Reinhard K. Sprenger
„Hört auf, Mitarbeiter wie Kinder zu behandeln!“

Klare Worte vom Management-Guru: Viele Chefs erniedrigen und entmündigen ihre Mitarbeiter, kritisiert Reinhard K. Sprenger. Warum das handfeste wirtschaftliche Nachteile bringt - und wie es besser geht.

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"Kümmert euch um Kunden, kümmert euch um Märkte!", fordert Reinhard K. Sprenger.
"Kümmert euch um Kunden, kümmert euch um Märkte!", fordert Reinhard K. Sprenger.
© Tobias Ebert

Als einer der wichtigsten Vordenker der deutschen Wirtschaft berät der Managementberater Reinhard K. Sprenger alle wichtigen Dax-100-Unternehmen; seine Bücher, darunter „Radikal führen“ und „Mythos Motivation“, wurden allesamt zu Bestsellern. In seinem neuen Buch „Das anständige Unternehmen“ stellt Sprenger viele Prinzipien moderner Personalführung in Frage. Ein Gespräch über Wohlfühl-Klimbim, Erniedrigungsbürokratie und mündige Mitarbeiter.

impulse: Herr Sprenger, in Ihrem neuen Buch üben Sie harsche Kritik: Viele Unternehmen, schreiben Sie, behandeln ihre Mitarbeiter wie Kinder. Was ärgert Sie daran, dass Unternehmen für ihre Mitarbeiter sorgen?

Reinhard K. Sprenger: Erwachsene Leute organisieren Familien, sie bauen Häuser, sie übernehmen Verantwortung in Vereinen, fällen vernünftige und zukunftsorientierte Entscheidungen. Doch in dem Augenblick, in dem sie durch die Pforte des Unternehmens treten, werden sie infantilisiert und entmündigt, dass ich manchmal fassungslos bin. Man versucht sie zu erziehen, etwa durch übergriffige Maßnahmen zur Gesundheitsförderung, durch Sinnstiftung, durch Identifikations-Geraune, Wohlfühl-Klimbim und Führungsstil-Pädagogik. Und dann wird diese Entmündigung als Fürsorge etikettiert.

Die – wie Sie sagen – entmündigten Mitarbeiter scheinen sich aber ganz wohl zu fühlen mit Stechuhr und Ernährungsberatung …

Vielen Entmündigten fällt ihre Entmündigung gar nicht auf. Und tatsächlich sehe ich nicht nur an der Unternehmensspitze nicht-anständiges Verhalten, sondern auch bei den Mitarbeitern: zum Beispiel an die würdelose Erwartung, motiviert zu werden, vom Chef bei Laune gehalten zu werden.

Sind Unternehmer selbst schuld daran, dass ihre Mitarbeiter so unselbstständig sind?

Erwachsenen Menschen kann man Freiheit und Selbstverantwortung zumuten. Es ist doch kein Zufall, dass ausgerechnet bei VW, einem der korruptesten Unternehmen Deutschlands, um 18 Uhr der Mailserver abgeschaltet wird, damit die Mitarbeiter keine E-Mails mehr schreiben. Hier ruft man den Mitarbeitern zu: „Werde zum Kind, pass dich an, hör auf zu denken!“

Das anständige Unternehmen
das-anstaendige-unternehmenReinhard K. Sprengers neues Buch "Das anständige Unternehmen: Was richtige Führung ausmacht - und was sie weglässt" ist bei der Deutschen Verlags-Anstalt erschienen und kostet 26,99 Euro.

Wenn man sich die hohen Burnout-Raten anschaut, scheinen solch drastische Maßnahmen nötig zu sein.

Burnout entsteht, wenn jemand Ja sagt und Nein meint. Mit E-Mails, Handys und Arbeitsverdichtung hat das nichts zu tun. Die allermeisten Menschen, die ich kenne, erleben permanente Erreichbarkeit auch keineswegs als Belastung, sondern fast schon als Erotik. Doch auch sie werden fürsorglich belagert. Das Übermaß an Zudringlichkeit, das in vielen Unternehmen praktiziert wird, dementiert den Menschen als Freiheitswesen.

