Heterogene Leistungsfähigkeit
So führen Sie Ihre Top- und Minderleister

In jedem Team gibt es stärkere und schwächere Kollegen. Die Folge: Die (vermeintlichen) „Minderleister“ fühlen sich abgehängt, die „Topleister“ stöhnen: „Immer landet alle Arbeit bei mir.“ So gehen Chefs mit heterogener Leistungsfähigkeit um.

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Top in Schuss oder schon ein bisschen müde gelaufen? Heterogene Leistungsfähigkeit im Team ist eine Herausforderung für Chefs.
Top in Schuss oder schon ein bisschen müde gelaufen? Heterogene Leistungsfähigkeit im Team ist eine Herausforderung für Chefs.
© monstarrr / Fotolia.de

Fast jede Führungskraft kennt das: Im Team gibt es Mitarbeiter mit unterschiedlicher Leistungsfähigkeit. Der eine, nennen wir ihn Minderleister Martin, fühlt sich schnell überfordert. Er war mal Leistungsträger, aber heute kommt er nicht mehr mit. Was andere in zwei Stunden schaffen, beschäftigt ihn einen ganzen Tag. Er sieht sich abgehängt. Neue Ideen kommen von ihm selten.

Der andere, nennen wir ihn Simon Superleister, hat, als er zum Team stieß, losgelegt wie eine Rakete: Er ist schnell, klug, motiviert – und total überlastet. Denn natürlich haben die Kollegen schnell spitzgekriegt, wen man um Hilfe bitten sollte, wenn es ein Problem zu lösen gibt.

Was tun?

Organisationsentwicklerin Verena Baldinger unterstützt als Coach und Trainerin seit Jahrzehnten Führungskräfte dabei, das Beste aus einem Team herauszuholen. Sie empfiehlt ein Vorgehen in sechs Schritten.

Schritt 1: Analyse: Was weiß, kann, will der Mitarbeiter?

Viele Chefs halten eine genaue Analyse der Situation für nicht wichtig. Schließlich beobachtet man Martin und Simon tagtäglich bei der Arbeit, die Sache ist doch klar. „Oft halten diese Alltagseindrücke einer Überprüfung aber nicht stand“, warnt hingegen Baldinger. „Ich habe schon Leute gecoacht, die angeblich Minderleister waren und später Bestleister wurden. Ich muss mir also als Führungskraft ein eigenes Bild machen und nach Ursachen forschen.“

Das Wichtigste bei der Ursachenforschung: zuhören! Die Führungskraft muss in Kontakt mit dem Mitarbeiter gehen und fragen, wie er die Situation erlebt. Um sich Klarheit zu verschaffen, empfiehlt Baldinger ein Drei-Säulen-Modell:

  • Die Wissen-Säule: Gerade wenn in einen Job viel Technologie Einzug erhalten hat, kann es sein, dass Mitarbeiter Martin bestimmte Dinge einfach nicht weiß – im Gegensatz zu Simon, der gerade erst von der Uni oder aus der Ausbildung kommt.
  • Die Können-Säule: Andere Aufgaben kann Martin vielleicht einfach nicht – auch wenn er sich noch so sehr anstrengt, zum Beispiel wie er die neue digitale Technik zur Arbeitserleichterung einsetzt.
  • Die Wollen-Säule: Es gibt Mitarbeiter, die können sich nicht mehr selbst motivieren, die wollen sich nicht noch einmal aufraffen, um Topleistungen zu erbringen

„All diese Punkte gehören in ein Vier-Augen-Gespräch“, empfiehlt Baldinger. „Man spricht darüber, wie der Mitarbeiter sich auf einer Skala in bestimmten Bereichen aktuell einschätzt: ‚In Deiner eigenen Wahrnehmung: Wie gut erledigst Du die Aufgaben in Deinem Job? Und: Wo würdest Du gerne stehen?‘ Oft dröselt sich die Situation dann schon deutlich auf.“

Zur Person
Die studierte Ärztin Dr. Verena Baldinger arbeitet seit über 20 Jahren als Coach und Trainerin. 1994 gründete sie das Institut Baldinger & Partner, für das heute fast 50 Trainer im Einsatz sind.

