Corona-Soforthilfe zurückzahlen
So wehren Sie sich gegen die Rückzahlung der Corona-Hilfen

Viele Unternehmer werden derzeit aufgefordert, zu viel erhaltene Corona-Hilfen zu melden und zurückzuzahlen. Doch die Rückforderungsbescheide sind oft nicht rechtens. Wann sich ein Widerspruch lohnt.

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Rückforderungen
© Francesco Carta fotografo / Moment / Getty images

Wer 2020 und 2021 vom Staat Corona-Hilfszahlungen erhalten hat, bekommt in diesen Tagen möglicherweise Post von der Bewilligungsstelle. Der Inhalt: die Aufforderung, zu viel erhaltene Hilfen zurückzuzahlen. Neben diesen Rückforderungsbescheiden verschicken einige Bundesländer auch Formulare, um den Anspruch auf Hilfen im Nachhinein zu überprüfen.

Wer hier nicht reagiert oder gar Falschangaben macht, macht sich möglicherweise des Subventionsbetrugs schuldig. Umgekehrt sind aber auch nicht alle Rückforderungen gerechtfertigt und können deshalb juristisch angefochten werden. Was also ist zu tun und wie können sich Hilfsempfänger gegen Rückzahlungen wehren? Die wichtigsten Fragen und Antworten.

Warum muss Corona-Soforthilfe zurückgezahlt werden?

Viele Unternehmer und Selbstständige haben die Corona-Soforthilfen 2020 hastig beantragt – und im Rückblick möglicherweise gar nicht benötigt. Ähnliches gilt für die später aufgelegten Überbrückungshilfen. „Wenn sich herausstellt, dass ein Empfänger von Hilfszahlungen doch nicht leistungsberechtigt war, muss er das Geld zurückzahlen“, erläutert Susana Campos Nave von der Rechts- und Steuerberatung Rödl & Partner in Berlin.

Der Grund für die Rückforderungen liegt in der Konstruktion der Hilfsprogramme: Die Corona-Hilfen wurden aufgrund einer Schätzung künftiger Einnahmen beantragt. Deshalb wurden alle Hilfen auch nur unter dem Vorbehalt der Rückforderung bewilligt. „Man muss also hinterher schauen, ob die Umsatzeinbrüche auch tatsächlich so schlimm waren, wie zum Zeitpunkt der Antragstellung befürchtet“, erklärt die Fachanwältin für Strafrecht Campos Nave.

Wer muss die Corona-Soforthilfe zurückzahlen?

Die Auszahlung der Coronahilfen erfolgte sehr unbürokratisch und oft ohne große Vorprüfung. Umso genauer werden die Anträge nun im Nachhinein auf fehlerhafte Angaben geprüft. „Die Behörden prüfen zunächst, ob formale Gründe vorliegen, die gegen eine Auszahlung der Hilfen sprechen“, erläutert Rechtsanwalt Marc Baschin von der Wirtschaftskanzlei Goldenstein aus Potsdam.

Geprüft werde beispielweise ob ein Soloselbstständiger in dem Zeitraum, für den er Hilfen beantragt hatte, noch ein weiteres Einkommen aus einer abhängigen Beschäftigung erzielte – und welche Einkunftsart überwog. Kommt die Behörde zum Schluss, dass die selbstständige Tätigkeit nur im Nebenerwerb ausgeübt wurde, müssen die Hilfen entsprechend zurückgezahlt werden.

Der häufigste Grund für einen ablehnenden Bescheid ist allerdings ein anderer: „Das Hauptkriterium für die Soforthilfen war, dass ein Liquiditätsengpass vorliegen musste“, erklärt Baschin. Stellt sich nun heraus, dass die finanzielle Lücke weniger groß war als die gezahlten Hilfen, müssen diese anteilig erstattet werden. Es liegt dann eine sogenannte Überkompensation vor.

Die Experten
Marc Baschin ist Rechtsanwalt bei der Wirtschaftskanzlei Goldenstein mit Hauptsitz in Potsdam. Er unterstützt Unternehmen und Selbstständige dabei, gegen unzulässige Rückforderungen vorzugehen (mehr Infos). Die Kanzlei Goldenstein vertritt Mandanten unter anderem im Gesellschafts- und Handelsrecht.
 
Susana Campos Nave ist Rechtsanwältin und Associate Partnerin bei der internationalen Rechts- und Steuerberatung Rödl & Partner am Standort Berlin. Die Fachanwältin für Strafrecht vertritt derzeit mehrere Mandanten in Strafverfahren, weil diese mutmaßlich Corona-Hilfen zu Unrecht bezogen haben.

