Selbstmanagement
Eiswürfel im Wein – ein Fauxpas ?

Temperaturen an die 30 Grad und eine beinahe erdrückende Schwüle. Bei diesem Wetter kann man auch Rotwein ruhig in den Kühlschrank legen - und den Weißwein mit Eiswürfeln auffrischen. Oder etwa doch nicht? Eine kleine sommerliche Weinkunde.

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Weiß- oder Rotwein - oder lieber Wasser im Sommer?
Weiß- oder Rotwein - oder lieber Wasser im Sommer?
© pilipphoto/Fotolia

Spätestens, wenn vor dem Weinregal die Rot-Weiß-Diskussion beginnt, weiß man, der Hochsommer ist da: „Nimm einen Weißen, den Roten kannst du ja nicht kalt servieren!“ Wirklich nicht? Doch, sagt der Kölner Sommelier Peer Holm. „Viele Leute denken, dass Rotwein im Sommer nicht funktioniert – weil sie ihn zu warm trinken“, erklärt der 48-Jährige. In die Irre führe hier oft der Begriff „Zimmertemperatur“, denn er stamme aus einer Zeit, als es noch keine Zentralheizung gab und durchschnittlich 18 Grad in den eigenen vier Wänden herrschten.

Die ideale Trinktemperatur für einen Rotwein liegt dem Sommelier zufolge bei 16-18 Grad, für leichte Rotweine eher ein paar Grad kühler. Auch ein Rotwein verträgt also durchaus einen kurzen Aufenthalt im Kühlschrank. Für alle, die das nichts übers Herz bringen, hat Holm eine Alternative parat: Einfach einen Sektkübel mit kaltem Wasser statt Eis füllen und die Flasche darin abkühlen. „Dann bekommt der Rotwein eine tolle Temperatur“, verspricht er. Von kraftvollen Rotweinen mit um die 16 Volumenprozent Alkohol, wie etwa einem Amarone oder einen Shiraz aus Australien, lässt allerdings auch Holm bei Hitze die Finger.

Warum ist Rotwein schwerer als Weißwein?

Und für alle, denen selbst der leichte Rotwein noch zu schwer ist? Wasser wäre eine vernünftige Alternative. „Aber Wasser alleine schmeckt natürlich nicht nach so viel“, scherzt der Sommelier. Für die empfiehlt sich bei diesem Wetter ein Weißwein. „Das ist immer eine persönliche Geschmackssache, aber ich bevorzuge einen trockenen Riesling, der eine erfrischende Säure hat.“ Im Kabinettbereich sei der Alkoholgehalt zudem niedriger und verträglicher.

Aber warum ist eigentlich Rotwein generell „schwerer“ als Weißwein? „Wenn wir von Weißwein sprechen, denken wir an einen fruchtigen und spritzigen Geschmack. Bei Rotwein haben wir eine ganz andere Struktur im Wein – dunkle, komplexe Beeren und Holzaromen“, beschreibt Winzerin Desirée Eser den Unterschied. „Rotweine sind insgesamt phenolreicher. Phenole sind die Gerbstoffe, die sich im Wein befinden – sie sind hauptverantwortlich für die Schwere.“ Zudem haben Rotweine in der Regel einen etwas höheren Alkoholgehalt.

Eiswürfel im Wein – ein Fauxpas?

Beim leichten Weißwein liegt die Trinktemperatur in der Regel im Bereich von 8 bis 10 Grad Celsius. Sollte der Wein nicht kalt genug sein, kann man ja immer noch ein paar Eiswürfel ins Glas geben. Oder? Eine Idee, die mitten ins Winzerherz trifft: „Ein Unding“ nennt Eser diese Praxis, die auch gerne in Großstadtbars praktiziert wird. „Bei dem heißen, schwülen Wetter kann ich es natürlich verstehen, wenn man sein Getränk kühlen will. Aber bitte, bitte nicht mit normalen Eiswürfeln!“, sagt die Winzerin aus dem Rheingau. Das verwässere den Wein im Grunde zu einer Schorle.

„Im Sommer kann eine Schorle ganz nett sein, aber: Wir Winzer stecken so viel Handarbeit in den Weinberg und die Trauben, damit der Wein sehr konzentriert ist“, begründet Eser ihre Abneigung. Sie wolle, dass ihr Wein begeistere und nicht wie ein „dünnes Hemdchen“ schmecke. Für alle, die ihr Getränk dennoch im Glas kühlen möchten, hat die Winzerin einen alternativen Tipp parat: Kleine, runde Eiswürfel, die mit einer Plastikschicht ummantelt sind. Sie geben Kälte ab, verwässern aber den Wein nicht – und man kann sie wiederverwenden.

