Arbeiten an Weihnachten
Warum Weihnachten die Hölle ist

An Weihnachten ist der Unternehmerlohn nur Schmerzensgeld, findet Gastronom Jürgen Krenzer. Übellaunige Gäste, die zum Festessen mit Opa gezwungen werden. Dazu Umsatz, aber kaum Gewinn. Eine Abrechnung.

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Oh Du Fröhliche? Nicht für alle ist Weihnachten ein Fest der Freude. Mancher, der arbeiten muss, fühlt sich danach so abgeschlagen wie ein Weihnachtsbaum. Gastronom Jürgen Krenzer überlegt daher, nächstes Jahr sein Restaurant einfach zuzulassen.
Oh Du Fröhliche? Nicht für alle ist Weihnachten ein Fest der Freude. Mancher, der arbeiten muss, fühlt sich danach so abgeschlagen wie ein Weihnachtsbaum. Gastronom Jürgen Krenzer überlegt daher, nächstes Jahr sein Restaurant einfach zuzulassen.

Wenn du in der Gastronomie aufwächst und dein Vater auch noch als Wirt Heiligabend Geburtstag hatte und mit seinen Gästen feierte (zumindest bis 1979, meinem 14. und seinem letzten Lebensjahr) – dann kennst du keinen klassischen Heiligabend und auch kein klassisches Weihnachten. Am Heiligabend war der Vater schon am Nachmittag betrunken, meine Mutter stinksauer, wir Kinder enttäuscht. Das war es dann. Auch für die nächsten zwei Feiertage. Aber als Kind gewöhnst du dich daran. Heiligabend ist eben bei uns anders.

1988 bin ich in den familieneigenen Betrieb eingestiegen – noch ohne Frau und Kinder – und hatte eine Idee: Ich werde an Heiligabend für Hausgäste öffnen, man kann erstmals bei uns übernachten. Das war wohl so eine Art Heiligabend-Verdrängungsversuch, der gründlich schiefgegangen ist.

Denn entweder habe ich Gäste, die Heiligabend ihre Ruhe haben wollen oder solche, die die Gemeinschaft suchen. Es geht einfach nicht zusammen. Ich bin gerne an diesem Abend für meine Gäste da. Aber ich mache es scheinbar niemandem Recht. Oh mein Gott! Weihnachtlicher Psycho-Terror vom Feinsten.

Heiligabend zwischen Geschäft und Familie

Tja, und meine junge Familie zieht mir zehn Jahre später recht schnell den Zahn: Heiligabend ist für die Familie da. Basta! Und wie recht meine Frau und unsere drei Kinder haben! Seit 16 Jahren ist uns nun der Heiligabend heilig. Aber bisher eben nur der Abend.

Die Arbeit davor und danach ist unglaublich heftig. Am Heiligabend sind bis 12 Uhr noch Büro und Laden auf. Bis ich aus dem Büro komme ist es meist 16 Uhr. Weil ich an diesem Nachmittag gut arbeiten kann, es ist ja endlich soooo ruhig. Mit Einbruch der Dämmerung bin ich dann bei meiner Familie. Das Weihnachtsbier wird beizeiten getrunken – denn am nächsten Morgen geht es um 9 Uhr weiter.

Weihnachten mit der Familie findet also von Heiligabend ab 16 Uhr bis zum 1. Feiertag um 9 Uhr statt. Schon um 11 Uhr kommen unsere Gäste zum festlichen Weihnachtsessen. Dieses Jahr allerdings wohl zum letzten Mal. Unsere Stammgäste wissen das allerdings noch nicht.

Der große Fehler in der Gastronomie

Um eines klarzustellen: Ich arbeite gerne, auch an Weihnachten. Es ist meine Berufung. Aber an manchen Weihnachtstagen ist mein Unternehmerlohn echt Schmerzensgeld. Die Ansprüche der Gäste steigen („Wie viele Weihnachtsmenüs gibt es denn?“) – aber zahlen wollen sie nicht mehr.

Bei uns in der Gastronomie ist vieles selbstverständlich: Wir haben geöffnet, normale Preise, sind super drauf, haben festlich dekoriert und offerieren drei tolle Weihnachtsmenüs. Die wir für uns schlecht – und für den Gast gut kalkulieren. Früher gab es bei uns sogar noch einen Weihnachts-Apéro aufs Haus. Alles selbstverständlich? Früher ja, aber jetzt eigentlich nicht mehr.

