Walter Gunz
„Loben ist falsch“

Media-Markt-Gründer Walter Gunz führte einst 22.000 Mitarbeiter. Im Interview erzählt er, warum er seine Leute nicht lobte und sich mit seinem Chef überwarf.

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Walter Gunz
Burnout? "Kannten wir bei Media Markt und Saturn nicht", behauptet Walter Gunz. Der Mitgründer der Media-Markt-Kette sagt, dass man Menschen Freiheit und Verantwortung geben müsse, damit sie mit Spaß arbeiten können.
© dpa picture-alliance / Frank May

impulse: Herr Gunz, Sie sagen, man solle Mitarbeiter nicht loben. Warum nicht?

Walther Gunz: Loben ist falsch. Anerkennung ist das Klügere.

Was ist der Unterschied zwischen Lob und Anerkennung?

Wenn ich lobe, erhebe ich mich über den anderen. Ein Lob kommt immer von oben herab, ich sehe ihn nicht als ebenbürtig und gleichwertig an. Er ist dann nicht auf der gleichen Ebene. Das geschieht, wenn ich ihm aus meiner hierarchischen Funktion heraus begegne und ihn bewerte. Wertschätzung und Anerkennung sind hierarchielos.

Sie als Gründer von Media Markt hatten nach dem Anteilsverkauf an Kaufhof-Metro plötzlich auch – formal betrachtet – einen Vorgesetzten: Wolfgang Urban, Vorstandschef von Kaufhof. Das hat nicht gut geklappt, oder?

Nein, aber es war nicht plötzlich. Wir hatten mit seinen Vorgängern Jens Odewald und Ralf Leisten eine gute Vereinbarung getroffen. Leider wollte er sich nicht daran halten. Er versuchte aus der Position des Mehrheitsgesellschafters heraus in operative Entscheidungen einzugreifen. Anstatt froh über die exzellente Geschäftsentwicklung zu sein, versuchte er seine Ideen durchzusetzen. Da gab es Konflikte.

Offenbar ging es um Macht. Herr Urban, so wirkt es, wollte Sie beherrschen. Das passt nicht zu Ihrem Grundsatz „Führen heißt Dienen“.

Unser Interviewpartner
Als Media-Markt-Mitgründer steht Walter Gunz für eine der spektakulärsten Erfolgsgeschichten der letzten Jahrzehnte. Lange galt er als kreativer Kopf der Elektronik-Kette und schuf unter anderem den Werbespruch „Ich bin doch nicht blöd“. Als der Kaufhof-Konzern die Mehrheit übernahm und er sich in seiner Freiheit eingeschränkt sah, verließ er die Gruppe.

Wer nicht dient, kann auch nicht führen. Der König herrscht über jemanden oder etwas. Der erfolgreiche Manager herrscht nicht, er folgt nicht seinem Ego. Er dient dem Unternehmen, der Vision, der Idee, der Sache, gemeinsam mit seinen Mitarbeitern. Das erfordert eine Geisteshaltung, zu der gehört, dass man sich nicht über andere erhebt.

Was zeichnet grundsätzlich eine gute Führungskraft aus?

Vorangehen, Vertrauen schaffen, Vertrauen schenken. Eine gute Führungskraft beherrscht die Kunst, jeden Einzelnen in seiner Individualität zu verstehen. Ein Unternehmen hat Ähnlichkeit mit einem Orchester. Ein guter Leader gleicht einem Dirigenten. Gleichheit wird nicht angestrebt, Harmonie und Einheit entstehen aus Vielfalt und dem gemeinsamen Thema.

Vertrauen kann man nicht verordnen. Was sind die Voraussetzungen für Vertrauen?

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Vertrauen ist kein Gefühl. Vertrauen ist ein Akt. Man schenkt Vertrauen, einem Menschen, einem Unternehmen, einer Aussage, das heißt, wir glauben daran. Vertrauen kann Berge versetzen, Energien entfesseln, aber auch missbraucht werden. Ein guter Leader übergibt dem Mitarbeiter Freiheit und Verantwortung. Freiheit zum selbständigen Handeln, nach seiner Intention, seinem Gewissen und Gefühl.

