Finanzen
Restposten müssen die Kasse nicht belasten

Ladenhüter verstopfen nicht nur Lagerräume, sie verhageln auch die Bilanz. Corporate Trader kaufen die Posten auf – und zahlen mit Gutscheinen.

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Auch wenn Weihnachten die Kassen noch so süß geklingelt haben: Jedes Jahr im Januar bleiben die meisten Süßwarenhersteller auf haufenweise Schokonikoläusen sitzen. Manchmal lief ein anderes Modell einfach besser, ein andermal sind zu viele produziert worden. Aber nicht nur Lebensmittel haben ein Verfallsdatum. Auch Kleidung, Handtaschen oder Schuhe sind wechselnden Trends unterworfen.

Firmenchefs können immer schwieriger kalkulieren, wie lange ein Produkt zu den Hot Sells gehören wird. Altware kann nur noch abgeschrieben werden.

„Abschreibungen belasten den Vermögensbestand im gleichen Maße wie das Eigenkapital, damit auch den Gewinn“, sagt Joachim Hennrichs, Professor für Bilanzrecht an der Universität Köln. „Umfangreiche Abschreibungen auf Warenbestände machen zudem deutlich, dass das Unternehmen im Absatz dieser Waren ein Problem hat. Das ist auch kein schönes Signal.“ Besonders Mittelständler fürchteten die Abschreibung: Bei ihnen sei die Kapitaldecke häufig viel dünner als bei Großkonzernen – und durch die Abschreibung gehe noch mehr Eigenkapital verloren.

Handelsgutschriften als Gegenleistung

Eine Möglichkeit, das zu umgehen, verspricht Corporate Trading (CT). Der CT-Händler kauft auf, was für den Hersteller unverkäuflich geworden ist – von Schokonikoläusen über WM-Vuvuzelas bis hin zu Parfums. Und zwar zum vollen Buchpreis, sodass der Hersteller die Ware in der Bilanz als verkauft verbuchen kann. Allerdings fließt dabei kein Geld. Stattdessen bekommt der Produzent als Gegenleistung Handelsgutschriften. Die kann er bei Partnern des CT-Händlers einlösen: für Druckerzeugnisse oder Anzeigenplätze, Hotelkontingente für Dienstreisen oder Übersetzungen.

Das Besondere: Der Rechnungsbetrag, den etwa das Hotel für die Dienstreise ausstellt, bleibt derselbe. Allerdings braucht der Unternehmer nur einen Teil davon zu überweisen: Bis zu 25 Prozent kann er einfach mit der Handelsgutschrift begleichen, ohne dafür in der Bilanz einen Rabatt einzutragen. Bilanztechnisch bleibt die Summe also dieselbe, ein Teil kommt allerdings vom Vermögenskonto der Handelsgutschriften und entlastet so die Geldkonten.

Restposten lieber verbrennen

Das Corporate Trading stammt aus den USA und hat sich dort als echte Absatzalternative etabliert. Marktführer Active International machte 2009 weltweit 1,5 Mrd. Dollar Umsatz. Die Düsseldorfer Tochter des US-Riesen kooperiert mit rund 1500 sogenannten Fulfillment-Dienstleistern, unter denen der Gutscheininhaber frei wählen kann. Der CT-Händler verkauft die Reste meist auf solchen Märkten weiter, die nicht beworben werden.

Wirtschaftsprüfer Sven Ilg von Deloitte weiß, warum: „Besonders Hersteller von Luxuswaren , als sie offiziell zu einem niedrigeren Preis auf dem selben Markt anzubieten.“ So wandert die Ware weiter an Internethändler oder Großhändler, oft umgelabelt oder im Paket mit anderen Waren. Der Löwenanteil gehe jedoch ins Ausland, sagt Christian Kirschbaum, Senior Vertriebschef bei Active International. Was hier out sei, müsse es im Ausland noch lange nicht sein.

