Verhältnis von Medien und Wirtschaft
Der Bericht war unfair!

Unternehmen sind oft unzufrieden mit dem, was Journalisten über sie berichten. Was dürfen die Medien? Und wann sollten sich Firmen wehren?

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Eine ausgewogene Berichterstattung in den Medien vermissen viele in der Wirtschaft.
Eine ausgewogene Berichterstattung in den Medien vermissen viele in der Wirtschaft.
© svort / Fotolia.com

Die Zahlen sind positiv, Ihre Firma wächst, Ihre Produkte genießen einen hervorragenden Ruf und die Atmosphäre unter den Beschäftigten stimmt? Dann haben Sie wahrscheinlich gerade kein Problem mit dem, was Journalisten über Ihr Unternehmen schreiben.

Oft genug aber ist die Beziehung zwischen Wirtschaft und Journalismus spannungsgeladen. Gerät ein Unternehmen in die öffentliche Kritik, bricht bei manchen Reportern das Jagdfieber aus: Firmen, die in den Medien einen Störfall oder ein Krisenthema erläutern müssen, sollten nicht mit einer ausgewogenen Berichterstattung rechnen.

Plakativ, unfair – und doch legitim

Menschen mögen plakative Geschichten mit Tätern und Opfern – daher bestätigen Medienstorys nicht selten vorher festgelegte Ausgangshypothesen, sie geben Ausschnitte wieder und reduzieren Komplexität. Aus Sicht der betroffenen Unternehmen berichten die Medien häufig unfair. Da werden Stellungnahmen aus dem Zusammenhang gerissen oder gar nicht erwähnt, die betroffene Firma kommt nur kurz und alibimäßig zu Wort, so dass der Journalist behaupten kann, er sei seiner Sorgfaltspflicht nachgekommen. Die Kritiker des Unternehmens hingegen werden als kompetent, glaubwürdig und sympathisch präsentiert, mitunter auch als hilflose Geschädigte.

Zum Verdruss der Wirtschaft ist solche Thesenberichterstattung legal und legitim! Zwar hat das Bundesverfassungsgericht beispielsweise in seinem ersten Rundfunkurteil bestimmt, dass die Programme der deutschen Fernsehsender ausgewogen sein sollen. Für eine einzelne Sendung oder gar einen Beitrag haben die Richter diesen Anspruch aber ausdrücklich abgelehnt.

Verdachtsberichterstattung mit selbst ernannten Experten

Unzulässig ist aber eine reine Verdachtsberichterstattung mit einer Schädigung der Reputation eines Unternehmens. Der Journalist muss dabei mehrere Recherchequellen nutzen, Vorwürfe gründlich prüfen, die Gegenseite ernst nehmen und die persönliche Motive der Angreifer berücksichtigen. Damit ein skandalierender Bericht wasserdicht wird, müssen mehrere Quellen, die unabhängig voneinander sind und keine persönlichen Rachefeldzüge erkennen lassen, die angenommenen Verfehlungen der betreffenden Firma bestätigen.

Es reicht nicht aus, wenn beispielsweise eine ehemalige Angestellte eines Handelsunternehmens behauptet, in den drei Monaten ihrer Tätigkeit für die Firma sei es ihr schlecht ergangen, die Pausen seien zu kurz gewesen, die Arbeitszeiten zu lang, die Bezahlung mies und der Filialleiter habe sie gemobbt. Vielleicht hat das Unternehmen gute Gründe gehabt, sich von der Dame noch in der Probezeit zu trennen – in diesem Fall wäre die Trennung von ihr nicht kritikwürdig.

Garniert werden solch anklagende Berichte meist mit einem selbst ernannten Experten. In diesem Fall könnte das ein Gewerkschafter sein, der die Vorwürfe der Dame scheinbar bestätigt, indem er beispielsweise sagt, das Unternehmen sei schon in der Vergangenheit aufgefallen durch arbeitsrechtliche Auseinandersetzungen oder fragwürdige Arbeitsbedingungen.

Unser Experte
matthias-michaelProf. Dr. Matthias Michael war mehr als 20 Jahre lang als Journalist tätig, bevor er in die strategische Reputations- und Krisenberatung wechselte, die er bei FleishmanHillard Germany verantwortet.

Nachlässig, zweifelhaft – und allemal justiziabel

Ein anderes Beispiel: Eine Frau wendet sich an ein Boulevardmedium und erzählt eine sehr subjektive Skandalgeschichte. Ihr Lebensgefährte sei im nahe gelegenen Klinikum umgekommen, die Ärzte hätten ihn auf dem Gewissen, weil sie ihn nicht richtig diagnostizieren konnten und ihn ohne Therapie nach Hause entlassen hatten. Möglicherweise erhofft sich die Frau durch eine Berichterstattung einen positiven Effekt für eine Zivilklage gegen das Klinikum, denn sie war nicht verheiratet und erhält deshalb keine Hinterbliebenenrente.

Der Artikel erscheint mit den ausführlichen Vorwürfen der selbsternannten Kronzeugin. Was in dem Text nicht vorkommt: Der Mann war jahrzehntelang Kettenraucher gewesen, beide Raucherbeine waren schon abgenommen worden, er war todkrank, wusste das auch und hatte das Krankenhaus auf eigenen Wunsch verlassen, weil er zu Hause seinen Geburtstag feiern wollte. Dem Klinikum war kein Vorwurf zu machen. All das interessiert das Straßenblatt aber nicht. Der Beitrag erscheint und wirkt wie eine Anklage gegen das Krankenhaus und seine Ärzte.

Eine so nachlässige Verdachtsberichterstattung ist allemal justiziabel, zumal nach einer inhaltlich zweifelhaften Berichterstattung oft genug andere Journalisten auf den Skandalzug aufspringen und das angegriffene Unternehmen nochmals schädigen. Betroffene Firmen können sich wehren – meist tun sie es aber nicht, weil sie sich rechtlich nicht genug auskennen.

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