Wie funktioniert das Rückmeldeverfahren zur Überprüfung der Hilfen?

Viele Antragsteller bekommen deshalb Post von den Bewilligungsstellen mit der Aufforderung, zu viel erhaltene Hilfen zu melden. Wie das Rückmeldeverfahren zur Überprüfung der Corona-Hilfen im Detail aussieht, hängt ganz vom jeweiligen Bundesland ab.

Die Umsetzung der Corona-Hilfen war Ländersache und entsprechend stark unterscheiden sich auch die Regelungen zur Rückzahlung und die Nachprüfung der Anträge. In einigen Bundesländern müssen die Betroffenen diese Angaben direkt in einem mitgeschickten Formular machen oder online in einem eigens dafür eingerichteten Portal.

Die Bundesländer Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen haben Empfängern der Corona-Soforthilfen beispielsweise bis zum 30. Juni 2023 Zeit gegeben, zu viel erhaltene Hilfsgelder zurückzuzahlen. Bis dahin müssen Unternehmerinnen und Unternehmer sich Klarheit darüber verschaffen, in welcher Höhe sie die Hilfen tatsächlich benötigt haben.

Wie lässt sich belegen, dass die Hilfen gebraucht wurden?

Um einen Liquiditätsengpass nachzuweisen, muss der Hilfsempfänger eine Einnahmen-Ausgaben-Rechnung vornehmen. Firmenchefs und Selbstständige sollten sich also einmal die Zeit nehmen und nachrechnen: „Was waren meine Kosten in dem Zeitraum, welche Einnahmen hatte ich und wie kann ich das nachweisen?“ Gibt es etwa Verträge, Rechnungen oder Kontoauszüge, die belegen, dass die Hilfen auch benötigt wurden?

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Für die Berechnung der Einnahmen und Ausgaben sollte man eng mit dem Steuerberater zusammenarbeiten. Baschin rät dazu, im Zweifel noch einmal selbst zu überprüfen, ob auch tatsächlich alle Posten aufgeführt sind. Der Grund: „Eine Überlastung gibt es derzeit nicht nur auf der Seite der Behörden, sondern auch bei den Steuerberatern.“

Welche Kosten erkennen die Behörden an?

Welche Kosten bei dieser Rechnung berücksichtigt werden dürfen, hängt vom jeweiligen Hilfspaket ab. Bei den Corona-Soforthilfen von 2020 fallen unter die Kosten explizit nur der Sach- und Finanzaufwand, der in dieser Zeit angefallen ist. Bei einem Handwerksbetrieb sind das etwa die Kosten für Material, die Miete für das Ladengeschäft oder die Leasingraten für Firmenfahrzeuge.

„Personal- und Lebenshaltungskosten dürfen hier nicht angesetzt werden“, warnt die Expertin für Steuer- und Wirtschaftsstrafrecht Campos Nave. Der Grund: Diese Posten wurden bereits durch andere Corona-Hilfsmaßnahmen abgedeckt – etwa durch die Möglichkeit, für das Team Kurzarbeit zu beantragen. Für in Not geratene Unternehmer, Freiberufler und Soloselbstständige wurde außerdem der Zugang zur Grundsicherung vereinfacht.

Lesen Sie dazu auch: Abschlussprüfung bei Kurzarbeit: Das droht Firmen, die zu Unrecht Kurzarbeit angemeldet haben

Die später eingeführte Überbrückungshilfe des Bundes ermöglicht es Unternehmern, anders als bei den Corona-Soforthilfen, bestimmte Arten von Personalkosten auf die Hilfen anzurechnen. Bei der Überbrückungshilfe III kann der Inhaber in Teilen sogar seinen Bedarf für die private Lebensführung berücksichtigen.

„Generell würde ich immer versuchen, so viele Ausgaben wie möglich reinzunehmen“, rät Baschin. Schlimmstenfalls werde ein Posten von der Behörde wieder herausgestrichen. Allerdings sagt der Jurist auch: „Falschangaben darf natürlich niemand machen – das ist Subventionsbetrug und damit eine Straftat.“

Welche Strafe droht, wenn man nichts macht?

Auch wer noch nicht von der Behörde dazu aufgefordert wurde, sollte einmal nachrechnen, ob er die Hilfsgelder auch tatsächlich benötigt hat, rät Campos Nave. „Wer Hilfen erhalten hat, hat eine Mitwirkungspflicht und muss mitteilen, wenn zu viel Geld geflossen ist.“ Liegt eine Überkompensation vor, sollte diese angezeigt und zu viel gezahlte Gelder erstattet werden.

