Starre Arbeitszeiten
Ein Relikt aus den 80ern

Im Durchschnitt haben Angestellte 2013 knapp 41 Stunden pro Woche gearbeitet. Doch der klassische Nine-to-Five-Job hat ausgedient, sagen Experten. Vor allem Fachkräfte legen verstärkt Wert auf flexible Arbeitszeiten. Auch für Unternehmen bietet das Vorteile.

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Mitarbeiterinnen an der Stechuhr beim Armaturenhersteller Grohe Mitte der 1980er Jahre.
Mitarbeiterinnen an der Stechuhr beim Armaturenhersteller Grohe Mitte der 1980er Jahre.
© dpa

Jede zweite Woche verlegt Ann Miller-Rauch ihren Arbeitsplatz für einen Tag in die eigenen vier Wände. „Ich brauche das für meine Kreativität“, sagt sie. Die 44-Jährige ist bei der Software AG in Darmstadt für die Personal- und Organisationsentwicklung zuständig. Die flexiblen Arbeitszeiten seien der Grund gewesen, warum sie sich für das Unternehmen entschieden habe. „Für mich als Mutter ist das super. Ich kann meine Tochter morgens in den Kindergarten bringen und nachmittags abholen“, erklärt sie. „Wenn ich mal einen Tag mehr arbeite, arbeite ich am nächsten weniger.“

40,6 Stunden pro Woche verbrachten Arbeitnehmer mit einem Vollzeitjob nach eigener Einschätzung im vergangenen Jahr am Arbeitsplatz, wie das Statistische Bundesamt berichtet. Selbstständige kamen auf 50,2 Stunden. Die durchschnittliche Arbeitszeit aller Erwerbstätigen lag bei 35,3 Wochenstunden, damit befand sich Deutschland knapp unter dem EU-Durchschnitt von 37,2 Stunden: Griechenland etwa kam nach Erhebungen des europäischen Statistikamtes Eurostat auf 42,1 Stunden, die Niederlande auf 30.

„Die 40-Stunden-Woche hat ausgedient“

Ob Vertrauensarbeitszeit, Homeoffice oder Jobsharing: Es gibt unter Arbeitnehmern verstärkt das Bedürfnis nach Alternativen zum starren Nine-to-Five-Job, wie Personalwissenschaftlerin Jutta Rump erklärt. Sie lehrt an der Fachhochschule Ludwigshafen und leitet das Institut Beschäftigung und Employability. „Die Zukunft liegt in flexiblen Arbeitszeitmodellen, die es den Mitarbeitern ermöglichen, ihre private und ihre berufliche Situation in Balance zu halten“, sagt sie. Die 40-Stunden-Woche über 45 Jahre lang habe als Modell ausgedient, meint auch Claudia Bogedan von der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung.

Die IG Metall brachte Anfang des Jahres eine 30-Stunden-Woche für Mütter und Väter ins Spiel. Es müsse möglich sein, die Arbeitszeit vorübergehend zu reduzieren, etwa zur Kinderbetreuung, Pflege von Angehörigen oder zur Weiterbildung. In einer Umfrage des Marktforschungsinstituts GfK unter Arbeitnehmern im Alter von 45 bis 60 Jahren wünschten sich 56 Prozent der Befragten mehr Unterstützung beim Übergang vom Job in den Ruhestand. Ganz oben auf der Wunschliste standen flexiblere Arbeitszeitmodelle (75 Prozent).

Im europäischen Vergleich hinkt Deutschland noch hinterher. In Finnland boten 2013 rund 57 Prozent der Unternehmen dem Großteil ihrer Mitarbeiter an, Arbeitsbeginn und Ende ihren Bedürfnissen anzupassen, wie aus einer Erhebung der EU-Agentur Eurofound hervorgeht. Deutschland liegt mit 31,8 Prozent nur knapp über dem EU-Durchschnitt.

Personal: Weg vom Kostenfaktor hin zum Engpass

Rump registriert bei vielen Unternehmen bereits eine gewachsene Bereitschaft, Mitarbeitern größere Freiräume bei der Gestaltung ihrer Arbeitszeit zu lassen. „Personal wird in immer mehr Branchen nicht mehr im Sinne eines Kostenfaktors verstanden, sondern als Engpass wahrgenommen.“ Der Fachkräftemangel lasse Firmen um die besten Köpfe buhlen. Der Arbeitsmarktforscher Werner Eichhorst vom Institut zur Zukunft der Arbeit (IZA) erwartet daher, dass die flexiblen Arbeitszeitmodelle in den kommenden Jahren zunehmen werden. „Weil die Qualifizierten mehr umworben werden und so eine bessere Verhandlungsposition haben“, erklärt er.

Eichhorst verweist auf die Vorteile für Unternehmen: Flexible Formen könnten dazu beitragen, Produktivität und Verfügbarkeit der Beschäftigten hochzuhalten. „Jemand der sehr viele Stunden im Büro verbringt, muss nicht unbedingt produktiver sein als jemand, der auch mal von Zuhause aus arbeitet. Das ist eine überholte Denkweise“, betont der Arbeitsmarktforscher.

Claudia Bogedan von der Hans-Böckler-Stiftung warnt jedoch vor Nachteilen, die sich für die Beschäftigten ergeben könnten. Die Modelle dürften nicht dazu missbraucht werden, allein den Interessen der Arbeitgeber Rechnung zu tragen – etwa wenn die Leistungserwartung nicht mit der zur Verfügung stehenden Arbeitszeit übereinstimme.

