Wenn der Mitarbeiter weint
„Vorsicht vor Mitgefühl!“

Wie soll man bloß reagieren, wenn ein Mitarbeiter plötzlich weint? Peter Krumbach-Mollenhauer, Führungscoach und Psychologe, erklärt, welche einfache Frage die beste Reaktion ist.

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Ein Taschentuch zu reichen - das fällt den meisten Chefs noch ein. Wie aber reagiert man darüber hinaus angemessen, wenn ein Mitarbeiter weint?

impulse: Herr Krumbach-Mollenhauer, hat bei Ihnen schon mal ein Mitarbeiter geweint?
Peter Krumbach-Mollenhauer: Ja, in den letzten 20 Jahren kam es gelegentlich vor, oft mehr aus persönlichen als beruflichen Gründen. Einmal musste ich einem Mitarbeiter kündigen, weil er einen Diebstahl begangen hat. Dieser war eher emotional betroffen, weil er seine persönliche Situation zusammenbrechen sah.

Der Experte
Business-Coach Peter Krumbach-Mollenhauer ist studierter Psychologe und geschäftsführender Gesellschafter der Beratungsgesellschaft hr-horizonte. Sein Buch „Führen mit Psychologie“ ist im Wiley-Verlag erschienen.

Und Frauen?
Denen kommen eher die Tränen bei Konflikten im Team, wenn sie sich ungerecht behandelt, in ihrer Kompetenz nicht wahrgenommen oder isoliert fühlen. Überforderung führt auch öfter zu Tränen, wenn sich diese also einer Aufgabe nicht gewachsen sehen. Das bestätigen auch verschiedene Untersuchungen.

Beim Gegenüber brechen die Dämme. Was mache ich als Erstes?
Zuerst einmal zuhören, sich Zeit nehmen und die Ursachen diagnostizieren.

Sollte man nicht erst einmal ein Taschentuch reichen?
Sicher, das sollte man parallel machen. Aber: Ich muss abklären, worum es geht. Denn je nach Ursache ist der Hilfeweg ein anderer. Als erstes muss ich klären, ob es privat ein Problem gibt oder bei der Arbeit. Weint der Mitarbeiter aus privaten Gründen, dann gebe ich ihm die Option sofort nach Hause zu gehen. Das gebietet dir Fürsorge. Liegt der Grund im Unternehmen, dann muss ich die Ursachen erforschen und Lösungswege finden. Das ist mein Auftrag.

Ich frage also: „Warum weinst Du?“.
Nein. Stellen Sie keine Warum-Fragen, denn Warum-Fragen richten sich schon an die Vernunft. Fragen Sie stattdessen „Was ist los?“ Das ist eine neutrale Frage. Und dann gilt: Mund halten. Stille ertragen. Aktiv zuhören. Viele Führungskräfte trauen sich aber nicht, nach dem Auslöser zu fragen.

Warum nicht?
Eventuell kommen halt noch mehr Tränen, das verunsichert und macht viele Führungskräfte hilflos.

Vielleicht ahnt man auch, dass man selbst nicht so ganz unschuldig ist an der Situation.
Vielen Führungskräften geht tatsächlich durch den Kopf: Oh Gott – bin ich jetzt daran schuld? Bin ich Auslöser des Problems? In vielen Fällen ist man es nicht.

Wirklich? Wenn ich etwa einem Kollegen sage, dass er seine Aufgaben nicht gut erledigt – dann bin doch ich es, der ihn unter Druck setzt und zum Weinen bringt.
Nein, nicht grundsätzlich. Wenn ich mit jemandem über eine nicht erfolgte Aufgabenerledigung oder ein Fehlverhalten sprechen muss, dann bin ich sachlich nicht beteiligt. Ich bin sozusagen nur der Überbringer der Nachricht. Wenn ich die Aufgaben klar kommuniziert und ein Einverständnis eingeholt habe, dann habe ich keinen Fehler begangen. In diesem Fall bin ich also nicht schuld. Diese innere Haltung ist ganz wichtig.

Wie reagiere ich dann auf Tränen?
Oberste Aufgabe als Führungskraft: sachlich bleiben – aber Verständnis zeigen. Auf keinen Fall in eine elterlich tröstende Rolle kommen, stattdessen auf Augenhöhe bleiben. Die Person fühlt sich ja schon oft selber klein. Auch keine Dinge versprechen, die man nicht erfüllen kann, oder Floskeln wie „Das wird schon wieder“. Eine Führungskraft sollte an dieser Stelle vorsichtig mit Mitgefühl sein, dies wirkt oft nicht glaubhaft.