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„Hier eine Salamitaktik anzuwenden ist keine gute Idee, sondern erfüllt schlimmstenfalls den Straftatbestand des Subventionsbetrugs“, warnt Campos Nave. Die Fachanwältin für Strafrecht vertritt derzeit mehrere Mandanten, die Post von der Staatsanwaltschaft bekommen haben, weil sie Hilfen mutmaßlich zu Unrecht bezogen haben.

Wird ein Unternehmer des Subventionsbetrugs überführt, droht ihm eine Geldstrafe oder schlimmstenfalls eine Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren – in besonders schweren Fällen (etwa bei systematischem Betrug über einen längeren Zeitraum) sind es sogar bis zu zehn Jahre. Selbst, wenn das Strafmaß nicht ausgeschöpft wird, kann eine Verurteilung eine unangenehme Folge haben: Das Verbot jeder weiteren Geschäftsführertätigkeit für die nächsten fünf Jahre.

Mehr dazu hier: Subventionsbetrug: Haftungsrisiken von Geschäftsführern in der Krise

Oft reicht für ein Strafverfahren schon der Hinweis von einem Konkurrenten oder einem ausgeschiedenen Mitarbeiter aus, der seinen ehemaligen Betrieb anschwärzen möchte. Oder aber die Bewilligungsbehörde selbst stößt bei der Überprüfung auf Ungereimtheiten.

Wieso sind einige Rückforderungsbescheide nicht rechtens?

Doch nicht nur den Antragstellern unterlaufen Fehler, sondern auch den Behörden. Demnach gibt es auch viele Gründe, warum sich ein Rückforderungsbescheid anfechten lässt. „Die Corona-Soforthilfen wurden so schnell aus dem Boden gestampft, dass der Gesetzgeber in vielen Fällen rechtlich unsauber gearbeitet hat“, berichtet Baschin, der Unternehmen und Selbstständige dabei unterstützt gegen unzulässige Rückforderungen vorzugehen. In der Folge böten die Corona-Hilfen ein erhebliches Potential für rechtliche Auseinandersetzungen.

Auch bei der Versendung der Rückforderungsbescheide werde nicht immer sehr gründlich gearbeitet: „Die Behörden arbeiten die Anträge derzeit massenhaft ab und das sieht man den Bescheiden auch an“, sagt Baschin. „Das ist nicht das Niveau, das man von deutschen Behörden sonst gewohnt ist.“ Mitunter würden in den Bescheiden Wörter oder gar ganze Absätze fehlen.

Generell gilt: Wer einen berechtigten Anspruch auf die Auszahlung von Coronahilfen hatte, den Antrag korrekt ausgefüllt und das erhaltene Geld für den Förderzweck genutzt hat, muss einer Rückforderung nicht nachkommen. Mitunter basieren Rückforderungsbescheide auch nur auf Missverständnissen, die sich mit einem kurzen Schriftwechsel rasch aufklären lassen.

Wie sollten Unternehmer auf eine ungerechtfertigte Rückforderung reagieren?

Wenn ein Unternehmer oder Selbstständiger mit einer Rückforderung nicht einverstanden ist, muss er dem Bescheid zunächst widersprechen. Wichtig ist dabei, die Fristen für den Widerspruch zu wahren: Die Behörden verschicken die Rückforderungsbescheide gemeinsam mit einer Rechtsbehelfsbelehrung, die eine Widerspruchsfrist von einem Monat nach Bekanntgabe vorsieht.

In einigen Bundesländern – unter anderem in NRW – wird auf dieses Vorverfahren auch ganz verzichtet, dann muss gegen einen Bescheid direkt Klage eingereicht werden. Die Rechtsbehelfsbelehrung sieht dann entsprechend eine Klagefrist von einem Monat vor.

Was viele Betroffene nicht wissen: „Wer diese Zeit verstreichen lässt ohne zu reagieren, hat keine Möglichkeit mehr den Bescheid anzufechten“, erklärt Baschin. Er empfiehlt, sich bereits in einem Widerspruchsverfahren von einem Rechtsanwalt vertreten zu lassen. „Man kann auch selbst widersprechen, um die Frist zu wahren“, sagt der Anwalt. „Aber je früher ein Jurist eingebunden wird, desto höher sind die Erfolgsaussichten.“

Wie geht es nach einem Widerspruch weiter?

