Inhalt: Darum geht's in diesem Beitrag
Alles läuft glatt – bis plötzlich der Alltag dazwischenfunkt: Stau auf dem Weg, Computer abgestürzt, Termin rückt näher. Der Stresspegel steigt sofort. „So ein unvorhergesehenes Hindernis birgt ein großes Stresspotenzial“, erklärt der Diplom-Psychologe und Stressforscher Gert Kaluza. Selbst wer eigentlich entspannt ist, verliert in solchen Momenten schnell die Gelassenheit. Vielen fällt es schwer, dann die Ruhe zu bewahren.
Gert Kaluza hat ein Trainingsprogramm zur Stressprävention entwickelt. Für akute Stress-Momente lehrt er darin die so genannte 4-A-Strategie. „Sie soll dabei helfen, sich nicht allein als Opfer der Situation wahrzunehmen, sondern ihr als Akteur zu begegnen und zu versuchen, das zu retten, was zu retten ist“, erklärt Kaluza. Teilweise ist seine 4-A-Strategie zum Stressmanagement auch unter den Namen „4-A-Methode“ oder „Quart A Strategie“ bekannt.
Die vier Schritte der 4-A-Strategie
Ein Beispiel: Du sollst einen Vortrag halten und merkst plötzlich, dass du offenbar deine Folien gelöscht hast. Die Datei ist weg! „Wichtig ist erst einmal, überhaupt wahrzunehmen: Ok, jetzt bin ich gestresst“, sagt Kaluza. „Der Stress löst dann vielleicht noch eine körperliche Reaktion aus“ – etwa Schweißausbrüche oder Hitzeflecken. Oft ärgere man sich zusätzlich darüber, weil man die Präsentation ja frisch und ausgeruht halten wollte.
Auch diese Empfindungen sollte man bewusst wahrnehmen und nicht übergehen. Ein typischer Fehler sei es, sofort in den Aktionsmodus zu verfallen. „Meistens steigert man sich damit nur noch mehr in die Erregung rein und macht es dadurch schlimmer“, so Kaluza. Stattdessen empfiehlt er die vier Schritte der 4-A-Strategie:
1. Annehmen
Im ersten Schritt der 4-A-Strategie geht es also darum, die Situation bewusst wahrzunehmen. Und sie dann anzunehmen. Kaluza rät, sich innerlich zu sagen, dass die Situation nun einmal so ist, auch wenn sie gerade ungelegen kommt. „Auch die Tatsache, dass ich gestresst bin, obwohl ich das eigentlich nicht gebrauchen kann, ist jetzt so“, so der Psychologe. In dem Moment, in dem man sich aktiv dafür entscheide, die Situation anzunehmen, übernehme man wieder das Heft des Handelns. „Das ändert nichts daran, dass die Datei weg ist.“ Aber es ändere grundlegend, wie man sich zu dieser Situation stellt.
Das hört sich einfach an, kann in einem akuten Stressmoment aber eine echte Herausforderung sein. Der entscheidende Punkt ist laut Kaluza, bewusst diese innere Entscheidung zu treffen. Häufig müsse man das wiederholen. Wenn man merke, dass wieder eine Welle von Ärger hochsteigt, solle man auch dieses Gefühl wahrnehmen und annehmen – so lange, bis das Hadern und Ärgern nachlasse.
2. Abkühlen
Der zweite Schritt verlangt ebenfalls eine bewusste Entscheidung: Nimm dir gezielt ein, zwei Minuten Zeit um herunterzufahren. Dafür gibt es laut Kaluza viele Möglichkeiten. Wer geübt ist in progressiver Muskelentspannung, könne diese Methode einsetzen, um sich kurzfristig zu entspannen. Anderen kann es helfen, sich für einige Zeit auf den Atem zu konzentrieren. Auch kurz aufzustehen, sich auszuschütteln und zu strecken hat auf viele eine entlastende Wirkung. Oder du lässt dir kaltes Wasser über die Hände laufen.
3. Analysieren
So abgekühlt bist du in der richtigen Verfassung, deine Handlungsoptionen zu analysieren. Jetzt sei man bereit für die Frage: Was kann ich tun?, erklärt Kaluza. Im Beispiel der verschwundenen Folien könntest du etwa überlegen, einen IT-Kollegen anzurufen, der helfen kann, die Datei wiederherzustellen. Oder dich fragen: Habe ich vielleicht eine ältere Version der Datei irgendwo gespeichert?
Eine weitere Option: dich auf die wichtigsten Punkte aus der Präsentation besinnen, einige neue Folien erstellen und improvisieren. Wer klarer im Kopf ist und nicht den Großteil seiner Energie mit Ärgerverarbeitung bindet, kann solche Möglichkeiten viel besser erkennen, erklärt der Experte.
Allerdings betont er: Nicht jede mögliche Handlungsoption müsse auch ergriffen werden. „Es ist wichtig, sich zu fragen, ob sich der ganze Aufwand an dieser Stelle lohnt.“ Manchmal sei es sinnvoller, sich einfach zu sagen: Das wird schon irgendwie laufen.
4. Aktion oder Ablenken
Wenn du nach dieser Analyse mit kühlem Kopf Handlungsmöglichkeiten entdeckt hast, für die sich der Aufwand lohnt, kannst du jetzt fokussiert in Aktion treten. Wenn du aber zu dem Ergebnis kommst, dass das Kind in den Brunnen gefallen ist und du nichts mehr tun kannst, solltest du dich im letzten Schritt gezielt ablenken. „Jetzt kümmere ich mich um mich und sorge dafür, dass es mir wieder einigermaßen gut geht“, rät Kaluza. In unserem Beispiel könnte das heißen, die Zeit bis zur Präsentation zu nutzen, um noch in Ruhe einen Kaffee zu trinken.
Was kann die 4-A-Methode langfristig bewirken?
Die vier Schritte der 4-A-Strategie sind einprägsam und leicht zu merken. Doch die Umsetzung ist nicht ganz einfach: „Es wird nicht sofort beim ersten Mal klappen“, so Kaluzas Erfahrung. Aber man könne es üben. Von den Teilnehmern seines Trainings hört er häufig: Schon allein der erste Schritt, das Annehmen, helfe enorm.
An ihre Grenzen stoße die Methode, wenn die Situation eine hohe persönliche Bedeutsamkeit habe. Etwa, wenn man einen Anruf aus dem Kindergarten bekomme und hört, dass das Kind einen Unfall hatte und ins Krankenhaus musste. „Da wäre es gut, mit dieser Strategie Ruhe und Gelassenheit finden zu können. Aber je näher mir diese Situation geht, desto schwieriger wird es“, so der Experte.
Langfristig sei die Strategie eine gute Möglichkeit, um aus einer Stress-Spirale auszusteigen. Stress entsteht laut Kaluza häufig im Kopf. „Wir malen uns gern aus, was alles Schlimmes passieren könnte.“ Die Methode könne diese Angst mildern und Zuversicht geben, dass man auch mit Hindernissen werde umgehen können. Mit der 4-A-Strategie habe man ein erprobtes Werkzeug, das hilft, mit Stress in akuten, schwierigen Situationen zurecht zu kommen.
Prof. Dr. Gert Kaluza ist Diplom-Psychologe und Gründer des GKM-Instituts für Gesundheitspsychologie. Sein Buch "Gelassen und sicher im Stress – Stress erkennen, verstehen, bewältigen" ist bei Springer erschienen und kostet 22,99 Euro.
Stress bewältigen 