Tun: Auch die Führungskraft muss in dem Gespräch ihren Beitrag bringen und in der Beurteilung ehrlich sein. „Wenn sich jemand mit 7 einschätzt, dann kann man ruhig ehrliches Feedback geben: ‚Ich sehe Dich da nicht ganz so optimistisch, eher bei einer 5‘“, empfiehlt Baldinger. „Lass uns diese Diskrepanz zusammen anschauen.“ Als Abschluss des Gespräches geht es darum, direkt den Entwicklungsplan anzugehen.

Lassen: Es geht in diesem Gespräch NICHT um die Leistung der anderen Teammitglieder. Baldinger: „Man braucht, um eine Verbesserung zu erzielen, erst einmal einen richtig guten Kontakt, den man mit unnötigen Vergleichen direkt zerstören würde.“
Merken: Entscheidend für das weitere Vorgehen ist vor allem, was in der Wollen-Säule zum Vorschein kommt. Wenn jemand sagt: „Ich will auf jeden Fall“, dann hat man für alle weiteren Schritte Rückenwind. Es kann natürlich auch sein, dass jemand nicht mehr recht etwas Neues anfangen will. „Auch so eine Erkenntnis ist wertvoll“, sagt Verena Baldinger. „Dann hat man schon eine halbe Einsicht: Der Mitarbeiter versteht, dass wir mit der Situation umgehen müssen.“

Wichtig: Diese Analyse muss mit allen Mitarbeitern durchgeführt werden – auch mit den Topleistern.

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Schritt 2: Analyse: Passt das Jobdesign zum Mitarbeiter?

Oft werden Stellen einfach nachbesetzt. Der Neue soll genau dasselbe machen wie der Mitarbeiter, der ausgeschieden ist. „Das Jobdesign ist dann wie ein Rechteck“, sagt Verena Baldinger: „Der Mensch ist aber nie ein Rechteck.“ Man könne Mitarbeiter nicht in eine Form pressen, die nicht zu ihnen passt, man müsse dann genau hinsehen:

  • An welchen Stellen weiß der Mitarbeiter mehr, als sein Jobdesign verlangt?
  • An welchen Stellen weiß er weniger?
  • Hat er Aufgaben, die ein anderer im Team schneller und besser machen würde?
  • Gibt es Aufgaben im Team, die er übernehmen könnte, von denen er sagt: „Da liegt meine Stärke“?

Tun: Die Auswahl von Aufgabengebieten, auf denen sich der Mitarbeiter verbessern will, muss im Dialog mit ihm geschehen. „Ich muss wissen: Wie motiviert ist er, auf dem Zug mitfahren zu wollen?“

Lassen: „Mitarbeiter sind nicht unsere Kinder: Wir müssen unsere Mitarbeiter nicht erziehen“, sagt Baldinger. „Das sind Erwachsene, die wir fragen, ob sie mitwollen und ob sie sich engagieren. Man kann erwachsene Menschen nicht zum Engagement zwingen, da hat man schlichtweg keine Chance.“

Merken: Das Jobdesign-Gespräch muss auch mit dem Topleister geführt werden. Auch hier gilt es zu fragen:

  • Gibt es Aufgaben, die Du ungern machst und die auf Deinem Schreibtisch landen?
  • Gibt es Aufgaben, die wir Dir wegnehmen können?

Danach gilt es zu schauen, ob der Mitarbeiter Grenzen setzen kann. „Viele Menschen können das nicht“, sagt Verena Baldinger. „Die nehmen alles an, bis sie umfallen. Und dann ist niemand mehr motiviert. Daher muss ich als Führungskraft vermitteln: ‚Solange Du Freude hast an Deiner Arbeit und selber stolz bist, stimmt Deine Welt. Wenn Du das Gefühl hast unterzugehen, dann ist es wichtig, dass Du weißt: Du hast meine Rückendeckung, Nein zu sagen.’“

Schritt 3: Den ganzen Eisberg sehen

Oft sehen Chefs nur, ob jemand fachlich gut ist. Doch es gibt andere wichtige Stärken, die eher im Verborgenen liegen: Mancher – fachlich vermeintlich schwacher – Mitarbeiter ist gut darin, die Arbeit für die Gruppe zu strukturieren und diese Struktur durchzusetzen. Er sorgt zum Beispiel dafür, dass in Meetings nicht uferlos diskutiert, sondern einem Plan gefolgt wird. Andere sind wichtig für die Beziehungen im Team, sie halten die Gruppe zusammen. Auch das ist eine Stärke.

