Stress bewältigen: So kommst du raus aus der Stressfalle

Was Menschen wie stark stresst, ist ebenso individuell wie der Umgang damit. Indes: Bei vielen Unternehmerinnen und Unternehmern zeigen sich Muster. In den Symptomen, die akute Überlastung anzeigen. In der Art, wie die Firmenverantwortlichen diese erst einmal übergehen. Und schließlich in den Strategien, um dem Problem zu begegnen und langfristig gesund und leistungsfähig zu bleiben. Im Folgenden beschreiben vier Unternehmerinnen und Unternehmer, wie das bei ihnen genau aussah. „Ich überging die Signale meines Körpers über Jahre“ Michael Trautmann, 60, gründete unter anderem die Thjnk AG, die New Work Masterskills GmbH und Upsolut Sports GmbH/Hyrox. Er arbeitet als Trainer und Berater und ist Host mehrerer Podcasts, etwa „On the Way to New Work“. [caption id="attachment_7632750" align="alignleft" width="300"] Jahrzehntelang war Unternehmer Michael Trautmann „im Schöpfermodus“ unterwegs, wie er sagt, sammelte ständig Ideen, startete Neues. Ohne zu merken, wie viel Kraft ihn das kostete. Heute? Kann er auch mal innehalten – und die Zeit mit Kaia, der Hündin seines Sohnes, genießen.[/caption] An einem Montagmorgen vor dreieinhalb Jahren lag ich plötzlich wie paralysiert im Bett. Ich hatte vielleicht noch 5 Prozent Energie, konnte nicht denken, mich null konzentrieren. Knapp zwei Wochen später sah ich nur noch einen Weg. Ich rief einen Freund an, um mich in die Klinik fahren zu lassen. Als er sagte: „Ich bin in 15 Minuten da!“, konnte ich nur antworten: „Ich bin nicht sicher, ob ich dir dann noch die Tür öffnen kann.“ Also telefonierten wir weiter, bis er da war. Dauerhaft angespannt Nach mehreren Wochen in zwei Kliniken bekam ich die Diagnose „agitierte Depression“. Betroffene sind innerlich wie äußerlich rastlos, unruhig und dauerhaft angespannt – bis sie nicht mehr können. Es gibt verschiedene Ursachen; welche es bei mir war, zeigte sich nach vielen Stunden Therapie: Bis zu diesem Montagmorgen hatte ich von den fünf menschlichen Grundgefühlen nur Freude wirklich intensiv empfunden. Meine Arbeit und der Stress, der damit einherging, waren zum einen ein Mittel zum Zweck, um die anderen Gefühle wegzudrängen – also möglichst keine Angst, Trauer, Wut und Ekel zu spüren. Zum anderen garantierte der Einsatz über die Grenzen immer neue Erfolgserlebnisse und damit Anlässe, Freude zu empfinden. Klar, dass ich die Überlastungssignale meines Körpers überging. Über Jahrzehnte, mein ganzes Berufsleben lang: Mit Anfang 30 war ich Geschäftsführer einer Werbeagentur, mit 37 Global Chief Marketing Officer bei Audi, danach gründete ich die Agentur Kempertrautmann, aus der später die Thjnk AG wurde. Natürlich fiel ich auch mal ordentlich auf die Schnauze. Beispielsweise überwarf ich mich in beiden Agenturen, die ich mitgegründet hatte, irgendwann mit den Partnern. Verbrannte viel Geld in einem Start-up, das zum Mond fliegen wollte. Doch statt dann einen Gang runterzuschalten, das Geschehene wirklich zu reflektieren und auch zu betrauern, simplifizierte und adelte ich all das als „Fehler“, aus denen ich „viel lernen“ würde. Und startete schnell das nächste Projekt. Selbstfürsorge statt Selbstliebe Nach dem Burnout und der Diagnose war damit Schluss. Als ich die erste Klinik verließ, sagte ich zu meinem Therapeuten: „Ich will lernen, mich selbst zu lieben.“ Dieser erwiderte: „Wenn Sie das nicht als Kind mitbekommen haben, müssen Sie einen Umweg gehen – und erst einmal lernen, sich selbst wahrzunehmen und besser für sich zu sorgen.