Jeder kann machen, was er will?

Jeder Mensch weiß, dass Freiheit Grenzen hat. Freiheit gibt es deshalb nur im Doppelpack mit Verantwortung. Das wird aber gerne so angenommen. Jeder sehnt sich danach anerkannt, geschätzt und geliebt zu werden. Das kann man durch Worte, Gesten und Übergabe von Verantwortung zeigen.

Sie sagten, dass eine Führungskraft ihre Mitarbeiter individuell verstehen muss. Wie gelingt das in der Praxis?

Natürlich konnte ich nicht 22.000 Mitarbeiter persönlich wertschätzen und in ihrer individuellen Qualität wahrnehmen. Aber man kann Systeme schaffen, durch die Weitergabe von Freiheit und Verantwortung. Leider wird das heute in vielen Unternehmen anders gelebt. Dort ist der Mensch „human resource“, Mittel zum Zweck, man will jeden gleich machen. Denken Sie an WalMart, wo morgens die Firmenhymne gesungen werden muss. Da wird versucht, Menschen nach einer Norm zuzuschneiden. Am Ende steht der Verlust der Individualität. Dort, wo Menschen aber nicht in Freiheit und Verantwortung arbeiten können, werden sie kaum Spaß haben und auch nicht gut sein. Wenn ein Chef freudlose Mitarbeiter hat, ist er ein schlechter Chef.

Wie haben Sie das Prinzip „Freiheit und Verantwortung“ bei Media Markt umgesetzt ?

Vor allem durch Dezentralität und flache Hierarchien. Zum Beispiel Verlagerung von Entscheidungen an den Point of Sale. Ein Abteilungsleiter vor Ort bestimmte über Preis und Sortiment. Wer unfrei ist und nicht selbst entscheiden kann, fühlt sich unwohl. Bei uns war bemerkenswert, dass Burnout kein Thema war, obwohl wir alle sehr viele Überstunden machten.

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Es gab wirklich gar keine Burnout-Fälle bei Media Markt zu Ihrer Zeit?

Nein, bei Media Markt und Saturn kannten wir das nicht. Burnout ist das Ergebnis einer falschen Unternehmenskultur. Die Mitarbeiter bei uns haben gerne und mit Freude getan, was ihr Job war. In vielen Unternehmen kann man nicht selbst entscheiden und wird auch noch für Dinge verantwortlich gemacht, die andere entschieden haben.

Nachdem Sie bei Media Markt Saturn ganz ausgestiegen sind, lief es dort nicht mehr so gut. Zum Beispiel wurde der Einstieg ins Online-Geschäft verpasst. Haben Sie eine Erklärung?

Karl Egger, der Pro-Markt-Gründer, sagte, der Erfolg von heute ist der Feind von morgen. Und von Sokrates stammt der Ausspruch „Siegen macht dumm“. Wenn auch Media Saturn nicht dumm geworden ist, so hat man sich auf den jahrelangen Erfolgen ausgeruht und die Zeichen der Zeit zu spät erkannt. Am Anfang hatte man sich auch nur halbherzig der neuen Aufgabe gestellt. Das hat Verluste und Misserfolg produziert. Das kannte man nicht mehr. Erfolgreich kann man nur sein, wenn man eine Sache ganz und mit Überzeugung macht. Heute ist Media Saturn mit der richtigen Mischung von Online und Fläche gut unterwegs. Leider sind viele deutsche Industrieunternehmen, große Marken, vom Markt verschwunden weil sie sich den neuen Herausforderungen nicht gestellt haben.

Was muss eine Führungskraft machen, damit das Team kreativ wird, sich für Neues öffnet?