Tun: „Es ist wichtig, im Gespräch mit dem Mitarbeiter das ganze Paket zu betrachten“, sagt Verena Baldinger: „Wo sind deine Stärken und wie kannst du diese besonders nutzbringend einsetzen?“

Lassen: Nicht über alle Schwächen des Mitarbeiters reden, sondern über die Gebiete, auf denen der Mitarbeiter sich wirklich fortentwickeln will. „Früher war ich auch missionarisch unterwegs, ich dachte: Der muss doch dies oder das tun, um am Ball zu bleiben. Das funktioniert aber einfach nicht. Wenn mein Gegenüber nicht zutiefst motiviert ist, dann wird das Maß an Energie, das er einsetzt, fast nie ausreichen. Wir müssen sehen, für was jemand brennt – und dann müssen wir diese Neigung ernst nehmen.“

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Schritt 4: Enge Führung und Mentorship

Erst jetzt, nach der Analyse, geht es darum, die Schwachpunkte des Mitarbeiters anzugehen. Die Führungskraft muss zu diesem Zeitpunkt wissen: Was kann der Mitarbeiter und in welchen Bereichen WILL ER sich verbessern? Dann folgt eine Zeit von enger Führung und Mentorship.

Tun: Entwicklungsplan machen und das Team einbinden: Ist dort jemand, der für ein bestimmtes Thema als Mentor wirken kann?

Lassen: Keine Infos aus der Analyse durchsickern lassen. Das Team darf erst eingebunden werden, wenn es zwischen Mitarbeiter und Führungskraft eine klare Absprache gibt, was nun passieren soll.

Nicht vergessen: Auch ein Topleister, der keine Grenzen setzen kann, braucht enge Führung. „Dann lege ich mir immer montags einen Termin auf Wiedervorlage und helfe dem Topleister, kurz zu strukturieren: Was hast du auf dem Tisch, ist die Woche schon dicht? Und: Was passiert, wenn jemand dir noch eine weitere Aufgabe gegen will?“

Schritt 5: Leistungsgrenze festlegen

„Wenn ich das alles gemacht habe und ich sehe keine Verbesserung, dann ist der wichtigste Schritt, dass ich eine Grenze festlege“, erklärt Verena Baldinger. „Ich brauche einen Korridor – in beide Richtungen: Was ist die unterste Grenze, bei der ich sage: ‚Das kann ich noch verantworten‘? Und: Was ist die Obergrenze, aber der ich sage: ‚Dieser Mitarbeiter muss jetzt entlastet werden‘?“

An dieser Stelle duckten sich viele Führungskräfte weg, doch das sei fatal: Wenn der Korridor verletzt sei und man nichts unternehme, habe das immer katastrophale Langzeitfolgen – sowohl, wenn der Topleister richtig ausgebeutet wird, als auch, wenn der Minderleister nicht sanktioniert wird.

Wichtig: „Nichts zu tun, kostet so viel Geld“, sagt Baldinger. „Und zwar viel mehr, als ein Freistellungsprozess kosten würde. Ich habe es so oft gesehen, dass Leute, die keine Lust mehr hatten, ihre Zeit da reingesteckt haben, den anderen die Arbeit madig zu machen. Da dachte die Führung: ‚Die 100.000 Euro Abfindung sparen wir, der hat nur noch drei Jahre bis zu Rente.“ Und in der Zeit hat der Mitarbeiter die Wände vergiftet.“

Schritt 6: Wenn nichts mehr geht – Schlussstrich ziehen

Daher gilt im letzten Schritt: handeln! Sich von einem Mitarbeiter zu trennen, fällt fast jedem schwer. „In Großkonzernen wird meistens gesagt: Uns ist die Abfindung zu teuer“, sagt Baldinger mit Blick auf ihre Beratungserfahrung. „Und in den mittelständischen Unternehmen heißt es häufig: ‚Den kennen wir schon so lang, der Vater war schon in der Firma – das geht nicht.’“

