Privatinsolvenz als Unternehmer
Die Pleite nach der Pleite

Unternehmer bürgen oft mit ihrem Privatvermögen für Firmenkredite. Kommt es zur Insolvenz, ist nicht nur der Betrieb zerstört - auch dem Unternehmer droht die Privatinsolvenz. Lässt sich die Katastrophe verhindern?

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Es ist spürbar, Wolfgang Krebs ist stolz auf diese Zahl, auch wenn er sie nüchtern vorträgt: 300 000. So viele Christbaumkugeln konnte Krebs & Sohn in Rosenheim täglich produzieren. „Kein anderes Unternehmen weltweit“, schwärmt er, „hatte modernere Anlagen.“ Krebs sitzt auf dem heimischen Sofa, die Hände hinter dem Kopf gefaltet, und geht in Gedanken durch die Fabrikhalle der 1947 von seinem Vater gegründeten Firma. Er wirkt für einen Moment entspannt, wie entflohen.

Entflohen aus seiner Gegenwart. Denn Krebs & Sohn ist pleite. Krebs hat fast sein komplettes Privatvermögen verloren, weil er sich überreden ließ, mit seinem Geld die letztlich gescheiterte Sanierung zu unterstützen.

„Ich fühlte mich finanziell abgesichert“

Was für eine Wendung. Krebs hatte das Traditionshaus in den 90er-Jahren zu einem hoch rentablen, international aufgestellten Unternehmen geformt. Sein Einkommen von umgerechnet etwa 350.000 Euro im Jahr steckte er fast vollständig in die Firma. „Ich fühlte mich finanziell abgesichert und dachte, die Risiken im Griff zu haben.“

Nun hat er bereits neun Jahre Kampf hinter sich, mit Insolvenzverwaltern, mit Bankern, Sanierern, Richtern, gegen, wie er es nennt, „die geballte Wucht eines kranken Systems“. Sie hindere ihn daran, sich eine neue Existenz
aufzubauen.

Vom einstigen Wohlstand fast nichts übrig

Von seinem einstigen Wohlstand ist fast nichts übrig. Er muss für Kredite in sechs- oder siebenstelliger Höhe – die exakte Summe ist strittig – geradestehen. Lediglich die alte Firmenzentrale besitzt er noch. Doch der 10.000-Quadratmeter-Bau steht auf Betreiben der Gläubiger unter Zwangsverwaltung. Krebs sieht alle seine Bemühungen, den Komplex einträglich zu vermieten, sabotiert. Ein möglicher Verkauf sei bislang an den Banken gescheitert. Der Erlös dürfte indes kaum reichen, um seine Schulden zu tilgen.

Immerhin, seine Frau Petra hält als erfolgreiche Psychotherapeutin die Familie über Wasser. Doch das Paar hat vier schulpflichtige Kinder – da bleibt nichts, um Wolfgang Krebs’ Schulden zu bezahlen. „Vielleicht“, sagt er, „werde ich Privatinsolvenz anmelden.“

Ein typischer Fall. Hinter jeder fünften der gut 125.000 Insolvenzen, die Privatpersonen im Jahr 2008 angemeldet haben, steht ein gescheiterter Unternehmer. Und selbst wenn das Aus des eigenen Betriebs nicht in die amtlich testierte persönliche Pleite führt, sind die finanziellen Folgen für das tägliche Leben oft katastrophal. „Geraten Familienunternehmen in Schwierigkeiten, führt dies in aller Regel auch zu einer Krise in der Familie selbst“, sagt Tom Rüsen, Direktor des Instituts für Familienunternehmen an der Privaten Universität Witten/Herdecke.

Der familiäre Notstand hat häufig zwei Hauptgründe: Erstens wollen die Entrepreneure die Schieflage ihres Unternehmens oft nicht wahrhaben. „Die Krise wird verdrängt, bis es zu spät ist“, sagt Rüsen. Zum anderen erwischt es die Unternehmer häufig völlig unvorbereitet. In der Finanzplanung der Familie ist die Firmenpleite einfach nicht vorgesehen.

Die gute Nachricht: Auch wenn der Absturz ins finanzielle Nichts mitunter schicksalhaft wirkt, kann eine frühzeitige, konsequente Vorbereitung die private Pleite nach der Firmeninsolvenz verhindern.

