Social-Media-Erfahrungsberichte
Die Mär vom „quasi nebenbei machen“

Auch für kleine und mittlere Unternehmen kann es sich lohnen, in den sozialen Medien präsent zu sein. Unsere Social-Media-Erfahrungsberichte zeigen aber auch: Nur als Karteileiche dabei sein reicht nicht.

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Ein Schild im Fenster reicht nicht aus, um in den sozialen Netzwerken Erfolg zu haben, wie unsere Erfahrungsberichte rund ums Thema Social Media zeigen.
Ein Schild im Fenster reicht nicht aus, um in den sozialen Netzwerken Erfolg zu haben, wie unsere Erfahrungsberichte rund ums Thema Social Media zeigen.
© picture alliance / AP Photo

Exakt 268-mal ist bislang für Softengine der Daumen hochgegangen – nach anderthalb Jahren, die das Softwarehaus bei Facebook präsent ist, ein eher mageres Ergebnis. Viel Inter­aktion ist auf der Seite des Unternehmens aus dem rheinland-pfälzischen Hauenstein auch nicht zu finden; die meisten Einträge sind von der Firma selbst.

„Wir haben gedacht, bei Facebook ist heute jeder, also müssen wir da auch rein“, sagt Corinna Müller. Seit 2001 ist sie bei dem Mittelständler mit knapp 100 Mitarbeitern verantwortlich für Marketing, PR und Eventmanagement – und für sämt­liche Social-Media-Aktivitäten. Neben der Facebook-Seite betreibt das Unternehmen unter ihrer Regie seit 2009 eine Gruppe im Business-Netzwerk Xing, twittert regelmäßig und hat in den vergangenen Jahren rund 120 Videos zu seinen Produkten bei Youtube eingestellt.

2000 Likes für 20.000 Euro

Nach mehreren Jahren des Experimentierens ist Müller jedoch ernüchtert: Von neuen Kontakten, zusätzlichen Aufträgen oder zufriedeneren Kunden dank Social Media kann sie nicht berichten, im Gegenteil. Im Herbst 2013 steckte sie allein 20.000 Euro in eine Produktwerbung des Tochterunternehmens Gotomaxx. Die brachte zwar rund 2000 Likes bei Facebook, aber keine zusätzlichen Umsätze. „Wir haben viel ausprobiert, aber der Erfolg unserer Aktivitäten ist für uns nicht messbar“, sagt die Marketingfachfrau.

So wie Softengine geht es vielen mittelständischen Unternehmen. Obwohl Social Media gerade für kleinere Unternehmen mit begrenztem Budget als ideales Marketinginstrument angepriesen wird, gelingt es bislang nur wenigen Mittelständlern, die sozialen Netzwerke erfolgreich für sich zu nutzen. Das zeigt eine aktuelle Studie der Universität Liechtenstein in Zusammenarbeit mit der Wirtschaftsuniversität Wien. Mehr als 400 Entscheider aus kleinen und großen Unternehmen im deutschsprachigen Raum beantworteten die Fragen der Forscher dazu, welche Social-Media-Dienste sie nutzen, wie häufig sie dort aktiv sind, ob sie die Wirksamkeit messen.

Zentrales Ergebnis: Große Unternehmen mit mehr als 250 Mitarbeitern sind in sozialen Netzwerken nicht nur deutlich präsenter als kleine, sie haben auch mehr davon. „Social-Media-Marketing zahlt sich bisher nur für größere Unternehmen aus“, sagt Sascha Kraus, Projektleiter der Studie und Professor für Management an der Universität Liechtenstein, „und zwar für solche, die soziale Netzwerke proaktiv, innovativ und mit Risikobereitschaft nutzen.“

Facebook als Liebling der B2C-Unternehmen

Knapp zwei Drittel der befragten Unternehmen nutzen die sozialen Netzwerke, beispielsweise um ihre Marke bekannter zu machen, neue Kunden zu gewinnen oder die Beziehungen zu bestehenden zu pflegen. Unabhängig von der Größe engagieren sich B2C-Unternehmen dabei bevorzugt auf Facebook; B2B-Unternehmen nutzen am häufigsten Xing. Mit deutlichem Abstand folgen jeweils Twitter, Google+ und LinkedIn.

