4-Tage-Woche
„Bei uns ist freitags das Büro geschlossen“

Für die Mitarbeiter des App-Herstellers Bike Citizens beginnt das Wochenende schon am Donnerstag. Im Interview erzählt Gründer Andreas Stückl, wie sein Unternehmen von der 4-Tage-Woche profitiert.

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Freitags Ruhetag: Seitdem beim Unternehmen BikeCitizens die 4-Tage-Woche eingeführt wurde, beginnt dort das Wochenende schon am Donnerstag.
Freitags Ruhetag: Seitdem beim Unternehmen BikeCitizens die 4-Tage-Woche eingeführt wurde, beginnt dort das Wochenende schon am Donnerstag.
© Gina Sanders / Fotolia.com

impulse: Herr Stückl, Sie haben in Ihrem Unternehmen die 4-Tage-Woche eingeführt. Machen Sie seitdem auch 20 Prozent weniger Umsatz?

Andreas Stückl: Seit rund zweieinhalb Jahren ist bei uns freitags das Büro geschlossen. Das bedeutet aber nicht, dass wir 20 Prozent weniger arbeiten. Wir haben die Arbeitszeit nur etwas komprimiert: Wir hatten vorher eine 38,5-Stunden-Woche, verteilt auf fünf Tage. Das haben wir auf 36 Stunden an vier Tagen reduziert. Wir arbeiten also jeden Tag ein bisschen länger, gewinnen aber einen freien Freitag.

Das bedeutet, alle Mitarbeiter haben 2,5 Stunden aufgegeben und bekommen entsprechend weniger Gehalt?

Ja, die Umstellung ging mit einem kleinen Gehaltsverzicht einher. Bei den meisten ging es dabei um etwa 50 bis 70 Euro weniger im Monat.

Und das fanden alle Mitarbeiter gut?

Weniger Gehalt ist natürlich kein Grund zum Jubel – wirklich schlimm fand es aber niemand. Wir haben den Plan nicht mit der Brechstange durchgesetzt. Ein Mitarbeiter hat das damals vorgeschlagen und mein Mitgründer und ich fanden die Idee toll. Wir haben dann erst einmal gefragt, was das Team davon hält.

Mit welchem Ergebnis?

Andreas Stückl
Andreas Stückl gründete Bike Citizens 2011 zusammen mit Daniel Kofler in Graz. Die beiden ehemaligen Fahrradboten wollen mit ihrem Unternehmen das Radfahren in Städten attraktiver machen und entwickelten dazu einen Online-Fahrradroutenplaner

Wir waren uns alle unsicher, ob sich das umsetzen lässt. Also haben wir eine achtwöchige Testphase gestartet, um die Vor- und Nachteile besser abwägen zu können. Wir wollten selbst miterleben, was bei so einer Veränderung passiert: Geht die Firma direkt den Bach herunter? Oder ändert sich vielleicht gar nichts?

Wie ging es nach der Testphase weiter?

Nach den acht Wochen haben wir mit allen Mitarbeitern Einzelgespräche geführt. 95 Prozent des Teams waren sofort dafür, die 4-Tage-Woche dauerhaft einzuführen. Ein oder zwei Teammitglieder zögerten: ob das Arbeitspensum so zu schaffen sei, was Kunden denken könnten oder was sie mit so viel Freizeit anfangen sollten. Auch damit muss man erst lernen umzugehen. Wir haben uns dann trotz einzelner Vorbehalte dazu entschieden. Nach einigen Monaten hat sich dann auch gezeigt, dass die Sorgen unbegründet waren. Bedenken hat inzwischen niemand mehr.

Heute ziehen also alle Mitarbeiter mit?

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Mittlerweile haben wir 35 Mitarbeiter und es gibt nur eine Sonderregelung bei einem Familienvater. Damit es mit der Kinderbetreuung klappt, arbeitet er freitags im Home-Office und geht dafür unter der Woche etwas früher nach Hause. Bei uns ist nichts in Stein gemeißelt. Am Ende zählt das Ergebnis und dass der Mitarbeiter zufrieden ist. Wenn die 4-Tage-Woche nicht in das persönliche Umfeld passt, dann kann man auch eine Ausnahme machen.

Wenn 35 Mitarbeiter 2,5 Stunden weniger arbeiten, fehlen pro Woche fast 90 Stunden Arbeitszeit. Wie lösen Sie das Problem?