Wie groß der Aufklärungsbedarf ist, weiß Attila von Unruh. Der 48-Jährige aus Ruppichteroth bei Köln, der selbst ein Insolvenzverfahren durchläuft, gründete 2007 den Gesprächskreis Anonyme Insolvenzler. Täglich bekommt er 40 bis 50 E-Mails von Ratsuchenden. Zu den monatlichen offenen Runden in Köln, München und Hamburg kommen von Mal zu Mal mehr Menschen; etwa jeder Zweite ist ein gescheiterter Unternehmer. Und angesichts der anrollenden Insolvenzwelle – mehr als 35.000 Firmenpleiten erwartet die Wirtschaftsauskunftei Creditreform für das Krisenjahr 2009 – dürfte sich die Zahl weiter erhöhen.

An einem trüben Märzabend in einem Hamburger Bürokomplex unweit der Elbe ist die Krise bereits präsent. In einem engen Raum sitzen vier Männer und vier Frauen gemeinsam mit von Unruh unter grellem Neonlicht an einem Tisch. Sie berichten von der Angst, durch die Insolvenz ins soziale Abseits zu geraten, davon, dass mit Hartz IV ein Neubeginn nicht möglich sei. Ein hoch verschuldetes Handwerkerpaar ist den Tränen nahe. „Wir müssen etwas machen“, sagt die Frau. Doch sie fühlen sich wie gelähmt. Aus der Runde kommen Ratschläge. Entscheidend aber ist, dass sie nun wissen: Sie sind nicht allein.

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Auch Margrit Reichel* geht regelmäßig zu den Anonymen Insolvenzlern. Inzwischen eher zum Zuhören und um Mut zu machen, denn sie hat ihr Insolvenzverfahren abgeschlossen, hat die sogenannte Restschuldbefreiung. In die Schuldenfalle geriet sie 1998, als der Sportartikelvertrieb ihres Mannes nicht mehr lief, weil er krank wurde. Da auch Frau Reichel die Kreditverträge unterzeichnet hatte, war sie mitverantwortlich für den Berg von Miesen, insgesamt 175.000 D-Mark. Als ihr Mann kurz darauf verstarb, hielten sich die Banken an sie allein. Ihr Gehalt bei einem Chemiekonzern reichte nicht aus für den Schuldendienst, die Privatinsolvenz war unvermeidlich.

Das Problem: Banken fordern private Bürgschaft

Der Frankfurter Rechtsanwalt und Insolvenzberater André Gabel hat bereits über 100 Unternehmer in ähnlichen Situationen beraten. Das Problem ist stets dasselbe: Die Banken fordern bei Firmenkrediten in aller Regel eine private Bürgschaft. Oft soll auch der Ehepartner in den Kreditvertrag einsteigen. „Die Banken gewinnen dadurch letztlich kaum zusätzliche Sicherheiten. Meist geht es nur darum, ein weiteres Druckmittel in der Hand zu haben“, weiß Anwalt Gabel.

Wenigstens diese Sorge hat Starlet Verona Pooth zurzeit wohl nicht. Die Schulden ihres Mannes Franjo in Millionenhöhe muss sie nicht bezahlen. Und das, obwohl der mit seiner Elektronikfirma Maxfield spektakulär in die Pleite rutschte. Doch offenbar sind die Finanzen von Frau und Herrn Pooth strikt getrennt. Und so kann sich das Paar mit seinem Sohn San Diego weiterhin den gewohnten Jetset-Lifestyle leisten. An Veronas Vermögen kommen Franjos Gläubiger nicht ran.

„Handwerklich gut gemacht“, findet das Jens Heinneccius. Der Chef des Hamburger Finanzberaters Eleatis, der die Vermögen zahlreicher Unternehmer verwaltet, sieht im Fall Pooth daher „ein Beispiel für geschickte Krisenvorsorge“.

Doch die kluge Vermögensteilung bewahrte den Maxfield-Gründer nicht davor, töricht anmutende Fehler zu machen, als es eng wurde. So versuchte Franjo Pooth offenbar, einen Banker zur Vergabe von Krediten zu bewegen, indem er ihm eine Heimkinoanlage im Wert von 8800 Euro schenkte. Und erstellte den Insolvenzantrag erst im Januar 2008. Tatsächlich soll die Firma bereits im September 2007 pleite gewesen sein. Pooth wäre gesetzlich verpflichtet gewesen, binnen drei Wochen einen Insolvenzantrag zu stellen.