Mit einem Widerspruch gegen die Rückzahlung allein ist es in der Regel nicht getan: „Die Behörden werden die Antragsteller häufig in Klageverfahren bringen“, berichtet Baschin. Dafür gibt es auch gute Gründe: So ist die Behörde einerseits verpflichtet, bei der Vergabe von Fördergeldern zu kontrollieren, dass diese nicht zweckentfremdet werden. Anderseits sollen manche Sachverhalte derzeit auch schlicht durch die Gerichte geklärt werden, weil die Auslegung der Regeln noch unklar ist.

Gab es schon Urteile zugunsten betroffener Unternehmen?

„Die Entscheidungen, die bislang getroffen wurden, sind alle aus NRW und beziehen sich alle auf die Corona-Soforthilfen von 2020“, erklärt Baschin. Dass in nur eineinhalb Jahren bereits Verwaltungsgerichtsurteile ergangen sind, sei ungewöhnlich schnell und mache deutlich, welche Bedeutung die Gerichte dem Thema beimessen. Die ersten Urteile – zum Beispiel der Verwaltungsgerichte Köln und Düsseldorf – zeigen, dass in vielen Fällen durchaus zugunsten der betroffenen Unternehmerinnen und Unternehmer entschieden wird.

Beispielsweise wurden 2020 bereits zahlreiche Anträge auf Soforthilfe genehmigt, ehe der Gesetzgeber eine Liquiditätslücke zur Bedingung für die Hilfen machte. In solchen Fällen entschieden die Gerichte nun zugunsten der Hilfsempfänger: Wer vor Einführung dieser Regelung Soforthilfe beantragt hatte, muss die Hilfe nicht zurückzahlen – unabhängig davon wie hoch seine finanziellen Einbußen tatsächlich waren.

Einige Coronahilfen können auch deshalb nicht zurückgefordert werden, weil zum Zeitpunkt der Auszahlung nicht erkennbar war, dass das erhaltene Geld später möglicherweise zurückgezahlt werden musste. Jurist Baschin geht davon aus, dass das Bundesverwaltungsgericht noch in diesem Jahr die ersten höchstrichterlichen Grundsatzurteile dazu verkünden wird.

Was gilt für die Überbrückungshilfe II und III?

Eine vergleichbare Rückforderungswelle wie bei den Corona-Soforthilfen droht auch bei der Überbrückungshilfe II und III. Denn auch die Überbrückungshilfen wurden nur unter dem Vorbehalt einer Rückforderung gezahlt. Erste Bundesländer – darunter Bayern, Baden-Württemberg und Mecklenburg-Vorpommern – verschicken derzeit bereits Rückforderungsbescheide zur Überbrückungshilfe III.

Grundsätzlich gilt: Jeder der Überbrückungshilfe erhalten hat muss bis zum 30. Juni 2023 eine Schlussabrechnung einreichen. In Einzelfällen kann eine Verlängerung bis zum 31. Dezember 2023 beantragt werden. Die Schlussabrechnung wird von einem prüfenden Dritten erstellt, in der Regel ist das der Steuerberater, der auch den Antrag auf die Hilfen gestellt hat. Eingereicht wird die Abrechnung über das Portal: www.ueberbrueckungshilfe-unternehmen.de

Das maßgebliche Kriterium bei diesen Hilfen ist ein Umsatzdefizit im Vergleich zum Vor-Corona-Jahr 2019: Fiel der Umsatzeinbruch im Rückblick weniger stark aus als erwartet, entfällt auch die Berechtigung für den Bezug der Hilfsgelder. Ein weiteres Kriterium für die Überbrückungshilfen ist, dass die Coronakrise den Umsatzrückgang verursacht hat.

Welche Regelungen für die einzelnen Hilfspakete im Detail gelten, lesen Sie hier: Überbrückungshilfe I, Überbrückungshilfe II, Überbrückungshilfe III

„Hier entscheiden die Behörden oft, dass kein direkter Coronabezug vorliegt“, weiß Baschin. Doch das bedeutet keineswegs, dass die Hilfsgelder zu Unrecht bezogen wurden. „Man muss dann im Widerspruch einen Coronabezug herstellen und nachweisen, dass Kunden direkt betroffen waren.“ So war zum Beispiel ein Getränkelieferant nicht direkt vom Lockdown betroffen, durch die Schließung der Gastronomie hatte er aber trotzdem Umsätze eingebüßt.

