Neue Beitragsregelung
Was sich für Selbstständige in gesetzlichen Krankenkassen ändert

Seit Anfang Januar gilt eine neue Beitragsregelung für Selbstständige in gesetzlichen Krankenversicherungen. Wie ihr Beitrag nun berechnet wird und welche Mindest- und Höchstbeiträge gelten.

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Bares auf die Hand: Haben freiwillig versicherte Selbstständige weniger verdient als im Vorjahr, erstattet die Krankenkasse künftig einen Teil der Beiträge. Doch durch die neue Beitragsregelung können auch Nachzahlungen anfallen.
Bares auf die Hand: Haben freiwillig versicherte Selbstständige weniger verdient als im Vorjahr, erstattet die Krankenkasse künftig einen Teil der Beiträge. Doch durch die neue Beitragsregelung können auch Nachzahlungen anfallen.

Die Zahl mag überraschen: Etwas mehr als die Hälfte der 4,3 Millionen Selbstständigen in Deutschland sind nicht etwa privat krankenversichert, sondern sind als freiwillig Versicherte Mitglied einer gesetzlichen Krankenversicherung, so das Statistische Bundesamt. Wie viel Selbstständige für ihre gesetzliche Krankenversicherung zahlen, richtet sich nach ihrem Einkommen. Seit dem 1. Januar 2018 wird ihr Krankenkassenbeitrag anders berechnet: Anders als zuvor soll die neue Regelung Einkommensschwankungen berücksichtigen.

Welche Regelung galt bisher?

Bislang ermittelten die gesetzlichen Krankenversicherungen den Beitrag für freiwillig Versicherte anhand ihres Einkommenssteuerbescheids. Der konnte schon mal ein bis zwei Jahre alt sein. Dadurch konnte es passieren, dass ein Unternehmer 2017 wenig verdiente, aber trotzdem hohe Beiträge zahlte – einfach nur deswegen, weil er 2015 besser verdient hatte.

Erst mit dem neuen Bescheid wurde der Beitrag angepasst. Wer in der Zwischenzeit mehr verdient hat, hatte Glück: Er musste nicht nachzahlen. Ärgerlich war es für diejenigen, die weniger verdient hatten, als ihr letzter Steuerbescheid auswies: Die Krankenkasse erstattete ihnen keine Beiträge. Das hat sich mit dem neuen Gesetz geändert.

Was ist neu?

Seit dem 1. Januar 2018 gilt eine Neuregelung durch das Heil- und Hilfsmittelversorgungsgesetz (HHVG). Nach diesem Gesetz dürfen Krankenkassen den Beitrag ihrer freiwillig Versicherten Mitglieder nur noch vorläufig anhand des aktuellen Steuerbescheids festlegen. Sobald der Selbstständige den Einkommenssteuerbescheid für das jeweilige Jahr bei seiner Krankenkasse einreicht, berechnet diese den endgültigen Beitrag. „Mit einer Verzögerung von ein bis zwei Jahren erfährt man, was man wirklich bezahlen muss“, sagt Andreas Lutz, Vorstandsvorsitzender des Verbands der Gründer und Selbstständigen Deutschlands. Für viele Versicherte heißt das: nachzahlen oder Erstattungen kassieren.

Beispiel: Ein selbstständiger Grafik-Designer verdient 2018 durchschnittlich 3200 Euro im Monat – so steht es in seinem Einkommenssteuerbescheid. Nach diesem Einkommen berechnet die Krankenkasse seinen Beitrag für 2019. Im Jahr darauf erhält er größere Aufträge und nimmt 4000 Euro monatlich ein. Sobald die Krankenkasse seinen Steuerbescheid für 2019 erhält, berechnet sie einen höheren Beitrag, der Grafik-Designer muss nachzahlen. Der neu berechnete Beitrag gilt dann auch vorläufig für das Jahr 2020. Verdient der Architekt dann wieder weniger, erstattet die Kasse Beiträge – aber erst rückwirkend.