Das Amtsgericht Düsseldorf verurteilte den Pleitier unter anderem wegen Insolvenzverschleppung und Vorteilsgewährung im März zu einem Jahr Gefängnis auf Bewährung. Außerdem muss er 100.000 Euro Strafe zahlen.

Die Hoffnung auf den großen Auftrag

Peter Kranzusch vom Bonner Institut für Mittelstandsforschung (IfM) kennt den Hauptgrund, warum Unternehmer oft zu spät die Reißleine ziehen: „Sie klammern sich an die Hoffnung, dass morgen der große Auftrag kommt, der die Firma rettet.“

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Bleibt er aber aus, droht nicht nur ein Verfahren wegen Insolvenzverschleppung; der Staatsanwalt untersucht auch andere Versäumnisse. Häufig sind die Unternehmer mit den Sozialabgaben für die Angestellten oder der Umsatzsteuer im Rückstand. Nicht selten stellt deshalb das Finanzamt oder die Krankenkasse der Beschäftigten den Insolvenzantrag – Ermittlungen wegen Betrugs folgen.

Geschäftsführer in der Pflicht

Für die Nachforderungen haftet dann nicht mehr das Unternehmen, sondern der Geschäftsführer persönlich. Die kleine Spedition von Henrik Carstensen* aus Hessen etwa zahlte drei Monate vor der Pleite keine Beiträge mehr zur Renten-, Kranken- und Arbeitslosenversicherung eines Angestellten, insgesamt rund 1000 Euro. Zur Verantwortung zog das Gericht Carstensen als alleinigen Firmeninhaber. Das Urteil: Zahlung der säumigen Sozialabgaben plus 3000 Euro Strafe.

Ein Prozess oder das bis zu sieben Jahre dauernde Insolvenzverfahren sind aber mitunter nur das Vorspiel eines sehr viel längeren Dramas. Denn oft ist die gesamte Altersvorsorge verloren. Zwar sind Versicherungen oder Sparpläne, die im Alter als Rente ausgezahlt werden, seit 2007 gesetzlich geschützt; kein Gläubiger kann sie pfänden. Doch die sogenannte Kapitallebensversicherung, die auf einen Schlag ausbezahlt wird, fällt nicht unter diesen Schutz. Vor allem Insolvenzler über 50 haben oft keine anderen Rücklagen für den Ruhestand.

Bank kassiert Lebensversicherung

Auch der ehemalige Christbaumkugelfabrikant Wolfgang Krebs verlor seine Lebensversicherungen, in die er rund eine Million Euro eingezahlt hatte. Die Bank hat sie einkassiert. Seine Chance, noch ausreichend fürs Alter sparen zu können, ist gering.

Für viele gescheiterte Unternehmer, glaubt Gesprächskreisgründer von Unruh, heißt die Folge Altersarmut: „Da kommt ein riesiges Problem auf uns zu.“

*Name von der Redaktion geändert

Strategien für mehr Sicherheit

Wer in seine private Finanzplanung die Möglichkeit einer Firmeninsolvenz einbezieht, hat gute Chancen, sich selbst und die eigene Familie vor Geldnöten zu bewahren. impulse erklärt drei Maßnahmen, die bei strikter Umsetzung einen hohen Grad an Absicherung bringen:

Familie und Unternehmen trennen

Banken fordern meist privates Hab und Gut als Sicherheit oder aber dass Ehefrau, Kinder oder andere Verwandte für Firmenkredite bürgen. Unternehmer sollten jedoch stets darauf achten, dass Gläubiger auf ein notwendiges Minimum ihres Vermögens keinesfalls zugreifen können. Haften Gesellschafter persönlich für Schulden des Unternehmens, sollten Eigenheim und andere Wertträger frühzeitig an den Ehepartner oder andere nicht an der Firma beteiligte Personen übertragen werden. Um im Streitfall, etwa der Scheidung, nicht alles zu verlieren, ist ein finanzieller Ausgleich vertraglich zu regeln. Zu beachten ist, dass der Insolvenzverwalter Schenkungen, die weniger als zehn Jahre vor der Pleite lagen, anfechten kann.

Firmenvermögen sichern

Um wertvolle Aktiva der Firma im Pleitefall zu retten, bietet sich eine Betriebsaufspaltung an. Unternehmenseigene Maschinen oder Immobilien werden dann in einer gesonderten Gesellschaft gebündelt. Kommt es zur Insolvenz, ist diese Ausgründung nicht betroffen. Das Vermögen sollte aber nicht als Sicherheit für Kredite der Not leidenden Firma dienen.