Sommelier Holm sieht die Eiswürfel-Causa nicht ganz so eng. „Wasser in den Wein, darüber kann man natürlich diskutieren. Aber über das kohlensäurehaltige Mineralwasser bekommt der trockene Riesling noch einen Frischekick.“ Durch das 50:50 Mischverhältnis würde zudem der Alkoholgehalt halbiert.

Vom Aperitif zum Digestif

Und was ist bei diesen Temperaturen eine gute kulinarische Ergänzung zum Wein? Mittags, zum leichten Weißen, eigneten sich hervorragend Meeresfrüchte, so Sommelier Holm. Abends, zum Roten, ein schönes Stück Fleisch.

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Als Aperitif reicht der Kölner gerne einen „Rebujito“: Eine Mischung aus einem trockenen Sherry mit Zitronenlimonade, Minzblättern und Zitronenscheibe auf Eis. „Das schmeckt wahnsinnig erfrischend mit weniger Alkohol“, konstatiert Holm.

Und zum Hauptgang – ein schönes Stück Rindfleisch? „Bei dessen rauchigen Aromen kann ich mir einen im Holzfass ausgereiften Rotwein vorstellen, der nicht zu kräftig ist“, sagt Holm. Etwa einen, der aus dem südfranzösischen Rhone-Gebiet stamme oder aus der Rioja-Region in Spanien. „Die haben in der Regel genügend Würze, um mit dem Fleisch zu harmonieren“, so der Kölner Weinberater.

Zum Abschluss dann noch einen Madeira. Je nach Geschmack könne man den in einer sehr süßen und in einer nicht ganz so süßen Variante wählen, sagt Holm. „Ein guter Madeira zu einer Zigarre – das ist perfekt.“

Das Fazit des Sommeliers: Bewusst genießen! Lieber ein Glas oder ein Stück Fleisch weniger – dafür aber gute und nachhaltige Qualität.

 

Unsere Gesprächspartner:

Peer HolmPeer Holm, Jahrgang 1966, ist seit 2013 Vizepräsident der Sommelier-Union Deutschland. Der selbstständige Weinexperte lebt in Köln und berät und schult rund um das Thema „Genuss“. Mehr zu Peer Holm unter www.wein-wissen.de

 
 

JanetAntonissen_Zuschnitt Désirée Eser leitet zusammen mit ihrem Mann das familiengeführte Weingut „August Eser“ im Herzen des Weinanbaugebietes Rheingau/Hessen. Das Motto der Winzerin: „Das Leben ist zu kurz, um schlechten Wein zu trinken“. Mehr zu Désirée Eser unter www.eser-wein.de

 
(Foto Désirée Eser: Heibel)

