Strategie
Zuschüsse locken Bauern in die Fischzucht

Ist der Afrikanische Wels das Schwein von morgen? Ein neues Gesetz reizt Landwirte, als Fischzüchter gutes Geld zu verdienen. Wäre da nur nicht das Problem mit dem Marketing.

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Schwarze Schatten kreisen unter der Wasseroberfläche. Nur kurz schnappen dunkle Mäuler mit acht Tastfäden aus dem Wasser. Mehr ist nicht zu sehen von den 30.000 Afrikanischen Welsen, die hier in dieser Garage unweit von Leipzig in 22 blauen Becken gemästet werden. Vier Monate, höchstens fünf, dann sind sie schlachtreif. Das Gewicht hat sich von zehn Gramm auf zwei Kilogramm vervielfacht. Der Wels ist ein besseres Mastvieh als jedes Schwein.

Vielleicht auch das Schwein von morgen. Die Meere leeren sich. Viele beliebte Fische stehen nicht nur auf Speisekarten, sondern auch auf Artenschutzlisten. Aquakulturen helfen, wilde Fischbestände zu entlasten. Bereits heute kommt jeder dritte Fisch aus Aquakulturen auf den Teller. Bis 2024 wird der Anteil auf 60 Prozent steigen, sagen die Vereinten Nationen – das sind mehr als 100 Millionen Tonnen.

„Das meistversprechende Investment des 21. Jahrhunderts“

Ein Milliardenmarkt, zumal die Nachfrage nach Fisch steigt – allein von 1997 bis 2007 um mehr als 20 Prozent. Rund 16 Kilo isst jeder Deutsche durchschnittlich im Jahr.

„Aquakultur, und nicht das Internet, ist das meistversprechende Investment des 21. Jahrhunderts“, prophezeite der US-Ökonom Peter Drucker 1999. Diese Botschaft kommt jetzt, wenn auch zögerlich, in Deutschland an, das seinen Fischbedarf zu mehr als 70 Prozent aus Importen deckt. Von den mehr als 50.000 Tonnen deutschen Fischs stammen nur drei Prozent aus Kreislaufanlagen, vor allem Aale, Karpfen und Störe. Vor einigen Jahren waren es kaum mehr als ein Dutzend Anlagen.

Diesen bescheidenen Anteil könnte das Erneuerbare- Energien-Gesetz ändern. Denn nutzen Landwirte die Abwärme ihrer Biogasanlagen, werden sie vom Bund finanziell belohnt. Eine Option ist, mit dieser Abwärme Fische warm zu halten: Für optimales Wachstum braucht der Afrikanische Wels eine Wassertemperatur von 27 bis 28 Grad.

Seitdem sich das herumspricht, steigt die Zahl potenzieller Fischzüchter. Obwohl schon diverse Aal- und Welsfarmen nach vollmundigem Start ein gegangen sind, dringen Warnungen der Experten kaum mehr durch. „Das muss sich auch ohne Kraft-Wärme-Kopplungs-Bonus rentieren“, sagt Carsten Schulz von der Universität Kiel.

Die Chancen dafür steigen. Angehende Fischfarmer können auf moderne Technik zugreifen. Ingenieurbüros bieten fertige Bausätze an, die leere Ställe in Fischfarmen verwandeln. Dabei brauchen die Landwirte nur wenig technisches Know-how, die meisten Prozesse laufen automatisch ab. Biologische Filter säubern das Wasser, energieeffiziente Technik überwacht die Werte; nur noch ein Bruchteil des Wassers wird täglich ausgetauscht. Was die Fische ausscheiden, geht gleich wieder in die Biogasanlage und hilft, neue Wärme zu erzeugen.

Geschicktes Marketing

Rund 50 Kreislaufanlagen gibt es bisher in Deutschland, bald könnte die Anzahl in den dreistelligen Bereich steigen. Das Angebot lässt sich problemlos hochfahren, aber wie sieht es mit der Nachfrage aus? „Afrikanischer Wels“, das klingt fremd.

