Kreativitätsförderung im Unternehmen
„In vielen Unternehmen wird Kreativität im Keim erstickt“

Wer künftig erfolgreich sein will, muss auf das kreative Potenzial seiner Mitarbeiter setzen, sagt Management-Experte Reinhard K. Sprenger. Wie Sie als Chef dafür sorgen können, dass Ideen sprudeln – und was Sie tunlichst lassen sollten.

, von

Kreativität kann so leicht zerstört werden wie ein Stift. Wer sein Unternehmen nach vorne bringen will, ist aber auf Ideen seiner Mitarbeiter angewiesen.
Kreativität kann so leicht zerstört werden wie ein Stift. Wer sein Unternehmen nach vorne bringen will, ist aber auf Ideen seiner Mitarbeiter angewiesen.

impulse: Herr Sprenger, in Ihrem neuen Buch „Radikal digital“ bezeichnen Sie die „Wiedereinführung der Kreativität“ als eine der Kernaufgaben von Führungskräften im digitalen Zeitalter. Was meinen Sie damit?
Reinhard K. Sprenger: Kreativität und Organisation sind wesensfremd. Unternehmen sind auf Effizienz ausgerichtet – nicht auf die Energie des Ausprobierens, die ja größtenteils leer läuft. Kreativität wurde deshalb ausgelagert, an spezielle Institutionen, Agenturen oder Start-ups. Diese Auslagerung kann sich heute aber kaum noch ein Unternehmen leisten, denn das Spiel um die Zukunft wird an der Ideenfront entschieden. Technologie erzeugt keine Ideen. Ideen erzeugen Technologie. Wer morgen am Markt bestehen will, muss auf das kreative Potenzial seiner Mitarbeiter setzen. Nur sie können neuartige Kundenbedürfnisse erspüren und Innovationen hervorbringen.

Wie kann man als Chef dafür sorgen, dass Innovationen aus dem eigenen Team heraus entstehen?
Die Voraussetzung für Innovation ist Kreativität. Menschen sind kreativ, sie müssen nicht kreativ gemacht werden. Deshalb muss man zunächst einmal für eine Atmosphäre sorgen, in der sich Kreativität entfalten kann. Das Problem ist: In vielen Unternehmen wird Kreativität bereits im Keim erstickt.

Was hemmt die Kreativität von Mitarbeitern?
Zum einen, wie schon gesagt, das dominierende Effizienzparadigma. Ein ebenso großes Problem ist die Fixierung auf die Vergangenheit: Erfolg macht lernbehindert. Hinzu kommt der Rechtfertigungsdruck, der in den meisten Unternehmen aufgebaut wird. Je größer dieser ist, desto mehr machen Menschen das, was sich rechtfertigen lässt. Und nicht das, was scheitern könnte. Wenn noch dazu mit Incentives, Boni, Möhren-vor-die-Nase nachgeholfen wird, wird der kreative Weg schon gar nicht mehr beschritten. Es gibt mittlerweile gut zwei Dutzend Studien, die zweifelsfrei nachweisen, dass Belohnung dazu verleitet, den sicheren Weg zu wählen. Nämlich genau den, der Belohnung verspricht. Nicht den, der scheitern könnte. Nichts ist in digitalen Zeiten jedoch so riskant wie das Vermeiden von riskanten Ideen.

Was kann man stattdessen als Chef tun?
Wer will, dass seine Mitarbeiter kreativer werden, der muss Unsicherheit akzeptieren, auch scheinbar Unvernünftiges zulassen, wo kein extremer Schaden zu befürchten ist. Der erkennt Initiative an und nicht Konformität. Der schenkt seinen Mitarbeitern Vertrauen und gibt ihnen Freiheitraum. Chefs sollten außerdem dafür sorgen, dass Bedenkenträger große Ideen nicht zu früh kleinreden – und das selbst auch nicht tun. Kreativität entsteht nicht, wenn man sich wechselseitig zensiert, sondern nur dann, wenn man sich als Impulsgeber für neue Ideen anerkennt. Für Führungskräfte bedeutet das: Lassen Sie viele Meinungen und Sichtweisen zu. Kreativität und Initiative kann man nicht anordnen. Sie entstehen, wenn Mitarbeitern Raum gegeben wird, Innovation aus eigenem Antrieb voranzutreiben.