Was passiert, wenn man die Corona-Hilfsgelder nicht zurückzahlen kann?

Wer Probleme hat, die Hilfsgelder zurückzuzahlen, kann sich ebenfalls an die zuständige Behörde in seinem Bundesland wenden. In der Regel sollte die Behörde dem Unternehmen ohne größere Umstände eine zinslose Stundung bewilligen.

Auch die Vereinbarung einer Ratenzahlung für die Rückzahlung ist eine Option, auf die Unternehmen zurückgreifen sollten. „Doch auch dafür gibt es eine Frist, die man nicht verstreichen lassen sollte“, warnt Rechtsexperte Baschin.

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Wer 2020 und 2021 vom Staat Corona-Hilfszahlungen erhalten hat, bekommt in diesen Tagen möglicherweise Post von der Bewilligungsstelle. Der Inhalt: die Aufforderung, zu viel erhaltene Hilfen zurückzuzahlen. Neben diesen Rückforderungsbescheiden verschicken einige Bundesländer auch Formulare, um den Anspruch auf Hilfen im Nachhinein zu überprüfen. Wer hier nicht reagiert oder gar Falschangaben macht, macht sich möglicherweise des Subventionsbetrugs schuldig. Umgekehrt sind aber auch nicht alle Rückforderungen gerechtfertigt und können deshalb juristisch angefochten werden. Was also ist zu tun und wie können sich Hilfsempfänger gegen Rückzahlungen wehren? Die wichtigsten Fragen und Antworten. Warum muss Corona-Soforthilfe zurückgezahlt werden? Viele Unternehmer und Selbstständige haben die Corona-Soforthilfen 2020 hastig beantragt – und im Rückblick möglicherweise gar nicht benötigt. Ähnliches gilt für die später aufgelegten Überbrückungshilfen. „Wenn sich herausstellt, dass ein Empfänger von Hilfszahlungen doch nicht leistungsberechtigt war, muss er das Geld zurückzahlen“, erläutert Susana Campos Nave von der Rechts- und Steuerberatung Rödl & Partner in Berlin. Der Grund für die Rückforderungen liegt in der Konstruktion der Hilfsprogramme: Die Corona-Hilfen wurden aufgrund einer Schätzung künftiger Einnahmen beantragt. Deshalb wurden alle Hilfen auch nur unter dem Vorbehalt der Rückforderung bewilligt. „Man muss also hinterher schauen, ob die Umsatzeinbrüche auch tatsächlich so schlimm waren, wie zum Zeitpunkt der Antragstellung befürchtet“, erklärt die Fachanwältin für Strafrecht Campos Nave. Wer muss die Corona-Soforthilfe zurückzahlen? Die Auszahlung der Coronahilfen erfolgte sehr unbürokratisch und oft ohne große Vorprüfung. Umso genauer werden die Anträge nun im Nachhinein auf fehlerhafte Angaben geprüft. „Die Behörden prüfen zunächst, ob formale Gründe vorliegen, die gegen eine Auszahlung der Hilfen sprechen“, erläutert Rechtsanwalt Marc Baschin von der Wirtschaftskanzlei Goldenstein aus Potsdam. Geprüft werde beispielweise ob ein Soloselbstständiger in dem Zeitraum, für den er Hilfen beantragt hatte, noch ein weiteres Einkommen aus einer abhängigen Beschäftigung erzielte – und welche Einkunftsart überwog. Kommt die Behörde zum Schluss, dass die selbstständige Tätigkeit nur im Nebenerwerb ausgeübt wurde, müssen die Hilfen entsprechend zurückgezahlt werden. Der häufigste Grund für einen ablehnenden Bescheid ist allerdings ein anderer: „Das Hauptkriterium für die Soforthilfen war, dass ein Liquiditätsengpass vorliegen musste“, erklärt Baschin. Stellt sich nun heraus, dass die finanzielle Lücke weniger groß war als die gezahlten Hilfen, müssen diese anteilig erstattet werden. Es liegt dann eine sogenannte Überkompensation vor. [zur-person] Wie funktioniert das Rückmeldeverfahren zur Überprüfung der Hilfen? Viele Antragsteller bekommen deshalb Post von den Bewilligungsstellen mit der Aufforderung, zu viel erhaltene Hilfen zu melden. Wie das Rückmeldeverfahren zur Überprüfung der Corona-Hilfen im Detail aussieht, hängt ganz vom jeweiligen Bundesland ab. Die Umsetzung der Corona-Hilfen war Ländersache