“ „Selbstwahrnehmung und Selbstfürsorge“ ist deshalb heute mein Mantra. Ich mache etwa weiterhin Therapie, um zu lernen, wie sich die gesamte Palette menschlicher Emotionen anfühlt. Das ist anstrengender für mich, als es jeder noch so vollgepackte Arbeitstag war! Dazu versuche ich, drei- bis viermal pro Woche Sport zu machen, weil mir das – auch in dieser Häufigkeit – guttut. Und: Ich schlafe möglichst konsequent acht Stunden pro Nacht. Früher dagegen war für mich Aktivität und Wachsein entscheidend, ich bin lange 16.000 Schritte am Tag gelaufen, habe zwei bis drei Liter Cola Zero am Tag getrunken. Journaling als Anker Heute beginne ich den Tag mit einem Check-in: Ich frage mich, wie es mir geht, wie ich mich fühle, welche Signale mein Körper mir sendet. Und ich betreibe Journaling. Morgens schreibe ich auf, worauf ich mich freue. Dann übertrage ich meine To-do-Liste in mein Journal und prüfe: Was brauchst du heute, das du noch nicht eingeplant hast? Hast du genug Zeit für dich selbst, für einen Spaziergang, für ein Telefonat mit jemandem, den du schon länger anrufen wolltest? Ist das nicht der Fall, streiche ich auch mal kurzfristig Termine oder verkürze sie. Abends dann notiere ich, wofür ich dankbar bin. Diese Routinen kosten mich zweimal 15 Minuten Zeit, die ich lässig wieder reinhole, weil ich mit mehr Energie und Zuversicht durch den Tag gehe. Durch all das lebe ich heute in einer ganz neuen Intensität. Etwa, weil ich bei allem, was ich erlebe, mehrere Gefühle fühlen kann. Sicher: Die Anlässe für die schnelle Freude sind durch das niedrigere Tempo weniger geworden. Aber wenn ich mich heute freue, dann tief. Und das ist unglaublich erfüllend. „Eine beige-gewaschene Welt ist keine Lösung“ Linda Wurster, 29, ist Nachfolgerin bei Wurster Bau, einem Bauunternehmen mit 50 Mitarbeitern in Grafenberg südlich von Stuttgart. Ihr Großvater hat es gegründet. [caption id="attachment_7632751" align="alignleft" width="300"] In mehreren Yoga-Ausbildungen hat Linda Wurster gelernt, in Verbindung mit ihrem Körper zu kommen. Doch auch ihr als Profi fällt es mitunter schwer, die Yogamatte auszurollen – als Nachfolgerin gibt es viele To-dos.[/caption] Ich brauche einen gewissen Zwang, um mir Zeit für mich selbst zu nehmen. Das klingt erst mal paradox angesichts meiner Yogaausbildungen und Erfahrung mit Achtsamkeit. Trotzdem fällt es mir jetzt als Nachfolgerin schwer, meine eigenen Bedürfnisse zu priorisieren. Im Juni 2024 bin ich Vollzeit in unser Bauunternehmen eingestiegen. Wir haben 50 Mitarbeitende und realisieren große Bauprojekte. Da gibt es immer was zu tun. Die Verantwortung spüre ich jeden Tag. Mein Trick: durch Strukturen Verbindlichkeit schaffen. Andere machen das über einen teuren Personal-Trainer, ich habe einen Hund. Er sorgt dafür, dass ich mindestens zweimal am Tag rauskomme. Mein Handy lasse ich dann bewusst zu Hause. Im Wald, nur ich, der Hund und meine Gedanken – diese Auszeiten sind für mich Gold wert. Außerdem gebe ich regelmäßig Yogastunden. Die Teilnehmenden verlassen sich darauf, dass ich da bin. Ruhe auf der Yogamatte Yoga ist für mich ein Weg, in Verbindung mit meinem Körper zu kommen. Mit Anfang 20 habe ich einen sexuellen Übergriff erlebt. Damals war Yoga das Einzige, was mich aus dem andauernden Alarmzustand geholt hat. Die achtsamen Bewegungen helfen mir auch heute noch in stressigen Phasen. Ich neige dazu, Dinge zu zerdenken. Nach einer Stunde auf der Matte merke ich, wie der Fluss der Bewegung auch meine Gedanken ordnet. Probleme, die vorher riesig wirkten, relativieren sich. Bei der Arbeit spüre ich Stress vor allem, wenn viele Menschen gleichzeitig etwas von mir wollen. Da ist der wütende Kunde am Telefon, ein Mitarbeiter steht schon