Heitkamp & Hülscher
Wie eine Straßenbaufirma Mitarbeiter erfolgreich am Gewinn beteilgt

Firmen, die ihre Mitarbeiter am Gewinn beteiligen, sind Studien zufolge produktiver und haben ein besseres Image. Das Straßenbauunternehmen Heitkamp & Hülscher hat den Schritt gewagt. Ein Erfolgsbeispiel.

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Baggerbesitzer Straßenbaumeister Paul Vogeshaus (vorne) und sein Kollege Roland Kassner sind Miteigner der Arbeitsgeräte von Heitkamp & Hülscher.
Baggerbesitzer Straßenbaumeister Paul Vogeshaus (vorne) und sein Kollege Roland Kassner sind Miteigner der Arbeitsgeräte von Heitkamp & Hülscher.
© Thorsten Arendt

Es riecht nach frischem Asphalt, der neue Straßenbelag klebt noch leicht unter den Schuhen. Gleich machen Paul Vogeshaus und seine Kollegen Feierabend auf der Baustelle. Bevor sie ins Auto steigen und nach Hause fahren, säubern sie schnell noch das staubige Firmenlogo des Radladers, kontrollieren den Ölstand und fetten die Gelenke. Früher, sagt Vogeshaus, Meister beim Straßenbauunternehmen Heitkamp & Hülscher (H&H), hätte sich kaum einer freiwillig zum Dienstschluss um den Zustand der Maschinen gekümmert, da lief es so: „Rausspringen aus der Maschine, Tür zu, Feierabend.“

Die fünf Minuten vor Ende des Arbeitstags stehen beispielhaft für den Wandel in dem mittelständischen Straßenbauunternehmen aus Stadtlohn im Münsterland. Seit 2006 sind Vogeshaus und 53 seiner Kollegen nicht nur Mitarbeiter von Heitkamp & Hülscher, sondern auch Mitgesellschafter: Zusammen gehört ihnen die Hälfte des Maschinenparks.

Wie das Erfolgsmodell von Heitkamp & Hülscher funktioniert

Erst wenige Tausend Unternehmer in Deutschland betei­ligen ihre Mitarbeiter am Firmenerfolg, doch das Interesse steigt. Doch immer mehr Firmenchefs erkennen, dass ihnen die finanzielle Einbindung der Belegschaft hilft, das Eigenkapital zu stärken, Talente zu gewinnen und – vor allem – die Motivation im Unternehmen zu erhöhen. Den Aufwand, ein passendes System einzuführen und zu pflegen, nehmen sie gern in Kauf, um langfristig von den Vorteilen zu profitieren.

Erwin Hülscher, Geschäftsführer von Heitkamp & Hülscher, wollte seine Arbeiter und Angestellten stärker an die Firma binden – und gründete 2006 ein Mitarbeiterunternehmen, dem alle Maschinen gehören: Die Tochter H&H Team verleiht den Gerätepark über langfristige Verträge an die Muttergesellschaft. Alle Mitarbeiter, die seit wenigstens drei Jahren dabei sind, können Kommanditisten der neuen Gesellschaft werden, die als GmbH & Co. KG firmiert. Den Mitarbeitern gehört zusammen die Hälfte der Firma, die Geschäftsführung liegt weiterhin in Hülschers Hand.

Arbeitsgeräte gehen seltener kaputt

Seit Einführung des Modells hat sich im Unternehmen – Jahresumsatz: rund 16 Millionen Euro – viel verändert. „Die Reparaturkosten sind immens gesunken“, sagt der Firmenchef. Allein im vergangenen Geschäftsjahr gingen sie um rund 90.000 Euro zurück. „Die Geräte sind seltener defekt und können länger laufen, weil sich unsere Mitarbeiter dafür verantwortlich fühlen“, erzählt Hülscher.

Andere Dinge haben sich ebenfalls verbessert: „Unsere Mitarbeiter machen viel mehr Optimierungsvorschläge“, berichtet der Unternehmer. Zum Beispiel, wie sich der Dieselverbrauch der Maschinen senken ließe, wie man die Diebstahlgefahr verringern könnte, oder welche zusätzlichen Geräte sinnvoll wären. Auch die Nachwuchssuche fällt dem Straßenbauunternehmen leichter: „Wir haben inzwischen so ein gutes Standing in der Branche, dass wir keine Probleme haben, Lehrlinge zu finden“, erzählt Hülscher.

