Sündenböcke suchen
So machen Sie Schluss mit Vorwürfen und Schuldzuweisungen

Schuld sind immer die anderen: die unfähigen Kollegen, die unfaire Konkurrenz - oder die sturen Verhandlungspartner wie aktuell bei den gescheiterten Jamaika-Sondierungen. Die Suche nach Sündenböcken ist so populär wie unsinnig. So machen Sie Schluss damit.

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"Der da war's!" Wenn etwas schief geht, ist schnell ein Schuldiger gefunden - dabei ist es Gift für ein Team, einen Sündenbock zu suchen.
"Der da war's!" Wenn etwas schief geht, ist schnell ein Schuldiger gefunden - dabei ist es Gift für ein Team, einen Sündenbock zu suchen.
© kokouu/E+/Getty Images

Nikolaus Förster, Chefredakteur von impulse und Unternehmer, hat ein neues Buch veröffentlicht: „Meine größte Chance – wie Fehler uns voranbringen“. Ein Thema darin: wie man Sündenbock-Denken durch produktives Lernen ersetzt. Ein Interview über Schuldzuweisungen, Alphatiere, Sunk Costs und die schwierige Suche nach den wahren Fehlerursachen.

impulse: Warum macht es uns so viel Spaß, über die vermeintliche Unfähigkeit anderer Leute zu reden?
Nikolaus Förster: Einen Sündenbock zu suchen und zu finden, ist etwas Wunderbares. Erstens lenkt es von eigenen Fehlern ab; man bringt sich selbst aus der Schusslinie. Zweitens schafft dies die Illusion, dass der Fall gelöst sei: Ein Schuldiger ist gefunden, er trägt die Verantwortung. Das gibt einem ein gutes Gefühl.

Meine Beobachtung ist: Wir neigen dazu, Fähigkeiten und Talente von Menschen, mit denen wir direkt zusammenarbeiten, hoch einzuschätzen. Die Leute aus den anderen Abteilungen sind dagegen fast alle Deppen.
Ja, dann lästert beispielsweise die Entwicklungsabteilung über den unfähigen Vertrieb, der nicht verkaufen kann. Und im Vertrieb ist man sich einig, dass die Entwickler nicht das bauen, was der Markt verlangt.

Woran liegt das?
Wir sehen immer nur einen kleinen Ausschnitt und versuchen, uns ein Bild davon zu machen, warum was geschehen ist. Und bevor wir genau hinsehen und die gesamte Situation zu erfassen versuchen, vereinfachen wir: Wir führen das, was passiert, auf Charaktereigenschaften der Akteure zurück: Kollege XY ist überambitioniert. Oder schludrig. Oder unfähig. Dabei blenden wir aus, dass wir die genauen Umstände gar nicht kennen. Von uns selbst wissen wir zwar, dass wir in unterschiedlichen Situationen auch unterschiedlich agieren. Sobald wir Beobachter sind, tendieren wir aber dazu, alles stark zu vereinfachen.

Sich gegenseitig die Schuld zuzuschieben ist Gift für jedes Team. Was kann man dagegen tun?
Zwei Dinge sind entscheidend: Erstens braucht ein Team ein gemeinsames Ziel, das alle inspiriert und auf das alle ihr Handeln ausrichten können. Wenn man in Alltagsproblemen feststeckt und sich gegenseitig bekämpft, aber kein großes Ziel vor Augen hat, verhakt man sich schneller in Konflikten, als wenn man weiß: Ja, wir streiten uns, aber wir haben trotzdem eine gemeinsame Vision, auf die wir hinarbeiten; nur gemeinsam können wir erfolgreich sein. Als Unternehmer muss ich also mit meinem Team eine gemeinsame Vision entwickeln und lebendig halten.