Noch ist Corporate Trading in Deutschland relativ unbekannt. Dabei sind nach Kirschbaum gerade die vielen Mittelständler hier potenzielle Kunden. „Wir wollen 2011 im deutschen Markt so richtig durchstarten.“ Aber kein Unternehmer redet gerne darüber, dass er seine Ware nicht losgeworden ist. „Meistens gehen wir daher auf Unternehmen zu, bei denen wir drohende Abschreibungen vermuten“, sagt Kirschbaum. Wichtig ist hierbei, dass die Firmen etwas mit den Handelsgutschriften anfangen können: Ein Automobilzulieferer, der nie Werbung schalten muss, liegt deshalb nicht im Fadenkreuz der CT-Scouts.

„Eine Handelsgutschrift ist nur dann als bilanzieller Vermögensgegenstand werthaltig, wenn der Empfänger künftig auch daraus einen Nutzen ziehen kann, sprich: sie voraussichtlich auch einlösen wird“, sagt Wirtschaftsprüfer Ilg. Rechtlich unproblematisch sei das Ganze so lange, wie die Restanten noch mindestens ihre Anschaffungskosten wert seien. „Wenn der Marktwert der Vorräte am Bilanzstichtag unter den Anschaffungskosten liegt, muss dies bilanziell durch entsprechende Wertberichtigungen berücksichtigt werden.“ Ziehe der Unternehmer diese bilanziellen Konsequenzen nicht, müsse er um das Prüfertestat fürchten.

Auch Christian Slota, Rechtsanwalt und Steuerberater bei der Kanzlei LKO Wahlen & Partner in Köln, warnt: „Produzenten müssen sich fragen, ob sie an einer Art Payback-System teilnehmen wollen, mit vorgegebenen Dienstleistungsanbietern und ohne Cash auf dem Konto.“ Weil man bei jedem Deal mit einem Partnerunternehmen immer nur maximal 25 Prozent als Rabatt geltend machen könne, bestünde zudem die Gefahr, dass die Unternehmen gar nicht alle Gutschriften einlösen könnten, die sie mit jedem Corporate-Trading-Tauschhandel anhäuften.

Einen Trumpf aber haben die CT-Trader laut Kirschbaum in jedem Fall in der Tasche: „Wir räumen die Lager unserer Kunden und kümmern uns um den Absatz der überschüssigen Produktion, ohne dass dem Produzenten irgendwelche Kosten für die weitere Vermarktung entstehen.“

