Agile Führung
Diese Fähigkeit ist für Chefs heute unverzichtbar

Chefs müssen heute mehr können als nur führen, fordert Management-Vordenker Hermann Arnold. Was Chefs laut Arnold lernen sollten – und was das Erfolgsrezept für zeitgemäße Führung ist.

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Hierarchien sollte es bei der agilen Führung zwar schon noch geben - aber keine, die in Stein gemeiselt sind.
Hierarchien sollte es bei der agilen Führung zwar schon noch geben - aber keine, die in Stein gemeiselt sind.
© tomertu / iStock / Getty Images Plus

Egal ob Projektmanagement, Produktentwicklung oder Logistik, in vielen Bereichen nutzen wir heute agile Methoden und Werkzeuge. Nur eins ist meist nicht agil: unsere Art zu führen. In den meisten Unternehmen gilt nach wie vor: Ist man einmal Führungskraft, ist man immer und dauernd Führungskraft.

Oft fehlt der Mut, Führung losgelöst von Positionen oder Hierarchien zu denken. Stattdessen modernisieren wir Führung sanft – wir versuchen, sie an die neue Arbeitswelt anzupassen, statt sie konsequent zu hinterfragen. Wir beziehen unsere Mitarbeiter in Entscheidungen ein, informieren transparenter, erklären ausführlicher und teilen Strategien und Pläne.

Was wir jedoch nicht teilen, ist der Platz an der Spitze eines Teams – wir lassen partizipieren, statt zu rotieren, selbst wenn es nur vorübergehend wäre.

Eine neue Art zu führen

Wie sähe geteilte Führung überhaupt aus? Sinnvoll ist, wenn stets der Mitarbeiter ein Projekt leitet, der von seinen Qualifikationen und Kapazitäten her am besten dafür geeignet ist – und zwar unabhängig von seiner Position im Unternehmen. Im Extremfall führt ein Berufseinsteiger einen Geschäftsführer und dieser folgt dem jungen Kollegen.

Jeder Mitarbeiter müsste also künftig zwei Rollen ausfüllen können: Führen und Folgen. Denn ist das Projekt beendet, werden die Karten neu gemischt. Bei der nächsten Aufgabe übernimmt wahrscheinlich ein anderer Mitarbeiter die Führung und die Führungskraft des letzten Projekts kehrt ganz selbstverständlich ins Team zurück.

Damit agile Führung gelingt, müssen Führungskräfte in ihren Unternehmen die folgenden fünf Voraussetzungen schaffen:

1. Wir müssen Folgen lernen

Wir alle haben in unserem Berufsleben viel über Führung gelernt. Doch niemand hat uns das richtige Folgen beigebracht – vor allem nicht, einer Person zu folgen, die in der klassischen Hierarchie einen niedrigeren Rang hat.

Der Gastautor
Hermann Arnold ist Mitgründer des Software-Unternehmens Haufe-Umantis. 2013 trat er freiwillig als Geschäftsführer zurück und arbeitete ein Jahr unter dem neuen Vorgesetzten weiter: seinem ehemaligen Praktikanten. Sein Buch "Wir sind Chef" ist bei Haufe-Lexware erschienen.

Nach meinem Rücktritt als Geschäftsführer von Haufe-umantis habe ich mehr als ein Jahr unter meinem Nachfolger in der Produktentwicklung gearbeitet und dabei viel über das Folgen gelernt. Besonders wichtig in meinen Augen: den Team-Erfolg über das eigene Ego zu stellen.

Es ist nur allzu menschlich, eine gewisse Genugtuung zu spüren, wenn die Führungskraft scheitert. Man hat ja gleich gewusst, dass diese oder jene Entscheidung falsch war. Richtiges Folgen bedeutet aber, die Führungskraft so erfolgreich wie möglich zu machen. Dann kann man das Gleiche auch von ihr erwarten, wenn man selbst die Führung übernimmt.

Ebenso eine wichtige Erkenntnis: Feedback ist ein Geschenk. Ich kann und soll meine Meinung sagen, aber ich muss es akzeptieren, wenn die Führungskraft anders entscheidet. Sie trägt die Verantwortung. Ich werde sie weiterhin auf ihrem Weg zum Erfolg unterstützen, auch wenn es nicht meiner ist.

2. Wir müssen Führung von Prestige entkoppeln

Wir müssen Abschied von der Vorstellung nehmen, dass eine Führungskraft aufgrund ihrer Position immer an der Spitze eines Teams stehen muss. Niemand kann für jedes Thema der Experte sein und hat auch nicht immer freie Kapazitäten. Daher sollte die Führung eines Projektteams ein verfügbarer Experte übernehmen.