Tun: Unterstützung holen: „Ich habe schon ganze Gruppen aufgelöst und die konnten sich noch in die Augen sehen. Das geht.“ Man könne sich schließlich auch aus einer Liebesbeziehung verabschieden, und sich später noch in die Augen sehen. „Menschen sind in der Lage, wenn ein bisschen Zeit vergangen ist, sich wieder gut zu begegnen – aber nur, wenn sie würdevoll behandelt wurden. Aber jemanden mitzuschleifen, obwohl jeder weiß, dass er ein Minderleister ohne Perspektive ist, das ist in Wirklichkeit entwürdigend und für das gesamte Team demotivierend.“ Es sei besser, der Mitarbeiter geht und ist so gezwungen nach etwas zu suchen, das ihn wirklich erfüllt. „Nach einer Arbeit, die ihm Spaß macht, denn dieses Recht hat jeder Mitarbeiter.“

Fast jede Führungskraft kennt das: Im Team gibt es Mitarbeiter mit unterschiedlicher Leistungsfähigkeit. Der eine, nennen wir ihn Minderleister Martin, fühlt sich schnell überfordert. Er war mal Leistungsträger, aber heute kommt er nicht mehr mit. Was andere in zwei Stunden schaffen, beschäftigt ihn einen ganzen Tag. Er sieht sich abgehängt. Neue Ideen kommen von ihm selten. Der andere, nennen wir ihn Simon Superleister, hat, als er zum Team stieß, losgelegt wie eine Rakete: Er ist schnell, klug, motiviert – und total überlastet. Denn natürlich haben die Kollegen schnell spitzgekriegt, wen man um Hilfe bitten sollte, wenn es ein Problem zu lösen gibt. Was tun? Organisationsentwicklerin Verena Baldinger unterstützt als Coach und Trainerin seit Jahrzehnten Führungskräfte dabei, das Beste aus einem Team herauszuholen. Sie empfiehlt ein Vorgehen in sechs Schritten. Schritt 1: Analyse: Was weiß, kann, will der Mitarbeiter? Viele Chefs halten eine genaue Analyse der Situation für nicht wichtig. Schließlich beobachtet man Martin und Simon tagtäglich bei der Arbeit, die Sache ist doch klar. „Oft halten diese Alltagseindrücke einer Überprüfung aber nicht stand“, warnt hingegen Baldinger. „Ich habe schon Leute gecoacht, die angeblich Minderleister waren und später Bestleister wurden. Ich muss mir also als Führungskraft ein eigenes Bild machen und nach Ursachen forschen.“ Das Wichtigste bei der Ursachenforschung: zuhören! Die Führungskraft muss in Kontakt mit dem Mitarbeiter gehen und fragen, wie er die Situation erlebt. Um sich Klarheit zu verschaffen, empfiehlt Baldinger ein Drei-Säulen-Modell: Die Wissen-Säule: Gerade wenn in einen Job viel Technologie Einzug erhalten hat, kann es sein, dass Mitarbeiter Martin bestimmte Dinge einfach nicht weiß – im Gegensatz zu Simon, der gerade erst von der Uni oder aus der Ausbildung kommt. Die Können-Säule: Andere Aufgaben kann Martin vielleicht einfach nicht – auch wenn er sich noch so sehr anstrengt, zum Beispiel wie er die neue digitale Technik zur Arbeitserleichterung einsetzt. Die Wollen-Säule: Es gibt Mitarbeiter, die können sich nicht mehr selbst motivieren, die wollen sich nicht noch einmal aufraffen, um Topleistungen zu erbringen „All diese Punkte gehören in ein Vier-Augen-Gespräch“, empfiehlt Baldinger. „Man spricht darüber, wie der Mitarbeiter sich auf einer Skala in bestimmten Bereichen aktuell einschätzt: ‚In Deiner eigenen Wahrnehmung: Wie gut erledigst Du die Aufgaben in Deinem Job? Und: Wo würdest Du gerne stehen?‘ Oft dröselt sich die Situation dann schon deutlich auf.“ Tun: Auch die Führungskraft muss in dem Gespräch ihren Beitrag bringen und in der Beurteilung ehrlich sein. „Wenn sich jemand mit 7 einschätzt, dann kann man ruhig ehrliches Feedback geben: ‚Ich sehe Dich da nicht ganz so optimistisch, eher bei einer 5‘“, empfiehlt Baldinger. „Lass uns diese Diskrepanz zusammen anschauen.