Die Schweizer Universität St. Gallen zeichnete die Firma – vor allem wegen ihrer Mitarbeiterbeteiligung – 2013 mit dem „Top Job“-Award aus. 2004 wurden die Münsterländer für den Großen Preis des Mittelstandes der Oskar-Patzelt-Stiftung nominiert – und am 28. Januar 2016 erhielten sie den zweiten Preis beim New Work Award des Karrierenetzwerks Xing in Kooperation mit dem Human Resources Manager.

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Mehr Umsatz, höherer Gewinn

Wer seine Belegschaft zu Mit-unternehmern gemacht hat, der bereut den Schritt selten. In einer Studie des Bundesverbands Mitarbeiterbeteiligung und der Beratungsfirma A. T. Kearney zogen die 250 befragten Unternehmen mit entsprechenden Modellen eine durchweg positive Bilanz. Motivation und Identifikation der Mitarbeiter mit dem Unternehmen hätten sich nach der Einführung deutlich verbessert – der Umsatz sei überdurchschnittlich stark gestiegen.

„Firmen mit Mitarbeiterbeteiligung sind produktiver als solche ohne“, sagt Rolf Leuner von der Kanzlei Rödl & Partner, der zahlreiche Unternehmen zu diesem Thema beraten hat. Der Effekt sei umso größer, je stärker der Einzelne durch seine Arbeit die Geschäftsentwicklung und den Gewinn beeinflussen könne – zum Beispiel, indem er einen Bagger pfleglich behandelt. „Die Mitarbeiter sollten das Gefühl haben, dass sie die wesentlichen Faktoren selbst in der Hand haben“, empfiehlt Leuner.

Mitarbeiter werden zu Unternehmern

Um dieses Bewusstsein zu schärfen, legt Erwin Hülscher die relevanten Zahlen monatlich offen: In einem Bericht werden sämtliche Zwischenergebnisse der Baustellen dokumentiert, das Jahresergebnis und die Planzahlen präsentiert der Geschäftsführer auf der jährlichen Gesellschafterversammlung: „Meine Mitarbeiter haben heute ein scharfes Bewusstsein und Verständnis für die betriebswirtschaftlichen Zusammenhänge“, so Hülscher.

„Wenn man die Kosten verringern kann, ist es am Ende unser aller Gewinn“, sagt Straßenbaumeister Vogeshaus. Das gilt nicht nur im Umgang mit teuren Radladern. Auch mit kleinen Werkzeugen werde jetzt viel sorgsamer um­gegangen. Und wenn ein Gerät für eine Weile nicht gebraucht werde, würden es die Kollegen heute sofort ausschalten. „Früher“, erzählt Vogeshaus, „lief die Maschine halt weiter.“

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75 Prozent Rendite auf die Einlage

Um sich an der Tochterfirma zu beteiligen, müssen die Mitarbeiter von Heitkamp & Hülscher 2500 Euro in die Firma investieren. Wer so viel Geld nicht übrig hat, erhält von seinem Arbeitgeber ein zinsloses Darlehen. Die jährliche Rendite ist üppig: auf die Anlagesumme gerechnet bis zu 75 Prozent. Den Betrag können die Beschäftigten auf maximal 5000 Euro aufstocken.

Ende März stellte Hülscher den jüngsten Jahresabschluss vor. 226 000 Euro Gewinn verbuchte die Tochterfirma H&H Team im vergangenen Jahr nach Steuern – bei einem Umsatz von 1,1 Millionen Euro. „Das beste Jahr der Firmengeschichte“, sagt Hülscher. Eine Hälfte des Gewinnanteils wird direkt an die Gesellschafter ausgeschüttet, die andere wird als Altersvorsorge auf ein Kapitalkonto ein­gezahlt und jährlich verzinst. „Damit können wir die Mitarbeiter langfristig an uns binden“, sagt Hülscher.