Insgesamt gesehen sind die Großunternehmen mit 81 Prozent nicht nur deutlich öfter in sozialen Netzwerken vertreten als die kleinen und mittelgroßen mit 58 Prozent – sie sind dort auch wesentlich aktiver. So kommuniziert beispielsweise nur ein Fünftel der kleinen Unternehmen täglich über soziale Medien, bei den Großunternehmen sind es dagegen fast doppelt so viele. Die Fluggesellschaft KLM etwa ermuntert ihre Fluggäste, Fragen und Kommentare rund um ihre Flugreisen auf Facebook zu posten, und verspricht eine Rückmeldung binnen einer Stunde.

Allein, viele Mittelständler sind und bleiben überzeugte Social-Media-Muffel. Jede dritte kleinere Firma hat laut Studie auch in Zukunft keinerlei Ambitionen, sich online mit ihren Kunden zu vernetzen. Und 5 Prozent haben zwar einen eigenen Social-Media-Account, nutzen ihn als Karteileiche aber überhaupt nicht.

Marketing im Blindflug

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Den Grund für die Zurückhaltung im Mittelstand sieht Co-Projektleiterin Isabella Hatak von der Wirtschaftsuniversität Wien vor allem in fehlenden Ressourcen: „Großunternehmen haben den Vorteil, dass sie meist mehr Kapital sowie Mitarbeiter mit dem nötigen Fachwissen zur Pflege der sozialen Netzwerke zur Verfügung haben.“ Zudem würde den Kleinen oft eine klare Vorstellung davon fehlen, ob und wie soziale Netzwerke ihnen bei ihren Marketingzielen nutzen können.

Viele sind mehr oder weniger im Blindflug unterwegs und vernachlässigen auch die Erfolgskontrolle. Nur knapp ein Drittel der kleinen und mittleren Unternehmen überprüft laut Untersuchung die ­Effektivität ihres Social-Media-Marketings. Bei den größeren Unternehmen sind es dagegen fast 60 Prozent, die regelmäßig Klicks, Likes, Freundschaftsanfragen, Nutzerzahlen sowie positive und negative Kommentare untersuchen. Daraus schließen die Autoren, dass Großunternehmen viel eher erkennen, was sie an ihrem Netzwerk-Marketing noch verbessern können.

Daraus harte Erfolgskennzahlen abzuleiten fällt allerdings fast allen schwer. Für Corinna Müller von Softengine war das ein Grund, das Social-Media-Marketing zurückzufahren. Inzwischen investiert sie ihr Budget lieber wieder dort, wo sich die Ergebnisse klar beziffern lassen, zum Beispiel in Google Adwords. Hier werden Online-Anzei­gen gezielt nur solchen Nutzern angezeigt, die bestimmte, vom Unternehmen gebuchte Suchbe­griffe bei Google eingeben. Abgerechnet wird nach Erfolgsfaktoren wie der Anzahl der Klicks, einer Registrierung oder eines Kaufs. „Wenn ich hier 7000 Euro im Monat investiere“, sagt Müller, „schlägt sich das eindeutig in zusätzlichen Umsätzen nieder.“

„Back to the roots“

Neben der Onlinewerbung fürs Neukunden­ge­schäft setzt sie auch mehr auf den klassischen persönlichen Kontakt, um die Kundenbindung zu stärken, um Wechselwillige zu halten oder Anschlussgeschäfte zu generieren. „Back to the roots“, also zurück zur persönlichen Kunden­ansprache, lautet ihr Motto. „Dieser Hype um Facebook & Co. ist bald wieder vorbei“, glaubt sie.

Eine Einschätzung, die Sascha Kraus nur sehr bedingt teilt. Zwar kommen er und seine Co-Autoren Isabella Hatak und Fabian Eggers vom kalifornischen Menlo College tatsächlich zu dem Schluss, dass Social-Media-Aktivitäten bei kleineren Firmen derzeit keine feststellbaren positiven Auswirkungen auf den Unternehmenserfolg haben. Das heißt für ihn aber nicht, dass Facebook & Co. für Mittelständler generell ungeeignet sind und getrost ignoriert werden dürfen.

Schließlich belege die Studie, dass Social-Media-Marketing in großen Unternehmen durchaus zum Erfolg beiträgt: „Das kann und wird unserer Einschätzung nach in kleinen und mittelgroßen Unternehmen genauso sein – wenn sie denn endlich lernen, es richtig zu machen“, so Kraus, der neben seinem Lehrstuhl in Liechtenstein auch eine Gastprofessur für International Small Business Management an der Schweizer Universität St. Gallen innehat.