Altersvorsorge schützen

Folgt auf den Konkurs der Firma auch die private Insolvenz oder muss ein Bürge für Firmenkredite aufkommen, sind nur wenige Sparformen sicher. Ein gesetzlicher Schutz besteht für Investments, die in einer Rentenzahlung münden, wie die staatlich geförderte Rürup-Rente, oder private Rentenversicherungen. Größere Summen lassen sich mit einer Lebensversicherung aus Liechtenstein schützen, in die auch komplexe Vermögen eingebracht werden können. Die Policen sind, wenn sie im Fürstentum abgeschlossen wurden, nicht pfändbar. Der Abschluss lohnt jedoch erst bei Vermögen ab 250.000 Euro, da die Gebühren hoch sind.

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Sein Einkommen von umgerechnet etwa 350.000 Euro im Jahr steckte er fast vollständig in die Firma. „Ich fühlte mich finanziell abgesichert und dachte, die Risiken im Griff zu haben.“ Nun hat er bereits neun Jahre Kampf hinter sich, mit Insolvenzverwaltern, mit Bankern, Sanierern, Richtern, gegen, wie er es nennt, „die geballte Wucht eines kranken Systems“. Sie hindere ihn daran, sich eine neue Existenz aufzubauen. Vom einstigen Wohlstand fast nichts übrig Von seinem einstigen Wohlstand ist fast nichts übrig. Er muss für Kredite in sechs- oder siebenstelliger Höhe – die exakte Summe ist strittig – geradestehen. Lediglich die alte Firmenzentrale besitzt er noch. Doch der 10.000-Quadratmeter-Bau steht auf Betreiben der Gläubiger unter Zwangsverwaltung. Krebs sieht alle seine Bemühungen, den Komplex einträglich zu vermieten, sabotiert. Ein möglicher Verkauf sei bislang an den Banken gescheitert. Der Erlös dürfte indes kaum reichen, um seine Schulden zu tilgen. Immerhin, seine Frau Petra hält als erfolgreiche Psychotherapeutin die Familie über Wasser. Doch das Paar hat vier schulpflichtige Kinder – da bleibt nichts, um Wolfgang Krebs’ Schulden zu bezahlen. „Vielleicht“, sagt er, „werde ich Privatinsolvenz anmelden.“ Ein typischer Fall. Hinter jeder fünften der gut 125.000 Insolvenzen, die Privatpersonen im Jahr 2008 angemeldet haben, steht ein gescheiterter Unternehmer. Und selbst wenn das Aus des eigenen Betriebs nicht in die amtlich testierte persönliche Pleite führt, sind die finanziellen Folgen für das tägliche Leben oft katastrophal. „Geraten Familienunternehmen in Schwierigkeiten, führt dies in aller Regel auch zu einer Krise in der Familie selbst“, sagt Tom Rüsen, Direktor des Instituts für Familienunternehmen an der Privaten Universität Witten/Herdecke. Der familiäre Notstand hat häufig zwei Hauptgründe: Erstens wollen die Entrepreneure die Schieflage ihres Unternehmens oft nicht wahrhaben. „Die Krise wird verdrängt, bis es zu spät ist“, sagt Rüsen. Zum anderen erwischt es die Unternehmer häufig völlig unvorbereitet. In der Finanzplanung der Familie ist die Firmenpleite einfach nicht vorgesehen. Die gute Nachricht: Auch wenn der Absturz ins finanzielle Nichts mitunter schicksalhaft wirkt, kann eine frühzeitige, konsequente Vorbereitung die private Pleite nach der Firmeninsolvenz verhindern. Wie groß der Aufklärungsbedarf ist, weiß Attila von Unruh. Der 48-Jährige aus Ruppichteroth bei Köln, der selbst ein Insolvenzverfahren durchläuft, gründete 2007 den Gesprächskreis Anonyme Insolvenzler. Täglich bekommt er 40 bis 50 E-Mails von Ratsuchenden. Zu den monatlichen offenen Runden in Köln, München und Hamburg kommen von Mal zu Mal mehr Menschen; etwa jeder Zweite ist ein gescheiterter Unternehmer. Und angesichts der anrollenden Insolvenzwelle – mehr als 35.000 Firmenpleiten erwartet die Wirtschaftsauskunftei Creditreform für das Krisenjahr 2009 – dürfte sich die Zahl weiter erhöhen. An einem trüben Märzabend in einem Hamburger Bürokomplex unweit