Was ist der zweite Punkt?
Wichtig ist die Kommunikation. Ich muss mir als Chef die Frage stellen: Wie kann ich dazu beitragen, dass alle offen über Fehler reden? Meistens entstehen große Katastrophen ja dadurch, dass kleinere Fehler passieren, aber ignoriert oder vertuscht werden, so dass schließlich gravierendere Fehler auftreten können. Ich muss also eine Atmosphäre schaffen, in der jeder bereit ist, über Probleme und persönliche Fehler zu reden.

Damit muss dann aber der Chef anfangen – und ein Alphatier stellt sich nicht gern selbst in Frage.
Ja, das stimmt. Untersuchungen zeigen, dass gerade Unternehmer dazu neigen, sich selbst zu überschätzen. Sie bewerten aber nicht nur ihr eigenes Handeln positiv, sie schauen generell mit großem Optimismus in die Welt. Ich finde das wenig überraschend.

Warum?
Sonst hätten sie nicht den Mut, etwas zu verändern. Wer nicht optimistisch ist, wird nicht Unternehmer. Ich erlebe selbst, welchen Widerständen man als Unternehmer Tag für Tag ausgesetzt ist, was auf einen einströmt. Da kann man ohne einen Grundoptimismus nicht bestehen. Wenn Unternehmer nicht mehr an das glauben, was sie tun, wird es sehr schwierig. Dann wird es auch einem Team schwer fallen, die Motivation hochzuhalten.

Wenn ich mich selbst super finde, wird es mir aber schwerfallen, eigene Fehler zu erkennen.
Ach, ich glaube, dass viele Mittelständler durchaus in der Lage sind, eigene Fehler zu erkennen, zuzugeben und eine Atmosphäre zu schaffen, in der Offenheit möglich ist. Das machen viele aus dem Bauch heraus richtig, weil sie eine positive Haltung gegenüber ihrem Team haben. Die wissen auch, dass es eigentlich nicht sinnvoll ist, nach Sündenböcken zu suchen – selbst wenn es immer wieder passiert. Denn wenn ich einen Sündenbock gefunden und zurechtgewiesen habe, bedeutet das ja noch lange nicht, dass das Problem gelöst ist. Ich muss den Fehler vielmehr genau analysieren.

Wie gelingt es, die wahren Fehlerursachen zu finden?
Das ist harte Arbeit, denn bei der Fehleranalyse verlässt uns oft die Intuition und wir begehen viele Denkfehler. Dabei gibt es Muster, die immer wieder auftreten. Und nach meiner intensiven Recherche für das Buch glaube ich: Wenn man sich erst einmal mit diesen Mustern beschäftigt hat, wenn man besser versteht, wie sich Organisationen entwickeln, dann wird die eigene Fähigkeit, Fehlerursachen zu erkennen, enorm steigern.

Welche Denkfehler sind das?
Zum Beispiel der Sunk-Cost-Effekt: Wenn sich herausstellt, dass ein Projekt kaum Aussichten auf Erfolg hat, fällt es uns schwer, es zu beenden, weil wir schon so viel Arbeit und Geld hineingesteckt haben. Und so passiert es immer wieder, dass wir „schlechtem Geld“ „gutes Geld“ hinterherwerfen, Projekte auch ohne Erfolgsaussichten mühsam fortsetzen und dabei viele Ressourcen verschwenden.

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Wobei wir ja eigentlich wissen, dass die Vergangenheit vergangen ist …
Ja, aber die Vergangenheit auszublenden ist gar nicht so einfach. Produkteinführungen beispielsweise sind oft mit hohen Kosten verbunden. Wenn dann die ersten Monate enttäuschend laufen, sollte man nur das künftige Potenzial im Blick haben, wenn es um die Entscheidung geht, das Produkt weiterzuführen oder nicht. Aber das fällt uns wahnsinnig schwer. Wir haben einen großen Drang, konsistent zu erscheinen. Wenn wir ein Projekt abbrechen, müssen wir zugeben, dass wir falschgelegen haben.

