Dumpingpreise
Dumpingpreise im Internet: So kontern Einzelhändler

Dumpingpreise im Internet machen stationären Einzelhändlern schwer zu schaffen. Was im Web mit Dauerrabatt verkauft wird, lässt sich im Laden nicht mehr absetzen. Fachgeschäfte müssen daher auf Produkte ausweichen, deren Preis im Web weniger schwankt. So kalkuliert zum Beispiel ein Fahrradhändler, um gegen die Onlinekonkurrenz zu bestehen.

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Dumpingpreise im Internet können Einzelhändlern das Leben schwer machen.
Dumpingpreise im Internet können Einzelhändlern das Leben schwer machen.
© Anton Gvozdikov - Fotolia.com

Das Fahrradgeschäft Velo in Aachen: 2a-Lage, gute Verkehrsanbindung, Altbau und Uni-Nähe. Studenten kommen vorbei, auch viele Kunden aus dem Umland, einige sogar aus Belgien und Holland. Inhaber Christoph Gier verkauft Fahrräder made in Germany: Cube, Gudereit, Fahrradmanufaktur, Patria. „Viele Kunden schauen nicht auf den Preis“, sagt Gier.

Das trifft beim Kauf von Rädern zu, bei Fahrradanhängern zeigen sich Käufer preisbewusster – mehr als Gier lieb ist. Vor etwa einem Jahr hat sich plötzlich der Umsatz bei den Anhängern halbiert. Dabei war das Kundeninteresse genauso stark, wie in den Jahren zuvor. Wie konnte das passieren? Gier kam schnell dahinter: Fürsorgliche Eltern wollten für ihren Nachwuchs nur das Beste, haben sich von Gier und seinem Team jedes Detail der Markenanhänger erklären lassen. Aber so viel Geld wollten sie dann doch nicht ausgeben – und kauften im Internet, wo es die Ware für die Hälfte gab. „Ich war kurz davor, die Produkte komplett aus dem Sortiment zu nehmen“, sagt Gier.

Der Preisdruck aus dem Internet kann stationären Einzelhändlern die Existenz kosten. Aber gegen die Billigangebote lässt sich wenig ausrichten. Markenhersteller dürfen Händlern keine Preise vorschreiben oder gar den Internethandel zugunsten der Fachgeschäfte beschränken. Viele haben es in der Vergangenheit versucht. Aber Gerichte und Kartellamt untersagen Vertriebspraktiken, die Onlineverkäufer benachteiligen. Produzenten müssen alle Vertriebskanäle gleich behandeln.

„Dauerrabatte im Internet sind ein Problem“

Was können Einzelhändler tun? Zum Beispiel auf Produkte setzen, die es im Web nicht billiger gibt. Gier verkauft Markenräder zu einem Preis, die nicht einmal sein größter Online-Konkurrent bike-discount.de unterbieten kann. Die Ware ist preisstabil, also überall fast gleich teuer.

Nur: Null Bewegung beim Preis geht oft mit einer mickrigen Gewinnspanne einher. Wenn Markenhersteller einen hohen Einkaufspreis verlangen, bleibt dem Händler wenig Spielraum bei der Preiskalkulation. Auch die Marge bei den Rädern, die Gier verkauft, reicht nicht, um alle Kosten des Fahrradladens zu decken. Auf den Nettoeinkaufspreis kann er manchmal nur 65 Prozent draufschlagen, davon muss er 19 Prozent Mehrwertsteuer abziehen. Er beschäftigt aber 17 Mitarbeiter in der Werkstatt, im Verkauf und Büro, bei etwa anderthalb Millionen Euro Umsatz.

Gier gleicht die Lücke aus, indem er margenstarke Fahrradteile wie Reifen, Bremsen und Laufräder verkauft. Er kann das dreifache des Einkaufspreises nehmen. Eine Mischkalkulation, die bis jetzt funktioniert. Doch der Fahrradhändler schaut mit Sorge auf den florierenden Internethandel. Ausgerechnet Ware, die mehr Geld bringt, wird im Internet oft billig verkauft. Reduzierte Auslaufware oder zeitlich begrenzte Sonderangebotsaktionen sind für Gier kein Problem, Dauerrabatte dagegen schon. „Am liebsten wäre es mir, wenn alle den empfohlenen Preis einhalten“, sagt der Händler. Immerhin: Bei den Fahrradanhängern ist sein Wunsch erfüllt. Sie gibt es im Internet mittlerweile nicht mehr zu Kampfpreisen. Die Anhänger sind in Giers Sortiment geblieben.