der Elbe ist die Krise bereits präsent. In einem engen Raum sitzen vier Männer und vier Frauen gemeinsam mit von Unruh unter grellem Neonlicht an einem Tisch. Sie berichten von der Angst, durch die Insolvenz ins soziale Abseits zu geraten, davon, dass mit Hartz IV ein Neubeginn nicht möglich sei. Ein hoch verschuldetes Handwerkerpaar ist den Tränen nahe. „Wir müssen etwas machen“, sagt die Frau. Doch sie fühlen sich wie gelähmt. Aus der Runde kommen Ratschläge. Entscheidend aber ist, dass sie nun wissen: Sie sind nicht allein. Auch Margrit Reichel* geht regelmäßig zu den Anonymen Insolvenzlern. Inzwischen eher zum Zuhören und um Mut zu machen, denn sie hat ihr Insolvenzverfahren abgeschlossen, hat die sogenannte Restschuldbefreiung. In die Schuldenfalle geriet sie 1998, als der Sportartikelvertrieb ihres Mannes nicht mehr lief, weil er krank wurde. Da auch Frau Reichel die Kreditverträge unterzeichnet hatte, war sie mitverantwortlich für den Berg von Miesen, insgesamt 175.000 D-Mark. Als ihr Mann kurz darauf verstarb, hielten sich die Banken an sie allein. Ihr Gehalt bei einem Chemiekonzern reichte nicht aus für den Schuldendienst, die Privatinsolvenz war unvermeidlich. Das Problem: Banken fordern private Bürgschaft Der Frankfurter Rechtsanwalt und Insolvenzberater André Gabel hat bereits über 100 Unternehmer in ähnlichen Situationen beraten. Das Problem ist stets dasselbe: Die Banken fordern bei Firmenkrediten in aller Regel eine private Bürgschaft. Oft soll auch der Ehepartner in den Kreditvertrag einsteigen. „Die Banken gewinnen dadurch letztlich kaum zusätzliche Sicherheiten. Meist geht es nur darum, ein weiteres Druckmittel in der Hand zu haben“, weiß Anwalt Gabel. Wenigstens diese Sorge hat Starlet Verona Pooth zurzeit wohl nicht. Die Schulden ihres Mannes Franjo in Millionenhöhe muss sie nicht bezahlen. Und das, obwohl der mit seiner Elektronikfirma Maxfield spektakulär in die Pleite rutschte. Doch offenbar sind die Finanzen von Frau und Herrn Pooth strikt getrennt. Und so kann sich das Paar mit seinem Sohn San Diego weiterhin den gewohnten Jetset-Lifestyle leisten. An Veronas Vermögen kommen Franjos Gläubiger nicht ran. „Handwerklich gut gemacht“, findet das Jens Heinneccius. Der Chef des Hamburger Finanzberaters Eleatis, der die Vermögen zahlreicher Unternehmer verwaltet, sieht im Fall Pooth daher „ein Beispiel für geschickte Krisenvorsorge“. Doch die kluge Vermögensteilung bewahrte den Maxfield-Gründer nicht davor, töricht anmutende Fehler zu machen, als es eng wurde. So versuchte Franjo Pooth offenbar, einen Banker zur Vergabe von Krediten zu bewegen, indem er ihm eine Heimkinoanlage im Wert von 8800 Euro schenkte. Und erstellte den Insolvenzantrag erst im Januar 2008. Tatsächlich soll die Firma bereits im September 2007 pleite gewesen sein. Pooth wäre gesetzlich verpflichtet gewesen, binnen drei Wochen einen Insolvenzantrag zu stellen. Das Amtsgericht Düsseldorf verurteilte den Pleitier unter anderem wegen Insolvenzverschleppung und Vorteilsgewährung im März zu einem Jahr Gefängnis auf Bewährung. Außerdem muss er 100.000 Euro Strafe zahlen. [mehr-zum-thema] Die Hoffnung auf den großen Auftrag Peter Kranzusch vom Bonner Institut für Mittelstandsforschung (IfM) kennt den Hauptgrund, warum Unternehmer oft zu spät die Reißleine ziehen: „Sie klammern sich an die Hoffnung, dass morgen der große Auftrag kommt, der die Firma rettet.