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Social Media als kleiner Nebenjob

Falsch ist nach Kraus’ Ansicht die bei vielen Mittelständlern vorherrschende Meinung: Ein guter Marketingmanager sei automatisch auch ein guter Social-Media-Marketingmanager und könne das „quasi nebenher“ machen. „Mir sind sogar mittelgroße Unternehmen bekannt, da übernimmt das gesamte Social-Media-Marketing eine einzige studentische Hilfskraft – nebenberuflich!“, sagt der Managementprofessor. „Und da wundert man sich dann auch noch, dass es nichts bringt.“

Sein dringender Rat: Damit Social Media zur Erfolgsgeschichte wird, brauchen Unternehmen eine klare Strategie und dezidiert dafür ausgebildete Fachkräfte. Sie sollten über entsprechende Erfahrungen verfügen und diese im Unternehmen ausbauen und ausleben dürfen – bitte auch unterstützt vom Topmanagement. Ein Riesenbudget ­benötigen sie dafür nicht, aber genug Zeit – mehr als etwa Corinna Müller, die das Social-Media-Marketing in den vergangenen zwei Jahren parallel zu ihren anderen Aufgaben betrieben hat.

Auch viele andere Mittelständler verfolgen in den sozialen Netzwerken nicht wirklich einen Plan, bestätigt eine Umfrage des Branchenverbands Bitkom. Zwar agiere knapp die Hälfte der deutschen Unternehmen auf Facebook, Twitter und so weiter – allerdings eher als Alibi oder gar als Abspiel­station für Pressemitteilungen und Produktinfos. Nur eine winzige Minderheit habe ein klar definiertes Konzept. Und Fachleute, die wissen, wie man es umsetzt.

Per Blog zu mehr Umsatz

Zu dieser seltenen Spezies gehört Matthias Schultze. Der 40-jährige Maler- und Lackiermeister lei­tet seit 15 Jahren den väterlichen Malereibetrieb Heyse in Hannover mit 25 Mitarbeitern. Seit den Anfängen des Internets beschäftigt sich Schultze mit dem Medium und hat sogar eine Weiter­bildung zum Social-Media-Manager absolviert. Für ihn ist klar: Wer heute einen Handwerker sucht, der schaut als Erstes ins Netz. Den Strom der Suchenden aufs eigene Unternehmen zu lenken ist deshalb eines seiner zentralen Marketingziele. Allerdings nicht über Vergleichs- und Bewertungsportale, in denen es vor allem um den Preis geht. Sondern über seinen Blog und seine Präsenz in sozialen Netzwerken: „Hier können wir erklären, warum wir nicht die Billigsten sind“, sagt der Malermeister.

Höchstpersönlich bespielt der Firmenchef sämt­liche Social-Media-Kanäle: Facebook, Google+, Twitter, Pinterest und Youtube. Sein wichtigstes Sprachrohr ist allerdings sein Blog, der auf sämt­lichen Social-Media-Kanälen verlinkt ist. Ihn bestückt Schultze drei- bis viermal wöchentlich mit neuen und zum Teil sehr persönlichen Beiträgen. Über die Konsequenzen ist er sich im Klaren: „Man muss bereit sein, sich zu zeigen. Man gibt viel von sich preis und muss entsprechend auch mal Kritik oder Spott aushalten können“, sagt er. Und man werde transparent – auch für die Konkurrenz.

Social Media ist Chefsache

Vier Stunden investiert der Handwerker täglich. „Social Media ist Chefsache und muss authentisch und treffend sein, das kann ich nicht als Agenturleistung einkaufen“, sagt er. Viel Aufwand, doch er lohnt sich. Neun von zehn Neukunden fänden heute über soziale Netzwerke zu ihm. Seit 2012 habe ihm das Thema zusätzliche Aufträge im Wert von 360.000 Euro eingebracht. Das weiß der Firmenchef so genau, weil er auch die Kunst des Netzwerk-Controllings beherrscht: Er fragt seither jeden Kunden, wie und wo er auf ihn aufmerksam geworden ist.