Da ist geschicktes Marketing gefordert, wie es bereits bei einem anderen Wels geholfen hat. Der hat den Weg in die Tiefkühltheken der Supermärkte erfolgreich gemeistert: Pangasius, ein Haiwels aus der Gattung Pangasianodon. Ein Rückgriff auf die Wissenschaft könnte auch den Afrikanischen Welsen helfen: Die kommen lateinisch als Clarias daher.

Aus der Region, ohne Chemie

Geschmacklich liegen Clarias und Pangasius recht eng beieinander. Das Fleisch ist rötlich, verhältnismäßig fest, praktisch grätenfrei und arm an gesundheitsschädlichen Fetten. Und vor allem schmeckt es mild, kaum fischig. „Wir hätten nicht investiert, wenn der Fisch uns selbst nicht geschmeckt hätte“, sagt Reiner Dietrich, Vorsitzender der Agrargenossenschaft Jesewitz, die eine Welsfarm betreibt.

„Das Hauptverkaufsargument ist aber, dass der Fisch aus der Region stammt und wir ihn ohne Chemikalien und Antibiotika halten.“ Anders als Pangasius. Der Großteil der Produktion kommt aus Netzgehegen in Vietnam, wo trotz – oder wegen – des massiven Einsatzes von Antibiotika viele Bestände von resistenten Bakterienstämmen befallen sind. Fäkalien, Futterreste und Desinfektionsmittel landen ungefiltert im Mekong-Delta.

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Gegen diese Haltungsbedingungen lässt sich der Fisch aus Sachsen als „Welsmeister, der Fisch vom Land“ gut vermarkten. Selbst wenn er im Kilopreis von 4,80 Euro bei Hofabholung 60 Cent teurer ist als der Tiefkühl-Pangasius aus dem Supermarkt.

Der Weg in den Supermarkt ist Clarias versperrt: zu wenig Masse. Nur fünf Welsfarmen gibt es in Deutschland, die einander bei Produktionsausfällen absichern, Erfahrungen austauschen und sich um die Vermarktung kümmern. Zielkundschaft sind Gastronomen und Einzelhändler, die Kunden gern Ungewöhnliches anbieten.

„Wir bauen uns den Markt langsam auf“, sagt Dieter Heider von der Erzeugergemeinschaft Fischgut Mitte, die Clarias seit 2008 vertreibt. Ein sinnvolles Vorgehen, sagt Carsten Schulz von der Universität Kiel: „Direktvermarktung ist natürlich attraktiver als der Verkauf an den Großhandel, besonders bei unbekannten Arten.“ Große Mengen termingerecht zu produzieren könne sonst gerade in der Anfangsphase zum Problem werden.

„Den Bedarf haben wir völlig unterschätzt“

Während die Welszüchter den Bedarf erst wecken müssen, übersteigt beim Zander die Nachfrage das Angebot. Sieben Zanderzuchten mit einer Jahresproduktion von 150 Tonnen Fisch will das Soltauer Ingenieurbüro F&M Anlagenbau bis Jahresende aufziehen – drei stehen bereits. „Im Grunde könnten wir die dreifache Menge ohne Werbung verkaufen“, sagt F&M-Gesellschafter Eckhard Weseloh. „Den Bedarf haben wir völlig unterschätzt.“

Fast alle in Deutschland erhältlichen Zander sind Wildfänge aus Russland. Für den Großhandel sind die Anlagen deswegen besonders interessant: „Wir können stabil liefern, auch wenn die Natur es nicht kann“, sagt Weseloh. Allerdings ist der Zander ein empfindliches Tier. Er reagiert schon auf geringste Schwankungen der Wasserwerte. Und wenn ihn der Hunger überfällt, schnappt er sich den Nebenfisch. „Die Zander werden direkt in der Kinderstube auf Trockenfutter eingestellt, damit sie das Räubern gar nicht erst kennen“, sagt Weseloh.

Für die Wels- und Zandermäster sind die Fische nur ein Nebengeschäft. „Wir wollten da kein zu hohes Risiko eingehen“, sagt der Welszüchter Reiner Dietrich. Die 20 Mitarbeiter der Agrargenossenschaft kümmern sich um 2000 Hektar Fläche – und nebenbei um den Fisch.