Wir sind ein Stück effizienter geworden. Nicht jedes Meeting muss wöchentlich stattfinden – manchmal reicht auch 14-tägig. Außerdem hatten wir einmal pro Woche ein Teammeeting, bei dem jeder ein bisschen von seiner Woche erzählt. Anschließend sind wir alle zusammen Mittagessen gegangen. Das Treffen stammte noch aus der Zeit, in der unser Team nur aus zehn Personen bestand. Mit steigender Mitarbeiterzahl wurde es immer länger und anstrengender. Dieses Monster-Meeting haben wir eingestampft und daraus Abteilungs-Meetings gemacht. Die kleineren Meetings brauchen viel weniger Zeit. Wir haben an vielen kleinen Schräubchen gedreht und hatten die 2,5 Stunden pro Woche so schnell wieder raus.

Wie geht es dem Unternehmen heute mit der Entscheidung?

Ich glaube, der Stress im Team ist geringer. Wir haben relativ wenige Krankheitstage und wenn ich in meine Firma gucke, dann sind die alle engagiert und haben Spaß miteinander. Mein Eindruck ist: Die 4-Tage-Woche steigert die Kreativität. Der Abstand zur alltäglichen Arbeit ist wichtig, um auch auf andere Gedanken zu kommen. Bei zwei freien Tagen fand ich es immer schwer, komplett abzuschalten. Außerdem sprechen die Ergebnisse für sich: Die Mitarbeiterzahl ist in der Zeit von 13 auf 35 Mitarbeiter gestiegen und das Unternehmen wächst. Warum sollten wir das System ändern?

Empfehlen Sie die 4-Tage-Woche auch anderen Unternehmern?

Jeder muss selbst wissen, ob das in seinem Unternehmen und seiner Branche machbar ist. Wir verdienen unser Geld mit einer Fahrradapp und als Digitalagentur für das urbane Radfahren. Bei uns sind gute Ideen entscheidend. Eine kreative Herangehensweise ist wesentlich mehr wert als stumpfes Abarbeiten von Tagen. Ich würde nie sagen, dass die 4-Tage-Woche der Stein der Weisen ist und dass damit jedes Unternehmen durch die Decke fliegt. Aber die 4-Tage-Woche ist ein wahnsinnig schönes i-Tüpfelchen für mein Team.

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Der freie Tag ist für Ihre Mitarbeiter also auch ein Anreiz, um bei Ihnen zu arbeiten? Quasi 4-Tage-Woche statt Dienstwagen?

Hier arbeitet niemand nur wegen der 4-Tage-Woche. Aber natürlich ist ein langes Wochenende auch ein toller Motivator. Die Work-Life-Balance wird vielen Menschen immer wichtiger. Bei drei freien Tagen konkurrieren die verschiedenen Freizeitaktivitäten nicht so sehr miteinander. Das steigert die Lebensqualität.

Was sagen Kunden und Geschäftspartner dazu, dass bei Ihnen freitags niemand ans Telefon geht?

Uns war uns noch nie jemand böse deswegen. Im Gegenteil: Die meisten Menschen freuen sich für uns oder sind neidisch, weil sie selbst noch am Freitagnachmittag im Büro sitzen. Wir haben kein Ladengeschäft und arbeiten viel konzeptionell und im B2B-Bereich. Da muss ein Projekt bis zu einem bestimmten Termin fertig sein, alles andere ist unwichtig.

Ihre Mitarbeiter und die Kunden sind also inzwischen überzeugt. Wie klappt es bei Ihnen? Schaffen Sie es, am Freitag nicht ans Telefon zu gehen oder die Mails zu checken?

Am Anfang fiel mir das schon schwer. In der Gründungsphase haben wir sechzig oder siebzig Stunden pro Woche gearbeitet, wir hatten kein Privatleben. Aber irgendwann geht das nicht mehr. Das ist Raubbau am eigenen Körper und nagt auf Dauer auch an der Kreativität. Inzwischen komme ich super damit klar. Mit drei Tagen Abstand zur Arbeit kann ich immer vollgeladen und motiviert die Woche angehen. Ich glaube, das geht meinen Mitarbeitern genauso.

Ihr Team arbeitet neun Stunden am Tag. Arbeitspsychologen haben festgestellt, dass nach fünf bis sechs Stunden die Arbeitsleistung extrem runtergeht. Wie passt das zusammen?

Ich denke, neun Stunden Arbeit sind machbar, wenn man sich vernünftig verhält und zwischendurch immer wieder kleine Pausen einlegt. Klar hat man manchmal auch Tage, da sind die acht oder neun Stunden richtig stressig. Aber normalerweise sitzt niemand neun Stunden am Stück vollkonzentriert am Rechner. Wir haben hier an der Spree einen schönen Sandstrand und im Büro eine Kaffeemaschine, an der man sich treffen kann. Und nach der Kaffeepause geht es wieder konzentriert an die Arbeit.