Warum fällt es uns so schwer, einen Fehler einzugestehen? Warum suchen wir lieber einen Sündenbock oder halten uns die Augen zu und machen einfach weiter?
Das hat viel mit Selbstschutz zu tun: Wir versuchen das, was wir sehen und erleben, so zu deuten, dass wir selbst dabei gut dastehen. Das ist auch sinnvoll: Nur wer sich selbst positiv sieht und daran glaubt, etwas bewirken zu können, hat auch den Mut, etwas zu verändern. Wenn ich mein Unternehmen wirklich verbessern will, dann hilft mir ein Sündenbock nicht, dann muss ich in die Tiefe gehen. Wenn Fehler auftreten, sollten Unternehmer kühl an die Analyse gehen. Alles andere ist Show. Das ist ja gerade das Harte am Unternehmertum: Man kann vielleicht kurzfristig etwas vorgaukeln, aber der Markt ist am Ende eben doch gnadenlos. Wem es nicht gelingt, sein Unternehmen wirklich zu verbessern, wird scheitern.

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Ja, dann lästert beispielsweise die Entwicklungsabteilung über den unfähigen Vertrieb, der nicht verkaufen kann. Und im Vertrieb ist man sich einig, dass die Entwickler nicht das bauen, was der Markt verlangt. Woran liegt das? Wir sehen immer nur einen kleinen Ausschnitt und versuchen, uns ein Bild davon zu machen, warum was geschehen ist. Und bevor wir genau hinsehen und die gesamte Situation zu erfassen versuchen, vereinfachen wir: Wir führen das, was passiert, auf Charaktereigenschaften der Akteure zurück: Kollege XY ist überambitioniert. Oder schludrig. Oder unfähig. Dabei blenden wir aus, dass wir die genauen Umstände gar nicht kennen. Von uns selbst wissen wir zwar, dass wir in unterschiedlichen Situationen auch unterschiedlich agieren. Sobald wir Beobachter sind, tendieren wir aber dazu, alles stark zu vereinfachen. Sich gegenseitig die Schuld zuzuschieben ist Gift für jedes Team. Was kann man dagegen tun? Zwei Dinge sind entscheidend: Erstens braucht ein Team ein gemeinsames Ziel, das alle inspiriert und auf das alle ihr Handeln ausrichten können. Wenn man in Alltagsproblemen feststeckt und sich gegenseitig bekämpft, aber kein großes Ziel vor Augen hat, verhakt man sich schneller in Konflikten, als wenn man weiß: Ja, wir streiten uns, aber wir haben trotzdem eine gemeinsame Vision, auf die wir hinarbeiten; nur gemeinsam können wir erfolgreich sein. Als Unternehmer muss ich also mit meinem Team eine gemeinsame Vision entwickeln und lebendig halten. Was ist der zweite Punkt? Wichtig ist die Kommunikation. Ich muss mir als Chef die Frage stellen: Wie kann ich dazu beitragen, dass alle offen über Fehler reden? Meistens entstehen große Katastrophen ja dadurch, dass kleinere Fehler passieren, aber ignoriert oder vertuscht werden, so dass schließlich gravierendere Fehler auftreten können. Ich muss also eine Atmosphäre schaffen, in der jeder bereit ist, über Probleme und persönliche Fehler zu reden. Damit muss dann aber der Chef anfangen – und ein Alphatier stellt sich nicht gern selbst in Frage. Ja, das stimmt. Untersuchungen zeigen, dass gerade Unternehmer dazu neigen, sich selbst zu überschätzen. Sie bewerten aber nicht nur ihr eigenes Handeln positiv, sie schauen generell mit großem Optimismus in die Welt. Ich finde das wenig überraschend. Warum? Sonst hätten sie nicht den Mut, etwas zu verändern. Wer nicht optimistisch ist, wird nicht Unternehmer. Ich erlebe selbst, welchen