Die Schäfers in Affinghausen, 30 Kilometer südlich von Bremen, fahren hingegen volles Risiko. Sie haben zwar noch 100 Hektar landwirtschaftliche Nutzfläche für ihre Biogasanlage, aber die bewirtschaften sie nicht selbst. Keine Zeit – die Garnelen und ihre Vermarktung halten den 62-jährigen Heinrich Schäfer und seinen 37-jährigen Sohn Marco den kompletten Tag auf Trab. Ihre White-Tiger-Shrimps sind tropische Großgarnelen und brauchen noch mehr Wärme als Wels und Zander.

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Tricks gegen Kannibalismus

Bei mehr als 30 Grad und 80 Prozent Luftfeuchtigkeit beschlägt Vater Heinrichs Brille, Sohn Marco arbeitet in Badehose. Die Garnelen bekommen in der grünen Wellblechhalle zwar wechselndes Tageslicht vorgegaukelt, zu sehen sind sie trotzdem nicht. Das Salzwasser in dem Holzständerbau über fünf Etagen ist zu trüb. Das ist der Trick der Schäfers, um die Allesfresser vom Kannibalismus abzuhalten: „Wenn sie sich nicht sehen können, vertragen sie sich.“

Aus Sicht deutscher Aquakulturexperten machen die Schäfers alles richtig: Sie haben sich mit der Garnele ein etabliertes Nahrungsmittel im hochpreisigen Segment ausgesucht. Haltungsbedingungen und Technik haben das Ingenieurbüro Polyplan und das Bremer Leibniz-Zentrum für Marine Tropenökologie vorab erforscht.

Sohn Marco ist für ein halbes Jahr nach Texas gegangen und hat auf einer Shrimpsfarm den Umgang mit den sensiblen Tieren gelernt. Jetzt weiß er, worauf es ankommt.

Postpakete voller Shrimps

Die heutige Ladung Shrimps für den Versand haben die Schäfers früh am Morgen in Eis verpackt: Mehr als 1600 Tiere à 30 Gramm, zu einem Preis von 39 Euro das Kilogramm. Der Paketdienst DPD liefert die gekühlte Ware bis zum nächsten Mittag an Restaurants in ganz Deutschland. Absatzprobleme kennen Schäfers nicht. Die Mundpropaganda läuft, die Garnele ist als Produkt etabliert: Deutschland importiert 200 Tonnen Shrimps. Täglich.

Heinrich Schäfers Handy klingelt. „Das Adlon in Berlin. Die wollen ein Kilo Garnelen zum Testen“, sagt er beiläufig. Zwar nur eine kleine Menge, aber vielleicht zieht sie einen Großauftrag nach sich. Dann finden die Schäfer-Garnelen ihren Platz auf der Adlon-Speisekarte.