vor der Tür, und dann landen von rechts und links noch zehn Aufgaben auf meinem Tisch. Natürlich möchte ich allem gerecht werden, aber ich kann mich nicht fünfteilen. In solchen Momenten stehe ich oft auf und setze mich für einen Moment auf die Heizung hinter mir. Ich lasse die Situation auf mich wirken und frage mich: Was ist jetzt gerade wirklich wichtig? Der Abstand hilft, nicht einfach loszupreschen, nur weil etwas dringend erscheint. Bedürfnisse aussprechen Ich bringe eine neue Perspektive in unser Unternehmen. Dadurch gerate ich manchmal mit meinem Vater aneinander. Ein Spaziergang, bei dem wir über die Themen reden, die uns gerade beschäftigen, hat ihn erst mal Überwindung gekostet. Ich glaube, viele in seiner Generation haben nicht gelernt, Gefühle und Bedürfnisse zum Ausdruck zu bringen, und machen, wie er, Dinge lieber mit sich selbst aus. Gleichzeitig erlebe ich, dass er bereit ist, sich auf Veränderungen einzulassen, was ich sehr schön finde. Ich habe etwa Mitarbeitergespräche eingeführt. Er meinte: „Okay, dann probieren wir das mal aus.“ Und es funktioniert. „Ich darf priorisieren – auch für die Familie“ Tanja Michelis, 48, ist Geschäftsführerin der 2013 von ihr gegründeten Akustikbild-Manufaktur aus Berlin mit sieben Angestellten. [caption id="attachment_7632846" align="alignleft" width="300"] Gesunde Routinen entwickeln und Klarheit finden: Das sind für Claudia Michelis zwei Anker, um die Doppelrolle als Unternehmerin und Mutter zu meistern.[/caption] Der Stress und ich, wir sind seit mehr als 20 Jahren per Du – das Leben als Unternehmerin und parallel zweifache Mutter ohne „Nanny“ bringt einfach ein ordentliches Stresslevel mit sich. Doch meine körperliche Verfassung wurde durch diese Belastung immer schlechter: Ich bekam Probleme mit der Lunge, Allergien, hatte keine Widerstandskraft mehr, stand irgendwie neben mir, meine Lebendigkeit war weg. Vor etwa zwei Jahren kamen Hauterkrankungen mit schlimmen Symptomen dazu, aber niemand konnte mir sagen, was zur Hölle los war. Nach vielen ergebnislosen „Standard“-Arztterminen suchte ich eine ganzheitlich arbeitende Medizinerin auf. Sie sagte mir: Sehr gut möglich, dass alle Probleme durch zu viel Stress getriggert werden. Mir wurde klar: Es muss sich grundsätzlich und umfassend sehr viel verändern. Mein erster Schritt: Wahrnehmen, wie sich Stress für mich anfühlte. Ich musste ihn erkennen lernen. Denn mein Leben kam mir ganz normal vor – nur schaffte ich „es“ irgendwie nicht mehr. Ich legte mir eine Smartwatch zu, mit der ich zuweilen exzessiv analysierte: Wie oft und wie intensiv bin ich im Stress? Wie und wie viel schlafe ich? Mache ich genug Pausen? Parallel suchte ich weiter die Ärztin auf, machte umfangreiche Blutuntersuchungen, führte viele Gespräche. Und ich verstand, wie alles miteinander zusammenhing. Änderungen im Dutzend Entsprechend fing ich an, mein Leben grundlegend zu ändern. Ich kürzte meine Arbeitszeit von 40 bis 50 auf nur noch 30 bis 35 Stunden pro Woche – mit wenigen Ausnahmen. Dafür gab ich einige meiner Aufgaben an externe Dienstleister, stellte neue Mitarbeitende ein und optimierte Prozesse im Team. Ich veränderte auch meinen Weg zur Arbeit: Nun fahre ich statt mit dem Rad oder dem Auto mit einem Bus zur Arbeit; so habe ich zweimal am Tag 20 Minuten Zeit nur für mich. Außerdem laufe ich im Alltag möglichst viel: Jeder zusätzliche Schritt baut Stress ab und bietet mir Zeit, Gedanken wandern zu lassen oder etwas mit ChatGPT „auszudiskutieren“. Auch zu Hause änderte ich einiges: Ich versuche nun, um spätestens 22 Uhr im Bett zu sein. Dazu ernähre ich mich viel gesünder, trinke