Unter ethischen Gesichtspunkten ist das sicher richtig. Aber bringt es einem Unternehmer auch handfeste betriebswirtschaftliche Vorteile, ein anständiges Unternehmen zu leiten?

Ganz eindeutig: ja. Sie haben mehr Zeit für das Wesentliche: Kunden und Märkte. Sie sparen eine ungeheure Menge an Transaktionskosten; denn es kostet immens viel Geld, die eigenen Leute zu kontrollieren, konform zu machen, bei Laune zu halten. Zudem werden Sie durch das Entrümpeln zukunftsfähiger. Im anständigen Unternehmen fallen also Ethik und Betriebswirtschaft zusammen.

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Was müssen Unternehmer tun, die ein anständiges Unternehmen führen wollen?

Das Wichtigste ist nicht, dass sie etwas tun, sondern dass sie etwas lassen. Unternehmer sollten ganz bewusst sagen: Alles, was zudringlich und übergriffig ist, machen wir nicht mehr. Wir schaffen interne Märkte ab, reduzieren die Erniedrigungsbürokratie. Angesichts des heraufziehenden Innovationszeitalters ist es ausgesprochen hilfreich, Raum für Neues zu schaffen. Man macht das Unternehmen von morgen nicht mit den Institutionen von gestern.

Gilt das für kleine und mittelständische Unternehmen ebenso wie für Konzerne?

In kleinen und mittelständischen Unternehmen halten sich oft renitente Reste des gesunden Menschenverstandes. Diese Unternehmer haben noch ein gutes Gefühl dafür, was anständig ist. Allerdings glauben viele dieser Unternehmen, sie müssten Strukturen von Großkonzernen kopieren, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Das ist falsch. Stattdessen sollten sie ihre organisatorische Verschlafenheit in einen Wettbewerbsvorteil verwandeln – indem sie von Vornherein selbstbewusst sagen: Nein, da machen wir nicht mit, auch wenn es noch so modern klingt.

Stichwort entrümpeln: Was würden Sie als erstes abschaffen?

Die Feedbackkultur bei Mitarbeitergesprächen und anonymen Mitarbeiterbefragungen. Feedback sagt mehr über den Feedback-Geber aus als über den Feedback-Nehmer. Außerdem sollten wir Schamgrenzen respektieren. Wir sollten nicht versuchen, den anderen peinlich zu berühren und zur Anpassung zu drängen. Ich sage: Kümmert euch um Kunden, kümmert euch um Märkte! Dort müsst ihr den Wettbewerb gewinnen, nicht auf den Kinderspielplätzen der internen Gefälligkeit.

Aber ein Mitarbeiter hat doch das Recht, eine Rückmeldung zu seiner Arbeit einzufordern. Immerhin steht sein Job auf dem Spiel, wenn der Chef nicht mit seiner Leistung zufrieden ist.

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Natürlich sollte ein Chef einem Mitarbeiter Feedback geben, wenn er danach fragt. Die zentrale Aussage von Feedback sollte aber keinesfalls sein: „Sei so, wie ich dich haben will“. Wir sollten nicht Anpassungsleistung wertschätzen, sondern Initiative!

Angenommen, ein Unternehmen hat entrümpelt und Raum für Neues geschaffen. Was ist dieses Neue?

Raum für Experimente – für eine radikal kundenfokussierte und kreativ-zukunftsorientierte Unternehmensführung. Im Zentrum muss die Frage stehen: Was wird auf den Märkten der Zukunft gebraucht? Nichts ist so problematisch für den Erfolg von morgen wie der Erfolg von gestern.

Und wie finde ich mündige Mitarbeiter, die mit mir diesen Weg gehen können?