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Auch wenn Weihnachten die Kassen noch so süß geklingelt haben: Jedes Jahr im Januar bleiben die meisten Süßwarenhersteller auf haufenweise Schokonikoläusen sitzen. Manchmal lief ein anderes Modell einfach besser, ein andermal sind zu viele produziert worden. Aber nicht nur Lebensmittel haben ein Verfallsdatum. Auch Kleidung, Handtaschen oder Schuhe sind wechselnden Trends unterworfen. Firmenchefs können immer schwieriger kalkulieren, wie lange ein Produkt zu den Hot Sells gehören wird. Altware kann nur noch abgeschrieben werden. "Abschreibungen belasten den Vermögensbestand im gleichen Maße wie das Eigenkapital, damit auch den Gewinn", sagt Joachim Hennrichs, Professor für Bilanzrecht an der Universität Köln. "Umfangreiche Abschreibungen auf Warenbestände machen zudem deutlich, dass das Unternehmen im Absatz dieser Waren ein Problem hat. Das ist auch kein schönes Signal." Besonders Mittelständler fürchteten die Abschreibung: Bei ihnen sei die Kapitaldecke häufig viel dünner als bei Großkonzernen - und durch die Abschreibung gehe noch mehr Eigenkapital verloren.Handelsgutschriften als GegenleistungEine Möglichkeit, das zu umgehen, verspricht Corporate Trading (CT). Der CT-Händler kauft auf, was für den Hersteller unverkäuflich geworden ist - von Schokonikoläusen über WM-Vuvuzelas bis hin zu Parfums. Und zwar zum vollen Buchpreis, sodass der Hersteller die Ware in der Bilanz als verkauft verbuchen kann. Allerdings fließt dabei kein Geld. Stattdessen bekommt der Produzent als Gegenleistung Handelsgutschriften. Die kann er bei Partnern des CT-Händlers einlösen: für Druckerzeugnisse oder Anzeigenplätze, Hotelkontingente für Dienstreisen oder Übersetzungen.Das Besondere: Der Rechnungsbetrag, den etwa das Hotel für die Dienstreise ausstellt, bleibt derselbe. Allerdings braucht der Unternehmer nur einen Teil davon zu überweisen: Bis zu 25 Prozent kann er einfach mit der Handelsgutschrift begleichen, ohne dafür in der Bilanz einen Rabatt einzutragen. Bilanztechnisch bleibt die Summe also dieselbe, ein Teil kommt allerdings vom Vermögenskonto der Handelsgutschriften und entlastet so die Geldkonten. Restposten lieber verbrennenDas Corporate Trading stammt aus den USA und hat sich dort als echte Absatzalternative etabliert. Marktführer Active International machte 2009 weltweit 1,5 Mrd. Dollar Umsatz. Die Düsseldorfer Tochter des US-Riesen kooperiert mit rund 1500 sogenannten Fulfillment-Dienstleistern, unter denen der Gutscheininhaber frei wählen kann. Der CT-Händler verkauft die Reste meist auf solchen Märkten weiter, die nicht beworben werden. Wirtschaftsprüfer Sven Ilg von Deloitte weiß, warum: "Besonders Hersteller von Luxuswaren , als sie offiziell zu einem niedrigeren Preis auf dem selben Markt anzubieten." So wandert die Ware weiter an Internethändler oder Großhändler, oft umgelabelt oder im Paket mit anderen Waren. Der Löwenanteil gehe jedoch ins Ausland, sagt Christian Kirschbaum, Senior Vertriebschef bei Active International. Was hier out sei, müsse es im Ausland noch lange nicht sein. Noch ist Corporate Trading in Deutschland relativ unbekannt. Dabei sind nach Kirschbaum gerade die vielen Mittelständler hier potenzielle Kunden. "Wir wollen 2011 im deutschen Markt so richtig durchstarten." Aber kein Unternehmer redet gerne darüber, dass er seine Ware nicht losgeworden ist. "Meistens gehen wir daher auf Unternehmen zu, bei denen wir drohende Abschreibungen vermuten", sagt Kirschbaum. Wichtig ist hierbei, dass die Firmen etwas mit den Handelsgutschriften anfangen können: Ein Automobilzulieferer, der nie Werbung schalten muss, liegt deshalb nicht im Fadenkreuz der CT-Scouts. "Eine Handelsgutschrift ist nur dann als bilanzieller Vermögensgegenstand werthaltig, wenn der Empfänger künftig auch daraus einen Nutzen ziehen kann, sprich: sie voraussichtlich auch einlösen wird", sagt Wirtschaftsprüfer Ilg. Rechtlich unproblematisch sei das Ganze so lange, wie die Restanten noch mindestens ihre Anschaffungskosten wert seien. "Wenn der Marktwert der Vorräte am Bilanzstichtag unter den Anschaffungskosten liegt, muss dies bilanziell durch entsprechende Wertberichtigungen berücksichtigt werden." Ziehe der Unternehmer diese bilanziellen Konsequenzen nicht, müsse er um das Prüfertestat fürchten.Auch Christian Slota, Rechtsanwalt und Steuerberater bei der Kanzlei LKO Wahlen & Partner in Köln, warnt: "Produzenten müssen sich fragen, ob sie an einer Art Payback-System teilnehmen wollen, mit vorgegebenen Dienstleistungsanbietern und ohne Cash auf dem Konto." Weil man bei jedem Deal mit einem Partnerunternehmen immer nur maximal 25 Prozent als Rabatt geltend machen könne, bestünde zudem die Gefahr, dass die Unternehmen gar nicht alle Gutschriften einlösen könnten, die sie mit jedem Corporate-Trading-Tauschhandel anhäuften. Einen Trumpf aber haben die CT-Trader laut Kirschbaum in jedem Fall in der Tasche: "Wir räumen die Lager unserer Kunden und kümmern uns um den Absatz der überschüssigen Produktion, ohne dass dem Produzenten irgendwelche Kosten für die weitere Vermarktung entstehen."
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