Viele Mitarbeiter haben aber das Gefühl, überhaupt nicht kreativ zu sein.
Das liegt in unserer Natur. Unser Gehirn ist nämlich von Natur aus faul und will gar nicht kreativ sein. Es will Komplexität reduzieren, nicht erhöhen. Wer auf frische Ideen kommen will, muss sich deshalb selbst überlisten. Raus aus der Alltagssituation, weg vom Schreibtisch, andere Meinungen und Sichtweisen zulassen. Auch ein Ortswechsel kann dabei helfen. Wer fühlt sich schon inspiriert in Bürogebäuden? In der freien Natur, in einer fremden Umgebung, mit nicht-konformen Menschen, da sprudelt die Vorstellungskraft, da sprudeln die Ideen. Studien des Fraunhofer-Instituts zeigen: Gewisse Umgebungen machen Menschen kreativer als andere.

Sollte man also wie Google Loungesessel oder Kickertische aufstellen, um die Kreativität der eigenen Leute zu steigern?
Nein, Sie müssen keine Wohlfühloasen einrichten. Es geht darum, Situationen zu schaffen, wo Leute miteinander sprechen, nach dem Motto: Was können wir anders machen, vor allem mit Blick auf den Kunden? Kreativität entsteht durch Gespräche mit Kollegen, Experten, Kunden oder auch völlig Unbekannten. Durch Begegnungen unterschiedlicher Menschen, die Einzelteile neu zusammenfügen. Wer Gedanken hin und her wälzt und mit anderen spricht, dem eröffnen sich ganz neue Perspektiven. Mein Rat lautet daher: Geben Sie Zeit und Raum für Dialoge. Auch für Zufallsdialoge am Kaffeeautomaten.

Kann man sich auch gezielt Inspiration ins Unternehmen holen, um auf neue Ideen zu kommen?
In meinem Unternehmen habe ich einmal im Monat Leute von außen reingeholt, die mit uns drei Stunden gearbeitet haben. Die haben uns von ihrer Profession auf neue Ideen gebracht. Das können Theologen oder Biologen sein, das können Anthropologen oder Techniker sein. Ich hatte mal einen Experten, der beruflich die Ausschwingung von Flugzeugflügeln berechnete. Der hat uns auf Ideen gebracht, auf die wären wir selbst nie gekommen. Probieren Sie es selbst einmal aus! Sie werden überrascht sein! Sehr inspirierend ist auch, sich auf Konferenzen mit den verrückten Ideen irgendwelcher Nerds oder Spinner auseinanderzusetzen. Ich war gerade in Austin auf der Tech-Konferenz „South by Southwest“. Da kommen Sie immer mit neuen Gedanken raus.

Zur Person
Reinhard K. SprengerDer renommierte Managementberater Reinhard K. Sprenger gilt als einer der wichtigsten Vordenker der deutschen Wirtschaft und hat zahlreiche Bestseller zu Führungs- und Managementthemen geschrieben, darunter "Mythos Motivation" und "Radikal führen". Sein neues Buch „Radikal digital. Weil der Mensch den Unterschied macht – 111 Führungsrezepte“ ist bei der Deutschen Verlagsanstalt erschienen und kostet 25 Euro. Radikal digital

Sollte man auch Kunden in die Ideenfindung einbeziehen?
Unbedingt. Wer beispielsweise sein digitales Leistungsangebot erweitern will, sollte Kunden aktiv und kontinuierlich über den gesamten Produktlebenszyklus beteiligen – von den ersten Ideen über die ersten Prototypen bis zu späteren Neuauflagen. Viele Kunden fühlen sich geradezu wertgeschätzt, wenn man sie dazu einlädt. Kleine und mittelgroße Firmen haben hier einen deutlichen Vorteil gegenüber Konzernen, weil sie mit ihren Kunden mitunter sehr eng vernetzt sind. Den sollten sie auch nutzen.