Widerständen man als Unternehmer Tag für Tag ausgesetzt ist, was auf einen einströmt. Da kann man ohne einen Grundoptimismus nicht bestehen. Wenn Unternehmer nicht mehr an das glauben, was sie tun, wird es sehr schwierig. Dann wird es auch einem Team schwer fallen, die Motivation hochzuhalten. Wenn ich mich selbst super finde, wird es mir aber schwerfallen, eigene Fehler zu erkennen. Ach, ich glaube, dass viele Mittelständler durchaus in der Lage sind, eigene Fehler zu erkennen, zuzugeben und eine Atmosphäre zu schaffen, in der Offenheit möglich ist. Das machen viele aus dem Bauch heraus richtig, weil sie eine positive Haltung gegenüber ihrem Team haben. Die wissen auch, dass es eigentlich nicht sinnvoll ist, nach Sündenböcken zu suchen – selbst wenn es immer wieder passiert. Denn wenn ich einen Sündenbock gefunden und zurechtgewiesen habe, bedeutet das ja noch lange nicht, dass das Problem gelöst ist. Ich muss den Fehler vielmehr genau analysieren. Wie gelingt es, die wahren Fehlerursachen zu finden? Das ist harte Arbeit, denn bei der Fehleranalyse verlässt uns oft die Intuition und wir begehen viele Denkfehler. Dabei gibt es Muster, die immer wieder auftreten. Und nach meiner intensiven Recherche für das Buch glaube ich: Wenn man sich erst einmal mit diesen Mustern beschäftigt hat, wenn man besser versteht, wie sich Organisationen entwickeln, dann wird die eigene Fähigkeit, Fehlerursachen zu erkennen, enorm steigern. Welche Denkfehler sind das? Zum Beispiel der Sunk-Cost-Effekt: Wenn sich herausstellt, dass ein Projekt kaum Aussichten auf Erfolg hat, fällt es uns schwer, es zu beenden, weil wir schon so viel Arbeit und Geld hineingesteckt haben. Und so passiert es immer wieder, dass wir „schlechtem Geld“ „gutes Geld“ hinterherwerfen, Projekte auch ohne Erfolgsaussichten mühsam fortsetzen und dabei viele Ressourcen verschwenden. Wobei wir ja eigentlich wissen, dass die Vergangenheit vergangen ist … Ja, aber die Vergangenheit auszublenden ist gar nicht so einfach. Produkteinführungen beispielsweise sind oft mit hohen Kosten verbunden. Wenn dann die ersten Monate enttäuschend laufen, sollte man nur das künftige Potenzial im Blick haben, wenn es um die Entscheidung geht, das Produkt weiterzuführen oder nicht. Aber das fällt uns wahnsinnig schwer. Wir haben einen großen Drang, konsistent zu erscheinen. Wenn wir ein Projekt abbrechen, müssen wir zugeben, dass wir falschgelegen haben. Warum fällt es uns so schwer, einen Fehler einzugestehen? Warum suchen wir lieber einen Sündenbock oder halten uns die Augen zu und machen einfach weiter? Das hat viel mit Selbstschutz zu tun: Wir versuchen das, was wir sehen und erleben, so zu deuten, dass wir selbst dabei gut dastehen. Das ist auch sinnvoll: Nur wer sich selbst positiv sieht und daran glaubt, etwas bewirken zu können, hat auch den Mut, etwas zu verändern. Wenn ich mein Unternehmen wirklich verbessern will, dann hilft mir ein Sündenbock nicht, dann muss ich in die Tiefe gehen. Wenn Fehler auftreten, sollten Unternehmer kühl an die Analyse gehen. Alles andere ist Show. Das ist ja gerade das Harte am Unternehmertum: Man kann vielleicht kurzfristig etwas vorgaukeln, aber der Markt ist am Ende eben doch gnadenlos. Wem es nicht gelingt, sein Unternehmen wirklich zu verbessern, wird scheitern.
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