Yolk-Gründerin Julia Soergel
„Wir hatten nie gedacht, dass eine Idee so groß werden kann“

Julia Soergel gründete 2008 mit ihrem Partner das Start-up Yolk, das eine selbst programmierte Zeiterfassungssoftware an Selbstständige verkauft. Was wurde aus der Idee? impulse hat bei der Gründerin nachgehakt.

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Gemeinsam mit ihrem Partner hat Julia Soergel 2008 ihr eigenes Unternehmen gegründet.
Gemeinsam mit ihrem Partner hat Julia Soergel 2008 ihr eigenes Unternehmen gegründet.
© Malte Jäger

Julia Soergel und ihr Mitgründer Sebastian Munz lernten sich im Studium kennen. Aus ihrer gemeinsamen Diplomarbeit über Medientechnik entstand die Zeiterfassungssoftware Mite, mit der die Studenten 2008 ihr eigenes Unternehmen Yolk gründeten. Mit der selbst programmierten Software können Nutzer ihre Arbeitszeiten erfassen und auswerten lassen. Vor allem Agenturen, Designer und Programmierer, aber auch Universitäten und gemeinnützige Organisationen nutzen diese Dienstleistung.

Frau Soergel, im ersten Interview mit impulse sagten Sie, Sie hätten bisher jedes Angebot eines Investors abgelehnt. Wie sieht es fünf Jahre später aus?

Nicht anders. Wir hatten seit unserer Gründung oft die Chance, frisches Geld ins Unternehmen zu stecken. Wir haben uns jedes Mal wieder dagegen entschieden. Wir wachsen nur durch unsere eigenen Einnahmen. Besser Schritt für Schritt und selbst finanziert, als durch die Decke zu schießen und Firmenanteile abzugeben – und damit auch Freiheit.

Sie wollten sich laut Ihres ersten Businessplans nur 1300 Euro im Monat zahlen. Sind Sie immer noch bescheiden?

Nein, in dem Maße nicht mehr. Bei dieser Summe muss ich heute schmunzeln. Da steckte noch die Studentendenke in uns. Mittlerweile können wir uns zum Glück ein Vielfaches davon auszahlen. Anfangs planten wir tatsächlich ganz genau: In unsere Ausgabenkalkulation nahmen wir auch 10-Euro-Beträge auf. Heute sprechen wir immerhin noch darüber, wenn es um 100 Euro geht.

Das klingt, als hätten Sie vorsichtig geplant.

Das stimmt. Zu vorsichtig, wie wir schnell gemerkt haben. Wir hatten den Break-even nach einem Jahr angepeilt – real waren wir schon nach drei Monaten im Plus. Allerdings war die Basisversion unserer Software auch schon zum Gründungstermin fertig. Ab dem ersten Tag hatten wir Kunden.

Haben Sie sich irgendwo zu Ihren Ungunsten verschätzt?

Wir hatten große Angst, das Wohl unserer Firma nur von einem Produkt abhängig zu machen. Wir begannen deshalb relativ früh, einen Prototypen für ein zweites Programm zu bauen. Dafür stellten wir einen dritten Mitarbeiter ein, den wir auch zum Gesellschafter machen wollten. Das ging daneben: Auch wenn es zunächst so aussah, als würde alles zwischen uns passen, waren wir uns in der Strategie nicht einig genug. Wir mussten unseren ersten Mitarbeiter wieder entlassen. Das fühlte sich an wie eine Trennung. Danach wollten wir lieber zu zweit bleiben.

Wie haben Sie es geschafft, die Lücke wieder zu füllen?

Gar nicht. Wir haben gemerkt: ohne zusätzliches Personal kein neues Produkt. Daraufhin haben wir unser Geschäftsmodell angepasst. Auch wenn wir uns anfangs davor scheuten, haben wir uns nur noch auf Mite fokussiert. Unsere Sorge, eine Übermacht wie Google würde ein Konkurrenzprodukt entwickeln, hat sich zum Glück nie bestätigt.

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Gab es noch eine Situation, in der Sie Ihr Geschäftsmodell ändern mussten?

Ja, aber das war geplant. Da Mite zunächst ein Uni-Projekt war, stellten wir es unseren Nutzern kostenlos zur Verfügung. Das änderte sich, als wir gründeten. Um die Nutzer der ersten Stunde nicht zu verjagen, verlangten wir nur von den Neukunden eine monatliche Gebühr von fünf Euro. Den bisherigen Nutzern stellten wir frei, ob und was Sie für unseren Dienst ausgeben wollten. Mittlerweile zahlen 20 Prozent von ihnen – im Schnitt 4,20 Euro im Monat.

Sind Sie auch im Zweierteam im Unternehmeralltag aneinandergeraten?

Es hört sich fast zu schön an, aber bei den wichtigen Entscheidungen sind wir tatsächlich einer Meinung. Ich habe mit meinem Partner den Jackpot gezogen – und das Gleiche würde er hoffentlich über mich sagen. Wir hatten allerdings die Zeit, uns und die Arbeit des anderen im Studium kennen- und schätzen zu lernen.

Wie teilen Sie die Arbeit auf?