Fisch will schwimmen
Je leerer die Meere gefischt werden, desto wichtiger werden Aquakulturen. Die meisten Farmen finden sich in subtropischen Ländern, doch jetzt ziehen deutsche Landwirte nach. Nicht nur mit Karpfen, Zander und Forelle, sondern auch mit ungewöhnlichen Sorten
Pangasius
Mehr als eine Million Tonnen Pangasius werden jährlich aus Aquakulturen in Südostasien (vor allem im Mekong-Delta) hinaus in die Welt geschickt, vor allem in die Europäische Union. Damit ist die Welsart in Deutschland zum Zuchtfisch Nummer eins avanciert.
Karpfen
Mit einem Marktanteil von 1,2 Prozent ist der Karpfen nach Pangasius (5,6 Prozent) und der Forelle (4,4 Prozent) der drittbeliebteste Süßwasserfisch in Deutschland. Früher vor allem in Teichen gezüchtet, wird die Zucht auf Kreislaufanlagen verlagert.
Riesengarnele
Geeignet für Aquakulturen sind auch Shrimps, die englische Bezeichnung für Garnelen. 200 Tonnen Shrimps werden täglich in Deutschland importiert, die meisten ebenfalls aus Südostasien. Die Anlage der Schäfers in Affinghausen ist die erste deutsche Shrimpsfarm.
Zander
Zander gibt es auch in Deutschland, die meisten kommen allerdings aus russischen Teichen und Flüssen. Da der Speisefisch trotz des hohen Preises so beliebt ist wie Scholle oder Heilbutt, rentiert sich die Zucht in Aquakulturen. Bis zu 35 Euro werden für ein Kilo Zanderfilet bezahlt.
Afrikanischer Wels
Der Afrikanische Wels (Clarias) ist recht widerstandsfähig und daher besser für Aquakulturen geeignet als Zander. Das Problem für die Züchter liegt weniger in der Haltung als in der Vermarktung: Clarias hat kein Image – aber das ging Pangasius vor zehn Jahren nicht anders.
Butter bei die Fische
Zuschüsse vom Staat machen die Fischzucht attraktiv. Aber vor dem Gewinn kommt die Investition. Und das Know-how. Und die Frage, wie man die vielen Fische überhaupt loswird
Wasser einlassen
Die Kosten für eine Kreislaufanlage liegen, je nach Größe, bei mehreren Zehntausend Euro. Werden dazu noch Umbaukosten fällig, kommen leicht sechsstellige Investitionsbeträge zusammen. Läuft alles nach Plan, amortisiert sich die Investition nach drei bis fünf Jahren.
Wasser sauber halten
Auch wenn die Fischzucht nur ein Nebenerwerb sein soll, so muss die Bereitschaft vorausgesetzt werden, die Anlagen rund um die Uhr zu versorgen (und sich das nötige Know-how dafür anzueignen). Der Nebenerwerb kann also schnell zeitlich zur Hauptsache werden.
Fische verkaufen
Nicht nur um Hege und Pflege müssen sich Fischzüchter kümmern, sondern auch um die Vermarktung. „Der Aufwand wird meist unterschätzt“, warnt die Landwirtschaftskammer Niedersachsen.
Viel Fisch verkaufen
Kleinere Anbieter sind darauf angewiesen, ihre Fische über den Hofladen oder regional über die Gastronomie oder den Einzelhandel abzusetzen. Der Großhandel verlangt verlässlich größere Mengen, was nur im Verbund umzusetzen ist. Für Welse gibt es bereits die erste Erzeugergemeinschaft.
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17 Seiten Prompt-Tipps, Anwendungsbeispiele und über 100 Beispiel-Prompts
Schwarze Schatten kreisen unter der Wasseroberfläche. Nur kurz schnappen dunkle Mäuler mit acht Tastfäden aus dem Wasser. Mehr ist nicht zu sehen von den 30.000 Afrikanischen Welsen, die hier in dieser Garage unweit von Leipzig in 22 blauen Becken gemästet werden. Vier Monate, höchstens fünf, dann sind sie schlachtreif. Das Gewicht hat sich von zehn Gramm auf zwei Kilogramm vervielfacht. Der Wels ist ein besseres Mastvieh als jedes Schwein.Vielleicht auch das Schwein von morgen. Die Meere leeren sich. Viele beliebte Fische stehen nicht nur auf Speisekarten, sondern auch auf