Kreativität kann man nicht verordnen. Man muss ein angstfreies Milieu schaffen. Man darf Fehler machen, ausprobieren und wird dafür nicht bestraft. Jeder, der etwas Neues beginnt, experimentiert, macht Fehler. Wir lernen nicht aus dem, was wir schon wissen, sondern aus dem, was wir falsch machen. Wichtig ist, dass man alle Gedanken zulässt, keine Limitierungen. Wenn jemand etwas Neues probiert und das klappt nicht, dann verurteilt man ihn nicht. Es darf keinen Bestrafungsmodus geben. Kreativität entsteht aus Freiheit zu denken und zu handeln.

impulse: Herr Gunz, Sie sagen, man solle Mitarbeiter nicht loben. Warum nicht? Walther Gunz: Loben ist falsch. Anerkennung ist das Klügere. Was ist der Unterschied zwischen Lob und Anerkennung? Wenn ich lobe, erhebe ich mich über den anderen. Ein Lob kommt immer von oben herab, ich sehe ihn nicht als ebenbürtig und gleichwertig an. Er ist dann nicht auf der gleichen Ebene. Das geschieht, wenn ich ihm aus meiner hierarchischen Funktion heraus begegne und ihn bewerte. Wertschätzung und Anerkennung sind hierarchielos. Sie als Gründer von Media Markt hatten nach dem Anteilsverkauf an Kaufhof-Metro plötzlich auch - formal betrachtet – einen Vorgesetzten: Wolfgang Urban, Vorstandschef von Kaufhof. Das hat nicht gut geklappt, oder? Nein, aber es war nicht plötzlich. Wir hatten mit seinen Vorgängern Jens Odewald und Ralf Leisten eine gute Vereinbarung getroffen. Leider wollte er sich nicht daran halten. Er versuchte aus der Position des Mehrheitsgesellschafters heraus in operative Entscheidungen einzugreifen. Anstatt froh über die exzellente Geschäftsentwicklung zu sein, versuchte er seine Ideen durchzusetzen. Da gab es Konflikte. Offenbar ging es um Macht. Herr Urban, so wirkt es, wollte Sie beherrschen. Das passt nicht zu Ihrem Grundsatz "Führen heißt Dienen". Wer nicht dient, kann auch nicht führen. Der König herrscht über jemanden oder etwas. Der erfolgreiche Manager herrscht nicht, er folgt nicht seinem Ego. Er dient dem Unternehmen, der Vision, der Idee, der Sache, gemeinsam mit seinen Mitarbeitern. Das erfordert eine Geisteshaltung, zu der gehört, dass man sich nicht über andere erhebt. Was zeichnet grundsätzlich eine gute Führungskraft aus? Vorangehen, Vertrauen schaffen, Vertrauen schenken. Eine gute Führungskraft beherrscht die Kunst, jeden Einzelnen in seiner Individualität zu verstehen. Ein Unternehmen hat Ähnlichkeit mit einem Orchester. Ein guter Leader gleicht einem Dirigenten. Gleichheit wird nicht angestrebt, Harmonie und Einheit entstehen aus Vielfalt und dem gemeinsamen Thema. Vertrauen kann man nicht verordnen. Was sind die Voraussetzungen für Vertrauen? Vertrauen ist kein Gefühl. Vertrauen ist ein Akt. Man schenkt Vertrauen, einem Menschen, einem Unternehmen, einer Aussage, das heißt, wir glauben daran. Vertrauen kann Berge versetzen, Energien entfesseln, aber auch missbraucht werden. Ein guter Leader übergibt dem Mitarbeiter Freiheit und Verantwortung. Freiheit zum selbständigen Handeln, nach seiner Intention, seinem Gewissen und Gefühl. Jeder kann machen, was er will? Jeder Mensch weiß, dass Freiheit Grenzen hat. Freiheit gibt es deshalb nur im Doppelpack mit Verantwortung. Das wird aber gerne so angenommen. Jeder sehnt sich danach anerkannt, geschätzt und geliebt zu werden. Das kann man durch Worte, Gesten und Übergabe