Mein Partner kümmert sich um alles Technische, wie das Programmieren und um das Design der Software. Ich spreche mit den Kunden, führe die Bücher und erledige alles Organisatorische. Da kommen wir uns nicht in die Quere. Auch unser Büro ist getrennt, mein Partner arbeitet in Hamburg von zu Hause aus und ich in Berlin. Nach sieben Jahren Zusammenarbeit können wir so noch ein Bier trinken gehen – als Freunde und ohne übers Geschäft zu reden. Ich würde jedem Gründer empfehlen, sich einen Mitstreiter ins Boot zu holen. Bei wichtigen Entscheidungen und in Krisen ist der Rat eines außenstehenden Freundes oft nicht genug.

Sie haben Ihr Umsatzziel 2014 um 200.000 Euro verfehlt. War das so eine Krise?

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Nein, wir haben gefeiert. Für uns zählt nur eine Kennzahl: das Betriebsergebnis, also der Gewinn. Für 2014 hatten wir ein Plus von 230.000 Euro nach Privatentnahmen angestrebt. Unterm Strich waren es tatsächlich 450.000 Euro. Und das, obwohl wir im Businessplan mit dem Ertrag von zwei Produkten gerechnet hatten. Wenn wir sehen, wo wir heute stehen, kneifen wir uns manchmal gegenseitig in den Arm. Wir hätten anfangs nie gedacht, dass eine Idee, wie ein Programm zur Zeiterfassung, so groß werden kann.

Wohin wollen Sie noch mit dem Unternehmen?

Mittlerweile besteht unser Alltag in der Pflege unseres Programms. Neukunden gewinnen wir nur über Weiterempfehlungen, auf Marketing haben wir von jeher verzichtet. Ich würde sagen, wir sind bereits angekommen.

 

Steckbrief

Name, Alter: Julia Soergel, 33

Firma: Sebastian Munz & Julia Soergel GbR

Geschäftskonzept: Eine Software zum Erfassen der Arbeitszeit

Gründungsdatum: 01.05.2008

Standort: Berlin

Erster Businessplan: 2008

Erstmals in impulse: Gründerzeit 1/2010
Plan und Realität

DAMALS:

Umsatzerwartung (2010): 225.000 Euro

Mitarbeiter: 0

Büro- und Lagerfläche: 0 m²

Urlaubstage: 0

Auto/ Fahrrad: 0
HEUTE: 

Umsatz: 700.000 Euro

Mitarbeiter: 0

Büro- und Lagerfläche: 0 m²

Urlaubstage: 25

Auto/ Fahrrad: Tokyobike, Baujahr 2011

Früher dachte ich, Unternehmer … das sind die mit Schlips, Benz und einer Schar von Anwälten.

Heute weiß ich, … dass eine Firma auch klein und fair funktionieren kann.

Wenn ich nicht Unternehmerin geworden wäre, … würde ich freiberuflich an mehreren Internetprojekten arbeiten.

