Manfred Maus
„Ich habe meine Mitarbeiter zu Millionären gemacht“

Obi-Mitgründer Manfred Maus erzählt im impulse-Interview, wie er seine Mitarbeiter zu Höchstleistungen motivierte und warum man mit potenziellen Führungskräften eine Spritztour über die Autobahn machen sollte.

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Obi-Gründer Manfred Maus und sein berühmter Biber: Sie beide stehen für die Baumarkt-Kette wie kein anderer.
Obi-Gründer Manfred Maus und sein berühmter Biber: Sie beide stehen für die Baumarkt-Kette wie kein anderer.
© picture alliance /dpa

impulse: Herr Maus, welche Führungsfehler haben Sie gemacht? Und was haben Sie daraus gelernt?

Manfred Maus: Ein Vorgesetzter sollte immer ein Vorbild sein. Vor allem sollte er halten, was er verspricht. Zum Beispiel hatte ich meinen Mitarbeitern garantiert, dass jeder Brief innerhalb von 24 Stunden beantwortet wird. Eines Tages schrieb mir ein Mitarbeiter, er sei von mir außerordentlich enttäuscht, weil er keine persönliche Antwort auf seinen Brief erhalten habe. Es stellte sich heraus, dass der Brief von der Fachabteilung beantwortet worden war. Der Mitarbeiter erwartete aber von mir eine Reaktion. Und ich war immer bestrebt, die Erwartungen meiner Mitarbeiter zu erfüllen, weil nur zufriedene Mitarbeiter zufriedene Kunden haben können. So nahm ich diese Kritik zum Anlass, um eine Kulturfrage zu diskutieren: Wie gehen wir miteinander um? Seitdem erhielt jeder Mitarbeiter sofort eine Antwort von mir direkt oder den Hinweis, dass ich sein Anliegen an die Fachkollegen weitergeleitet hatte.

Wie gehen Sie mit persönlicher Kritik um?

Ich habe mich jedes Jahr persönlich beurteilen lassen. Einer schrieb zum Beispiel, ich hätte einmal eine Besprechung besucht, nichts gesagt, aber als Chef dennoch die ganze Besprechung dominiert und so die Diskussionskultur negativ beeinflusst. Da wurde mir klar, auch ein Mensch, der nichts sagt, hat einen Einfluss, vor allem wenn ihm der Laden gehört. Ich bin dann nicht mehr unbedacht in Besprechungen gegangen, sondern habe mir genau überlegt, wo meine Anwesenheit nötig und hilfreich ist.

Sie sind ja auch immer wieder mal unangekündigt in ihren Märkten aufgetaucht. Welchen Zweck erfüllt der Chef-Überfall als Führungsinstrument?

Das kann helfen, wichtige Regeln durchzusetzen, gerade in einem Franchise-Unternehmen wie Obi. Ich bin zum Beispiel einmal in einen Obi-Markt in Dresden mit dem Auto durch den geöffneten Wareneingang bis zum ersten Warenregal gefahren und habe dann laut gehupt. Daraufhin ist der ganze Laden zusammengerannt. Ab diesem Tag blieb der Wareneingang, wie vorgeschrieben, geschlossen. Diesen Vorfall nahm ich als praktischen Aufhänger, um in der gesamten Organisation über das Problem der Inventurdifferenzen zu diskutieren.

War das eine spontane Aktion?

Manfred Maus
Der heute 81-jährige Unternehmer baute 1970 gemeinsam mit zwei anderen Gründern die Baumarkt-Kette Obi auf, als das Wort Franchise hierzulande noch nahezu unbekannt war. Heute gehört Obi mehrheitlich zur Tengelmann-Gruppe. Maus arbeitete noch bis 2004 aktiv an der Ausrichtung des Unternehmens mit, zuletzt als Vorsitzender des Aufsichtsrats.

Nein, das habe ich gezielt inszeniert, um auf das Problem der Inventurdifferenzen aufmerksam zu machen. Ich musste mir natürlich Kritik anhören, dass ich dieses Thema auch etwas weniger dramatisch hätte aufgreifen können. Zuvor hatte ich allerdings schon in 25 Briefen immer wieder darauf hingewiesen. Diese Briefe hatten aber offenbar nicht die nötige Wirkung erzielt.

Wie und wo haben Sie denn Führung gelernt?