Bei der Software AG werden Überstunden erfasst und abgebaut – trotz Vertrauensarbeitszeit. Ann Miller-Rauch hat nur ein Mal im Leben strikt nach Stechuhr gearbeitet – während des Studiums jobbte sie in einer Fabrik. Sie kann sich ein Arbeiten ohne Flexibilität nicht mehr vorstellen. „Es ist trotzdem wichtig, dass die Mitarbeiter oft zusammenkommen“, sagt sie, „das funktioniert aber auch per Videoschalte.“

Jede zweite Woche verlegt Ann Miller-Rauch ihren Arbeitsplatz für einen Tag in die eigenen vier Wände. "Ich brauche das für meine Kreativität", sagt sie. Die 44-Jährige ist bei der Software AG in Darmstadt für die Personal- und Organisationsentwicklung zuständig. Die flexiblen Arbeitszeiten seien der Grund gewesen, warum sie sich für das Unternehmen entschieden habe. "Für mich als Mutter ist das super. Ich kann meine Tochter morgens in den Kindergarten bringen und nachmittags abholen", erklärt sie. "Wenn ich mal einen Tag mehr arbeite, arbeite ich am nächsten weniger." 40,6 Stunden pro Woche verbrachten Arbeitnehmer mit einem Vollzeitjob nach eigener Einschätzung im vergangenen Jahr am Arbeitsplatz, wie das Statistische Bundesamt berichtet. Selbstständige kamen auf 50,2 Stunden. Die durchschnittliche Arbeitszeit aller Erwerbstätigen lag bei 35,3 Wochenstunden, damit befand sich Deutschland knapp unter dem EU-Durchschnitt von 37,2 Stunden: Griechenland etwa kam nach Erhebungen des europäischen Statistikamtes Eurostat auf 42,1 Stunden, die Niederlande auf 30. "Die 40-Stunden-Woche hat ausgedient" Ob Vertrauensarbeitszeit, Homeoffice oder Jobsharing: Es gibt unter Arbeitnehmern verstärkt das Bedürfnis nach Alternativen zum starren Nine-to-Five-Job, wie Personalwissenschaftlerin Jutta Rump erklärt. Sie lehrt an der Fachhochschule Ludwigshafen und leitet das Institut Beschäftigung und Employability. "Die Zukunft liegt in flexiblen Arbeitszeitmodellen, die es den Mitarbeitern ermöglichen, ihre private und ihre berufliche Situation in Balance zu halten", sagt sie. Die 40-Stunden-Woche über 45 Jahre lang habe als Modell ausgedient, meint auch Claudia Bogedan von der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung. Die IG Metall brachte Anfang des Jahres eine 30-Stunden-Woche für Mütter und Väter ins Spiel. Es müsse möglich sein, die Arbeitszeit vorübergehend zu reduzieren, etwa zur Kinderbetreuung, Pflege von Angehörigen oder zur Weiterbildung. In einer Umfrage des Marktforschungsinstituts GfK unter Arbeitnehmern im Alter von 45 bis 60 Jahren wünschten sich 56 Prozent der Befragten mehr Unterstützung beim Übergang vom Job in den Ruhestand. Ganz oben auf der Wunschliste standen flexiblere Arbeitszeitmodelle (75 Prozent). Im europäischen Vergleich hinkt Deutschland noch hinterher. In Finnland boten 2013 rund 57 Prozent der Unternehmen dem Großteil ihrer Mitarbeiter an, Arbeitsbeginn und Ende ihren Bedürfnissen anzupassen, wie aus einer Erhebung der EU-Agentur Eurofound hervorgeht. Deutschland liegt mit 31,8 Prozent nur knapp über dem EU-Durchschnitt. Personal: Weg vom Kostenfaktor hin zum Engpass Rump registriert bei vielen Unternehmen bereits eine gewachsene Bereitschaft, Mitarbeitern größere Freiräume bei der Gestaltung ihrer Arbeitszeit zu lassen. "Personal wird in immer mehr Branchen nicht mehr im Sinne eines Kostenfaktors verstanden, sondern als Engpass wahrgenommen." Der Fachkräftemangel lasse Firmen um die besten Köpfe buhlen. Der Arbeitsmarktforscher Werner Eichhorst vom Institut zur Zukunft der Arbeit (IZA) erwartet daher, dass die flexiblen Arbeitszeitmodelle in den kommenden Jahren zunehmen werden. "Weil die Qualifizierten mehr umworben werden und so eine bessere Verhandlungsposition haben", erklärt er. Eichhorst verweist auf die Vorteile für Unternehmen: Flexible Formen könnten dazu beitragen, Produktivität und Verfügbarkeit der Beschäftigten hochzuhalten. "Jemand der sehr viele Stunden im Büro verbringt, muss nicht unbedingt produktiver sein als jemand, der auch mal von Zuhause aus arbeitet. Das ist eine überholte Denkweise", betont der Arbeitsmarktforscher. Claudia Bogedan von der Hans-Böckler-Stiftung warnt jedoch vor Nachteilen, die sich für die Beschäftigten ergeben könnten. Die Modelle dürften nicht dazu missbraucht werden, allein den Interessen der Arbeitgeber Rechnung zu tragen - etwa wenn die Leistungserwartung nicht mit der zur Verfügung stehenden Arbeitszeit übereinstimme. Bei der Software AG werden Überstunden erfasst und abgebaut - trotz Vertrauensarbeitszeit. Ann Miller-Rauch hat nur ein Mal im Leben strikt nach Stechuhr gearbeitet - während des Studiums jobbte sie in einer Fabrik. Sie kann sich ein Arbeiten ohne Flexibilität nicht mehr vorstellen. "Es ist trotzdem wichtig, dass die Mitarbeiter oft zusammenkommen", sagt sie, "das funktioniert aber auch per Videoschalte."
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