Mit dem geparkten Geld kann das Unternehmen arbeiten. Die Eigenkapitalquote von H&H Team liegt bei rund 50 Prozent, schon bald dürfte das Unternehmen zur Finanzierung neuer Maschinen nicht mehr auf Banken angewiesen sein. „In wenigen Jahren können wir alle Investitionen ohne Fremdkapital stemmen“, sagt der Firmenchef. Davon profi­tiert sogar die Muttergesellschaft. Bonität und Rating haben sich deutlich verbessert. „Wir bekommen heute bei jeder Bank Bestkondi­tionen“, sagt Hülscher.

Mitarbeiter zunächst skeptisch

Die Veränderungen seit Einführung der Mitarbeiterbeteiligung spürt auch Frank Schlamann deutlich. Der 43-Jährige leitet seit 1995 die Werkstatt von Heitkamp & Hülscher, mittlerweile ist er zudem Prokurist der Tochterfirma H&H Team, wo er den Einkauf von Maschinen verantwortet. Wenn die Muttergesellschaft Bedarf für ein neues Gerät hat, holt er Angebote für verschiedene Modelle ein und führt Preisverhandlungen mit den Herstellern. Bevor er den Zuschlag erteilt, berät er sich mit der Geschäftsleitung – und den Kollegen von der Baustelle. „Nichts ist schlimmer, als wenn ein Maschinist auf einem Gerät sitzen muss, das er ablehnt“, sagt H&H-Chef Hülscher.

Nicht alle Kollegen waren sofort überzeugt. Manche hätten Angst davor gehabt, ihren Einsatz zu verlieren, erzählt Straßenbaumeister Vogeshaus. Kommanditisten haften mit ihrer Einlage für Verbindlichkeiten der Firma, eine Nachschusspflicht besteht allerdings nicht. „Der Chef hat sich für Kollegen wirklich Zeit genommen und ihnen das Konzept erklärt.“

Skeptikern erläuterte Hülscher, dass selbst im Fall einer Insolvenz der Muttergesellschaft die Tochter H & H Team die Maschinen an Dritte vermieten oder verkaufen könne. Einem Anlagevermögen von schätzungsweise 3 Mil­lionen Euro stehen heute Verbindlichkeiten von gerade einmal 1 Million Euro gegenüber.

Wenn der Mitarbeiter die Firma verlässt

Manche wollten wissen, was passiert, wenn sie Heitkamp & Hülscher verlassen. In diesem Fall scheidet der Mitarbeiter automatisch auch bei H&H Team aus. Er nimmt jedoch nicht nur sein Kommanditkapital und das Guthaben auf seinem Kapitalkonto mit. Wenn er wenigstens fünf Jahre Gesellschafter war, profitiert er zusätzlich von den angesammelten stillen Reserven im Unternehmen. „Dazu gibt es im Vertrag eine Abfindungsklausel“, sagt Hülscher.

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Und wer Bedenken hat, dass er die Gewinne beim Finanzamt womöglich nicht korrekt angibt, dem erstattet die Gesellschaft die Kosten für die Steuererklärung.

Nachteil der Gewinnbeteiligung der Mitarbeiter

Die Überzeugungsarbeit des Unternehmers hatte Erfolg: Bereits im ersten Jahr machten 32 von 36 der berechtigten Mitarbeiter mit, die restlichen vier zogen im folgenden Jahr nach. Heute hat H&H Team 54 Gesellschafter – das sind alle, die dazu berechtigt sind. Üblich sind Quoten von ungefähr 50 Prozent.

Der Nachteil des Modells: Die Mitarbeiter als Gesellschafter einzubinden, bringt – zumindest in der Anfangsphase – einen hohen Organisationsaufwand und entsprechende Kosten mit sich. Firma und Gesellschafter müssen ins Handelsregister eingetragen werden, das neue Unternehmen braucht eine eigene Buchführung. Damit die Mitarbeiter Kommanditisten werden können, muss ein Gesellschaftsvertrag aufgesetzt werden. Hülscher musste fast 7500 Euro für Gründung und Beratung zahlen. „Wenn wir heute neue Gesellschafter aufnehmen, ist der Aufwand jedoch gering“, sagt er.

Der Unternehmer behält die Macht

„Ein Modell wie das von Heitkamp & Hülscher eignet sich für etwas größere Unternehmen“, erklärt Beteiligungsexperte Leuner. Für kleinere Firmen komme eher das Konzept einer stillen Beteiligung infrage.