In anderen Branchen sind sie schon weiter: Rufen Sie mal am Heiligabend um 20.35 Uhr den Rohrreinigungsdienst an. Mal schauen, ob sich jemand meldet. Und wenn er überhaupt vorbeikommt: Wie viel Prozent Aufschlag verlangt er für den Service?

Die „Bitte lächeln“-Kampagne

In der Gastronomie sind Weihnachtszuschläge bisher nicht verbreitet. Dabei wären sie bitter nötig: Denn wenn die Tür aufgeht und die Gäste eintreten, erlebt man als Wirt so manche merkwürdige Überraschung. Tatsache ist: Viele Gäste sind an solchen Tagen schlecht drauf, lethargisch oder einfach nur Zwangsgäste. Sie haben keinen Bock auf ein Weihnachtsessen im Festtags-Outfit mit Opa, sondern würden lieber in Jogginghose auf der Couch chillen.

Nicht umsonst habe ich vor einigen Jahren an Weihnachten eine Tafel vor dem Wirtshauseingang aufgehängt. Darauf steht: „Bitte lächeln! Hier geht es Ihnen gut“. Übrigens: Diese Tafel ist das am häufigsten fotografierte Objekt in unserem Haus. Kann man auch mal drüber nachdenken …

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jürgen krenzer, weihnachten, bitte laecheln

Die Wahrheit über das Weihnachtsgeschäft

Ja – wir haben Fehler gemacht. Und ich habe eines gelernt: Das sogenannte Weihnachtsgeschäft ist gar kein Geschäft. Es heißt nur so.

Es ist lediglich Umsatz! Das verwechseln wir in der Gastronomie immer mehr. Umsatz und Gewinn. Leider! Denn es gibt da eine Buchhaltung samt betriebswirtschaftlicher Auswertung. Die könnte uns das gut belegen. Wenn wir mal reinschauen würden. Und uns nur diese drei Tage explizit anschauen. Aber dafür haben wir keine Zeit in der Gastro. Wir müssen ja Umsatz machen.

Und: Da gibt es noch jemanden, der viel grausamer ist. Ich nenne ihn den „unsichtbaren Buchhalter“. Er berechnet all die Dinge außerhalb der Betriebswirtschaftslehre. Und da gibt es eine ganze Menge, die wir als Unternehmer nicht in unserem Zahlen-Fokus haben.

Ich nenne jetzt nur mal ein Kriterium: den Menschen, unsere Mitarbeiter. Oha! Warum haben wir in der Gastro Probleme, gute und motivierte Mitarbeiter zu bekommen? Viele meiner Kollegen sind froh, wenn sie überhaupt noch Mitarbeiter bekommen. Denen ist mittlerweile völlig egal, wie talentiert und motiviert jemand ist. Das ist doch unglaublich! Wo sind wir hier eigentlich hingekommen? Man muss als Gastronom einiges tun, um als Arbeitgeber attraktiv zu sein. Weihnachten ist da eine Chance: Wenn der Betrieb an den Festtagen geschlossen wäre, die Mitarbeiter sicher frei hätten, würde dies auf jeden Fall für den Arbeitgeber sprechen.

Mein Wunsch für das Jahr 2017

Natürlich sind wir Dienstleister. Aber gute Dienstleister mit Leidenschaft sind heute schwerer zu bekommen als schlechte Kunden. Nicht ohne Grund habe ich mich im Sommer von einer Kundin verabschiedet, weil sie meine Mitarbeiter beleidigt hatte.

Gäste und Dienstleister sollten im Jahr 2017 auf Augenhöhe sein. Das ist mein größter Wunsch. Ein bisschen mehr Demut und Dankbarkeit seitens des Gastes – gerade an den Feiertagen – wäre angebracht. Ich bin echt mal gespannt, wann ein Weihnachtsgast zum ersten Mal die Worte spricht: „Klasse, dass Sie heute an Weihnachten für uns arbeiten!“

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Wir werden es die nächsten Jahre nicht mehr tun. Arbeiten an Weihnachten. Oder aber, wir öffnen ausschließlich für unsere Hotelgäste. Denn die sind extrem dankbar dafür. Und sie sind freiwillig da. Extrem gut drauf.

Allen anderen Gästen, die Weihnachten essen gehen wollen, damit zu Hause die neue Küche sauber bleibt, sage ich: „Seid dankbar, dass es die ländliche Gastronomie noch gibt. Noch. Lächelt die Servicekraft an. Die freut sich. Und wird das Lächeln zehnfach zurückgeben. Und hört auf, hintenrum zu meckern, wenn was nicht passt.“

Wir in der Gastronomie sind auch nur Menschen. Erst recht an Weihnachten. Wir sind Menschen, die an Tagen arbeiten, wo andere vor lauter Langeweile das Haar in der Suppe suchen.