Artenschutzlisten. Aquakulturen helfen, wilde Fischbestände zu entlasten. Bereits heute kommt jeder dritte Fisch aus Aquakulturen auf den Teller. Bis 2024 wird der Anteil auf 60 Prozent steigen, sagen die Vereinten Nationen - das sind mehr als 100 Millionen Tonnen."Das meistversprechende Investment des 21. Jahrhunderts"Ein Milliardenmarkt, zumal die Nachfrage nach Fisch steigt - allein von 1997 bis 2007 um mehr als 20 Prozent. Rund 16 Kilo isst jeder Deutsche durchschnittlich im Jahr."Aquakultur, und nicht das Internet, ist das meistversprechende Investment des 21. Jahrhunderts", prophezeite der US-Ökonom Peter Drucker 1999. Diese Botschaft kommt jetzt, wenn auch zögerlich, in Deutschland an, das seinen Fischbedarf zu mehr als 70 Prozent aus Importen deckt. Von den mehr als 50.000 Tonnen deutschen Fischs stammen nur drei Prozent aus Kreislaufanlagen, vor allem Aale, Karpfen und Störe. Vor einigen Jahren waren es kaum mehr als ein Dutzend Anlagen.Diesen bescheidenen Anteil könnte das Erneuerbare- Energien-Gesetz ändern. Denn nutzen Landwirte die Abwärme ihrer Biogasanlagen, werden sie vom Bund finanziell belohnt. Eine Option ist, mit dieser Abwärme Fische warm zu halten: Für optimales Wachstum braucht der Afrikanische Wels eine Wassertemperatur von 27 bis 28 Grad.Seitdem sich das herumspricht, steigt die Zahl potenzieller Fischzüchter. Obwohl schon diverse Aal- und Welsfarmen nach vollmundigem Start ein gegangen sind, dringen Warnungen der Experten kaum mehr durch. "Das muss sich auch ohne Kraft-Wärme-Kopplungs-Bonus rentieren", sagt Carsten Schulz von der Universität Kiel.Die Chancen dafür steigen. Angehende Fischfarmer können auf moderne Technik zugreifen. Ingenieurbüros bieten fertige Bausätze an, die leere Ställe in Fischfarmen verwandeln. Dabei brauchen die Landwirte nur wenig technisches Know-how, die meisten Prozesse laufen automatisch ab. Biologische Filter säubern das Wasser, energieeffiziente Technik überwacht die Werte; nur noch ein Bruchteil des Wassers wird täglich ausgetauscht. Was die Fische ausscheiden, geht gleich wieder in die Biogasanlage und hilft, neue Wärme zu erzeugen.Geschicktes MarketingRund 50 Kreislaufanlagen gibt es bisher in Deutschland, bald könnte die Anzahl in den dreistelligen Bereich steigen. Das Angebot lässt sich problemlos hochfahren, aber wie sieht es mit der Nachfrage aus? "Afrikanischer Wels", das klingt fremd.Da ist geschicktes Marketing gefordert, wie es bereits bei einem anderen Wels geholfen hat. Der hat den Weg in die Tiefkühltheken der Supermärkte erfolgreich gemeistert: Pangasius, ein Haiwels aus der Gattung Pangasianodon. Ein Rückgriff auf die Wissenschaft könnte auch den Afrikanischen Welsen helfen: Die kommen lateinisch als Clarias daher.Aus der Region, ohne ChemieGeschmacklich liegen Clarias und Pangasius recht eng beieinander. Das Fleisch ist rötlich, verhältnismäßig fest, praktisch grätenfrei und arm an gesundheitsschädlichen Fetten. Und vor allem schmeckt es mild, kaum fischig. "Wir hätten nicht investiert, wenn der Fisch uns selbst nicht geschmeckt hätte", sagt Reiner Dietrich, Vorsitzender der Agrargenossenschaft Jesewitz, die eine Welsfarm betreibt. "Das Hauptverkaufsargument ist aber, dass der Fisch aus der Region stammt und wir ihn ohne Chemikalien und Antibiotika halten." Anders als Pangasius. Der Großteil der Produktion kommt aus Netzgehegen in Vietnam, wo trotz - oder wegen - des massiven Einsatzes von Antibiotika viele Bestände von resistenten Bakterienstämmen befallen sind. Fäkalien, Futterreste und Desinfektionsmittel landen ungefiltert im Mekong-Delta.Gegen diese Haltungsbedingungen lässt sich der Fisch aus Sachsen als "Welsmeister, der Fisch vom Land" gut vermarkten. Selbst wenn er im Kilopreis von 4,80 Euro bei Hofabholung 60 Cent teurer ist als der Tiefkühl-Pangasius aus dem Supermarkt.Der Weg in den Supermarkt ist Clarias versperrt: zu wenig Masse. Nur fünf Welsfarmen gibt es in Deutschland, die einander bei Produktionsausfällen absichern, Erfahrungen austauschen und sich um die Vermarktung kümmern. Zielkundschaft sind Gastronomen und Einzelhändler, die Kunden gern Ungewöhnliches anbieten."Wir bauen uns den Markt langsam auf", sagt Dieter Heider von der Erzeugergemeinschaft Fischgut Mitte, die Clarias seit 2008 vertreibt. Ein sinnvolles Vorgehen, sagt Carsten Schulz von der Universität Kiel: "Direktvermarktung ist natürlich attraktiver als der Verkauf an den Großhandel, besonders bei unbekannten Arten." Große Mengen termingerecht zu produzieren könne sonst gerade in der Anfangsphase zum Problem werden."Den Bedarf haben wir völlig unterschätzt"Während die Welszüchter den Bedarf erst wecken müssen, übersteigt beim Zander die Nachfrage das Angebot. Sieben Zanderzuchten mit einer Jahresproduktion von 150 Tonnen Fisch will das Soltauer Ingenieurbüro F&M Anlagenbau bis Jahresende aufziehen - drei stehen bereits. "Im Grunde könnten wir die dreifache Menge ohne Werbung verkaufen", sagt F&M-Gesellschafter Eckhard Weseloh. "Den Bedarf haben wir völlig unterschätzt." Fast alle in Deutschland erhältlichen Zander sind Wildfänge aus Russland. Für den Großhandel sind die Anlagen deswegen besonders interessant: "Wir können stabil liefern, auch wenn die Natur es nicht kann", sagt Weseloh. Allerdings ist der Zander ein empfindliches Tier. Er reagiert schon auf geringste Schwankungen der Wasserwerte. Und wenn ihn der Hunger überfällt, schnappt er sich den Nebenfisch. "Die Zander werden direkt in der Kinderstube auf Trockenfutter eingestellt, damit sie das Räubern gar nicht erst kennen", sagt Weseloh.Für die Wels- und Zandermäster sind die Fische nur ein Nebengeschäft. "Wir wollten da kein zu hohes Risiko eingehen", sagt der Welszüchter Reiner Dietrich. Die 20 Mitarbeiter der Agrargenossenschaft kümmern sich um 2000 Hektar Fläche - und nebenbei um den Fisch.Die Schäfers in Affinghausen, 30 Kilometer südlich von Bremen, fahren hingegen volles Risiko. Sie haben zwar noch 100 Hektar landwirtschaftliche Nutzfläche für ihre Biogasanlage, aber die bewirtschaften sie nicht selbst. Keine Zeit - die Garnelen und ihre Vermarktung halten den 62-jährigen Heinrich Schäfer und seinen 37-jährigen Sohn Marco den kompletten Tag auf Trab. Ihre White-Tiger-Shrimps sind tropische Großgarnelen und brauchen noch mehr Wärme als Wels und Zander.Tricks gegen KannibalismusBei mehr als 30 Grad und 80 Prozent Luftfeuchtigkeit beschlägt Vater Heinrichs Brille, Sohn Marco arbeitet in Badehose. Die Garnelen bekommen in der grünen Wellblechhalle zwar wechselndes Tageslicht vorgegaukelt, zu sehen sind sie trotzdem nicht. Das Salzwasser in dem Holzständerbau über fünf Etagen ist zu trüb. Das ist der Trick der Schäfers, um die Allesfresser vom Kannibalismus abzuhalten: "Wenn sie sich nicht sehen können, vertragen sie sich." Aus Sicht deutscher Aquakulturexperten machen die Schäfers alles richtig: Sie haben sich mit der Garnele ein etabliertes Nahrungsmittel im hochpreisigen Segment ausgesucht. Haltungsbedingungen und Technik haben das Ingenieurbüro Polyplan und das Bremer Leibniz-Zentrum für Marine Tropenökologie vorab erforscht. Sohn Marco ist für ein halbes Jahr nach Texas gegangen und hat auf einer Shrimpsfarm den Umgang mit den sensiblen Tieren gelernt. Jetzt weiß er, worauf es ankommt.Postpakete voller ShrimpsDie heutige Ladung Shrimps für den