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Dazu müssen wir Führung von Prestige entkoppeln. Denn nur, wenn man die Führung ohne (großen) Gesichtsverlust abgeben kann, wird man sich darauf einlassen – und es vielleicht irgendwann sogar gern und regelmäßig machen.

3. Wir müssen Mitarbeiter zum Führen und Folgen befähigen

Führen und Folgen bedeutet ein regelmäßiges Wechselspiel zwischen den Rollen – wir müssen agil vom Führen ins Folgen kommen und umgekehrt. Dies setzt nicht nur eine große geistige Flexibilität aller Mitarbeiter voraus, sondern auch die Übung, sich ständig neu zu orientieren und zu definieren.

Je mehr Vorbilder es gibt, je vorbildlicher klassische Führungskräfte ihren Mitarbeitern folgen, desto einfacher wird es für andere, diesem Beispiel zu folgen. Mit der Zeit entwickelt sich so ein gemeinsames Verständnis, was richtiges Folgen bedeutet.

 4. Wir müssen Spielregeln schaffen

Der mentale Wandel ist ein großer Baustein auf dem Weg zur agilen Führung, klare Spielregeln und Prozesse sind der andere. Der kontinuierliche Wechsel zwischen Führen und Folgen wirft eine Vielzahl von Fragen auf und kann für Reibungsverluste sorgen.

Spielregeln sorgen für klare Verhältnisse und geben allen Beteiligten Verhaltensrichtlinien an die Hand: Wie gebe ich Feedback? Wie delegiere ich Aufgaben? Muss ich Anweisungen der Führungskraft in jedem Fall Folge leisten? Wie verweigere ich im Fall der Fälle die Gefolgschaft?

5. Wir müssen Vorbild sein

Das Konzept der agilen Führung verlangt, dass Mitarbeiter regelmäßig „hierarchische Grenzen“ überschreiten. Das kann zu Unsicherheiten führen – etwa, wenn ein Mitarbeiter in die Führungsrolle wechselt und auf einmal seinen Chef führen soll.

An dieser Stelle helfen die definierten Spielregeln, aber auch die Rückendeckung und das gute Vorbild der klassischen Führungskräfte inklusive der Geschäftsführung.

Agile Führung für agile Unternehmen

Trotz aller Herausforderungen, die mit dem Prinzip der geteilten Führung verbunden sind, bin ich überzeugt: Führen und Folgen ist einer der zentralen Bausteine für Agilität von Unternehmen. Wenn wir dieses Wechselspiel beherrschen, heben wir Führung auf die nächste Ebene.