Welche Mitarbeiter sollte man künftig einstellen?
Setzen Sie auf Diversifizierung! Stellen Sie unterschiedliche Mitarbeiter ein, mit anderem Blickwinkel, Herkunft, Ausbildung, Interessen, aus anderen Branchen. So bringen Sie verschiedene Ideen und Problemlösungsoptionen ins Unternehmen. Steve Jobs hat beispielsweise immer wieder betont, dass das Team, das einst den Mac erfand, berufliche Werdegänge in Anthropologie, Kunst, Geschichte und Poetik hatte. Neues entsteht, wenn ein Unternehmen den Unterschied ehrt, nicht die Konformität.

impulse: Herr Sprenger, in Ihrem neuen Buch „Radikal digital“ bezeichnen Sie die „Wiedereinführung der Kreativität“ als eine der Kernaufgaben von Führungskräften im digitalen Zeitalter. Was meinen Sie damit? Reinhard K. Sprenger: Kreativität und Organisation sind wesensfremd. Unternehmen sind auf Effizienz ausgerichtet – nicht auf die Energie des Ausprobierens, die ja größtenteils leer läuft. Kreativität wurde deshalb ausgelagert, an spezielle Institutionen, Agenturen oder Start-ups. Diese Auslagerung kann sich heute aber kaum noch ein Unternehmen leisten, denn das Spiel um die Zukunft wird an der Ideenfront entschieden. Technologie erzeugt keine Ideen. Ideen erzeugen Technologie. Wer morgen am Markt bestehen will, muss auf das kreative Potenzial seiner Mitarbeiter setzen. Nur sie können neuartige Kundenbedürfnisse erspüren und Innovationen hervorbringen. Wie kann man als Chef dafür sorgen, dass Innovationen aus dem eigenen Team heraus entstehen? Die Voraussetzung für Innovation ist Kreativität. Menschen sind kreativ, sie müssen nicht kreativ gemacht werden. Deshalb muss man zunächst einmal für eine Atmosphäre sorgen, in der sich Kreativität entfalten kann. Das Problem ist: In vielen Unternehmen wird Kreativität bereits im Keim erstickt. Was hemmt die Kreativität von Mitarbeitern? Zum einen, wie schon gesagt, das dominierende Effizienzparadigma. Ein ebenso großes Problem ist die Fixierung auf die Vergangenheit: Erfolg macht lernbehindert. Hinzu kommt der Rechtfertigungsdruck, der in den meisten Unternehmen aufgebaut wird. Je größer dieser ist, desto mehr machen Menschen das, was sich rechtfertigen lässt. Und nicht das, was scheitern könnte. Wenn noch dazu mit Incentives, Boni, Möhren-vor-die-Nase nachgeholfen wird, wird der kreative Weg schon gar nicht mehr beschritten. Es gibt mittlerweile gut zwei Dutzend Studien, die zweifelsfrei nachweisen, dass Belohnung dazu verleitet, den sicheren Weg zu wählen. Nämlich genau den, der Belohnung verspricht. Nicht den, der scheitern könnte. Nichts ist in digitalen Zeiten jedoch so riskant wie das Vermeiden von riskanten Ideen. Was kann man stattdessen als Chef tun? Wer will, dass seine Mitarbeiter kreativer werden, der muss Unsicherheit akzeptieren, auch scheinbar Unvernünftiges zulassen, wo kein extremer Schaden zu befürchten ist. Der erkennt Initiative an und nicht Konformität. Der schenkt seinen Mitarbeitern Vertrauen und gibt ihnen Freiheitraum. Chefs sollten außerdem dafür sorgen, dass Bedenkenträger große Ideen nicht zu früh kleinreden – und das selbst auch nicht tun. Kreativität entsteht nicht, wenn man sich wechselseitig zensiert, sondern nur dann, wenn man sich als Impulsgeber für neue Ideen anerkennt. Für Führungskräfte bedeutet das: Lassen Sie viele Meinungen und Sichtweisen zu. Kreativität und Initiative kann man nicht anordnen. Sie entstehen, wenn Mitarbeitern Raum