Wie wird es in Zukunft weitergehen?

Es kamen natürlich sofort Rufe nach der 3-Tage-Woche. Aber das scheint mir dann doch zu viel. Ich glaube, die 4-Tage-Woche ist die ideale Balance. Unser mittelfristiges Ziel sind aber 32 Stunden an vier Tagen – acht Stunden am Tag ist ein gutes Pensum. Wenn sich Workflows einspielen und wir unsere interne Kommunikation hier und da verbessern, können wir das gut erreichen.

impulse: Herr Stückl, Sie haben in Ihrem Unternehmen die 4-Tage-Woche eingeführt. Machen Sie seitdem auch 20 Prozent weniger Umsatz? Andreas Stückl: Seit rund zweieinhalb Jahren ist bei uns freitags das Büro geschlossen. Das bedeutet aber nicht, dass wir 20 Prozent weniger arbeiten. Wir haben die Arbeitszeit nur etwas komprimiert: Wir hatten vorher eine 38,5-Stunden-Woche, verteilt auf fünf Tage. Das haben wir auf 36 Stunden an vier Tagen reduziert. Wir arbeiten also jeden Tag ein bisschen länger, gewinnen aber einen freien Freitag. Das bedeutet, alle Mitarbeiter haben 2,5 Stunden aufgegeben und bekommen entsprechend weniger Gehalt? Ja, die Umstellung ging mit einem kleinen Gehaltsverzicht einher. Bei den meisten ging es dabei um etwa 50 bis 70 Euro weniger im Monat. Und das fanden alle Mitarbeiter gut? Weniger Gehalt ist natürlich kein Grund zum Jubel – wirklich schlimm fand es aber niemand. Wir haben den Plan nicht mit der Brechstange durchgesetzt. Ein Mitarbeiter hat das damals vorgeschlagen und mein Mitgründer und ich fanden die Idee toll. Wir haben dann erst einmal gefragt, was das Team davon hält. Mit welchem Ergebnis? Wir waren uns alle unsicher, ob sich das umsetzen lässt. Also haben wir eine achtwöchige Testphase gestartet, um die Vor- und Nachteile besser abwägen zu können. Wir wollten selbst miterleben, was bei so einer Veränderung passiert: Geht die Firma direkt den Bach herunter? Oder ändert sich vielleicht gar nichts? Wie ging es nach der Testphase weiter? Nach den acht Wochen haben wir mit allen Mitarbeitern Einzelgespräche geführt. 95 Prozent des Teams waren sofort dafür, die 4-Tage-Woche dauerhaft einzuführen. Ein oder zwei Teammitglieder zögerten: ob das Arbeitspensum so zu schaffen sei, was Kunden denken könnten oder was sie mit so viel Freizeit anfangen sollten. Auch damit muss man erst lernen umzugehen. Wir haben uns dann trotz einzelner Vorbehalte dazu entschieden. Nach einigen Monaten hat sich dann auch gezeigt, dass die Sorgen unbegründet waren. Bedenken hat inzwischen niemand mehr. Heute ziehen also alle Mitarbeiter mit? Mittlerweile haben wir 35 Mitarbeiter und es gibt nur eine Sonderregelung bei einem Familienvater. Damit es mit der Kinderbetreuung klappt, arbeitet er freitags im Home-Office und geht dafür unter der Woche etwas früher nach Hause. Bei uns ist nichts in Stein gemeißelt. Am Ende zählt das Ergebnis und dass der Mitarbeiter zufrieden ist. Wenn die 4-Tage-Woche nicht in das persönliche Umfeld passt, dann kann man auch eine Ausnahme machen. Wenn 35 Mitarbeiter 2,5 Stunden weniger arbeiten, fehlen pro Woche fast 90 Stunden Arbeitszeit. Wie lösen Sie das Problem? Wir sind ein Stück effizienter geworden. Nicht jedes Meeting muss wöchentlich stattfinden – manchmal reicht auch 14-tägig. Außerdem hatten wir einmal pro Woche ein Teammeeting, bei dem jeder ein bisschen von seiner Woche erzählt. Anschließend sind wir alle zusammen Mittagessen gegangen. Das Treffen stammte noch aus der Zeit, in der unser Team nur aus zehn Personen bestand. Mit steigender Mitarbeiterzahl wurde es immer länger und anstrengender. Dieses Monster-Meeting haben wir eingestampft und daraus Abteilungs-Meetings gemacht. Die kleineren Meetings brauchen viel weniger Zeit. Wir haben an vielen kleinen Schräubchen gedreht und hatten die 2,5 Stunden pro Woche so schnell wieder raus. Wie geht es dem Unternehmen heute mit