 

Christoph Gier ist der Geschäftsführer der VELO - Räder die bewegen GmbH. Christoph Gier ist der Geschäftsführer der VELO - Räder die bewegen GmbH.

Stress mit dem Produzenten?

Markenhersteller beeinflussen gern, wie und wo ihre Ware verkauft werden soll. Manche gehen soweit, Händler aus ihrem Vertriebssystem auszuschließen. Aber alles müssen sich die kleinen Geschäftsleute nicht gefallen lassen. Welche Rechte sie haben und was sie tun können.

Recht auf Belieferung

Markenhersteller müssen nicht jeden beliefern. Aber das gilt nicht für marktstarke Produzenten. Händler haben einen Anspruch auf Belieferung, wenn das Unternehmen mehr als 33 Prozent Marktanteil hat und das Fachgeschäft auf eine bestimmte Marke im Sortiment nicht verzichten kann.

Lieferung eingestellt

In dringenden Fällen kann der Händler seinen Lieferanspruch per einstweiliger Verfügung durchsetzen. Die Formulierung des Antrags ist nicht einfach, deshalb sollte ein spezialisierter Rechtsanwalt hinzugezogen werden. Der Händler kann den Produzenten auf Belieferung verklagen. Verfahren können ein Jahr dauern.

Schadensersatz

Wer als Händler nachweisen kann, das verbotene Vertriebsbeschränkungen zu Umsatzeinbußen geführt haben, kann den Hersteller auf Schadensersatz verklagen. So hat das Oberlandesgericht Düsseldorf den Armaturenhersteller Dornbracht dazu verurteilt, eine Millionen Euro an den Onlinehändler Reuter zu zahlen (Az. VI-U (Kart) 11/13).

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Abwarten

Was tun, wenn ein Markenhersteller in Berufung geht, nachdem ein Gericht zum Beispiel das Plattformverbot als wettbewerbswidrig eingestuft hat? Händler sollten das zweite Verfahren abwarten, bevor sie Ware auf Amazon, Ebay & Co anbieten, rät Jan Bernd Nordemann, Fachanwalt für Kartellrecht in Berlin. Gewinnt der Produzent in der zweiten Instanz, kann er dem Geschäftspartner ansonsten wegen Vertragsbruchs kündigen.