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Julia Soergel und ihr Mitgründer Sebastian Munz lernten sich im Studium kennen. Aus ihrer gemeinsamen Diplomarbeit über Medientechnik entstand die Zeiterfassungssoftware Mite, mit der die Studenten 2008 ihr eigenes Unternehmen Yolk gründeten. Mit der selbst programmierten Software können Nutzer ihre Arbeitszeiten erfassen und auswerten lassen. Vor allem Agenturen, Designer und Programmierer, aber auch Universitäten und gemeinnützige Organisationen nutzen diese Dienstleistung. Frau Soergel, im ersten Interview mit impulse sagten Sie, Sie hätten bisher jedes Angebot eines Investors abgelehnt. Wie sieht es fünf Jahre später aus? Nicht anders. Wir hatten seit unserer Gründung oft die Chance, frisches Geld ins Unternehmen zu stecken. Wir haben uns jedes Mal wieder dagegen entschieden. Wir wachsen nur durch unsere eigenen Einnahmen. Besser Schritt für Schritt und selbst finanziert, als durch die Decke zu schießen und Firmenanteile abzugeben – und damit auch Freiheit. Sie wollten sich laut Ihres ersten Businessplans nur 1300 Euro im Monat zahlen. Sind Sie immer noch bescheiden? Nein, in dem Maße nicht mehr. Bei dieser Summe muss ich heute schmunzeln. Da steckte noch die Studentendenke in uns. Mittlerweile können wir uns zum Glück ein Vielfaches davon auszahlen. Anfangs planten wir tatsächlich ganz genau: In unsere Ausgabenkalkulation nahmen wir auch 10-Euro-Beträge auf. Heute sprechen wir immerhin noch darüber, wenn es um 100 Euro geht. Das klingt, als hätten Sie vorsichtig geplant. Das stimmt. Zu vorsichtig, wie wir schnell gemerkt haben. Wir hatten den Break-even nach einem Jahr angepeilt – real waren wir schon nach drei Monaten im Plus. Allerdings war die Basisversion unserer Software auch schon zum Gründungstermin fertig. Ab dem ersten Tag hatten wir Kunden. Haben Sie sich irgendwo zu Ihren Ungunsten verschätzt? Wir hatten große Angst, das Wohl unserer Firma nur von einem Produkt abhängig zu machen. Wir begannen deshalb relativ früh, einen Prototypen für ein zweites Programm zu bauen. Dafür stellten wir einen dritten Mitarbeiter ein, den wir auch zum Gesellschafter machen wollten. Das ging daneben: Auch wenn es zunächst so aussah, als würde alles zwischen uns passen, waren wir uns in der Strategie nicht einig genug. Wir mussten unseren ersten Mitarbeiter wieder entlassen. Das fühlte sich an wie eine Trennung. Danach wollten wir lieber zu zweit bleiben. Wie haben Sie es geschafft, die Lücke wieder zu füllen? Gar nicht. Wir haben gemerkt: ohne zusätzliches Personal kein neues Produkt. Daraufhin haben wir unser Geschäftsmodell angepasst. Auch wenn wir uns anfangs davor scheuten, haben wir uns nur noch auf Mite fokussiert. Unsere Sorge, eine Übermacht wie Google würde ein Konkurrenzprodukt entwickeln, hat sich zum Glück nie bestätigt. Gab es noch eine Situation, in der Sie Ihr Geschäftsmodell ändern mussten? Ja, aber das war geplant. Da Mite zunächst ein Uni-Projekt war, stellten wir es unseren Nutzern kostenlos zur Verfügung. Das änderte sich, als wir gründeten. Um die Nutzer der ersten Stunde nicht zu verjagen, verlangten wir nur von den Neukunden eine monatliche Gebühr von fünf Euro. Den bisherigen Nutzern stellten wir frei, ob und was Sie für unseren Dienst ausgeben wollten. Mittlerweile zahlen 20 Prozent von ihnen – im Schnitt 4,20 Euro im Monat. Sind Sie auch im Zweierteam im Unternehmeralltag aneinandergeraten? Es hört sich fast zu schön an, aber bei den wichtigen Entscheidungen sind wir tatsächlich einer Meinung. Ich habe mit meinem Partner den Jackpot gezogen – und das Gleiche würde er hoffentlich über mich sagen. Wir hatten allerdings die Zeit, uns und die Arbeit des anderen im Studium kennen- und schätzen zu lernen. Wie teilen Sie die Arbeit auf? Mein Partner kümmert sich um alles Technische, wie das Programmieren und um das Design der Software. Ich spreche mit den Kunden, führe die Bücher und erledige alles Organisatorische. Da kommen wir uns nicht in die Quere. Auch unser Büro ist getrennt, mein Partner arbeitet in Hamburg von zu Hause aus und ich in Berlin. Nach sieben Jahren Zusammenarbeit können wir so noch ein Bier trinken gehen – als Freunde und ohne übers Geschäft zu reden. Ich würde jedem Gründer empfehlen, sich einen Mitstreiter ins Boot zu holen. Bei wichtigen Entscheidungen und in Krisen ist der Rat eines außenstehenden Freundes oft nicht genug. Sie haben Ihr Umsatzziel 2014 um 200.000 Euro verfehlt. War das so eine Krise? Nein, wir haben gefeiert. Für uns zählt nur eine Kennzahl: das Betriebsergebnis, also der Gewinn. Für 2014 hatten wir ein Plus von 230.000 Euro nach Privatentnahmen angestrebt. Unterm Strich waren es tatsächlich 450.000 Euro. Und das, obwohl wir im Businessplan mit dem Ertrag von zwei Produkten gerechnet hatten. Wenn wir sehen, wo wir heute stehen, kneifen wir uns manchmal gegenseitig in den Arm. Wir hätten anfangs nie gedacht, dass eine Idee, wie ein Programm zur Zeiterfassung, so groß werden kann. Wohin wollen Sie noch mit dem Unternehmen? Mittlerweile besteht unser Alltag in der Pflege unseres Programms. Neukunden gewinnen wir nur über Weiterempfehlungen, auf Marketing haben wir von jeher verzichtet. Ich würde sagen, wir sind bereits angekommen.   Steckbrief Name, Alter: Julia Soergel, 33 Firma: Sebastian Munz & Julia Soergel GbR Geschäftskonzept: Eine Software zum Erfassen der Arbeitszeit Gründungsdatum: 01.05.2008 Standort: Berlin Erster Businessplan: 2008 Erstmals in impulse: Gründerzeit 1/2010 Plan und Realität DAMALS: Umsatzerwartung (2010): 225.000 Euro Mitarbeiter: 0 Büro- und Lagerfläche: 0 m² Urlaubstage: 0 Auto/ Fahrrad: 0 HEUTE:  Umsatz: 700.000 Euro Mitarbeiter: 0 Büro- und Lagerfläche: 0 m² Urlaubstage: 25 Auto/ Fahrrad: Tokyobike, Baujahr 2011 Früher dachte ich, Unternehmer ... das sind die mit Schlips, Benz und einer Schar von Anwälten. Heute weiß ich, ... dass eine Firma auch klein und fair funktionieren kann. Wenn ich nicht Unternehmerin geworden wäre, ... würde ich freiberuflich an mehreren Internetprojekten arbeiten.
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