und entsprechend stark unterscheiden sich auch die Regelungen zur Rückzahlung und die Nachprüfung der Anträge. In einigen Bundesländern müssen die Betroffenen diese Angaben direkt in einem mitgeschickten Formular machen oder online in einem eigens dafür eingerichteten Portal. Die Bundesländer Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen haben Empfängern der Corona-Soforthilfen beispielsweise bis zum 30. Juni 2023 Zeit gegeben, zu viel erhaltene Hilfsgelder zurückzuzahlen. Bis dahin müssen Unternehmerinnen und Unternehmer sich Klarheit darüber verschaffen, in welcher Höhe sie die Hilfen tatsächlich benötigt haben. Wie lässt sich belegen, dass die Hilfen gebraucht wurden? Um einen Liquiditätsengpass nachzuweisen, muss der Hilfsempfänger eine Einnahmen-Ausgaben-Rechnung vornehmen. Firmenchefs und Selbstständige sollten sich also einmal die Zeit nehmen und nachrechnen: „Was waren meine Kosten in dem Zeitraum, welche Einnahmen hatte ich und wie kann ich das nachweisen?“ Gibt es etwa Verträge, Rechnungen oder Kontoauszüge, die belegen, dass die Hilfen auch benötigt wurden? Für die Berechnung der Einnahmen und Ausgaben sollte man eng mit dem Steuerberater zusammenarbeiten. Baschin rät dazu, im Zweifel noch einmal selbst zu überprüfen, ob auch tatsächlich alle Posten aufgeführt sind. Der Grund: „Eine Überlastung gibt es derzeit nicht nur auf der Seite der Behörden, sondern auch bei den Steuerberatern.“ [mehr-zum-thema] Welche Kosten erkennen die Behörden an? Welche Kosten bei dieser Rechnung berücksichtigt werden dürfen, hängt vom jeweiligen Hilfspaket ab. Bei den Corona-Soforthilfen von 2020 fallen unter die Kosten explizit nur der Sach- und Finanzaufwand, der in dieser Zeit angefallen ist. Bei einem Handwerksbetrieb sind das etwa die Kosten für Material, die Miete für das Ladengeschäft oder die Leasingraten für Firmenfahrzeuge. „Personal- und Lebenshaltungskosten dürfen hier nicht angesetzt werden“, warnt die Expertin für Steuer- und Wirtschaftsstrafrecht Campos Nave. Der Grund: Diese Posten wurden bereits durch andere Corona-Hilfsmaßnahmen abgedeckt – etwa durch die Möglichkeit, für das Team Kurzarbeit zu beantragen. Für in Not geratene Unternehmer, Freiberufler und Soloselbstständige wurde außerdem der Zugang zur Grundsicherung vereinfacht. Lesen Sie dazu auch: Abschlussprüfung bei Kurzarbeit: Das droht Firmen, die zu Unrecht Kurzarbeit angemeldet haben Die später eingeführte Überbrückungshilfe des Bundes ermöglicht es Unternehmern, anders als bei den Corona-Soforthilfen, bestimmte Arten von Personalkosten auf die Hilfen anzurechnen. Bei der Überbrückungshilfe III kann der Inhaber in Teilen sogar seinen Bedarf für die private Lebensführung berücksichtigen. „Generell würde ich immer versuchen, so viele Ausgaben wie möglich reinzunehmen“, rät Baschin. Schlimmstenfalls werde ein Posten von der Behörde wieder herausgestrichen. Allerdings sagt der Jurist auch: „Falschangaben darf natürlich niemand machen – das ist Subventionsbetrug und damit eine Straftat.“ Welche Strafe droht, wenn man nichts macht? Auch wer noch nicht von der Behörde dazu aufgefordert wurde, sollte einmal nachrechnen, ob er die Hilfsgelder auch tatsächlich benötigt hat, rät Campos Nave. „Wer Hilfen erhalten hat, hat eine Mitwirkungspflicht und muss mitteilen, wenn zu viel Geld geflossen ist.