Das lernt man nicht in der Universität, nur in der Praxis. Als ich zehn Jahre alt war, bin ich in den Ferien immer zu meiner Großmutter in den Schwarzwald gegangen. Die hatte dort eine Getreidemühle und ein Sägewerk. Dort konnte ich beobachten, wie man mit Personal umgeht, meine Großmutter hatte fünf Knechte und Mägde. Führung habe ich also schon dort gelernt, ohne zu merken, dass ich ausgebildet werde.

Und wie haben Sie diese Erkenntnisse angewandt, als Sie dann selbst Mitarbeiter hatten?

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Die ersten Mitarbeiter habe ich beim Werkzeughändler Lux eingestellt, bei dem ich nach dem Studium angefangen hatte. Der richtige Lernprozess fand aber statt, als ich später die Baumarktkette Obi nach dem damals neuen Franchise-System aufgebaut habe. Da muss man Partner suchen, das ist wie eine Heirat. Man schließt einen langfristigen Vertrag, muss also herausfinden, ob man zueinander passt, von den Werten her. Entscheidend war in dieser Phase, dass ich gelernt habe, dass Intelligenz und Charakter nicht immer in einer Person vereint sind. Manche Franchisenehmer waren zwar hochintelligent, aber charakterlich Schweine; die haben mich hintergangen und betrogen. Trotz dieser Erfahrungen blieb mein Menschenbild positiv, auf Vertrauen gerichtet. Allerdings habe ich dann meine Partnersuche verändert.

Wie denn?

Ich habe meine führenden Mitarbeiter einbezogen: den Leiter der Rechnungsabteilung, den Werbemann, den Vertriebsmann. So dass wir am Ende gemeinsam sagen konnten: Der Mann oder die Frau passt zu uns.

Wie haben Sie entschieden, wenn nicht alle einer Meinung waren?

Dann bin ich mit dem Kandidaten auf die Autobahn gefahren, er musste fahren. So konnte ich schon mal beobachten, wie er Auto fährt. Dann habe ich ihn an der Raststätte anhalten lassen, um zu beobachten, wie er einen Kaffee bestellt, wie er mit den Angestellten dort umgeht. Ich habe versucht, sein Verhalten im Umgang mit Menschen kennen zu lernen.

Was konnten Sie bei diesen Ausflügen erfahren, was im Vorstellungsgespräch nicht möglich war?

Zum Beispiel, wie einer mit Menschen umgeht. Ist sein Verhalten rau und rücksichtslos oder freundlich und respektvoll? Es geht darum herauszufinden, welchen Charakter dieser Mensch hat. Da kann man sich auch mal täuschen. Einer meiner engsten Mitarbeiter, der für die Expansion der Märkte zuständig war, beschwerte sich immer wieder, dass er trotz seines Einkommens von über einer Million zu wenig verdiene. Seine Begründung: Jeder Grundstücksmakler, der für jedes seiner Geschäfte fünf Prozent Provision kassiere, verdiene mehr als er. Ich sagte zu ihm: Dann müssen Sie Makler werden. Eines Tages las ich ein Stellengesuch in der Zeitung, das exakt seinem Profil entsprach. Als ich ihn zur Rede stellte, gab er zu, dass er einen neuen Job sucht. Da sagte ich ihm: Wir haben drei Gespräche geführt, ich möchte kein viertes Gespräch führen. Geben Sie mir bitte die Büroschlüssel und gehen Sie nach Hause. Da fiel der aus allen Wolken. Daraufhin habe ich die Werte Disziplin und Konsequenz als Teil unserer Unternehmenskultur erarbeitet. Das sind die wichtigsten Werte, um ein Unternehmen langfristig erfolgreich zu führen.

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Wie haben Sie diese Werte Ihren Mitarbeitern vermittelt?

Genau mit solchen Beispielen aus der Praxis, die ich dann etwa bei Besprechungen, bei Firmenveranstaltungen erzählte, um sie als Teil unserer Kultur darzustellen. Ich brauche Menschen in der Organisation, die mit ihren Talenten hoch motiviert am Unternehmensziel arbeiten.

Wie haben Sie Ihre Mitarbeiter motiviert?

Zum Beispiel, indem ich sie zu Millionären machte. Wenn Sie einem Filialleiter zehn Prozent mehr Gehalt geben, merkt der das kaum. Wenn Sie ihm aber zehn Prozent der Anteile an seinem Obi-Markt geben, hat das eine enorm motivierende Wirkung. Auf diese Weise sind einige meiner Mitarbeiter zu einem Vermögen gekommen, weil ich sie zu Mit-Unternehmern gemacht habe. Dann habe ich als Eigentümer zwar nur noch 90 Prozent der GmbH-Anteile des jeweiligen Baumarktes. Mir sind aber 90 Prozent in einem gut geführten Markt lieber als 100 Prozent in einem schlecht geführten Markt.