Die Regelung gilt übrigens nicht rückwirkend für die Jahre vor 2018. Versicherte haben also keinen Anspruch auf Erstattungen von Beiträgen, die sie vor 2018 gezahlt haben.

Wie wird der Beitrag berechnet?

Der Beitragssatz für freiwillig versicherte Selbstständige liegt wie bei Pflichtversicherten bei 14,6 Prozent ihrer Einnahmen plus Zusatzbeitrag, der je nach Krankenkasse unterschiedlich ausfällt; meist etwa 1 Prozent. Wer auf Krankengeld verzichtet, zahlt 14 Prozent und den Zusatzbeitrag. Beim Einkommen berechnet die Krankenkasse auch Erträge aus Vermietung oder Verpachtung mit ein.

Unser Experte
Dr. Andreas Lutz ist Vorstandsvorsitzender des Verbands der Gründer und Selbstständigen Deutschland e.V.. Er ist Autor zahlreicher Ratgeber zu den Themen Gründungsförderung, Businessplanung und Networking.

Selbstständige müssen allerdings mindestens so viel zahlen, als würden sie 2283,75 Euro verdienen – die sogenannte Mindestbemessungsgrundlage für hauptberuflich Selbstständige (§240 Abs. 4 SGB V). „Wenn jemand ein schlechtes Jahr hat und weniger verdient, muss er trotzdem den Mindestbeitrag zahlen. Man bezahlt auf ein fiktives Einkommen“, sagt Lutz.

Laut GKV-Spitzenverband beträgt der Mindestbeitrag wenigstens 343 Euro monatlich, plus Pflegeversicherung. „Das resultiert typischerweise in einen Mindestbeitrag von 422 Euro“, sagt Lutz. „Für Geringverdiener und Teilzeitselbstständige ist das zu viel.“

Den Höchstbeitrag zahlen Versicherte, die 4425 Euro oder mehr im Monat einnehmen. Diese Grenze ist die sogenannte Regelbemessungsgrundlage. Der Maximalbeitrag liegt entsprechend bei mindestens 664 Euro monatlich plus Pflegeversicherung, je nach Krankenkasse.

Gibt es Ausnahmen?

Für Selbstständige, die einen Gründungszuschuss erhalten, gilt eine Ausnahme: Sie müssen mindestens so viel zahlen, als würden Sie 1520 Euro monatlich verdienen. Das ergibt einen Krankenkassenbeitrag von etwa 228 Euro im Monat. Unternehmer, die deutlich weniger als 2283,75 Euro (die Mindestbemessungsgrundlage) verdienen, können bei ihrer Krankenkasse beantragen, auf die Mindestbemessungsgrundlage von Existenzgründer eingestuft zu werden.

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Was gilt für Familienversicherte?

„Viele nebenberuflich Selbstständige mit einem Einkommen unter 435 Euro sind bei ihrem Ehepartner mit versichert“, sagt Lutz. Sie zahlen keinen eigenen Krankenkassenbeitrag. „Wenn sie aber über die 435 Euro hinauskommen, zahlen sie ungefähr 187 Euro Versicherungsbeitrag – das kann schon eine Überraschung sein. Man muss furchtbar aufpassen mit den Grenzen.“

Welche Fristen gelten?

Freiwillig versicherte Selbstständige müssen ihren Einkommenssteuerbescheid binnen drei Jahren nach dem abgelaufenen Kalenderjahr bei ihrer Krankenkasse einreichen. Versäumt man die Frist, wird es teuer: „Wenn die Krankenkasse keine Informationen bekommt, geht sie vom Höchstbeitrag aus“, sagt Ann Marini vom GKV-Spitzenverband.

Gibt es Kritik an der neuen Regelung?