“ Liegt eine Überkompensation vor, sollte diese angezeigt und zu viel gezahlte Gelder erstattet werden. „Hier eine Salamitaktik anzuwenden ist keine gute Idee, sondern erfüllt schlimmstenfalls den Straftatbestand des Subventionsbetrugs“, warnt Campos Nave. Die Fachanwältin für Strafrecht vertritt derzeit mehrere Mandanten, die Post von der Staatsanwaltschaft bekommen haben, weil sie Hilfen mutmaßlich zu Unrecht bezogen haben. Wird ein Unternehmer des Subventionsbetrugs überführt, droht ihm eine Geldstrafe oder schlimmstenfalls eine Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren – in besonders schweren Fällen (etwa bei systematischem Betrug über einen längeren Zeitraum) sind es sogar bis zu zehn Jahre. Selbst, wenn das Strafmaß nicht ausgeschöpft wird, kann eine Verurteilung eine unangenehme Folge haben: Das Verbot jeder weiteren Geschäftsführertätigkeit für die nächsten fünf Jahre. Mehr dazu hier: Subventionsbetrug: Haftungsrisiken von Geschäftsführern in der Krise Oft reicht für ein Strafverfahren schon der Hinweis von einem Konkurrenten oder einem ausgeschiedenen Mitarbeiter aus, der seinen ehemaligen Betrieb anschwärzen möchte. Oder aber die Bewilligungsbehörde selbst stößt bei der Überprüfung auf Ungereimtheiten. Wieso sind einige Rückforderungsbescheide nicht rechtens? Doch nicht nur den Antragstellern unterlaufen Fehler, sondern auch den Behörden. Demnach gibt es auch viele Gründe, warum sich ein Rückforderungsbescheid anfechten lässt. „Die Corona-Soforthilfen wurden so schnell aus dem Boden gestampft, dass der Gesetzgeber in vielen Fällen rechtlich unsauber gearbeitet hat“, berichtet Baschin, der Unternehmen und Selbstständige dabei unterstützt gegen unzulässige Rückforderungen vorzugehen. In der Folge böten die Corona-Hilfen ein erhebliches Potential für rechtliche Auseinandersetzungen. Auch bei der Versendung der Rückforderungsbescheide werde nicht immer sehr gründlich gearbeitet: „Die Behörden arbeiten die Anträge derzeit massenhaft ab und das sieht man den Bescheiden auch an“, sagt Baschin. „Das ist nicht das Niveau, das man von deutschen Behörden sonst gewohnt ist.“ Mitunter würden in den Bescheiden Wörter oder gar ganze Absätze fehlen. Generell gilt: Wer einen berechtigten Anspruch auf die Auszahlung von Coronahilfen hatte, den Antrag korrekt ausgefüllt und das erhaltene Geld für den Förderzweck genutzt hat, muss einer Rückforderung nicht nachkommen. Mitunter basieren Rückforderungsbescheide auch nur auf Missverständnissen, die sich mit einem kurzen Schriftwechsel rasch aufklären lassen. Wie sollten Unternehmer auf eine ungerechtfertigte Rückforderung reagieren? Wenn ein Unternehmer oder Selbstständiger mit einer Rückforderung nicht einverstanden ist, muss er dem Bescheid zunächst widersprechen. Wichtig ist dabei, die Fristen für den Widerspruch zu wahren: Die Behörden verschicken die Rückforderungsbescheide gemeinsam mit einer Rechtsbehelfsbelehrung, die eine Widerspruchsfrist von einem Monat nach Bekanntgabe vorsieht. In einigen Bundesländern – unter anderem in NRW – wird auf dieses Vorverfahren auch ganz verzichtet, dann muss gegen einen Bescheid direkt Klage eingereicht werden. Die Rechtsbehelfsbelehrung sieht dann entsprechend eine Klagefrist von einem Monat vor. Was viele Betroffene nicht wissen: „Wer diese Zeit verstreichen lässt ohne zu reagieren, hat keine Möglichkeit mehr den Bescheid anzufechten“, erklärt Baschin. Er empfiehlt, sich bereits in einem Widerspruchsverfahren von einem Rechtsanwalt vertreten zu lassen. „Man kann auch selbst widersprechen, um die Frist zu wahren“, sagt der Anwalt. „Aber je früher ein Jurist eingebunden wird, desto höher sind die Erfolgsaussichten.