Haben Sie den Mitarbeitern die Anteile geschenkt?

Nein, die mussten den Unternehmensanteil bezahlen und sich das Geld in der Regel von der Bank leihen. Die typische Reaktion war: Kann ich diese Anteile vererben, kann ich sie meiner Frau übertragen? Diese Mitarbeiter haben also sofort weiter gedacht und waren damit auf einmal ganz anders motiviert, gute Arbeit zu leisten.

Also auch ein Instrument der Mitarbeiterbindung?

Nein, diesen Begriff kann ich inzwischen nicht mehr hören. Weil ich Menschen nicht anbinden möchte in meinem Unternehmen. Der Mitarbeiter muss von sich aus sagen: Das ist das Unternehmen, mit dieser Kultur, in dem ich arbeiten will.

Welches Führungsinstrument funktioniert denn am besten, um Mitarbeiter zu motivieren?

Freiheit. Ein Beispiel: Ein Marktleiter in Berlin hatte fünf muslimische Mitarbeiter, die im Markt ihre täglichen Gebete abhalten wollten. Er rief in der Zentrale an und fragte, wer für Gebete zuständig sei. Da haben die gelacht. Dann verwiesen sie ihn auf die Personalabteilung. Die fragten ihn, ob er nichts anderes zu tun habe. Also entschied er selbst, in meinem Markt darf man beten. Das war also ein Teil seiner Freiheit: selbst zu entscheiden, wie er seinen Markt gestaltet.

Sie sind ja auch Vorsitzender der Diözesangruppe Köln des Bundes Katholischer Unternehmer. Verlangte Ihnen eine solche Entscheidung ein besonderes Maß an Toleranz ab?

Diese Entscheidung war völlig richtig. Daraus entwickelte ich in der Diskussion mit unseren Franchisepartnern die Werte Toleranz und Respekt. Wie tolerant ist die Firma Obi? Wie respektieren wir andere Kulturen? Daraus ergeben sich teils überraschende Fragen für den Unternehmensalltag. Zum Beispiel wünschen sich manche Mitarbeiter aus dem islamischen Kulturkreis die dort üblichen Hocktoiletten. Da müssen Sie als Unternehmer entscheiden: Machen wir das? Investiere ich das Geld für die nötigen Umbauten?

Wie lautet Ihre Empfehlung an die Franchisepartner?

Wenn wir diese fremde Kultur respektieren wollen, müssen wir uns anpassen und diese Toiletten einbauen. Wir können die verschiedenen Kulturen nicht zusammenführen, wenn wir in solchen Fragen nicht zu Kompromissen bereit sind.