der Entscheidung? Ich glaube, der Stress im Team ist geringer. Wir haben relativ wenige Krankheitstage und wenn ich in meine Firma gucke, dann sind die alle engagiert und haben Spaß miteinander. Mein Eindruck ist: Die 4-Tage-Woche steigert die Kreativität. Der Abstand zur alltäglichen Arbeit ist wichtig, um auch auf andere Gedanken zu kommen. Bei zwei freien Tagen fand ich es immer schwer, komplett abzuschalten. Außerdem sprechen die Ergebnisse für sich: Die Mitarbeiterzahl ist in der Zeit von 13 auf 35 Mitarbeiter gestiegen und das Unternehmen wächst. Warum sollten wir das System ändern? Empfehlen Sie die 4-Tage-Woche auch anderen Unternehmern? Jeder muss selbst wissen, ob das in seinem Unternehmen und seiner Branche machbar ist. Wir verdienen unser Geld mit einer Fahrradapp und als Digitalagentur für das urbane Radfahren. Bei uns sind gute Ideen entscheidend. Eine kreative Herangehensweise ist wesentlich mehr wert als stumpfes Abarbeiten von Tagen. Ich würde nie sagen, dass die 4-Tage-Woche der Stein der Weisen ist und dass damit jedes Unternehmen durch die Decke fliegt. Aber die 4-Tage-Woche ist ein wahnsinnig schönes i-Tüpfelchen für mein Team. Der freie Tag ist für Ihre Mitarbeiter also auch ein Anreiz, um bei Ihnen zu arbeiten? Quasi 4-Tage-Woche statt Dienstwagen? Hier arbeitet niemand nur wegen der 4-Tage-Woche. Aber natürlich ist ein langes Wochenende auch ein toller Motivator. Die Work-Life-Balance wird vielen Menschen immer wichtiger. Bei drei freien Tagen konkurrieren die verschiedenen Freizeitaktivitäten nicht so sehr miteinander. Das steigert die Lebensqualität. Was sagen Kunden und Geschäftspartner dazu, dass bei Ihnen freitags niemand ans Telefon geht? Uns war uns noch nie jemand böse deswegen. Im Gegenteil: Die meisten Menschen freuen sich für uns oder sind neidisch, weil sie selbst noch am Freitagnachmittag im Büro sitzen. Wir haben kein Ladengeschäft und arbeiten viel konzeptionell und im B2B-Bereich. Da muss ein Projekt bis zu einem bestimmten Termin fertig sein, alles andere ist unwichtig. Ihre Mitarbeiter und die Kunden sind also inzwischen überzeugt. Wie klappt es bei Ihnen? Schaffen Sie es, am Freitag nicht ans Telefon zu gehen oder die Mails zu checken? Am Anfang fiel mir das schon schwer. In der Gründungsphase haben wir sechzig oder siebzig Stunden pro Woche gearbeitet, wir hatten kein Privatleben. Aber irgendwann geht das nicht mehr. Das ist Raubbau am eigenen Körper und nagt auf Dauer auch an der Kreativität. Inzwischen komme ich super damit klar. Mit drei Tagen Abstand zur Arbeit kann ich immer vollgeladen und motiviert die Woche angehen. Ich glaube, das geht meinen Mitarbeitern genauso. Ihr Team arbeitet neun Stunden am Tag. Arbeitspsychologen haben festgestellt, dass nach fünf bis sechs Stunden die Arbeitsleistung extrem runtergeht. Wie passt das zusammen? Ich denke, neun Stunden Arbeit sind machbar, wenn man sich vernünftig verhält und zwischendurch immer wieder kleine Pausen einlegt. Klar hat man manchmal auch Tage, da sind die acht oder neun Stunden richtig stressig. Aber normalerweise sitzt niemand neun Stunden am Stück vollkonzentriert am Rechner. Wir haben hier an der Spree einen schönen Sandstrand und im Büro eine Kaffeemaschine, an der man sich treffen kann. Und nach der Kaffeepause geht es wieder konzentriert an die Arbeit. Wie wird es in Zukunft weitergehen? Es kamen natürlich sofort Rufe nach der 3-Tage-Woche. Aber das scheint mir dann doch zu viel. Ich glaube, die 4-Tage-Woche ist die ideale Balance. Unser mittelfristiges Ziel sind aber 32 Stunden an vier Tagen - acht Stunden am Tag ist ein gutes Pensum. Wenn sich Workflows einspielen und wir unsere interne Kommunikation hier und da verbessern, können wir das gut erreichen.
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