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Spätestens, wenn vor dem Weinregal die Rot-Weiß-Diskussion beginnt, weiß man, der Hochsommer ist da: "Nimm einen Weißen, den Roten kannst du ja nicht kalt servieren!" Wirklich nicht? Doch, sagt der Kölner Sommelier Peer Holm. "Viele Leute denken, dass Rotwein im Sommer nicht funktioniert – weil sie ihn zu warm trinken", erklärt der 48-Jährige. In die Irre führe hier oft der Begriff "Zimmertemperatur", denn er stamme aus einer Zeit, als es noch keine Zentralheizung gab und durchschnittlich 18 Grad in den eigenen vier Wänden herrschten. Die ideale Trinktemperatur für einen Rotwein liegt dem Sommelier zufolge bei 16-18 Grad, für leichte Rotweine eher ein paar Grad kühler. Auch ein Rotwein verträgt also durchaus einen kurzen Aufenthalt im Kühlschrank. Für alle, die das nichts übers Herz bringen, hat Holm eine Alternative parat: Einfach einen Sektkübel mit kaltem Wasser statt Eis füllen und die Flasche darin abkühlen. "Dann bekommt der Rotwein eine tolle Temperatur", verspricht er. Von kraftvollen Rotweinen mit um die 16 Volumenprozent Alkohol, wie etwa einem Amarone oder einen Shiraz aus Australien, lässt allerdings auch Holm bei Hitze die Finger. Warum ist Rotwein schwerer als Weißwein? Und für alle, denen selbst der leichte Rotwein noch zu schwer ist? Wasser wäre eine vernünftige Alternative. "Aber Wasser alleine schmeckt natürlich nicht nach so viel", scherzt der Sommelier. Für die empfiehlt sich bei diesem Wetter ein Weißwein. "Das ist immer eine persönliche Geschmackssache, aber ich bevorzuge einen trockenen Riesling, der eine erfrischende Säure hat." Im Kabinettbereich sei der Alkoholgehalt zudem niedriger und verträglicher. Aber warum ist eigentlich Rotwein generell "schwerer" als Weißwein? "Wenn wir von Weißwein sprechen, denken wir an einen fruchtigen und spritzigen Geschmack. Bei Rotwein haben wir eine ganz andere Struktur im Wein - dunkle, komplexe Beeren und Holzaromen", beschreibt Winzerin Desirée Eser den Unterschied. "Rotweine sind insgesamt phenolreicher. Phenole sind die Gerbstoffe, die sich im Wein befinden - sie sind hauptverantwortlich für die Schwere." Zudem haben Rotweine in der Regel einen etwas höheren Alkoholgehalt. Eiswürfel im Wein - ein Fauxpas? Beim leichten Weißwein liegt die Trinktemperatur in der Regel im Bereich von 8 bis 10 Grad Celsius. Sollte der Wein nicht kalt genug sein, kann man ja immer noch ein paar Eiswürfel ins Glas geben. Oder? Eine Idee, die mitten ins Winzerherz trifft: "Ein Unding" nennt Eser diese Praxis, die auch gerne in Großstadtbars praktiziert wird. "Bei dem heißen, schwülen Wetter kann ich es natürlich verstehen, wenn man sein Getränk kühlen will. Aber bitte, bitte nicht mit normalen Eiswürfeln!", sagt die Winzerin aus dem Rheingau. Das verwässere den Wein im Grunde zu einer Schorle. "Im Sommer kann eine Schorle ganz nett sein, aber: Wir Winzer stecken so viel Handarbeit in den Weinberg und die Trauben, damit der Wein sehr konzentriert ist", begründet Eser ihre Abneigung. Sie wolle, dass ihr Wein begeistere und nicht wie ein "dünnes Hemdchen" schmecke. Für alle, die ihr Getränk dennoch im Glas kühlen möchten, hat die Winzerin einen alternativen Tipp parat: Kleine, runde Eiswürfel, die mit einer Plastikschicht ummantelt sind. Sie geben Kälte ab, verwässern aber den Wein nicht – und man kann sie wiederverwenden. Sommelier Holm sieht die Eiswürfel-Causa nicht ganz so eng. "Wasser in den Wein, darüber kann man natürlich diskutieren. Aber über das kohlensäurehaltige Mineralwasser bekommt der trockene Riesling noch einen Frischekick." Durch das 50:50 Mischverhältnis würde zudem der Alkoholgehalt halbiert. Vom Aperitif zum Digestif Und was ist bei diesen Temperaturen eine gute kulinarische Ergänzung zum Wein? Mittags, zum leichten Weißen, eigneten sich hervorragend Meeresfrüchte, so Sommelier Holm. Abends, zum Roten, ein schönes Stück Fleisch. Als Aperitif reicht der Kölner gerne einen "Rebujito": Eine Mischung aus einem trockenen Sherry mit Zitronenlimonade, Minzblättern und Zitronenscheibe auf Eis. "Das schmeckt wahnsinnig erfrischend mit weniger Alkohol", konstatiert Holm. Und zum Hauptgang – ein schönes Stück Rindfleisch? "Bei dessen rauchigen Aromen kann ich mir einen im Holzfass ausgereiften Rotwein vorstellen, der nicht zu kräftig ist", sagt Holm. Etwa einen, der aus dem südfranzösischen Rhone-Gebiet stamme oder aus der Rioja-Region in Spanien. "Die haben in der Regel genügend Würze, um mit dem Fleisch zu harmonieren", so der Kölner Weinberater. Zum Abschluss dann noch einen Madeira. Je nach Geschmack könne man den in einer sehr süßen und in einer nicht ganz so süßen Variante wählen, sagt Holm. "Ein guter Madeira zu einer Zigarre – das ist perfekt." Das Fazit des Sommeliers: Bewusst genießen! Lieber ein Glas oder ein Stück Fleisch weniger – dafür aber gute und nachhaltige Qualität.   Unsere Gesprächspartner: Peer Holm, Jahrgang 1966, ist seit 2013 Vizepräsident der Sommelier-Union Deutschland. Der selbstständige Weinexperte lebt in Köln und berät und schult rund um das Thema "Genuss". Mehr zu Peer Holm unter www.wein-wissen.de     Désirée Eser leitet zusammen mit ihrem Mann das familiengeführte Weingut "August Eser" im Herzen des Weinanbaugebietes Rheingau/Hessen. Das Motto der Winzerin: "Das Leben ist zu kurz, um schlechten Wein zu trinken". Mehr zu Désirée Eser unter www.eser-wein.de   (Foto Désirée Eser: Heibel)
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