sehr viel mehr und verzichte auf koffeinhaltigen Kaffee, um besser zu sehen, wann ich müde bin. Eine besonders große Umstellung gab es für meine Familie: Abgesehen vom Sonntagsfrühstück essen wir, also mein Mann und meine beiden Söhne, 11 und 13, nur noch selten gemeinsam. Viele verstehen das nicht. Aber wir können so unsere individuellen Bedürfnisse besser erfüllen: Wir essen, wenn wir Hunger haben, und das, was wir mögen und was uns guttut. Ich esse zum Beispiel glutenfrei und am liebsten leicht Verdauliches, um gut schlafen zu können. Dafür habe ich mir ein CustomGPT gebastelt, das Screenshots von Rezepten oder Zutaten von Produkten analysiert und mir sagt, ob das für mich und die jeweilige Tageszeit passt. Und schließlich: Ich habe bewusst nach einem Sport gesucht, der mir wirklich Freude macht und nicht ein weiteres To-do ist. Ich fand Handstand-Kurse. Handstand machen bedeutet, Denkmuster loszulassen und die Perspektive zu wechseln. Das passt perfekt zu mir und ist auch für mich als Unternehmerin eine Art Superkraft. Klarheit in der Krise In den letzten Monaten habe ich erkannt: Auch Klarheit ist ein top „Ent-Stresser“. Ich stecke derzeit mit meinem Unternehmen in einer wirtschaftlichen Krise. Die Frage, wie ich damit umgehe, hat mich extrem belastet. Vor Kurzem dann habe ich verstanden: Ich möchte die Firma behalten – jedoch nicht unter Einsatz aller meiner Ressourcen. Denn mir wurde ebenso klar, dass ich gerade jetzt auch für meine Kinder da sein möchte, die in einer wichtigen Phase ihres Lebens stecken. Zuvor dachte ich immer: Alles muss gleichzeitig gehen. Doch das muss es nicht. Ich darf priorisieren – auch für die Familie. Und so tue ich nun für den Erhalt der Firma, was ich kann, akzeptiere aber die Möglichkeit, es nicht zu schaffen. Zu meinem Wohl und dem meiner Familie. Inzwischen habe ich das auch meinen Mitarbeitenden gesagt. Diese Klarheit hat mir unglaublich viel emotionalen Stress genommen. Der Prozess brauchte fast zwei Jahre. Heute bin ich frei von den schwerwiegendsten Symptomen und verstehe viel besser, was mir guttut. Die Smartwatch habe ich schon länger abgelegt. Ich weiß nun: Was ich fühle, ist die Realität – und meine Realität muss und kann ich gestalten. „Im Wasser ist dein Kopf komplett leer“ Charis Kalweit, 38, leitet ein Autohaus Glienicke in Berlin mit zwei Filialen und 50 Mitarbeitern. Sie übernahm den Betrieb vor drei Jahren von ihren Eltern. [caption id="attachment_7632752" align="alignleft" width="300"] Charis Kalweit an einem Sonntagmorgen im Briesesee in Birkenwerder bei Berlin. Die Unternehmerin leitet ein Autohaus, hat zwei kleine Kinder – und einen stressigen Alltag. Eisbaden ist der Ausgleich.[/caption] Eine Schnapsidee, dachte ich erst. Dann stand ich in Badeanzug und Wollmütze vor dem Aufstellpool im Garten. Ein kühler Tag im Oktober vergangenes Jahr. Ich stieg langsam hinein, erst mal nur die Beine. Meine Füße taten weh. Nach einer Minute ließ der Schmerz nach. Ich atmete durch die Nase ein, durch den Mund aus. Dann glitt ich mit dem ganzen Körper ins kalte Wasser. Siehe da. Ich gewöhnte mich tatsächlich daran, konnte sogar einige Runden durch das Becken waten. Danach dachte ich: Boah, ich hab’s geschafft. Mein erstes Mal Eisbaden. Chefin springt ein Seitdem mache ich es regelmäßig. Eisbaden ist mein Ausgleich im stressigen Alltag geworden. Vor drei Jahren habe ich die Leitung des Autohauses von meinen Eltern übernommen. Da war ich 35 Jahre alt. Zwei Filialen mit Verantwortung für 50 Mitarbeiter. Work-Life-Balance? Bei meinen Mitarbeitern achte ich darauf. Bei mir selbst klappt es nicht. Wenn Not am Mann ist, springe