gegeben wird, Innovation aus eigenem Antrieb voranzutreiben. Viele Mitarbeiter haben aber das Gefühl, überhaupt nicht kreativ zu sein. Das liegt in unserer Natur. Unser Gehirn ist nämlich von Natur aus faul und will gar nicht kreativ sein. Es will Komplexität reduzieren, nicht erhöhen. Wer auf frische Ideen kommen will, muss sich deshalb selbst überlisten. Raus aus der Alltagssituation, weg vom Schreibtisch, andere Meinungen und Sichtweisen zulassen. Auch ein Ortswechsel kann dabei helfen. Wer fühlt sich schon inspiriert in Bürogebäuden? In der freien Natur, in einer fremden Umgebung, mit nicht-konformen Menschen, da sprudelt die Vorstellungskraft, da sprudeln die Ideen. Studien des Fraunhofer-Instituts zeigen: Gewisse Umgebungen machen Menschen kreativer als andere. Sollte man also wie Google Loungesessel oder Kickertische aufstellen, um die Kreativität der eigenen Leute zu steigern? Nein, Sie müssen keine Wohlfühloasen einrichten. Es geht darum, Situationen zu schaffen, wo Leute miteinander sprechen, nach dem Motto: Was können wir anders machen, vor allem mit Blick auf den Kunden? Kreativität entsteht durch Gespräche mit Kollegen, Experten, Kunden oder auch völlig Unbekannten. Durch Begegnungen unterschiedlicher Menschen, die Einzelteile neu zusammenfügen. Wer Gedanken hin und her wälzt und mit anderen spricht, dem eröffnen sich ganz neue Perspektiven. Mein Rat lautet daher: Geben Sie Zeit und Raum für Dialoge. Auch für Zufallsdialoge am Kaffeeautomaten. Kann man sich auch gezielt Inspiration ins Unternehmen holen, um auf neue Ideen zu kommen? In meinem Unternehmen habe ich einmal im Monat Leute von außen reingeholt, die mit uns drei Stunden gearbeitet haben. Die haben uns von ihrer Profession auf neue Ideen gebracht. Das können Theologen oder Biologen sein, das können Anthropologen oder Techniker sein. Ich hatte mal einen Experten, der beruflich die Ausschwingung von Flugzeugflügeln berechnete. Der hat uns auf Ideen gebracht, auf die wären wir selbst nie gekommen. Probieren Sie es selbst einmal aus! Sie werden überrascht sein! Sehr inspirierend ist auch, sich auf Konferenzen mit den verrückten Ideen irgendwelcher Nerds oder Spinner auseinanderzusetzen. Ich war gerade in Austin auf der Tech-Konferenz „South by Southwest“. Da kommen Sie immer mit neuen Gedanken raus. Sollte man auch Kunden in die Ideenfindung einbeziehen? Unbedingt. Wer beispielsweise sein digitales Leistungsangebot erweitern will, sollte Kunden aktiv und kontinuierlich über den gesamten Produktlebenszyklus beteiligen – von den ersten Ideen über die ersten Prototypen bis zu späteren Neuauflagen. Viele Kunden fühlen sich geradezu wertgeschätzt, wenn man sie dazu einlädt. Kleine und mittelgroße Firmen haben hier einen deutlichen Vorteil gegenüber Konzernen, weil sie mit ihren Kunden mitunter sehr eng vernetzt sind. Den sollten sie auch nutzen. Welche Mitarbeiter sollte man künftig einstellen? Setzen Sie auf Diversifizierung! Stellen Sie unterschiedliche Mitarbeiter ein, mit anderem Blickwinkel, Herkunft, Ausbildung, Interessen, aus anderen Branchen. So bringen Sie verschiedene Ideen und Problemlösungsoptionen ins Unternehmen. Steve Jobs hat beispielsweise immer wieder betont, dass das Team, das einst den Mac erfand, berufliche Werdegänge in Anthropologie, Kunst, Geschichte und Poetik hatte. Neues entsteht, wenn ein Unternehmen den Unterschied ehrt, nicht die Konformität.
Mehr lesen über