Zusammenbruch wegen Stress
Herzattacke mit 27

Sven Franzen wollte ein paar Wochen richtig Gas geben – und wurde von seinem Körper jäh gestoppt. Jetzt überlegt er, was ihn dazu trieb, so an seine Grenzen zu gehen. Habgier?

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Ein Termin jagte den anderen, dazwischen nahm sich der Unternehmer Sven Franzen kaum Zeit: Dieses irre Tempo führte dazu, dass er mit 27 einen Zusammenbruch hatte.
Ein Termin jagte den anderen, dazwischen nahm sich der Unternehmer Sven Franzen kaum Zeit: Dieses irre Tempo führte dazu, dass er mit 27 einen Zusammenbruch hatte.

Ein typischer Tag von mir im November 2016: 5 Uhr aufstehen, Sport machen, frühstücken. Um 7:30 Uhr anfangen zu arbeiten. Durchgetaktet. Viele Auswärtstermine. Mittagspause: Wahl zwischen Asia und Döner direkt auf die Hand. Mit der anderen Hand E-Mails beantworten. Weiter zum Termin. Dabei müsste ich eigentlich noch Marketingkonzepte entwickeln, meine Strategieberatung vorbereiten. Diese Aufgaben sitzen mir im Nacken: Wann soll ich das eigentlich machen, wenn ich den ganzen Tag unterwegs bin?

Ich hatte mich bewusst dafür entschieden. Ich dachte: Das ist eine vorübergehende Hochphase in meiner Marketing-Agentur. Von Oktober bis Weihnachten. Eine Power-Season. Danach, so redete ich mir ein, wird es viel weniger. Im Januar wirst Du quasi nichts zu tun haben, weil dann alles abgearbeitet ist. Also: Bis Weihnachten, dann hast Du Pause. Dann steht Deutschland eh still. Zieh durch.

Ich war plötzlich wie weggetreten

Weihnachten kam und ich fuhr wie immer zu meiner Familie. Der Belastungspegel fiel ab. Komplett auf Null. Ich habe nichts mehr gemacht, außer mit meiner Familie zu reden und zu essen. Das war schön. Dann kam Silvester. Ich wollte nicht viel machen, mit ein paar Freunden Dinner for One gucken, gut essen. Da ist es dann passiert: Ich war plötzlich wie weggetreten (und nein, ich war nicht betrunken). Meine Freunde haben versucht mich anzusprechen. Den Notarzt haben sie nicht gerufen. Ich hatte ja keinen sichtbaren Anfall, ich habe einfach nicht reagiert. Ich selbst kann mich an nichts erinnern. Ich weiß nur noch, dass ich mich vorher sehr schwach gefühlt habe.

Mein Arzt sagt, dass mein Körper an Weihnachten kein Stresslevel mehr hatte und dann, als er erholt war, nachgetreten hat. Er tippt auf eine leichte Herzattacke. Im EKG kann man Gott sei Dank nichts sehen. Ich denke, ich habe Glück gehabt.

Schockiert bin ich trotzdem. Warum habe ich mir diesen Wahnsinn zum Jahresende zugemutet? Ich habe mir den Druck ja künstlich erschaffen. Ich hätte Kunden auch eine entspanntere Deadline setzen können. Ich hätte Auswärtstermine auch auf eine Woche später legen können. Es ging nicht um Leben und Tod der Firma. Es war mein Kopf, der gesagt hat: Ich kann das, ich mute mir das zu, wir machen das jetzt.

Warum habe ich mir diesen Stress gemacht?

Wenn ich ehrlich bin, dann muss man auf die Frage nach dem Warum wohl mit einem juristischen Begriff antworten: Habgier. Ich dachte: Ich habe viele Anfragen, ich bin gefragt. Ich will das alles abfangen und meine unternehmerischen Ziele erreichen: Ich habe Umsatzsteigerung, Kundenwachstum, Firmenwachstum gesehen. Aber nicht mich als Person.

Am Tag nach der Attacke dachte ich: Was machst du jetzt? Ich habe mich schwer getan mit dem Gedanken, ob ich es überhaupt jemandem sage. Gerade meine Mutter könnte da sehr mütterlich werden: „Junge, mach die Firma zu.“ Ich wollte keinen Gegenwind. Aber ich wollte außer mit meinem Arzt auch mit anderen darüber sprechen. Ich wollte mir Feedback einholen. Was ist da schief gelaufen?