Lutz kritisiert, die Mindestbemessungsgrenzen seien zu hoch. „Durch hohe Mindestbeiträge werden viele Selbstständige in private Krankenversicherungen gedrängt, die aber langfristig teuer sind.“

Der GKV-Spitzenverband schlägt vor, die Mindestbemessungsgrundlage von 2283 Euro auf das Niveau von Existenzgründern zu senken – also auf ein Einkommen von 1520 Euro monatlich. „Wenn man kein regelmäßiges Einkommen hat, aber kein Existenzgründer ist, ist die aktuelle Regelung nicht adäquat“, sagt Marini. Die Regierung habe diesen Vorschlag des GKV-Spitzenverbands bisher nicht berücksichtigt.

Mehr zum Thema: Zurück in die GKV: So gelingt der Wechsel von PKV in GKV

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Die Zahl mag überraschen: Etwas mehr als die Hälfte der 4,3 Millionen Selbstständigen in Deutschland sind nicht etwa privat krankenversichert, sondern sind als freiwillig Versicherte Mitglied einer gesetzlichen Krankenversicherung, so das Statistische Bundesamt. Wie viel Selbstständige für ihre gesetzliche Krankenversicherung zahlen, richtet sich nach ihrem Einkommen. Seit dem 1. Januar 2018 wird ihr Krankenkassenbeitrag anders berechnet: Anders als zuvor soll die neue Regelung Einkommensschwankungen berücksichtigen. Welche Regelung galt bisher? Bislang ermittelten die gesetzlichen Krankenversicherungen den Beitrag für freiwillig Versicherte anhand ihres Einkommenssteuerbescheids. Der konnte schon mal ein bis zwei Jahre alt sein. Dadurch konnte es passieren, dass ein Unternehmer 2017 wenig verdiente, aber trotzdem hohe Beiträge zahlte - einfach nur deswegen, weil er 2015 besser verdient hatte. Erst mit dem neuen Bescheid wurde der Beitrag angepasst. Wer in der Zwischenzeit mehr verdient hat, hatte Glück: Er musste nicht nachzahlen. Ärgerlich war es für diejenigen, die weniger verdient hatten, als ihr letzter Steuerbescheid auswies: Die Krankenkasse erstattete ihnen keine Beiträge. Das hat sich mit dem neuen Gesetz geändert. Was ist neu? Seit dem 1. Januar 2018 gilt eine Neuregelung durch das Heil- und Hilfsmittelversorgungsgesetz (HHVG). Nach diesem Gesetz dürfen Krankenkassen den Beitrag ihrer freiwillig Versicherten Mitglieder nur noch vorläufig anhand des aktuellen Steuerbescheids festlegen. Sobald der Selbstständige den Einkommenssteuerbescheid für das jeweilige Jahr bei seiner Krankenkasse einreicht, berechnet diese den endgültigen Beitrag. „Mit einer Verzögerung von ein bis zwei Jahren erfährt man, was man wirklich bezahlen muss“, sagt Andreas Lutz, Vorstandsvorsitzender des Verbands der Gründer und Selbstständigen Deutschlands. Für viele Versicherte heißt das: nachzahlen oder Erstattungen kassieren. Beispiel: Ein selbstständiger Grafik-Designer verdient 2018 durchschnittlich 3200 Euro im Monat – so steht es in seinem Einkommenssteuerbescheid. Nach diesem Einkommen berechnet die Krankenkasse seinen Beitrag für 2019. Im Jahr darauf erhält er größere Aufträge und nimmt 4000 Euro monatlich ein. Sobald die Krankenkasse seinen Steuerbescheid für 2019 erhält, berechnet sie einen höheren Beitrag, der Grafik-Designer muss nachzahlen. Der neu berechnete Beitrag gilt dann auch vorläufig für das Jahr 2020. Verdient der Architekt dann wieder weniger, erstattet die Kasse Beiträge – aber erst rückwirkend. Die Regelung gilt übrigens nicht rückwirkend für