ich ein und bleibe länger. Zu Hause habe ich zwei Kinder, das heißt, auch da bin ich eingespannt. Vor dem ersten Kind habe ich fünf-, sechsmal die Woche Cross-Fit gemacht, ein anstrengendes Ganzkörpertraining. Übungen wie Gewichtheben, Seilhüpfen, Klimmzüge. Ich war fit. Dann bekam ich starke Schmerzen im Knie, ich hatte dauernd Entzündungen. Ich ließ es röntgen. Da, wo eigentlich ein Knorpel sein sollte, zeigte das Röntgenbild: nichts. Der Arzt diagnostizierte schwere Arthrose. Anfang des Jahres wurde ich operiert. An Sport war vorerst nicht mehr zu denken. Ich merkte, dass mir der Ausgleich fehlte. Ich schlief schlecht, war angespannt und in der Firma schneller gereizt. Das Ventil fehlte. Das hat sich geändert, seit ich Eisbaden gehe. Mein Nachbar brachte mich auf die Idee. Mir fiel immer schon auf, dass er kaum friert, selbst wenn es kalt ist, läuft er barfuß und trägt keine Jacke. Er ist Wim-Hof-Instructor. Das ist diese Methode, die gerade so gehyped wird. Sie geht auf den gleichnamigen niederländischen Extremsportler zurück. Im Kern ist es eine Kombination aus Atemtechniken, Meditation und Kälte, der man sich aussetzt. Der Körper kühlt herunter und geht in einen Verteidigungsmodus, das soll das Immunsystem stärken. Ob das tatsächlich funktioniert, ist noch nicht vollständig bewiesen. Was ich aber sicher sagen kann: Im Wasser ist dein Kopf komplett leer, du denkst über nichts nach und bist voll bei dir. Der Kälteschock setzt Dopamin frei, das Glückshormon. Drei, vier Stunden nach dem Baden bin ich immer noch euphorisiert. Ich komme jetzt mit Kälte besser klar, früher war ich eine Frostbeule. Ich will Wim Hof nicht überhöhen. Man wird nicht zur besseren Unternehmerin. Aber ein guter Ausgleich ist es allemal. Mindset versetzt Berge Im Januar ging ich mit meinem Nachbarn und einer Gruppe von Freunden in den Harz. Bei minus acht Grad und Schnee liefen wir auf den Brocken und wieder runter. Fünf Stunden Wanderung mit schmerzendem Knie. Die Arthrose. Das Krasseste war aber, dass wir nur in T-Shirt und kurzer Hose wanderten. Das war wie Eisbaden, nur extremer. Hättest du mich früher gefragt, ob ich mitmache, hätte ich gelacht. Darum geht es beim Erleben der Kälte auch: Zu erkennen, dass das richtige Mindset Berge versetzen kann. Im Alltag ist das nichts anderes. Wenn du ständig sagst, dies ist zu schwer, das geht nicht, kommst du nicht weiter. Aber du kannst mehr, als du denkst. Das war die Lehre aus der Wanderung. Irgendwann werde ich wieder Sport machen können, aber das Eisbaden werde ich trotzdem beibehalten. Für den Sommer hat mein Nachbar ein Gerät, mit dem man Wasser auf drei, vier Grad herunterkühlen kann. Oder man versucht es mit Eiswürfeln. Für den Winter habe ich eine aufblasbare Tonne gekauft, die nutze ich, wenn der Aufstellpool abgebaut ist. Jeden Sonntag treffe ich mich an einem See bei Berlin mit ein paar Leuten morgens um neun, egal bei welchem Wetter. Ich mag die Gemeinschaft und die Natur. Gerade jetzt, wenn die Blätter fallen, die Sonne vielleicht scheint und der See schon halb gefroren ist, ist es toll. Anfangs hielt ich die Hände aus dem Wasser, damit sie nicht kalt werden und schmerzen. Mittlerweile mache ich sogar ein paar Schwimmzüge. Man entwickelt sich weiter. Danach stehen wir immer noch zusammen, eingekuschelt in Handtücher, und trinken Tee. Wir freuen uns, dass wir gemeinsam unseren inneren Schweinehund überwunden haben. Das Schönste ist, nach Hause zu kommen, sich an den Frühstückstisch zu setzen und zu wissen, ich hab es wieder geschafft. Vermutlich wäre es dann besser, kalt zu duschen, wegen des Kreislaufs. Ich drehe heiß auf.