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Das Fahrradgeschäft Velo in Aachen: 2a-Lage, gute Verkehrsanbindung, Altbau und Uni-Nähe. Studenten kommen vorbei, auch viele Kunden aus dem Umland, einige sogar aus Belgien und Holland. Inhaber Christoph Gier verkauft Fahrräder made in Germany: Cube, Gudereit, Fahrradmanufaktur, Patria. „Viele Kunden schauen nicht auf den Preis“, sagt Gier. Das trifft beim Kauf von Rädern zu, bei Fahrradanhängern zeigen sich Käufer preisbewusster – mehr als Gier lieb ist. Vor etwa einem Jahr hat sich plötzlich der Umsatz bei den Anhängern halbiert. Dabei war das Kundeninteresse genauso stark, wie in den Jahren zuvor. Wie konnte das passieren? Gier kam schnell dahinter: Fürsorgliche Eltern wollten für ihren Nachwuchs nur das Beste, haben sich von Gier und seinem Team jedes Detail der Markenanhänger erklären lassen. Aber so viel Geld wollten sie dann doch nicht ausgeben – und kauften im Internet, wo es die Ware für die Hälfte gab. „Ich war kurz davor, die Produkte komplett aus dem Sortiment zu nehmen“, sagt Gier. Der Preisdruck aus dem Internet kann stationären Einzelhändlern die Existenz kosten. Aber gegen die Billigangebote lässt sich wenig ausrichten. Markenhersteller dürfen Händlern keine Preise vorschreiben oder gar den Internethandel zugunsten der Fachgeschäfte beschränken. Viele haben es in der Vergangenheit versucht. Aber Gerichte und Kartellamt untersagen Vertriebspraktiken, die Onlineverkäufer benachteiligen. Produzenten müssen alle Vertriebskanäle gleich behandeln. "Dauerrabatte im Internet sind ein Problem" Was können Einzelhändler tun? Zum Beispiel auf Produkte setzen, die es im Web nicht billiger gibt. Gier verkauft Markenräder zu einem Preis, die nicht einmal sein größter Online-Konkurrent bike-discount.de unterbieten kann. Die Ware ist preisstabil, also überall fast gleich teuer. Nur: Null Bewegung beim Preis geht oft mit einer mickrigen Gewinnspanne einher. Wenn Markenhersteller einen hohen Einkaufspreis verlangen, bleibt dem Händler wenig Spielraum bei der Preiskalkulation. Auch die Marge bei den Rädern, die Gier verkauft, reicht nicht, um alle Kosten des Fahrradladens zu decken. Auf den Nettoeinkaufspreis kann er manchmal nur 65 Prozent draufschlagen, davon muss er 19 Prozent Mehrwertsteuer abziehen. Er beschäftigt aber 17 Mitarbeiter in der Werkstatt, im Verkauf und Büro, bei etwa anderthalb Millionen Euro Umsatz. Gier gleicht die Lücke aus, indem er margenstarke Fahrradteile wie Reifen, Bremsen und Laufräder verkauft. Er kann das dreifache des Einkaufspreises nehmen. Eine Mischkalkulation, die bis jetzt funktioniert. Doch der Fahrradhändler schaut mit Sorge auf den florierenden Internethandel. Ausgerechnet Ware, die mehr Geld bringt, wird im Internet oft billig verkauft. Reduzierte Auslaufware oder zeitlich begrenzte Sonderangebotsaktionen sind für Gier kein Problem, Dauerrabatte dagegen schon. „Am liebsten wäre es mir, wenn alle den empfohlenen Preis einhalten“, sagt der Händler. Immerhin: Bei den Fahrradanhängern ist sein Wunsch erfüllt. Sie gibt es im Internet mittlerweile nicht mehr zu Kampfpreisen. Die Anhänger sind in Giers Sortiment geblieben.   Stress mit dem Produzenten? Markenhersteller beeinflussen gern, wie und wo ihre Ware verkauft werden soll. Manche gehen soweit, Händler aus ihrem Vertriebssystem auszuschließen. Aber alles müssen sich die kleinen Geschäftsleute nicht gefallen lassen. Welche Rechte sie haben und was sie tun können. Recht auf Belieferung Markenhersteller müssen nicht jeden beliefern. Aber das gilt nicht für marktstarke Produzenten. Händler haben einen Anspruch auf Belieferung, wenn das Unternehmen mehr als 33 Prozent Marktanteil hat und das Fachgeschäft auf eine bestimmte Marke im Sortiment nicht verzichten kann. Lieferung eingestellt In dringenden Fällen kann der Händler seinen Lieferanspruch per einstweiliger Verfügung durchsetzen. Die Formulierung des Antrags ist nicht einfach, deshalb sollte ein spezialisierter Rechtsanwalt hinzugezogen werden. Der Händler kann den Produzenten auf Belieferung verklagen. Verfahren können ein Jahr dauern. Schadensersatz Wer als Händler nachweisen kann, das verbotene Vertriebsbeschränkungen zu Umsatzeinbußen geführt haben, kann den Hersteller auf Schadensersatz verklagen. So hat das Oberlandesgericht Düsseldorf den Armaturenhersteller Dornbracht dazu verurteilt, eine Millionen Euro an den Onlinehändler Reuter zu zahlen (Az. VI-U (Kart) 11/13). Abwarten Was tun, wenn ein Markenhersteller in Berufung geht, nachdem ein Gericht zum Beispiel das Plattformverbot als wettbewerbswidrig eingestuft hat? Händler sollten das zweite Verfahren abwarten, bevor sie Ware auf Amazon, Ebay & Co anbieten, rät Jan Bernd Nordemann, Fachanwalt für Kartellrecht in Berlin. Gewinnt der Produzent in der zweiten Instanz, kann er dem Geschäftspartner ansonsten wegen Vertragsbruchs kündigen.
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