Freut euch, über die Feiertage frei zu haben. Nutzt diese wunderbare Zeit. Denkt mal darüber nach, wie gut es uns geht. Selbst denen, die an Weihnachten arbeiten müssen!

Ich wünsche allen Lesern ein besinnliches, schönes, einfaches Weihnachtsfest mit vielen positiven Gedanken!

Euer Jürgen H. Krenzer

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Wenn du in der Gastronomie aufwächst und dein Vater auch noch als Wirt Heiligabend Geburtstag hatte und mit seinen Gästen feierte (zumindest bis 1979, meinem 14. und seinem letzten Lebensjahr) – dann kennst du keinen klassischen Heiligabend und auch kein klassisches Weihnachten. Am Heiligabend war der Vater schon am Nachmittag betrunken, meine Mutter stinksauer, wir Kinder enttäuscht. Das war es dann. Auch für die nächsten zwei Feiertage. Aber als Kind gewöhnst du dich daran. Heiligabend ist eben bei uns anders. 1988 bin ich in den familieneigenen Betrieb eingestiegen – noch ohne Frau und Kinder – und hatte eine Idee: Ich werde an Heiligabend für Hausgäste öffnen, man kann erstmals bei uns übernachten. Das war wohl so eine Art Heiligabend-Verdrängungsversuch, der gründlich schiefgegangen ist. Denn entweder habe ich Gäste, die Heiligabend ihre Ruhe haben wollen oder solche, die die Gemeinschaft suchen. Es geht einfach nicht zusammen. Ich bin gerne an diesem Abend für meine Gäste da. Aber ich mache es scheinbar niemandem Recht. Oh mein Gott! Weihnachtlicher Psycho-Terror vom Feinsten. Heiligabend zwischen Geschäft und Familie Tja, und meine junge Familie zieht mir zehn Jahre später recht schnell den Zahn: Heiligabend ist für die Familie da. Basta! Und wie recht meine Frau und unsere drei Kinder haben! Seit 16 Jahren ist uns nun der Heiligabend heilig. Aber bisher eben nur der Abend. Die Arbeit davor und danach ist unglaublich heftig. Am Heiligabend sind bis 12 Uhr noch Büro und Laden auf. Bis ich aus dem Büro komme ist es meist 16 Uhr. Weil ich an diesem Nachmittag gut arbeiten kann, es ist ja endlich soooo ruhig. Mit Einbruch der Dämmerung bin ich dann bei meiner Familie. Das Weihnachtsbier wird beizeiten getrunken – denn am nächsten Morgen geht es um 9 Uhr weiter. Weihnachten mit der Familie findet also von Heiligabend ab 16 Uhr bis zum 1. Feiertag um 9 Uhr statt. Schon um 11 Uhr kommen unsere Gäste zum festlichen Weihnachtsessen. Dieses Jahr allerdings wohl zum letzten Mal. Unsere Stammgäste wissen das allerdings noch nicht. Der große Fehler in der Gastronomie Um eines klarzustellen: Ich arbeite gerne, auch an Weihnachten. Es ist meine Berufung. Aber an manchen Weihnachtstagen ist mein Unternehmerlohn echt Schmerzensgeld. Die Ansprüche der Gäste steigen („Wie viele Weihnachtsmenüs gibt es denn?“) – aber zahlen wollen sie nicht mehr. Bei uns in der Gastronomie ist vieles selbstverständlich: Wir haben geöffnet, normale Preise, sind super drauf, haben festlich dekoriert und offerieren drei tolle Weihnachtsmenüs. Die wir für uns schlecht - und für den Gast gut kalkulieren. Früher gab es bei uns sogar noch einen Weihnachts-Apéro aufs Haus. Alles selbstverständlich? Früher ja, aber jetzt eigentlich nicht mehr. In anderen Branchen sind sie schon weiter: Rufen Sie mal am Heiligabend um 20.35 Uhr den Rohrreinigungsdienst an. Mal schauen, ob sich jemand meldet. Und wenn er überhaupt vorbeikommt: Wie viel Prozent Aufschlag verlangt er für den Service? Die "Bitte lächeln"-Kampagne In der Gastronomie sind Weihnachtszuschläge bisher nicht verbreitet. Dabei wären sie bitter nötig: Denn wenn die Tür aufgeht und die Gäste eintreten, erlebt man als Wirt so manche merkwürdige Überraschung. Tatsache