“ Als Abschluss des Gespräches geht es darum, direkt den Entwicklungsplan anzugehen. Lassen: Es geht in diesem Gespräch NICHT um die Leistung der anderen Teammitglieder. Baldinger: „Man braucht, um eine Verbesserung zu erzielen, erst einmal einen richtig guten Kontakt, den man mit unnötigen Vergleichen direkt zerstören würde.“ Merken: Entscheidend für das weitere Vorgehen ist vor allem, was in der Wollen-Säule zum Vorschein kommt. Wenn jemand sagt: „Ich will auf jeden Fall“, dann hat man für alle weiteren Schritte Rückenwind. Es kann natürlich auch sein, dass jemand nicht mehr recht etwas Neues anfangen will. „Auch so eine Erkenntnis ist wertvoll“, sagt Verena Baldinger. „Dann hat man schon eine halbe Einsicht: Der Mitarbeiter versteht, dass wir mit der Situation umgehen müssen.“ Wichtig: Diese Analyse muss mit allen Mitarbeitern durchgeführt werden – auch mit den Topleistern. Schritt 2: Analyse: Passt das Jobdesign zum Mitarbeiter? Oft werden Stellen einfach nachbesetzt. Der Neue soll genau dasselbe machen wie der Mitarbeiter, der ausgeschieden ist. „Das Jobdesign ist dann wie ein Rechteck“, sagt Verena Baldinger: „Der Mensch ist aber nie ein Rechteck.“ Man könne Mitarbeiter nicht in eine Form pressen, die nicht zu ihnen passt, man müsse dann genau hinsehen: An welchen Stellen weiß der Mitarbeiter mehr, als sein Jobdesign verlangt? An welchen Stellen weiß er weniger? Hat er Aufgaben, die ein anderer im Team schneller und besser machen würde? Gibt es Aufgaben im Team, die er übernehmen könnte, von denen er sagt: „Da liegt meine Stärke“? Tun: Die Auswahl von Aufgabengebieten, auf denen sich der Mitarbeiter verbessern will, muss im Dialog mit ihm geschehen. „Ich muss wissen: Wie motiviert ist er, auf dem Zug mitfahren zu wollen?“ Lassen: „Mitarbeiter sind nicht unsere Kinder: Wir müssen unsere Mitarbeiter nicht erziehen“, sagt Baldinger. „Das sind Erwachsene, die wir fragen, ob sie mitwollen und ob sie sich engagieren. Man kann erwachsene Menschen nicht zum Engagement zwingen, da hat man schlichtweg keine Chance.“ Merken: Das Jobdesign-Gespräch muss auch mit dem Topleister geführt werden. Auch hier gilt es zu fragen: Gibt es Aufgaben, die Du ungern machst und die auf Deinem Schreibtisch landen? Gibt es Aufgaben, die wir Dir wegnehmen können? Danach gilt es zu schauen, ob der Mitarbeiter Grenzen setzen kann. „Viele Menschen können das nicht“, sagt Verena Baldinger. „Die nehmen alles an, bis sie umfallen. Und dann ist niemand mehr motiviert. Daher muss ich als Führungskraft vermitteln: ‚Solange Du Freude hast an Deiner Arbeit und selber stolz bist, stimmt Deine Welt. Wenn Du das Gefühl hast unterzugehen, dann ist es wichtig, dass Du weißt: Du hast meine Rückendeckung, Nein zu sagen.'“ Schritt 3: Den ganzen Eisberg sehen Oft sehen Chefs nur, ob jemand fachlich gut ist. Doch es gibt andere wichtige Stärken, die eher im Verborgenen liegen: Mancher – fachlich vermeintlich schwacher – Mitarbeiter ist gut darin, die Arbeit für die Gruppe zu strukturieren und diese Struktur durchzusetzen. Er sorgt zum Beispiel dafür, dass in Meetings nicht uferlos diskutiert, sondern einem Plan gefolgt wird. Andere sind wichtig für die Beziehungen im Team, sie halten die Gruppe zusammen. Auch das ist eine Stärke. Tun: „Es ist wichtig, im Gespräch mit dem Mitarbeiter das ganze Paket zu betrachten“, sagt Verena Baldinger: „Wo sind deine Stärken und wie kannst du diese besonders nutzbringend einsetzen?