“ Wie geht es nach einem Widerspruch weiter? Mit einem Widerspruch gegen die Rückzahlung allein ist es in der Regel nicht getan: „Die Behörden werden die Antragsteller häufig in Klageverfahren bringen“, berichtet Baschin. Dafür gibt es auch gute Gründe: So ist die Behörde einerseits verpflichtet, bei der Vergabe von Fördergeldern zu kontrollieren, dass diese nicht zweckentfremdet werden. Anderseits sollen manche Sachverhalte derzeit auch schlicht durch die Gerichte geklärt werden, weil die Auslegung der Regeln noch unklar ist. Gab es schon Urteile zugunsten betroffener Unternehmen? „Die Entscheidungen, die bislang getroffen wurden, sind alle aus NRW und beziehen sich alle auf die Corona-Soforthilfen von 2020“, erklärt Baschin. Dass in nur eineinhalb Jahren bereits Verwaltungsgerichtsurteile ergangen sind, sei ungewöhnlich schnell und mache deutlich, welche Bedeutung die Gerichte dem Thema beimessen. Die ersten Urteile – zum Beispiel der Verwaltungsgerichte Köln und Düsseldorf – zeigen, dass in vielen Fällen durchaus zugunsten der betroffenen Unternehmerinnen und Unternehmer entschieden wird. Beispielsweise wurden 2020 bereits zahlreiche Anträge auf Soforthilfe genehmigt, ehe der Gesetzgeber eine Liquiditätslücke zur Bedingung für die Hilfen machte. In solchen Fällen entschieden die Gerichte nun zugunsten der Hilfsempfänger: Wer vor Einführung dieser Regelung Soforthilfe beantragt hatte, muss die Hilfe nicht zurückzahlen – unabhängig davon wie hoch seine finanziellen Einbußen tatsächlich waren. Einige Coronahilfen können auch deshalb nicht zurückgefordert werden, weil zum Zeitpunkt der Auszahlung nicht erkennbar war, dass das erhaltene Geld später möglicherweise zurückgezahlt werden musste. Jurist Baschin geht davon aus, dass das Bundesverwaltungsgericht noch in diesem Jahr die ersten höchstrichterlichen Grundsatzurteile dazu verkünden wird. Was gilt für die Überbrückungshilfe II und III? Eine vergleichbare Rückforderungswelle wie bei den Corona-Soforthilfen droht auch bei der Überbrückungshilfe II und III. Denn auch die Überbrückungshilfen wurden nur unter dem Vorbehalt einer Rückforderung gezahlt. Erste Bundesländer – darunter Bayern, Baden-Württemberg und Mecklenburg-Vorpommern – verschicken derzeit bereits Rückforderungsbescheide zur Überbrückungshilfe III. Grundsätzlich gilt: Jeder der Überbrückungshilfe erhalten hat muss bis zum 30. Juni 2023 eine Schlussabrechnung einreichen. In Einzelfällen kann eine Verlängerung bis zum 31. Dezember 2023 beantragt werden. Die Schlussabrechnung wird von einem prüfenden Dritten erstellt, in der Regel ist das der Steuerberater, der auch den Antrag auf die Hilfen gestellt hat. Eingereicht wird die Abrechnung über das Portal: www.ueberbrueckungshilfe-unternehmen.de Das maßgebliche Kriterium bei diesen Hilfen ist ein Umsatzdefizit im Vergleich zum Vor-Corona-Jahr 2019: Fiel der Umsatzeinbruch im Rückblick weniger stark aus als erwartet, entfällt auch die Berechtigung für den Bezug der Hilfsgelder. Ein weiteres Kriterium für die Überbrückungshilfen ist, dass die Coronakrise den Umsatzrückgang verursacht hat. Welche Regelungen für die einzelnen Hilfspakete im Detail gelten, lesen Sie hier: Überbrückungshilfe I, Überbrückungshilfe II, Überbrückungshilfe III „Hier entscheiden die Behörden oft, dass kein direkter Coronabezug vorliegt“, weiß Baschin. Doch das bedeutet keineswegs, dass die Hilfsgelder zu Unrecht bezogen wurden. „Man muss dann im Widerspruch einen Coronabezug herstellen und nachweisen, dass Kunden direkt betroffen waren.“ So war zum Beispiel ein Getränkelieferant nicht direkt vom Lockdown betroffen, durch die Schließung der Gastronomie hatte er aber trotzdem Umsätze eingebüßt. Was passiert, wenn man die Corona-Hilfsgelder nicht zurückzahlen kann? Wer Probleme hat, die Hilfsgelder zurückzuzahlen, kann sich ebenfalls an die zuständige Behörde in seinem Bundesland wenden. In der Regel sollte die Behörde dem Unternehmen ohne größere Umstände eine zinslose Stundung bewilligen. Auch die Vereinbarung einer Ratenzahlung für die Rückzahlung ist eine Option, auf die Unternehmen zurückgreifen sollten. „Doch auch dafür gibt es eine Frist, die man nicht verstreichen lassen sollte“, warnt Rechtsexperte Baschin.