Das Argument, Social Media sei zu zeitaufwendig, lässt Schultze nicht gelten. Man könne fast immer weniger produktive Aufgaben delegieren oder an Dienstleister vergeben. So bearbeitet ein Callcenter sämtliche Festnetzanrufe bei der Firma Heyse. „Wer online nicht gefunden wird, der findet bald gar nicht mehr statt“, sagt Schultze. Schon bald hätten die Social-Media-Muffel mehr freie Zeit, als ihnen lieb sein könne.

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Exakt 268-mal ist bislang für Softengine der Daumen hochgegangen – nach anderthalb Jahren, die das Softwarehaus bei Facebook präsent ist, ein eher mageres Ergebnis. Viel Inter­aktion ist auf der Seite des Unternehmens aus dem rheinland-pfälzischen Hauenstein auch nicht zu finden; die meisten Einträge sind von der Firma selbst. "Wir haben gedacht, bei Facebook ist heute jeder, also müssen wir da auch rein", sagt Corinna Müller. Seit 2001 ist sie bei dem Mittelständler mit knapp 100 Mitarbeitern verantwortlich für Marketing, PR und Eventmanagement – und für sämt­liche Social-Media-Aktivitäten. Neben der Facebook-Seite betreibt das Unternehmen unter ihrer Regie seit 2009 eine Gruppe im Business-Netzwerk Xing, twittert regelmäßig und hat in den vergangenen Jahren rund 120 Videos zu seinen Produkten bei Youtube eingestellt. 2000 Likes für 20.000 Euro Nach mehreren Jahren des Experimentierens ist Müller jedoch ernüchtert: Von neuen Kontakten, zusätzlichen Aufträgen oder zufriedeneren Kunden dank Social Media kann sie nicht berichten, im Gegenteil. Im Herbst 2013 steckte sie allein 20.000 Euro in eine Produktwerbung des Tochterunternehmens Gotomaxx. Die brachte zwar rund 2000 Likes bei Facebook, aber keine zusätzlichen Umsätze. "Wir haben viel ausprobiert, aber der Erfolg unserer Aktivitäten ist für uns nicht messbar", sagt die Marketingfachfrau. So wie Softengine geht es vielen mittelständischen Unternehmen. Obwohl Social Media gerade für kleinere Unternehmen mit begrenztem Budget als ideales Marketinginstrument angepriesen wird, gelingt es bislang nur wenigen Mittelständlern, die sozialen Netzwerke erfolgreich für sich zu nutzen. Das zeigt eine aktuelle Studie der Universität Liechtenstein in Zusammenarbeit mit der Wirtschaftsuniversität Wien. Mehr als 400 Entscheider aus kleinen und großen Unternehmen im deutschsprachigen Raum beantworteten die Fragen der Forscher dazu, welche Social-Media-Dienste sie nutzen, wie häufig sie dort aktiv sind, ob sie die Wirksamkeit messen. Zentrales Ergebnis: Große Unternehmen mit mehr als 250 Mitarbeitern sind in sozialen Netzwerken nicht nur deutlich präsenter als kleine, sie haben auch mehr davon. "Social-Media-Marketing zahlt sich bisher nur für größere Unternehmen aus", sagt Sascha Kraus, Projektleiter der Studie und Professor für Management an der Universität Liechtenstein, "und zwar für solche, die soziale Netzwerke proaktiv, innovativ und mit Risikobereitschaft nutzen." Facebook als Liebling der B2C-Unternehmen Knapp zwei Drittel der befragten Unternehmen nutzen die sozialen Netzwerke, beispielsweise um ihre Marke bekannter zu machen, neue Kunden zu gewinnen oder die Beziehungen zu bestehenden zu pflegen. Unabhängig von der Größe engagieren sich B2C-Unternehmen dabei bevorzugt auf Facebook; B2B-Unternehmen nutzen am häufigsten Xing. Mit deutlichem Abstand folgen jeweils Twitter, Google+ und LinkedIn. Insgesamt gesehen sind die Großunternehmen mit 81 Prozent nicht nur deutlich öfter in sozialen Netzwerken vertreten als die kleinen und mittelgroßen mit 58 Prozent – sie sind dort auch wesentlich aktiver. So kommuniziert beispielsweise nur ein Fünftel der kleinen Unternehmen täglich über soziale Medien, bei den