Eine Erkenntnis: Ich hatte eine völlig falsche Einschätzung von Zeit. Wenn ich zwischen zwei Terminen die Reisezeit kalkuliert habe, dann habe ich in Google Maps geguckt: Wie lange brauche ich von hier nach dort: Ach, 35 Minuten? Dann planst Du 40 ein. Dass dann mal eine Ampel rot ist, dass Stau ist oder was Ungeplantes passiert, dass man sich vor dem Termin noch mal fünf Minuten fokussiert – das habe ich alles nicht kalkuliert. Mir ist gar nicht aufgefallen, was für ein großer Planungsfehler das war. Mir war auch nicht klar, wie lang oder kurz eine Minute ist. Manchmal saß ich seit 15 Minuten in einem Termin, für den nur eine Stunde eingeplant war. Und ich dachte: Bei dem aktuellen Status brauchen wir eineinhalb Stunden.

Meine Zeitplanung habe ich schon besser im Griff

Der Stress, den ich habe, beruht zum größten Teil auf Planungsfehlern. Ich will dann einem Kunden etwas Gutes tun. Ich denke: Das ist ein potenziell guter Kunde, der könnte richtig groß werden. Dem will ich helfen. Und dann mache ich einen Termin aus, der eigentlich diese Woche nicht mehr rein passt. Ich habe mir nun fest vorgenommen: Das wird mir nicht mehr passieren.

Meine Zeitplanung habe ich schon besser im Griff. Ich habe eine Daumenregel entwickelt: Ich nehme die Zeit, die ich im ersten Moment kalkuliere, einfach mal zwei. Das hat ganz gut funktioniert. Außerdem versuche ich immer zu früh da zu sein, um Pünktlichkeit zu gewährleisten. Ich lasse jetzt viel größere Lücken zwischen Terminen. Und ich mache höchstens drei Auswärtstermine pro Tag. Ich mache auch keine Wunsch-Deadlines mehr für Kunden. Wenn ein Kunde sagt: „Ich wünsche mir, dass das nächste Woche fertig ist.“ „Dann sage ich: „Das ist unrealistisch, wenn die Qualität stimmen soll. Das können wir nicht umsetzen.“ Ich mache dann einen alternativen Vorschlag als Deadline. Alle Kunden stimmen bisher zu.

Ich will dieses Risiko nicht mehr eingehen

Viel zu erreichen macht mich zufrieden – klar. Aber die Silvesternacht war für mich ein Warnschuss. Ich habe gesehen: Ich setze damit meine Gesundheit aufs Spiel. Und wenn die einmal weg ist, dann ist sie halt weg. Die kriegt man meist nicht so leicht zurück. Und dann kann man gar keinen Umsatz mehr machen.

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Ich bin nicht mehr bereit, dieses Risiko einzugehen. Ja, ich bin ehrgeizig. Aber man muss den großen Zusammenhang sehen. Und da ist so ein Umsatzziel 2016 eben nur ein kleines Ziel im Leben.