impulse: Herr Maus, welche Führungsfehler haben Sie gemacht? Und was haben Sie daraus gelernt? Manfred Maus: Ein Vorgesetzter sollte immer ein Vorbild sein. Vor allem sollte er halten, was er verspricht. Zum Beispiel hatte ich meinen Mitarbeitern garantiert, dass jeder Brief innerhalb von 24 Stunden beantwortet wird. Eines Tages schrieb mir ein Mitarbeiter, er sei von mir außerordentlich enttäuscht, weil er keine persönliche Antwort auf seinen Brief erhalten habe. Es stellte sich heraus, dass der Brief von der Fachabteilung beantwortet worden war. Der Mitarbeiter erwartete aber von mir eine Reaktion. Und ich war immer bestrebt, die Erwartungen meiner Mitarbeiter zu erfüllen, weil nur zufriedene Mitarbeiter zufriedene Kunden haben können. So nahm ich diese Kritik zum Anlass, um eine Kulturfrage zu diskutieren: Wie gehen wir miteinander um? Seitdem erhielt jeder Mitarbeiter sofort eine Antwort von mir direkt oder den Hinweis, dass ich sein Anliegen an die Fachkollegen weitergeleitet hatte. Wie gehen Sie mit persönlicher Kritik um? Ich habe mich jedes Jahr persönlich beurteilen lassen. Einer schrieb zum Beispiel, ich hätte einmal eine Besprechung besucht, nichts gesagt, aber als Chef dennoch die ganze Besprechung dominiert und so die Diskussionskultur negativ beeinflusst. Da wurde mir klar, auch ein Mensch, der nichts sagt, hat einen Einfluss, vor allem wenn ihm der Laden gehört. Ich bin dann nicht mehr unbedacht in Besprechungen gegangen, sondern habe mir genau überlegt, wo meine Anwesenheit nötig und hilfreich ist. Sie sind ja auch immer wieder mal unangekündigt in ihren Märkten aufgetaucht. Welchen Zweck erfüllt der Chef-Überfall als Führungsinstrument? Das kann helfen, wichtige Regeln durchzusetzen, gerade in einem Franchise-Unternehmen wie Obi. Ich bin zum Beispiel einmal in einen Obi-Markt in Dresden mit dem Auto durch den geöffneten Wareneingang bis zum ersten Warenregal gefahren und habe dann laut gehupt. Daraufhin ist der ganze Laden zusammengerannt. Ab diesem Tag blieb der Wareneingang, wie vorgeschrieben, geschlossen. Diesen Vorfall nahm ich als praktischen Aufhänger, um in der gesamten Organisation über das Problem der Inventurdifferenzen zu diskutieren. War das eine spontane Aktion? Nein, das habe ich gezielt inszeniert, um auf das Problem der Inventurdifferenzen aufmerksam zu machen. Ich musste mir natürlich Kritik anhören, dass ich dieses Thema auch etwas weniger dramatisch hätte aufgreifen können. Zuvor hatte ich allerdings schon in 25 Briefen immer wieder darauf hingewiesen. Diese Briefe hatten aber offenbar nicht die nötige Wirkung erzielt. Wie und wo haben Sie denn Führung gelernt? Das lernt man nicht in der Universität, nur in der Praxis. Als ich zehn Jahre alt war, bin ich in den Ferien immer zu meiner Großmutter in den Schwarzwald gegangen. Die hatte dort eine Getreidemühle und ein Sägewerk. Dort konnte ich beobachten, wie man mit Personal umgeht, meine Großmutter hatte fünf Knechte und Mägde. Führung habe ich also schon dort gelernt, ohne zu merken, dass ich ausgebildet werde. Und wie haben Sie diese Erkenntnisse angewandt, als Sie dann selbst Mitarbeiter hatten? Die ersten Mitarbeiter habe ich beim Werkzeughändler Lux eingestellt, bei dem ich nach dem Studium angefangen hatte. Der richtige Lernprozess fand aber statt, als ich später die Baumarktkette Obi nach dem damals neuen Franchise-System aufgebaut habe. Da muss man Partner suchen, das ist wie eine Heirat. Man schließt einen langfristigen Vertrag, muss also herausfinden, ob man zueinander passt, von den Werten her. Entscheidend war in dieser Phase, dass ich gelernt habe, dass Intelligenz und Charakter nicht immer in einer Person vereint sind. Manche Franchisenehmer waren zwar hochintelligent, aber charakterlich Schweine; die haben mich hintergangen und betrogen. Trotz dieser Erfahrungen blieb mein Menschenbild positiv, auf Vertrauen gerichtet. Allerdings habe ich dann meine Partnersuche verändert. Wie denn? Ich habe meine führenden Mitarbeiter einbezogen: den Leiter der Rechnungsabteilung, den Werbemann, den Vertriebsmann. So dass wir am Ende gemeinsam sagen konnten: Der Mann oder die Frau passt zu uns. Wie haben Sie entschieden, wenn nicht alle einer Meinung waren? Dann bin ich mit dem Kandidaten auf die Autobahn gefahren, er musste fahren. So konnte ich schon mal beobachten, wie er Auto fährt. Dann habe ich ihn an der Raststätte anhalten lassen, um zu beobachten, wie er einen Kaffee bestellt, wie