ist: Viele Gäste sind an solchen Tagen schlecht drauf, lethargisch oder einfach nur Zwangsgäste. Sie haben keinen Bock auf ein Weihnachtsessen im Festtags-Outfit mit Opa, sondern würden lieber in Jogginghose auf der Couch chillen. Nicht umsonst habe ich vor einigen Jahren an Weihnachten eine Tafel vor dem Wirtshauseingang aufgehängt. Darauf steht: "Bitte lächeln! Hier geht es Ihnen gut". Übrigens: Diese Tafel ist das am häufigsten fotografierte Objekt in unserem Haus. Kann man auch mal drüber nachdenken … Die Wahrheit über das Weihnachtsgeschäft Ja – wir haben Fehler gemacht. Und ich habe eines gelernt: Das sogenannte Weihnachtsgeschäft ist gar kein Geschäft. Es heißt nur so. Es ist lediglich Umsatz! Das verwechseln wir in der Gastronomie immer mehr. Umsatz und Gewinn. Leider! Denn es gibt da eine Buchhaltung samt betriebswirtschaftlicher Auswertung. Die könnte uns das gut belegen. Wenn wir mal reinschauen würden. Und uns nur diese drei Tage explizit anschauen. Aber dafür haben wir keine Zeit in der Gastro. Wir müssen ja Umsatz machen. Und: Da gibt es noch jemanden, der viel grausamer ist. Ich nenne ihn den „unsichtbaren Buchhalter“. Er berechnet all die Dinge außerhalb der Betriebswirtschaftslehre. Und da gibt es eine ganze Menge, die wir als Unternehmer nicht in unserem Zahlen-Fokus haben. Ich nenne jetzt nur mal ein Kriterium: den Menschen, unsere Mitarbeiter. Oha! Warum haben wir in der Gastro Probleme, gute und motivierte Mitarbeiter zu bekommen? Viele meiner Kollegen sind froh, wenn sie überhaupt noch Mitarbeiter bekommen. Denen ist mittlerweile völlig egal, wie talentiert und motiviert jemand ist. Das ist doch unglaublich! Wo sind wir hier eigentlich hingekommen? Man muss als Gastronom einiges tun, um als Arbeitgeber attraktiv zu sein. Weihnachten ist da eine Chance: Wenn der Betrieb an den Festtagen geschlossen wäre, die Mitarbeiter sicher frei hätten, würde dies auf jeden Fall für den Arbeitgeber sprechen. Mein Wunsch für das Jahr 2017 Natürlich sind wir Dienstleister. Aber gute Dienstleister mit Leidenschaft sind heute schwerer zu bekommen als schlechte Kunden. Nicht ohne Grund habe ich mich im Sommer von einer Kundin verabschiedet, weil sie meine Mitarbeiter beleidigt hatte. Gäste und Dienstleister sollten im Jahr 2017 auf Augenhöhe sein. Das ist mein größter Wunsch. Ein bisschen mehr Demut und Dankbarkeit seitens des Gastes – gerade an den Feiertagen – wäre angebracht. Ich bin echt mal gespannt, wann ein Weihnachtsgast zum ersten Mal die Worte spricht: „Klasse, dass Sie heute an Weihnachten für uns arbeiten!“ Wir werden es die nächsten Jahre nicht mehr tun. Arbeiten an Weihnachten. Oder aber, wir öffnen ausschließlich für unsere Hotelgäste. Denn die sind extrem dankbar dafür. Und sie sind freiwillig da. Extrem gut drauf. Allen anderen Gästen, die Weihnachten essen gehen wollen, damit zu Hause die neue Küche sauber bleibt, sage ich: „Seid dankbar, dass es die ländliche Gastronomie noch gibt. Noch. Lächelt die Servicekraft an. Die freut sich. Und wird das Lächeln zehnfach zurückgeben. Und hört auf, hintenrum zu meckern, wenn was nicht passt." Wir in der Gastronomie sind auch nur Menschen. Erst recht an Weihnachten. Wir sind Menschen, die an Tagen arbeiten, wo andere vor lauter Langeweile das Haar in der Suppe suchen. Freut euch, über die Feiertage frei zu haben. Nutzt diese wunderbare Zeit. Denkt mal darüber nach, wie gut es uns geht. Selbst denen, die an Weihnachten arbeiten müssen! Ich wünsche allen Lesern ein besinnliches, schönes, einfaches Weihnachtsfest mit vielen positiven Gedanken! Euer Jürgen H. Krenzer