Egal ob Projektmanagement, Produktentwicklung oder Logistik, in vielen Bereichen nutzen wir heute agile Methoden und Werkzeuge. Nur eins ist meist nicht agil: unsere Art zu führen. In den meisten Unternehmen gilt nach wie vor: Ist man einmal Führungskraft, ist man immer und dauernd Führungskraft. Oft fehlt der Mut, Führung losgelöst von Positionen oder Hierarchien zu denken. Stattdessen modernisieren wir Führung sanft – wir versuchen, sie an die neue Arbeitswelt anzupassen, statt sie konsequent zu hinterfragen. Wir beziehen unsere Mitarbeiter in Entscheidungen ein, informieren transparenter, erklären ausführlicher und teilen Strategien und Pläne. Was wir jedoch nicht teilen, ist der Platz an der Spitze eines Teams – wir lassen partizipieren, statt zu rotieren, selbst wenn es nur vorübergehend wäre. Eine neue Art zu führen Wie sähe geteilte Führung überhaupt aus? Sinnvoll ist, wenn stets der Mitarbeiter ein Projekt leitet, der von seinen Qualifikationen und Kapazitäten her am besten dafür geeignet ist – und zwar unabhängig von seiner Position im Unternehmen. Im Extremfall führt ein Berufseinsteiger einen Geschäftsführer und dieser folgt dem jungen Kollegen. Jeder Mitarbeiter müsste also künftig zwei Rollen ausfüllen können: Führen und Folgen. Denn ist das Projekt beendet, werden die Karten neu gemischt. Bei der nächsten Aufgabe übernimmt wahrscheinlich ein anderer Mitarbeiter die Führung und die Führungskraft des letzten Projekts kehrt ganz selbstverständlich ins Team zurück. Damit agile Führung gelingt, müssen Führungskräfte in ihren Unternehmen die folgenden fünf Voraussetzungen schaffen: 1. Wir müssen Folgen lernen Wir alle haben in unserem Berufsleben viel über Führung gelernt. Doch niemand hat uns das richtige Folgen beigebracht – vor allem nicht, einer Person zu folgen, die in der klassischen Hierarchie einen niedrigeren Rang hat. Nach meinem Rücktritt als Geschäftsführer von Haufe-umantis habe ich mehr als ein Jahr unter meinem Nachfolger in der Produktentwicklung gearbeitet und dabei viel über das Folgen gelernt. Besonders wichtig in meinen Augen: den Team-Erfolg über das eigene Ego zu stellen. Es ist nur allzu menschlich, eine gewisse Genugtuung zu spüren, wenn die Führungskraft scheitert. Man hat ja gleich gewusst, dass diese oder jene Entscheidung falsch war. Richtiges Folgen bedeutet aber, die Führungskraft so erfolgreich wie möglich zu machen. Dann kann man das Gleiche auch von ihr erwarten, wenn man selbst die Führung übernimmt. Ebenso eine wichtige Erkenntnis: Feedback ist ein Geschenk. Ich kann und soll meine Meinung sagen, aber ich muss es akzeptieren, wenn die Führungskraft anders entscheidet. Sie trägt die Verantwortung. Ich werde sie weiterhin auf ihrem Weg zum Erfolg unterstützen, auch wenn es nicht meiner ist. 2. Wir müssen Führung von Prestige entkoppeln Wir müssen Abschied von der Vorstellung nehmen, dass eine Führungskraft aufgrund ihrer Position immer an der Spitze eines Teams stehen muss. Niemand kann für jedes Thema der Experte sein und hat auch nicht immer freie Kapazitäten. Daher sollte die Führung eines Projektteams ein verfügbarer Experte übernehmen. Dazu müssen wir Führung von Prestige entkoppeln. Denn nur, wenn man die Führung ohne (großen) Gesichtsverlust abgeben kann, wird man sich darauf einlassen - und es vielleicht irgendwann sogar gern und regelmäßig machen. 3. Wir müssen Mitarbeiter zum Führen und Folgen befähigen Führen und Folgen bedeutet ein regelmäßiges Wechselspiel zwischen den Rollen – wir müssen agil vom Führen ins Folgen kommen und umgekehrt. Dies setzt nicht nur eine große geistige Flexibilität aller Mitarbeiter voraus, sondern auch die Übung, sich ständig neu zu orientieren und zu definieren. Je mehr Vorbilder es gibt, je vorbildlicher klassische Führungskräfte ihren Mitarbeitern folgen, desto einfacher wird es für andere, diesem Beispiel zu folgen. Mit der Zeit entwickelt sich so ein gemeinsames Verständnis, was richtiges Folgen bedeutet.  4. Wir müssen Spielregeln schaffen Der mentale Wandel ist ein großer Baustein auf dem Weg zur agilen Führung, klare Spielregeln und Prozesse sind der andere. Der kontinuierliche Wechsel zwischen Führen und Folgen wirft eine Vielzahl von Fragen auf und kann für Reibungsverluste sorgen. Spielregeln sorgen für klare Verhältnisse und geben allen Beteiligten Verhaltensrichtlinien an die Hand: Wie gebe ich Feedback? Wie delegiere ich Aufgaben? Muss ich Anweisungen der Führungskraft in jedem Fall Folge leisten? Wie verweigere ich im Fall der Fälle die Gefolgschaft? 5. Wir müssen Vorbild sein Das Konzept der agilen Führung verlangt, dass Mitarbeiter regelmäßig „hierarchische Grenzen“ überschreiten. Das kann zu Unsicherheiten führen – etwa, wenn ein Mitarbeiter in die Führungsrolle wechselt und auf einmal seinen Chef führen soll. An dieser Stelle helfen die definierten Spielregeln, aber auch die Rückendeckung und das gute Vorbild der klassischen Führungskräfte inklusive der Geschäftsführung. Agile Führung für agile Unternehmen Trotz aller Herausforderungen, die mit dem Prinzip der geteilten Führung verbunden sind, bin ich überzeugt: Führen und Folgen ist einer der zentralen Bausteine für Agilität von Unternehmen. Wenn wir dieses Wechselspiel beherrschen, heben wir Führung auf die nächste Ebene.