Großunternehmen sind es dagegen fast doppelt so viele. Die Fluggesellschaft KLM etwa ermuntert ihre Fluggäste, Fragen und Kommentare rund um ihre Flugreisen auf Facebook zu posten, und verspricht eine Rückmeldung binnen einer Stunde. Allein, viele Mittelständler sind und bleiben überzeugte Social-Media-Muffel. Jede dritte kleinere Firma hat laut Studie auch in Zukunft keinerlei Ambitionen, sich online mit ihren Kunden zu vernetzen. Und 5 Prozent haben zwar einen eigenen Social-Media-Account, nutzen ihn als Karteileiche aber überhaupt nicht. Marketing im Blindflug Den Grund für die Zurückhaltung im Mittelstand sieht Co-Projektleiterin Isabella Hatak von der Wirtschaftsuniversität Wien vor allem in fehlenden Ressourcen: "Großunternehmen haben den Vorteil, dass sie meist mehr Kapital sowie Mitarbeiter mit dem nötigen Fachwissen zur Pflege der sozialen Netzwerke zur Verfügung haben." Zudem würde den Kleinen oft eine klare Vorstellung davon fehlen, ob und wie soziale Netzwerke ihnen bei ihren Marketingzielen nutzen können. Viele sind mehr oder weniger im Blindflug unterwegs und vernachlässigen auch die Erfolgskontrolle. Nur knapp ein Drittel der kleinen und mittleren Unternehmen überprüft laut Untersuchung die ­Effektivität ihres Social-Media-Marketings. Bei den größeren Unternehmen sind es dagegen fast 60 Prozent, die regelmäßig Klicks, Likes, Freundschaftsanfragen, Nutzerzahlen sowie positive und negative Kommentare untersuchen. Daraus schließen die Autoren, dass Großunternehmen viel eher erkennen, was sie an ihrem Netzwerk-Marketing noch verbessern können. Daraus harte Erfolgskennzahlen abzuleiten fällt allerdings fast allen schwer. Für Corinna Müller von Softengine war das ein Grund, das Social-Media-Marketing zurückzufahren. Inzwischen investiert sie ihr Budget lieber wieder dort, wo sich die Ergebnisse klar beziffern lassen, zum Beispiel in Google Adwords. Hier werden Online-Anzei­gen gezielt nur solchen Nutzern angezeigt, die bestimmte, vom Unternehmen gebuchte Suchbe­griffe bei Google eingeben. Abgerechnet wird nach Erfolgsfaktoren wie der Anzahl der Klicks, einer Registrierung oder eines Kaufs. "Wenn ich hier 7000 Euro im Monat investiere", sagt Müller, "schlägt sich das eindeutig in zusätzlichen Umsätzen nieder." "Back to the roots" Neben der Onlinewerbung fürs Neukunden­ge­schäft setzt sie auch mehr auf den klassischen persönlichen Kontakt, um die Kundenbindung zu stärken, um Wechselwillige zu halten oder Anschlussgeschäfte zu generieren. "Back to the roots", also zurück zur persönlichen Kunden­ansprache, lautet ihr Motto. "Dieser Hype um Facebook & Co. ist bald wieder vorbei", glaubt sie. Eine Einschätzung, die Sascha Kraus nur sehr bedingt teilt. Zwar kommen er und seine Co-Autoren Isabella Hatak und Fabian Eggers vom kalifornischen Menlo College tatsächlich zu dem Schluss, dass Social-Media-Aktivitäten bei kleineren Firmen derzeit keine feststellbaren positiven Auswirkungen auf den Unternehmenserfolg haben. Das heißt für ihn aber nicht, dass Facebook & Co. für Mittelständler generell ungeeignet sind und getrost ignoriert werden dürfen. Schließlich belege die Studie, dass Social-Media-Marketing in großen Unternehmen durchaus zum Erfolg beiträgt: "Das kann und wird unserer Einschätzung nach in kleinen und mittelgroßen Unternehmen genauso sein – wenn sie denn endlich lernen, es richtig zu machen", so Kraus, der neben seinem Lehrstuhl in Liechtenstein auch eine Gastprofessur für International Small Business Management an der Schweizer Universität St. Gallen innehat. Social Media als kleiner Nebenjob Falsch ist nach Kraus’ Ansicht die bei vielen Mittelständlern vorherrschende Meinung: Ein guter Marketingmanager