“ Bleibt er aber aus, droht nicht nur ein Verfahren wegen Insolvenzverschleppung; der Staatsanwalt untersucht auch andere Versäumnisse. Häufig sind die Unternehmer mit den Sozialabgaben für die Angestellten oder der Umsatzsteuer im Rückstand. Nicht selten stellt deshalb das Finanzamt oder die Krankenkasse der Beschäftigten den Insolvenzantrag – Ermittlungen wegen Betrugs folgen. Geschäftsführer in der Pflicht Für die Nachforderungen haftet dann nicht mehr das Unternehmen, sondern der Geschäftsführer persönlich. Die kleine Spedition von Henrik Carstensen* aus Hessen etwa zahlte drei Monate vor der Pleite keine Beiträge mehr zur Renten-, Kranken- und Arbeitslosenversicherung eines Angestellten, insgesamt rund 1000 Euro. Zur Verantwortung zog das Gericht Carstensen als alleinigen Firmeninhaber. Das Urteil: Zahlung der säumigen Sozialabgaben plus 3000 Euro Strafe. Ein Prozess oder das bis zu sieben Jahre dauernde Insolvenzverfahren sind aber mitunter nur das Vorspiel eines sehr viel längeren Dramas. Denn oft ist die gesamte Altersvorsorge verloren. Zwar sind Versicherungen oder Sparpläne, die im Alter als Rente ausgezahlt werden, seit 2007 gesetzlich geschützt; kein Gläubiger kann sie pfänden. Doch die sogenannte Kapitallebensversicherung, die auf einen Schlag ausbezahlt wird, fällt nicht unter diesen Schutz. Vor allem Insolvenzler über 50 haben oft keine anderen Rücklagen für den Ruhestand. Bank kassiert Lebensversicherung Auch der ehemalige Christbaumkugelfabrikant Wolfgang Krebs verlor seine Lebensversicherungen, in die er rund eine Million Euro eingezahlt hatte. Die Bank hat sie einkassiert. Seine Chance, noch ausreichend fürs Alter sparen zu können, ist gering. Für viele gescheiterte Unternehmer, glaubt Gesprächskreisgründer von Unruh, heißt die Folge Altersarmut: „Da kommt ein riesiges Problem auf uns zu.“ *Name von der Redaktion geändert Strategien für mehr Sicherheit Wer in seine private Finanzplanung die Möglichkeit einer Firmeninsolvenz einbezieht, hat gute Chancen, sich selbst und die eigene Familie vor Geldnöten zu bewahren. impulse erklärt drei Maßnahmen, die bei strikter Umsetzung einen hohen Grad an Absicherung bringen: Familie und Unternehmen trennen Banken fordern meist privates Hab und Gut als Sicherheit oder aber dass Ehefrau, Kinder oder andere Verwandte für Firmenkredite bürgen. Unternehmer sollten jedoch stets darauf achten, dass Gläubiger auf ein notwendiges Minimum ihres Vermögens keinesfalls zugreifen können. Haften Gesellschafter persönlich für Schulden des Unternehmens, sollten Eigenheim und andere Wertträger frühzeitig an den Ehepartner oder andere nicht an der Firma beteiligte Personen übertragen werden. Um im Streitfall, etwa der Scheidung, nicht alles zu verlieren, ist ein finanzieller Ausgleich vertraglich zu regeln. Zu beachten ist, dass der Insolvenzverwalter Schenkungen, die weniger als zehn Jahre vor der Pleite lagen, anfechten kann. Firmenvermögen sichern Um wertvolle Aktiva der Firma im Pleitefall zu retten, bietet sich eine Betriebsaufspaltung an. Unternehmenseigene Maschinen oder Immobilien werden dann in einer gesonderten Gesellschaft gebündelt. Kommt es zur Insolvenz, ist diese Ausgründung nicht betroffen. Das Vermögen sollte aber nicht als Sicherheit für Kredite der Not leidenden Firma dienen. Altersvorsorge schützen Folgt auf den Konkurs der Firma auch die private Insolvenz oder muss ein Bürge für Firmenkredite aufkommen, sind nur wenige Sparformen sicher. Ein gesetzlicher Schutz besteht für Investments, die in einer Rentenzahlung münden, wie die staatlich geförderte Rürup-Rente, oder private Rentenversicherungen. Größere Summen lassen sich mit einer Lebensversicherung aus Liechtenstein schützen, in die auch komplexe Vermögen eingebracht werden können. Die Policen sind, wenn sie im Fürstentum abgeschlossen wurden, nicht pfändbar. Der Abschluss lohnt jedoch erst bei Vermögen ab 250.000 Euro, da die Gebühren hoch sind.
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