er mit den Angestellten dort umgeht. Ich habe versucht, sein Verhalten im Umgang mit Menschen kennen zu lernen. Was konnten Sie bei diesen Ausflügen erfahren, was im Vorstellungsgespräch nicht möglich war? Zum Beispiel, wie einer mit Menschen umgeht. Ist sein Verhalten rau und rücksichtslos oder freundlich und respektvoll? Es geht darum herauszufinden, welchen Charakter dieser Mensch hat. Da kann man sich auch mal täuschen. Einer meiner engsten Mitarbeiter, der für die Expansion der Märkte zuständig war, beschwerte sich immer wieder, dass er trotz seines Einkommens von über einer Million zu wenig verdiene. Seine Begründung: Jeder Grundstücksmakler, der für jedes seiner Geschäfte fünf Prozent Provision kassiere, verdiene mehr als er. Ich sagte zu ihm: Dann müssen Sie Makler werden. Eines Tages las ich ein Stellengesuch in der Zeitung, das exakt seinem Profil entsprach. Als ich ihn zur Rede stellte, gab er zu, dass er einen neuen Job sucht. Da sagte ich ihm: Wir haben drei Gespräche geführt, ich möchte kein viertes Gespräch führen. Geben Sie mir bitte die Büroschlüssel und gehen Sie nach Hause. Da fiel der aus allen Wolken. Daraufhin habe ich die Werte Disziplin und Konsequenz als Teil unserer Unternehmenskultur erarbeitet. Das sind die wichtigsten Werte, um ein Unternehmen langfristig erfolgreich zu führen. Wie haben Sie diese Werte Ihren Mitarbeitern vermittelt? Genau mit solchen Beispielen aus der Praxis, die ich dann etwa bei Besprechungen, bei Firmenveranstaltungen erzählte, um sie als Teil unserer Kultur darzustellen. Ich brauche Menschen in der Organisation, die mit ihren Talenten hoch motiviert am Unternehmensziel arbeiten. Wie haben Sie Ihre Mitarbeiter motiviert? Zum Beispiel, indem ich sie zu Millionären machte. Wenn Sie einem Filialleiter zehn Prozent mehr Gehalt geben, merkt der das kaum. Wenn Sie ihm aber zehn Prozent der Anteile an seinem Obi-Markt geben, hat das eine enorm motivierende Wirkung. Auf diese Weise sind einige meiner Mitarbeiter zu einem Vermögen gekommen, weil ich sie zu Mit-Unternehmern gemacht habe. Dann habe ich als Eigentümer zwar nur noch 90 Prozent der GmbH-Anteile des jeweiligen Baumarktes. Mir sind aber 90 Prozent in einem gut geführten Markt lieber als 100 Prozent in einem schlecht geführten Markt. Haben Sie den Mitarbeitern die Anteile geschenkt? Nein, die mussten den Unternehmensanteil bezahlen und sich das Geld in der Regel von der Bank leihen. Die typische Reaktion war: Kann ich diese Anteile vererben, kann ich sie meiner Frau übertragen? Diese Mitarbeiter haben also sofort weiter gedacht und waren damit auf einmal ganz anders motiviert, gute Arbeit zu leisten. Also auch ein Instrument der Mitarbeiterbindung? Nein, diesen Begriff kann ich inzwischen nicht mehr hören. Weil ich Menschen nicht anbinden möchte in meinem Unternehmen. Der Mitarbeiter muss von sich aus sagen: Das ist das Unternehmen, mit dieser Kultur, in dem ich arbeiten will. Welches Führungsinstrument funktioniert denn am besten, um Mitarbeiter zu motivieren? Freiheit. Ein Beispiel: Ein Marktleiter in Berlin hatte fünf muslimische Mitarbeiter, die im Markt ihre täglichen Gebete abhalten wollten. Er rief in der Zentrale an und fragte, wer für Gebete zuständig sei. Da haben die gelacht. Dann verwiesen sie ihn auf die Personalabteilung. Die fragten ihn, ob er nichts anderes zu tun habe. Also entschied er selbst, in meinem Markt darf man beten. Das war also ein Teil seiner Freiheit: selbst zu entscheiden, wie er seinen Markt gestaltet. Sie sind ja auch Vorsitzender der Diözesangruppe Köln des Bundes Katholischer Unternehmer. Verlangte Ihnen eine solche Entscheidung ein besonderes Maß an Toleranz ab? Diese Entscheidung war völlig richtig. Daraus entwickelte ich in der Diskussion mit unseren Franchisepartnern die Werte Toleranz und Respekt. Wie tolerant ist die Firma Obi? Wie respektieren wir andere Kulturen? Daraus ergeben sich teils überraschende Fragen für den Unternehmensalltag. Zum Beispiel wünschen sich manche Mitarbeiter aus dem islamischen Kulturkreis die dort üblichen Hocktoiletten. Da müssen Sie als Unternehmer entscheiden: Machen wir das? Investiere ich das Geld für die nötigen Umbauten? Wie lautet Ihre Empfehlung an die Franchisepartner? Wenn wir diese fremde Kultur respektieren wollen, müssen wir uns anpassen und diese Toiletten einbauen. Wir können die verschiedenen Kulturen nicht zusammenführen, wenn wir in solchen Fragen nicht zu Kompromissen bereit sind.