Versuchen Sie nicht, Ihre Mitarbeiter zu verbessern, sondern setzen Sie sie so ein, dass sie ihre Stärken ausspielen können. Ermutigen Sie jeden einzelnen, sein Besonderes zur Geltung zu bringen. Überprüfen Sie Ihre Institutionen: Senden Sie Botschaften der Konformität oder des Unternehmerischen? Reduzieren Sie den Rechtfertigungsdruck und schaffen Sie ein Vertrauensklima. Das bringt Sie nicht nur im Wettbewerb nach vorne, sondern wird sich auch auf Personalmärkten schnell rumsprechen: Ein respektvolles Miteinander ist in hohem Maße attraktiv für gute Leute.

Als einer der wichtigsten Vordenker der deutschen Wirtschaft berät der Managementberater Reinhard K. Sprenger alle wichtigen Dax-100-Unternehmen; seine Bücher, darunter "Radikal führen" und "Mythos Motivation", wurden allesamt zu Bestsellern. In seinem neuen Buch "Das anständige Unternehmen" stellt Sprenger viele Prinzipien moderner Personalführung in Frage. Ein Gespräch über Wohlfühl-Klimbim, Erniedrigungsbürokratie und mündige Mitarbeiter. impulse: Herr Sprenger, in Ihrem neuen Buch üben Sie harsche Kritik: Viele Unternehmen, schreiben Sie, behandeln ihre Mitarbeiter wie Kinder. Was ärgert Sie daran, dass Unternehmen für ihre Mitarbeiter sorgen? Reinhard K. Sprenger: Erwachsene Leute organisieren Familien, sie bauen Häuser, sie übernehmen Verantwortung in Vereinen, fällen vernünftige und zukunftsorientierte Entscheidungen. Doch in dem Augenblick, in dem sie durch die Pforte des Unternehmens treten, werden sie infantilisiert und entmündigt, dass ich manchmal fassungslos bin. Man versucht sie zu erziehen, etwa durch übergriffige Maßnahmen zur Gesundheitsförderung, durch Sinnstiftung, durch Identifikations-Geraune, Wohlfühl-Klimbim und Führungsstil-Pädagogik. Und dann wird diese Entmündigung als Fürsorge etikettiert. Die – wie Sie sagen – entmündigten Mitarbeiter scheinen sich aber ganz wohl zu fühlen mit Stechuhr und Ernährungsberatung … Vielen Entmündigten fällt ihre Entmündigung gar nicht auf. Und tatsächlich sehe ich nicht nur an der Unternehmensspitze nicht-anständiges Verhalten, sondern auch bei den Mitarbeitern: zum Beispiel an die würdelose Erwartung, motiviert zu werden, vom Chef bei Laune gehalten zu werden. Sind Unternehmer selbst schuld daran, dass ihre Mitarbeiter so unselbstständig sind? Erwachsenen Menschen kann man Freiheit und Selbstverantwortung zumuten. Es ist doch kein Zufall, dass ausgerechnet bei VW, einem der korruptesten Unternehmen Deutschlands, um 18 Uhr der Mailserver abgeschaltet wird, damit die Mitarbeiter keine E-Mails mehr schreiben. Hier ruft man den Mitarbeitern zu: „Werde zum Kind, pass dich an, hör auf zu denken!“ Wenn man sich die hohen Burnout-Raten anschaut, scheinen solch drastische Maßnahmen nötig zu sein. Burnout entsteht, wenn jemand Ja sagt und Nein meint. Mit E-Mails, Handys und Arbeitsverdichtung hat das nichts zu tun. Die allermeisten Menschen, die ich kenne, erleben permanente Erreichbarkeit auch keineswegs als Belastung, sondern fast schon als Erotik. Doch auch sie werden fürsorglich belagert. Das Übermaß an Zudringlichkeit, das in vielen Unternehmen praktiziert wird, dementiert den Menschen als Freiheitswesen. Unter ethischen Gesichtspunkten ist das sicher richtig. Aber bringt es einem Unternehmer auch handfeste betriebswirtschaftliche Vorteile, ein anständiges Unternehmen zu leiten? Ganz eindeutig: ja. Sie haben mehr Zeit für das Wesentliche: Kunden und