“ Lassen: Nicht über alle Schwächen des Mitarbeiters reden, sondern über die Gebiete, auf denen der Mitarbeiter sich wirklich fortentwickeln will. „Früher war ich auch missionarisch unterwegs, ich dachte: Der muss doch dies oder das tun, um am Ball zu bleiben. Das funktioniert aber einfach nicht. Wenn mein Gegenüber nicht zutiefst motiviert ist, dann wird das Maß an Energie, das er einsetzt, fast nie ausreichen. Wir müssen sehen, für was jemand brennt – und dann müssen wir diese Neigung ernst nehmen.“ Schritt 4: Enge Führung und Mentorship Erst jetzt, nach der Analyse, geht es darum, die Schwachpunkte des Mitarbeiters anzugehen. Die Führungskraft muss zu diesem Zeitpunkt wissen: Was kann der Mitarbeiter und in welchen Bereichen WILL ER sich verbessern? Dann folgt eine Zeit von enger Führung und Mentorship. Tun: Entwicklungsplan machen und das Team einbinden: Ist dort jemand, der für ein bestimmtes Thema als Mentor wirken kann? Lassen: Keine Infos aus der Analyse durchsickern lassen. Das Team darf erst eingebunden werden, wenn es zwischen Mitarbeiter und Führungskraft eine klare Absprache gibt, was nun passieren soll. Nicht vergessen: Auch ein Topleister, der keine Grenzen setzen kann, braucht enge Führung. „Dann lege ich mir immer montags einen Termin auf Wiedervorlage und helfe dem Topleister, kurz zu strukturieren: Was hast du auf dem Tisch, ist die Woche schon dicht? Und: Was passiert, wenn jemand dir noch eine weitere Aufgabe gegen will?“ Schritt 5: Leistungsgrenze festlegen „Wenn ich das alles gemacht habe und ich sehe keine Verbesserung, dann ist der wichtigste Schritt, dass ich eine Grenze festlege“, erklärt Verena Baldinger. „Ich brauche einen Korridor – in beide Richtungen: Was ist die unterste Grenze, bei der ich sage: 'Das kann ich noch verantworten'? Und: Was ist die Obergrenze, aber der ich sage: 'Dieser Mitarbeiter muss jetzt entlastet werden'?“ An dieser Stelle duckten sich viele Führungskräfte weg, doch das sei fatal: Wenn der Korridor verletzt sei und man nichts unternehme, habe das immer katastrophale Langzeitfolgen - sowohl, wenn der Topleister richtig ausgebeutet wird, als auch, wenn der Minderleister nicht sanktioniert wird. Wichtig: „Nichts zu tun, kostet so viel Geld“, sagt Baldinger. „Und zwar viel mehr, als ein Freistellungsprozess kosten würde. Ich habe es so oft gesehen, dass Leute, die keine Lust mehr hatten, ihre Zeit da reingesteckt haben, den anderen die Arbeit madig zu machen. Da dachte die Führung: ‚Die 100.000 Euro Abfindung sparen wir, der hat nur noch drei Jahre bis zu Rente.“ Und in der Zeit hat der Mitarbeiter die Wände vergiftet.“ Schritt 6: Wenn nichts mehr geht – Schlussstrich ziehen Daher gilt im letzten Schritt: handeln! Sich von einem Mitarbeiter zu trennen, fällt fast jedem schwer. „In Großkonzernen wird meistens gesagt: Uns ist die Abfindung zu teuer“, sagt Baldinger mit Blick auf ihre Beratungserfahrung. „Und in den mittelständischen Unternehmen heißt es häufig: 'Den kennen wir schon so lang, der Vater war schon in der Firma – das geht nicht.'“ Tun: Unterstützung holen: „Ich habe schon ganze Gruppen aufgelöst und die konnten sich noch in die Augen sehen. Das geht.“ Man könne sich schließlich auch aus einer Liebesbeziehung verabschieden, und sich später noch in die Augen sehen. „Menschen sind in der Lage, wenn ein bisschen Zeit vergangen ist, sich wieder gut zu begegnen – aber nur, wenn sie würdevoll behandelt wurden. Aber jemanden mitzuschleifen, obwohl jeder weiß, dass er ein Minderleister ohne Perspektive ist, das ist in Wirklichkeit entwürdigend und für das gesamte Team demotivierend." Es sei besser, der Mitarbeiter geht und ist so gezwungen nach etwas zu suchen, das ihn wirklich erfüllt. "Nach einer Arbeit, die ihm Spaß macht, denn dieses Recht hat jeder Mitarbeiter.“
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