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Der Belastungspegel fiel ab. Komplett auf Null. Ich habe nichts mehr gemacht, außer mit meiner Familie zu reden und zu essen. Das war schön. Dann kam Silvester. Ich wollte nicht viel machen, mit ein paar Freunden Dinner for One gucken, gut essen. Da ist es dann passiert: Ich war plötzlich wie weggetreten (und nein, ich war nicht betrunken). Meine Freunde haben versucht mich anzusprechen. Den Notarzt haben sie nicht gerufen. Ich hatte ja keinen sichtbaren Anfall, ich habe einfach nicht reagiert. Ich selbst kann mich an nichts erinnern. Ich weiß nur noch, dass ich mich vorher sehr schwach gefühlt habe. Mein Arzt sagt, dass mein Körper an Weihnachten kein Stresslevel mehr hatte und dann, als er erholt war, nachgetreten hat. Er tippt auf eine leichte Herzattacke. Im EKG kann man Gott sei Dank nichts sehen. Ich denke, ich habe Glück gehabt. Schockiert bin ich trotzdem. Warum habe ich mir diesen Wahnsinn zum Jahresende zugemutet? Ich habe mir den Druck ja künstlich erschaffen. Ich hätte Kunden auch eine entspanntere Deadline setzen können. Ich hätte Auswärtstermine auch auf eine Woche später legen können. Es ging nicht um Leben und Tod der Firma. Es war mein Kopf, der gesagt hat: Ich kann das, ich mute mir das zu, wir machen das jetzt. Warum habe ich mir diesen Stress gemacht? Wenn ich ehrlich bin, dann muss man auf die Frage nach dem Warum wohl mit einem juristischen Begriff antworten: Habgier. Ich dachte: Ich habe viele Anfragen, ich bin gefragt. Ich will das alles abfangen und meine unternehmerischen Ziele erreichen: Ich habe Umsatzsteigerung, Kundenwachstum, Firmenwachstum gesehen. Aber nicht mich als Person. Am Tag nach der Attacke dachte ich: Was machst du jetzt? Ich habe mich schwer getan mit dem Gedanken, ob ich es überhaupt jemandem sage. Gerade meine Mutter könnte da sehr mütterlich werden: „Junge, mach die Firma zu.“ Ich wollte keinen Gegenwind. Aber ich wollte außer mit meinem Arzt auch mit anderen darüber sprechen. Ich wollte mir Feedback einholen. Was ist da schief gelaufen? Eine Erkenntnis: Ich hatte eine völlig falsche Einschätzung von Zeit. Wenn ich zwischen zwei Terminen die Reisezeit kalkuliert habe, dann habe ich in Google Maps geguckt: Wie lange brauche ich von hier nach dort: Ach, 35 Minuten? Dann planst Du 40 ein. Dass dann mal eine Ampel rot ist, dass Stau ist oder was Ungeplantes passiert, dass man sich vor dem Termin noch mal fünf Minuten fokussiert – das habe ich alles nicht kalkuliert. Mir ist gar nicht aufgefallen, was für ein großer Planungsfehler das war. Mir war auch nicht klar, wie lang oder kurz eine Minute ist. Manchmal saß ich seit 15 Minuten in einem Termin, für den nur eine Stunde eingeplant war. Und ich dachte: Bei dem aktuellen Status brauchen wir eineinhalb Stunden. Meine Zeitplanung habe ich schon besser im Griff Der Stress, den ich habe, beruht zum größten Teil auf Planungsfehlern. Ich will dann einem Kunden etwas Gutes tun. Ich denke: Das ist ein potenziell guter Kunde, der könnte richtig groß werden. Dem will ich helfen. Und dann mache ich einen Termin aus, der eigentlich diese Woche nicht mehr rein passt. Ich habe mir nun fest vorgenommen: Das wird mir nicht mehr passieren. Meine Zeitplanung habe ich schon besser im Griff. Ich habe eine Daumenregel entwickelt: Ich nehme die Zeit, die ich im ersten Moment kalkuliere, einfach mal zwei. Das hat ganz gut funktioniert. Außerdem versuche ich immer zu früh da zu sein, um Pünktlichkeit zu gewährleisten. Ich lasse jetzt viel größere Lücken zwischen Terminen. Und ich mache höchstens drei Auswärtstermine pro Tag. Ich mache auch keine Wunsch-Deadlines mehr für Kunden. Wenn ein Kunde sagt: „Ich wünsche mir, dass das nächste Woche fertig ist.“ "Dann sage ich: "Das ist unrealistisch, wenn die Qualität stimmen soll. Das können wir nicht umsetzen." Ich mache dann einen alternativen Vorschlag als Deadline. Alle Kunden stimmen bisher zu. Ich will dieses Risiko nicht mehr eingehen Viel zu erreichen macht mich zufrieden – klar. Aber die Silvesternacht war für mich ein Warnschuss. Ich habe gesehen: Ich setze damit meine Gesundheit aufs Spiel. Und wenn die einmal weg ist, dann ist sie halt weg. Die kriegt man meist nicht so leicht zurück. Und dann kann man gar keinen Umsatz mehr machen. Ich bin nicht mehr bereit, dieses Risiko einzugehen. Ja, ich bin ehrgeizig. Aber man muss den großen Zusammenhang sehen. Und da ist so ein Umsatzziel 2016 eben nur ein kleines Ziel im Leben.
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