Märkte. Sie sparen eine ungeheure Menge an Transaktionskosten; denn es kostet immens viel Geld, die eigenen Leute zu kontrollieren, konform zu machen, bei Laune zu halten. Zudem werden Sie durch das Entrümpeln zukunftsfähiger. Im anständigen Unternehmen fallen also Ethik und Betriebswirtschaft zusammen. Was müssen Unternehmer tun, die ein anständiges Unternehmen führen wollen? Das Wichtigste ist nicht, dass sie etwas tun, sondern dass sie etwas lassen. Unternehmer sollten ganz bewusst sagen: Alles, was zudringlich und übergriffig ist, machen wir nicht mehr. Wir schaffen interne Märkte ab, reduzieren die Erniedrigungsbürokratie. Angesichts des heraufziehenden Innovationszeitalters ist es ausgesprochen hilfreich, Raum für Neues zu schaffen. Man macht das Unternehmen von morgen nicht mit den Institutionen von gestern. Gilt das für kleine und mittelständische Unternehmen ebenso wie für Konzerne? In kleinen und mittelständischen Unternehmen halten sich oft renitente Reste des gesunden Menschenverstandes. Diese Unternehmer haben noch ein gutes Gefühl dafür, was anständig ist. Allerdings glauben viele dieser Unternehmen, sie müssten Strukturen von Großkonzernen kopieren, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Das ist falsch. Stattdessen sollten sie ihre organisatorische Verschlafenheit in einen Wettbewerbsvorteil verwandeln – indem sie von Vornherein selbstbewusst sagen: Nein, da machen wir nicht mit, auch wenn es noch so modern klingt. Stichwort entrümpeln: Was würden Sie als erstes abschaffen? Die Feedbackkultur bei Mitarbeitergesprächen und anonymen Mitarbeiterbefragungen. Feedback sagt mehr über den Feedback-Geber aus als über den Feedback-Nehmer. Außerdem sollten wir Schamgrenzen respektieren. Wir sollten nicht versuchen, den anderen peinlich zu berühren und zur Anpassung zu drängen. Ich sage: Kümmert euch um Kunden, kümmert euch um Märkte! Dort müsst ihr den Wettbewerb gewinnen, nicht auf den Kinderspielplätzen der internen Gefälligkeit. Aber ein Mitarbeiter hat doch das Recht, eine Rückmeldung zu seiner Arbeit einzufordern. Immerhin steht sein Job auf dem Spiel, wenn der Chef nicht mit seiner Leistung zufrieden ist. Natürlich sollte ein Chef einem Mitarbeiter Feedback geben, wenn er danach fragt. Die zentrale Aussage von Feedback sollte aber keinesfalls sein: „Sei so, wie ich dich haben will“. Wir sollten nicht Anpassungsleistung wertschätzen, sondern Initiative! Angenommen, ein Unternehmen hat entrümpelt und Raum für Neues geschaffen. Was ist dieses Neue? Raum für Experimente - für eine radikal kundenfokussierte und kreativ-zukunftsorientierte Unternehmensführung. Im Zentrum muss die Frage stehen: Was wird auf den Märkten der Zukunft gebraucht? Nichts ist so problematisch für den Erfolg von morgen wie der Erfolg von gestern. Und wie finde ich mündige Mitarbeiter, die mit mir diesen Weg gehen können? Versuchen Sie nicht, Ihre Mitarbeiter zu verbessern, sondern setzen Sie sie so ein, dass sie ihre Stärken ausspielen können. Ermutigen Sie jeden einzelnen, sein Besonderes zur Geltung zu bringen. Überprüfen Sie Ihre Institutionen: Senden Sie Botschaften der Konformität oder des Unternehmerischen? Reduzieren Sie den Rechtfertigungsdruck und schaffen Sie ein Vertrauensklima. Das bringt Sie nicht nur im Wettbewerb nach vorne, sondern wird sich auch auf Personalmärkten schnell rumsprechen: Ein respektvolles Miteinander ist in hohem Maße attraktiv für gute Leute.