von Verantwortung zeigen. Sie sagten, dass eine Führungskraft ihre Mitarbeiter individuell verstehen muss. Wie gelingt das in der Praxis? Natürlich konnte ich nicht 22.000 Mitarbeiter persönlich wertschätzen und in ihrer individuellen Qualität wahrnehmen. Aber man kann Systeme schaffen, durch die Weitergabe von Freiheit und Verantwortung. Leider wird das heute in vielen Unternehmen anders gelebt. Dort ist der Mensch "human resource", Mittel zum Zweck, man will jeden gleich machen. Denken Sie an WalMart, wo morgens die Firmenhymne gesungen werden muss. Da wird versucht, Menschen nach einer Norm zuzuschneiden. Am Ende steht der Verlust der Individualität. Dort, wo Menschen aber nicht in Freiheit und Verantwortung arbeiten können, werden sie kaum Spaß haben und auch nicht gut sein. Wenn ein Chef freudlose Mitarbeiter hat, ist er ein schlechter Chef. Wie haben Sie das Prinzip "Freiheit und Verantwortung" bei Media Markt umgesetzt ? Vor allem durch Dezentralität und flache Hierarchien. Zum Beispiel Verlagerung von Entscheidungen an den Point of Sale. Ein Abteilungsleiter vor Ort bestimmte über Preis und Sortiment. Wer unfrei ist und nicht selbst entscheiden kann, fühlt sich unwohl. Bei uns war bemerkenswert, dass Burnout kein Thema war, obwohl wir alle sehr viele Überstunden machten. Es gab wirklich gar keine Burnout-Fälle bei Media Markt zu Ihrer Zeit? Nein, bei Media Markt und Saturn kannten wir das nicht. Burnout ist das Ergebnis einer falschen Unternehmenskultur. Die Mitarbeiter bei uns haben gerne und mit Freude getan, was ihr Job war. In vielen Unternehmen kann man nicht selbst entscheiden und wird auch noch für Dinge verantwortlich gemacht, die andere entschieden haben. Nachdem Sie bei Media Markt Saturn ganz ausgestiegen sind, lief es dort nicht mehr so gut. Zum Beispiel wurde der Einstieg ins Online-Geschäft verpasst. Haben Sie eine Erklärung? Karl Egger, der Pro-Markt-Gründer, sagte, der Erfolg von heute ist der Feind von morgen. Und von Sokrates stammt der Ausspruch "Siegen macht dumm". Wenn auch Media Saturn nicht dumm geworden ist, so hat man sich auf den jahrelangen Erfolgen ausgeruht und die Zeichen der Zeit zu spät erkannt. Am Anfang hatte man sich auch nur halbherzig der neuen Aufgabe gestellt. Das hat Verluste und Misserfolg produziert. Das kannte man nicht mehr. Erfolgreich kann man nur sein, wenn man eine Sache ganz und mit Überzeugung macht. Heute ist Media Saturn mit der richtigen Mischung von Online und Fläche gut unterwegs. Leider sind viele deutsche Industrieunternehmen, große Marken, vom Markt verschwunden weil sie sich den neuen Herausforderungen nicht gestellt haben. Was muss eine Führungskraft machen, damit das Team kreativ wird, sich für Neues öffnet? Kreativität kann man nicht verordnen. Man muss ein angstfreies Milieu schaffen. Man darf Fehler machen, ausprobieren und wird dafür nicht bestraft. Jeder, der etwas Neues beginnt, experimentiert, macht Fehler. Wir lernen nicht aus dem, was wir schon wissen, sondern aus dem, was wir falsch machen. Wichtig ist, dass man alle Gedanken zulässt, keine Limitierungen. Wenn jemand etwas Neues probiert und das klappt nicht, dann verurteilt man ihn nicht. Es darf keinen Bestrafungsmodus geben. Kreativität entsteht aus Freiheit zu denken und zu handeln.
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