Versand haben die Schäfers früh am Morgen in Eis verpackt: Mehr als 1600 Tiere à 30 Gramm, zu einem Preis von 39 Euro das Kilogramm. Der Paketdienst DPD liefert die gekühlte Ware bis zum nächsten Mittag an Restaurants in ganz Deutschland. Absatzprobleme kennen Schäfers nicht. Die Mundpropaganda läuft, die Garnele ist als Produkt etabliert: Deutschland importiert 200 Tonnen Shrimps. Täglich.Heinrich Schäfers Handy klingelt. "Das Adlon in Berlin. Die wollen ein Kilo Garnelen zum Testen", sagt er beiläufig. Zwar nur eine kleine Menge, aber vielleicht zieht sie einen Großauftrag nach sich. Dann finden die Schäfer-Garnelen ihren Platz auf der Adlon-Speisekarte. Fisch will schwimmen Je leerer die Meere gefischt werden, desto wichtiger werden Aquakulturen. Die meisten Farmen finden sich in subtropischen Ländern, doch jetzt ziehen deutsche Landwirte nach. Nicht nur mit Karpfen, Zander und Forelle, sondern auch mit ungewöhnlichen Sorten Pangasius Mehr als eine Million Tonnen Pangasius werden jährlich aus Aquakulturen in Südostasien (vor allem im Mekong-Delta) hinaus in die Welt geschickt, vor allem in die Europäische Union. Damit ist die Welsart in Deutschland zum Zuchtfisch Nummer eins avanciert. Karpfen Mit einem Marktanteil von 1,2 Prozent ist der Karpfen nach Pangasius (5,6 Prozent) und der Forelle (4,4 Prozent) der drittbeliebteste Süßwasserfisch in Deutschland. Früher vor allem in Teichen gezüchtet, wird die Zucht auf Kreislaufanlagen verlagert. Riesengarnele Geeignet für Aquakulturen sind auch Shrimps, die englische Bezeichnung für Garnelen. 200 Tonnen Shrimps werden täglich in Deutschland importiert, die meisten ebenfalls aus Südostasien. Die Anlage der Schäfers in Affinghausen ist die erste deutsche Shrimpsfarm. Zander Zander gibt es auch in Deutschland, die meisten kommen allerdings aus russischen Teichen und Flüssen. Da der Speisefisch trotz des hohen Preises so beliebt ist wie Scholle oder Heilbutt, rentiert sich die Zucht in Aquakulturen. Bis zu 35 Euro werden für ein Kilo Zanderfilet bezahlt. Afrikanischer Wels Der Afrikanische Wels (Clarias) ist recht widerstandsfähig und daher besser für Aquakulturen geeignet als Zander. Das Problem für die Züchter liegt weniger in der Haltung als in der Vermarktung: Clarias hat kein Image - aber das ging Pangasius vor zehn Jahren nicht anders. Butter bei die Fische Zuschüsse vom Staat machen die Fischzucht attraktiv. Aber vor dem Gewinn kommt die Investition. Und das Know-how. Und die Frage, wie man die vielen Fische überhaupt loswird Wasser einlassen Die Kosten für eine Kreislaufanlage liegen, je nach Größe, bei mehreren Zehntausend Euro. Werden dazu noch Umbaukosten fällig, kommen leicht sechsstellige Investitionsbeträge zusammen. Läuft alles nach Plan, amortisiert sich die Investition nach drei bis fünf Jahren. Wasser sauber halten Auch wenn die Fischzucht nur ein Nebenerwerb sein soll, so muss die Bereitschaft vorausgesetzt werden, die Anlagen rund um die Uhr zu versorgen (und sich das nötige Know-how dafür anzueignen). Der Nebenerwerb kann also schnell zeitlich zur Hauptsache werden. Fische verkaufen Nicht nur um Hege und Pflege müssen sich Fischzüchter kümmern, sondern auch um die Vermarktung. "Der Aufwand wird meist unterschätzt", warnt die Landwirtschaftskammer Niedersachsen. Viel Fisch verkaufen Kleinere Anbieter sind darauf angewiesen, ihre Fische über den Hofladen oder regional über die Gastronomie oder den Einzelhandel abzusetzen. Der Großhandel verlangt verlässlich größere Mengen, was nur im Verbund umzusetzen ist. Für Welse gibt es bereits die erste Erzeugergemeinschaft.
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