die Jahre vor 2018. Versicherte haben also keinen Anspruch auf Erstattungen von Beiträgen, die sie vor 2018 gezahlt haben. Wie wird der Beitrag berechnet? Der Beitragssatz für freiwillig versicherte Selbstständige liegt wie bei Pflichtversicherten bei 14,6 Prozent ihrer Einnahmen plus Zusatzbeitrag, der je nach Krankenkasse unterschiedlich ausfällt; meist etwa 1 Prozent. Wer auf Krankengeld verzichtet, zahlt 14 Prozent und den Zusatzbeitrag. Beim Einkommen berechnet die Krankenkasse auch Erträge aus Vermietung oder Verpachtung mit ein. Selbstständige müssen allerdings mindestens so viel zahlen, als würden sie 2283,75 Euro verdienen – die sogenannte Mindestbemessungsgrundlage für hauptberuflich Selbstständige (§240 Abs. 4 SGB V). "Wenn jemand ein schlechtes Jahr hat und weniger verdient, muss er trotzdem den Mindestbeitrag zahlen. Man bezahlt auf ein fiktives Einkommen", sagt Lutz. Laut GKV-Spitzenverband beträgt der Mindestbeitrag wenigstens 343 Euro monatlich, plus Pflegeversicherung. „Das resultiert typischerweise in einen Mindestbeitrag von 422 Euro“, sagt Lutz. „Für Geringverdiener und Teilzeitselbstständige ist das zu viel.“ Den Höchstbeitrag zahlen Versicherte, die 4425 Euro oder mehr im Monat einnehmen. Diese Grenze ist die sogenannte Regelbemessungsgrundlage. Der Maximalbeitrag liegt entsprechend bei mindestens 664 Euro monatlich plus Pflegeversicherung, je nach Krankenkasse. Gibt es Ausnahmen? Für Selbstständige, die einen Gründungszuschuss erhalten, gilt eine Ausnahme: Sie müssen mindestens so viel zahlen, als würden Sie 1520 Euro monatlich verdienen. Das ergibt einen Krankenkassenbeitrag von etwa 228 Euro im Monat. Unternehmer, die deutlich weniger als 2283,75 Euro (die Mindestbemessungsgrundlage) verdienen, können bei ihrer Krankenkasse beantragen, auf die Mindestbemessungsgrundlage von Existenzgründer eingestuft zu werden. Was gilt für Familienversicherte? "Viele nebenberuflich Selbstständige mit einem Einkommen unter 435 Euro sind bei ihrem Ehepartner mit versichert", sagt Lutz. Sie zahlen keinen eigenen Krankenkassenbeitrag. "Wenn sie aber über die 435 Euro hinauskommen, zahlen sie ungefähr 187 Euro Versicherungsbeitrag - das kann schon eine Überraschung sein. Man muss furchtbar aufpassen mit den Grenzen." Welche Fristen gelten? Freiwillig versicherte Selbstständige müssen ihren Einkommenssteuerbescheid binnen drei Jahren nach dem abgelaufenen Kalenderjahr bei ihrer Krankenkasse einreichen. Versäumt man die Frist, wird es teuer: „Wenn die Krankenkasse keine Informationen bekommt, geht sie vom Höchstbeitrag aus“, sagt Ann Marini vom GKV-Spitzenverband. Gibt es Kritik an der neuen Regelung? Lutz kritisiert, die Mindestbemessungsgrenzen seien zu hoch. "Durch hohe Mindestbeiträge werden viele Selbstständige in private Krankenversicherungen gedrängt, die aber langfristig teuer sind." Der GKV-Spitzenverband schlägt vor, die Mindestbemessungsgrundlage von 2283 Euro auf das Niveau von Existenzgründern zu senken - also auf ein Einkommen von 1520 Euro monatlich. "Wenn man kein regelmäßiges Einkommen hat, aber kein Existenzgründer ist, ist die aktuelle Regelung nicht adäquat", sagt Marini. Die Regierung habe diesen Vorschlag des GKV-Spitzenverbands bisher nicht berücksichtigt. Mehr zum Thema: Zurück in die GKV: So gelingt der Wechsel von PKV in GKV