Die Furcht mancher Firmenchefs vor zu viel Einflussnahme ihrer Angestellten hält Heinrich Beyer für unbegründet. „Die Unternehmer bleiben Herr im Haus“, sagt der Geschäftsführer des Bundesverbands Mitarbeiterbeteiligung. Die meisten mittelständischen Programme würden ohnehin keine unternehmerischen Entscheidungsrechte vorsehen.

In jedem Fall sei es nützlich, mit seinen Mitarbeitern offen umzugehen, sagt Erwin Hül­scher: „Man braucht eine vernünftige Unternehmenskultur und einen Vertrauens­vorschuss auf beiden Seiten.“ Das zahle sich rasch aus. „Unsere Mitarbeiter begreifen sich nicht nur als Mitgesellschafter, sondern als Teil ei­nes einmaligen Unternehmens“, beobachtet der H&H-Geschäftsführer. „Und sie machen Mundpropaganda für uns. Das lässt sich mit anderen Mitteln nicht so leicht erreichen.“

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Wie das Erfolgsmodell von Heitkamp & Hülscher funktioniert Erst wenige Tausend Unternehmer in Deutschland betei­ligen ihre Mitarbeiter am Firmenerfolg, doch das Interesse steigt. Doch immer mehr Firmenchefs erkennen, dass ihnen die finanzielle Einbindung der Belegschaft hilft, das Eigenkapital zu stärken, Talente zu gewinnen und – vor allem – die Motivation im Unternehmen zu erhöhen. Den Aufwand, ein passendes System einzuführen und zu pflegen, nehmen sie gern in Kauf, um langfristig von den Vorteilen zu profitieren. Erwin Hülscher, Geschäftsführer von Heitkamp & Hülscher, wollte seine Arbeiter und Angestellten stärker an die Firma binden – und gründete 2006 ein Mitarbeiterunternehmen, dem alle Maschinen gehören: Die Tochter H&H Team verleiht den Gerätepark über langfristige Verträge an die Muttergesellschaft. Alle Mitarbeiter, die seit wenigstens drei Jahren dabei sind, können Kommanditisten der neuen Gesellschaft werden, die als GmbH & Co. KG firmiert. Den Mitarbeitern gehört zusammen die Hälfte der Firma, die Geschäftsführung liegt weiterhin in Hülschers Hand. Arbeitsgeräte gehen seltener kaputt Seit Einführung des Modells hat sich im Unternehmen – Jahresumsatz: rund 16 Millionen Euro – viel verändert. „Die Reparaturkosten sind immens gesunken“, sagt der Firmenchef. Allein im vergangenen Geschäftsjahr gingen sie um rund 90.000 Euro zurück. „Die Geräte sind seltener defekt und können länger laufen, weil sich unsere Mitarbeiter dafür verantwortlich fühlen“, erzählt Hülscher. Andere Dinge haben sich ebenfalls verbessert: „Unsere Mitarbeiter machen viel mehr Optimierungsvorschläge“, berichtet der Unternehmer. Zum Beispiel, wie sich der Dieselverbrauch der Maschinen senken ließe, wie man die Diebstahlgefahr verringern könnte, oder welche zusätzlichen Geräte sinnvoll wären. Auch die Nachwuchssuche fällt dem Straßenbauunternehmen leichter: „Wir haben inzwischen so ein gutes Standing in der Branche, dass wir keine Probleme haben, Lehrlinge zu finden“, erzählt Hülscher. Die Schweizer Universität St. Gallen zeichnete die Firma – vor allem wegen ihrer Mitarbeiterbeteiligung – 2013 mit dem „Top Job“-Award aus. 2004 wurden die Münsterländer für den Großen Preis des Mittelstandes der Oskar-Patzelt-Stiftung nominiert - und am 28. Januar 2016 erhielten sie den zweiten Preis beim New Work Award des Karrierenetzwerks Xing in Kooperation mit dem Human Resources Manager. Mehr Umsatz, höherer Gewinn Wer seine Belegschaft zu Mit-unternehmern gemacht hat, der bereut den Schritt selten. In einer Studie des Bundesverbands Mitarbeiterbeteiligung und der Beratungsfirma A. T. Kearney zogen die 250 