sei automatisch auch ein guter Social-Media-Marketingmanager und könne das "quasi nebenher" machen. "Mir sind sogar mittelgroße Unternehmen bekannt, da übernimmt das gesamte Social-Media-Marketing eine einzige studentische Hilfskraft – nebenberuflich!", sagt der Managementprofessor. "Und da wundert man sich dann auch noch, dass es nichts bringt." Sein dringender Rat: Damit Social Media zur Erfolgsgeschichte wird, brauchen Unternehmen eine klare Strategie und dezidiert dafür ausgebildete Fachkräfte. Sie sollten über entsprechende Erfahrungen verfügen und diese im Unternehmen ausbauen und ausleben dürfen – bitte auch unterstützt vom Topmanagement. Ein Riesenbudget ­benötigen sie dafür nicht, aber genug Zeit – mehr als etwa Corinna Müller, die das Social-Media-Marketing in den vergangenen zwei Jahren parallel zu ihren anderen Aufgaben betrieben hat. Auch viele andere Mittelständler verfolgen in den sozialen Netzwerken nicht wirklich einen Plan, bestätigt eine Umfrage des Branchenverbands Bitkom. Zwar agiere knapp die Hälfte der deutschen Unternehmen auf Facebook, Twitter und so weiter – allerdings eher als Alibi oder gar als Abspiel­station für Pressemitteilungen und Produktinfos. Nur eine winzige Minderheit habe ein klar definiertes Konzept. Und Fachleute, die wissen, wie man es umsetzt. Per Blog zu mehr Umsatz Zu dieser seltenen Spezies gehört Matthias Schultze. Der 40-jährige Maler- und Lackiermeister lei­tet seit 15 Jahren den väterlichen Malereibetrieb Heyse in Hannover mit 25 Mitarbeitern. Seit den Anfängen des Internets beschäftigt sich Schultze mit dem Medium und hat sogar eine Weiter­bildung zum Social-Media-Manager absolviert. Für ihn ist klar: Wer heute einen Handwerker sucht, der schaut als Erstes ins Netz. Den Strom der Suchenden aufs eigene Unternehmen zu lenken ist deshalb eines seiner zentralen Marketingziele. Allerdings nicht über Vergleichs- und Bewertungsportale, in denen es vor allem um den Preis geht. Sondern über seinen Blog und seine Präsenz in sozialen Netzwerken: "Hier können wir erklären, warum wir nicht die Billigsten sind", sagt der Malermeister. Höchstpersönlich bespielt der Firmenchef sämt­liche Social-Media-Kanäle: Facebook, Google+, Twitter, Pinterest und Youtube. Sein wichtigstes Sprachrohr ist allerdings sein Blog, der auf sämt­lichen Social-Media-Kanälen verlinkt ist. Ihn bestückt Schultze drei- bis viermal wöchentlich mit neuen und zum Teil sehr persönlichen Beiträgen. Über die Konsequenzen ist er sich im Klaren: "Man muss bereit sein, sich zu zeigen. Man gibt viel von sich preis und muss entsprechend auch mal Kritik oder Spott aushalten können", sagt er. Und man werde transparent – auch für die Konkurrenz. Social Media ist Chefsache Vier Stunden investiert der Handwerker täglich. "Social Media ist Chefsache und muss authentisch und treffend sein, das kann ich nicht als Agenturleistung einkaufen", sagt er. Viel Aufwand, doch er lohnt sich. Neun von zehn Neukunden fänden heute über soziale Netzwerke zu ihm. Seit 2012 habe ihm das Thema zusätzliche Aufträge im Wert von 360.000 Euro eingebracht. Das weiß der Firmenchef so genau, weil er auch die Kunst des Netzwerk-Controllings beherrscht: Er fragt seither jeden Kunden, wie und wo er auf ihn aufmerksam geworden ist. Das Argument, Social Media sei zu zeitaufwendig, lässt Schultze nicht gelten. Man könne fast immer weniger produktive Aufgaben delegieren oder an Dienstleister vergeben. So bearbeitet ein Callcenter sämtliche Festnetzanrufe bei der Firma Heyse. "Wer online nicht gefunden wird, der findet bald gar nicht mehr statt", sagt Schultze. Schon bald hätten die Social-Media-Muffel mehr freie Zeit, als ihnen lieb sein könne.