispiel? Bei einem meiner Strategieworkshops war ein Vertriebsmitarbeiter eines großen Elektronikhändlers. Wir haben das Thema Ikigai lange bearbeitet. Er stellte dabei fest: Was ihm totale Freude bereitet, ist, über Zahlen, Daten und Fakten nachzudenken, mit Excel zu arbeiten. Am Ende des Workshops war klar: Er beherrscht zwar die Rolle als Vertriebler, aber wirklich Spaß macht ihm etwas anderes. Er hat dann mit dem Unternehmen einen Wechsel in einen anderen Bereich vereinbart. Da ist er total glücklich und leistet tolle Arbeit. Dieses Gefühl von tiefer Zufriedenheit, darum geht es. Damit Mitarbeiter ihr Ikigai mit der Arbeit verbinden können, ist es sicher auch hilfreich, wenn Unternehmer ihnen die Vision der Firma vermitteln: Warum gibt es dieses Unternehmen? Was bringt es der Welt? Ja, ich würde aber noch einen kleinen Schritt weitergehen: Unternehmer sollten auch die Mitarbeiter fragen: „Was denkst du, welchen Mehrwert wir bieten?“ Sie haben vielleicht Mitarbeiter, die sagen: „Wir machen die schönsten, hochwertigsten Türklinken. Aber die Welt machen wir damit nicht besser. Vielleicht gelingt uns das mit anderen Produkten.“ Und dann entsteht etwas tolles Neues daraus. Welche Erfahrungen haben Sie als Coach mit dem Ikigai-Prinzip noch gemacht? Ich habe gerade ein einjähriges Coaching-Projekt mit jungen Führungskräften abgeschlossen. Da war das Prinzip die Grundlage, mit der wir angefangen haben. Also hat jeder erstmal für sich die Frage beantwortet, was sein Ikigai ist, wofür er brennt? Genau. Ich hatte das große Glück, dass deren Unternehmen sehr offen war: Der Auftraggeber sagte, wenn ich feststelle, dass ich den Führungskräften eine andere Aufgabe geben muss, kann ich das tun. Ich habe sechs Leute betreut, zwei haben heute eine andere Rolle im Unternehmen: Einer ist aus der Führungsposition in eine Fachreferentenstelle gewechselt. Der zweite hat ein anderes Themenfeld übernommen, das ihm mehr Freude bereitet. Manche Forscher sehen einen Zusammenhang zwischen dem Ikigai-Prinzip und der Tatsache, dass in bestimmten Regionen Japans Menschen überdurchschnittlich alt werden. Was steckt dahinter? Wiederum eine alte Idee: Man tut das, was man gerne tut, und lässt sich nicht einschränken durchs Alter. Auf der japanischen Insel Okinawa gibt es zum Beispiel Karatelehrer, die älter als 100 Jahre sind. Sie haben ihr Leben lang trainiert und sich dadurch die Gesundheit erhalten. Karate zu lehren, ist ihr Ikigai. Außerdem werden alte Menschen auf Okinawa sehr gut in ihre Familie eingebunden. Das heißt? Früher hat Oma mit 80 nicht im Altenheim gesessen. Sie hat Kartoffeln geschält und auf die Kinder aufgepasst. Sie fühlte sich gebraucht und gewollt, war ein wichtiger Bestandteil der Familie. Sie musste nicht mehr mit aufs Feld, sondern hat sich um Dinge gekümmert, die sie körperlich gut bewältigen konnte und gerne tat. Das ist heute in Europa etwas verlorengegangen, alte Menschen werden nicht mehr so stark mit einbezogen. Auf Okinawa, wo viele Menschen sehr alt werden, ist das erhalten geblieben.
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