befragten Unternehmen mit entsprechenden Modellen eine durchweg positive Bilanz. Motivation und Identifikation der Mitarbeiter mit dem Unternehmen hätten sich nach der Einführung deutlich verbessert – der Umsatz sei überdurchschnittlich stark gestiegen. „Firmen mit Mitarbeiterbeteiligung sind produktiver als solche ohne“, sagt Rolf Leuner von der Kanzlei Rödl & Partner, der zahlreiche Unternehmen zu diesem Thema beraten hat. Der Effekt sei umso größer, je stärker der Einzelne durch seine Arbeit die Geschäftsentwicklung und den Gewinn beeinflussen könne – zum Beispiel, indem er einen Bagger pfleglich behandelt. „Die Mitarbeiter sollten das Gefühl haben, dass sie die wesentlichen Faktoren selbst in der Hand haben“, empfiehlt Leuner. Mitarbeiter werden zu Unternehmern Um dieses Bewusstsein zu schärfen, legt Erwin Hülscher die relevanten Zahlen monatlich offen: In einem Bericht werden sämtliche Zwischenergebnisse der Baustellen dokumentiert, das Jahresergebnis und die Planzahlen präsentiert der Geschäftsführer auf der jährlichen Gesellschafterversammlung: „Meine Mitarbeiter haben heute ein scharfes Bewusstsein und Verständnis für die betriebswirtschaftlichen Zusammenhänge“, so Hülscher. „Wenn man die Kosten verringern kann, ist es am Ende unser aller Gewinn“, sagt Straßenbaumeister Vogeshaus. Das gilt nicht nur im Umgang mit teuren Radladern. Auch mit kleinen Werkzeugen werde jetzt viel sorgsamer um­gegangen. Und wenn ein Gerät für eine Weile nicht gebraucht werde, würden es die Kollegen heute sofort ausschalten. „Früher“, erzählt Vogeshaus, „lief die Maschine halt weiter.“ 75 Prozent Rendite auf die Einlage Um sich an der Tochterfirma zu beteiligen, müssen die Mitarbeiter von Heitkamp & Hülscher 2500 Euro in die Firma investieren. Wer so viel Geld nicht übrig hat, erhält von seinem Arbeitgeber ein zinsloses Darlehen. Die jährliche Rendite ist üppig: auf die Anlagesumme gerechnet bis zu 75 Prozent. Den Betrag können die Beschäftigten auf maximal 5000 Euro aufstocken. Ende März stellte Hülscher den jüngsten Jahresabschluss vor. 226 000 Euro Gewinn verbuchte die Tochterfirma H&H Team im vergangenen Jahr nach Steuern – bei einem Umsatz von 1,1 Millionen Euro. „Das beste Jahr der Firmengeschichte“, sagt Hülscher. Eine Hälfte des Gewinnanteils wird direkt an die Gesellschafter ausgeschüttet, die andere wird als Altersvorsorge auf ein Kapitalkonto ein­gezahlt und jährlich verzinst. „Damit können wir die Mitarbeiter langfristig an uns binden“, sagt Hülscher. Mit dem geparkten Geld kann das Unternehmen arbeiten. Die Eigenkapitalquote von H&H Team liegt bei rund 50 Prozent, schon bald dürfte das Unternehmen zur Finanzierung neuer Maschinen nicht mehr auf Banken angewiesen sein. „In wenigen Jahren können wir alle Investitionen ohne Fremdkapital stemmen“, sagt der Firmenchef. Davon profi­tiert sogar die Muttergesellschaft. Bonität und Rating haben sich deutlich verbessert. „Wir bekommen heute bei jeder Bank Bestkondi­tionen“, sagt Hülscher. Mitarbeiter zunächst skeptisch Die Veränderungen seit Einführung der Mitarbeiterbeteiligung spürt auch Frank Schlamann deutlich. Der 43-Jährige leitet seit 1995 die Werkstatt von Heitkamp & Hülscher, mittlerweile ist er zudem Prokurist der Tochterfirma H&H Team, wo er den Einkauf von Maschinen verantwortet. Wenn die Muttergesellschaft Bedarf für ein neues Gerät hat, holt er Angebote für verschiedene Modelle ein und führt Preisverhandlungen mit den Herstellern. Bevor er den Zuschlag erteilt, berät er sich mit der Geschäftsleitung – und den Kollegen von der Baustelle. „Nichts ist schlimmer, als wenn ein Maschinist auf einem Gerät sitzen muss, das er ablehnt“, sagt H&H-Chef Hülscher. Nicht alle Kollegen waren sofort überzeugt. Manche hätten Angst davor gehabt, ihren Einsatz zu verlieren, erzählt Straßenbaumeister Vogeshaus. Kommanditisten haften mit ihrer Einlage für Verbindlichkeiten der Firma, eine Nachschusspflicht besteht allerdings nicht. „Der Chef hat sich für Kollegen wirklich Zeit genommen und ihnen das Konzept erklärt.“ Skeptikern erläuterte Hülscher, dass selbst im Fall einer Insolvenz der Muttergesellschaft die Tochter H & H Team die Maschinen an Dritte vermieten oder verkaufen könne. Einem Anlagevermögen von schätzungsweise 3 Mil­lionen Euro stehen heute Verbindlichkeiten von gerade einmal 1 Million Euro gegenüber. Wenn der Mitarbeiter die Firma verlässt Manche wollten wissen, was passiert, wenn sie Heitkamp & Hülscher verlassen. In diesem Fall scheidet der Mitarbeiter automatisch auch bei H&H Team aus. Er nimmt jedoch nicht nur sein Kommanditkapital und das Guthaben auf seinem Kapitalkonto mit. Wenn er wenigstens fünf Jahre Gesellschafter war, profitiert er zusätzlich von den angesammelten stillen Reserven im Unternehmen. „Dazu gibt es im Vertrag eine Abfindungsklausel“, sagt Hülscher. Und wer Bedenken hat, dass er die Gewinne beim Finanzamt womöglich nicht korrekt angibt, dem erstattet die Gesellschaft die Kosten für die Steuererklärung. Nachteil der Gewinnbeteiligung der Mitarbeiter Die Überzeugungsarbeit des Unternehmers hatte Erfolg: Bereits im ersten Jahr machten 32 von 36 der berechtigten Mitarbeiter mit, die restlichen vier zogen im folgenden Jahr nach. Heute hat H&H Team 54 Gesellschafter – das sind alle, die dazu berechtigt sind. Üblich sind Quoten von ungefähr 50 Prozent. Der Nachteil des Modells: Die Mitarbeiter als Gesellschafter einzubinden, bringt – zumindest in der Anfangsphase – einen hohen Organisationsaufwand und entsprechende Kosten mit sich. Firma und Gesellschafter müssen ins Handelsregister eingetragen werden, das neue Unternehmen braucht eine eigene Buchführung. Damit die Mitarbeiter Kommanditisten werden können, muss ein Gesellschaftsvertrag aufgesetzt werden. Hülscher musste fast 7500 Euro für Gründung und Beratung zahlen. „Wenn wir heute neue Gesellschafter aufnehmen, ist der Aufwand jedoch gering“, sagt er. Der Unternehmer behält die Macht „Ein Modell wie das von Heitkamp & Hülscher eignet sich für etwas größere Unternehmen“, erklärt Beteiligungsexperte Leuner. Für kleinere Firmen komme eher das Konzept einer stillen Beteiligung infrage. Die Furcht mancher Firmenchefs vor zu viel Einflussnahme ihrer Angestellten hält Heinrich Beyer für unbegründet. „Die Unternehmer bleiben Herr im Haus“, sagt der Geschäftsführer des Bundesverbands Mitarbeiterbeteiligung. Die meisten mittelständischen Programme würden ohnehin keine unternehmerischen Entscheidungsrechte vorsehen. In jedem Fall sei es nützlich, mit seinen Mitarbeitern offen umzugehen, sagt Erwin Hül­scher: „Man braucht eine vernünftige Unternehmenskultur und einen Vertrauens­vorschuss auf beiden Seiten.“ Das zahle sich rasch aus. „Unsere Mitarbeiter begreifen sich nicht nur als Mitgesellschafter, sondern als Teil ei­nes einmaligen Unternehmens“, beobachtet der H&H-Geschäftsführer. „Und sie machen Mundpropaganda für uns. Das lässt sich mit anderen Mitteln nicht so leicht erreichen.“
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