Das wäre doch aber menschlich.
Ich kann Mitgefühl zeigen, wenn meinem Gegenüber etwas Schlimmes passiert ist. Aber nicht, wenn er seinen Job nicht gut macht. Denn dann nehme ich meinen Führungsauftrag nicht wahr. Wenn ein Mitarbeiter weint, kann ich nicht deswegen die Anforderungen an ihn senken. Entweder hat man eine Anforderung und man denkt, dass eine Person diese auf einer Stelle erfüllen muss – oder man hat sie nicht. Es kann ja auch sein, dass jemand manipulative Tränen vergießt.

Was meinen Sie damit?
Jemand kommt mit einer Situation oder Aufgabe nicht klar und verdrückt ein paar Schonungstränen: „Bitte schon mich doch!“ „Sei doch nicht so hart zu mir!“ In so einer Situation kann man schnell Führungsfehler machen. Da ist es wichtig, dass man sich als Führungskraft ganz klar ist: Was ist auf einer bestimmten Position zu leisten? Und dann muss ich auch konsequent bleiben. Tränen dürfen nicht dazu führen, dass man den Schwierigkeitsgrad runtersetzt. Man verliert dann auch gegenüber dem Rest des Teams, weil es ungerecht und nicht fair wäre.

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Was mache ich stattdessen? Denn wenn jemand offensichtlich überfordert ist, muss ich ja reagieren.
Mein Job ist es, von einem Zustand wieder in einen Prozess zu kommen. Weinen ist ja ein Zustand: Ich bin jetzt aufgewühlt. Da muss ich als Chef im Dialog lösungsorientiert sein: „Wie können wir jetzt damit umgehen?“ Das ist meine Aufgabe, versuchen, nach vorne zu schauen. Und zwar nicht aus einer Betroffenheit heraus, sondern mit möglichst hoher Sachlichkeit. Dann überlegen wir gemeinsam eine Lösungsidee.

Wie sieht der aus?
Ich schaue, woran die Überforderung liegt: am Wissen? Am Können? Am Wollen? An welchen Punkten müssen wir da ansetzen? Und da kann ich als Führungskraft wieder mein ganzes Instrumentarium der klassischen Personalentwicklung zum Einsatz bringen. Braucht die Person eine Fortbildung? Muss sie einen Paten zur Seite bekommen, der ihr das zeigt? Muss ich vielleicht eine andere Position für sie finden?

Wie kann ich reagieren, wenn mein Mitarbeiter in einem Zoom-Meeting weint?
Offen ansprechen, Anlass klären und eventuell Support anbieten: Was kann Sie unterstützen? Nicht: wie kann ich Sie unterstützen? Sonst ist man direkt als Person im Boot.

Manchmal fängt ja auch ein Mitarbeiter in der Gruppe an zu weinen, etwa weil er von anderen kritisiert wird. Was dann?
Die Situation unterscheidet sich deutlich vom Vier-Augen-Gespräch. Im Vier-Augen-Gespräch muss ich direkt reagieren. Da hilft es nicht, das Gespräch aufzuschieben. In der Gruppe bin ich dagegen immer für einen Abbruch der Situation. Pause machen, dem weinenden Kollegen die Möglichkeit geben, sich zu sammeln, und dann das Vier-Augen-Gespräch suchen. Ich hatte so eine Situation auch schon einmal. Da war das Weinen einer Mitarbeiterin auch ein wichtiger Hinweis für den Gesamtprozess.

Inwiefern?
Es kam aus der Gruppe viel persönliche Kritik. Da haben die Beteiligten gemerkt: Wir sind in der Kritik übers Ziel hinausgeschossen, das war nicht hilfreich, wir brauchen da eine andere Strategie. Weinen gehört zum Menschen. Weinen berührt uns. Das ist nicht grundsätzlich schlecht, sondern zeigt einen Veränderungswunsch auf. Oft bringt es einen dadurch weiter.

impulse: Herr Krumbach-Mollenhauer, hat bei Ihnen schon mal ein Mitarbeiter geweint? Peter Krumbach-Mollenhauer: Ja, in den letzten 20 Jahren kam es gelegentlich vor, oft mehr aus persönlichen als beruflichen Gründen. Einmal musste ich einem Mitarbeiter kündigen, weil er einen Diebstahl begangen hat. Dieser war eher emotional betroffen, weil er seine persönliche Situation zusammenbrechen sah. [zur-person] Und Frauen? Denen kommen eher die Tränen bei Konflikten im Team, wenn sie sich ungerecht behandelt, in ihrer Kompetenz nicht wahrgenommen oder isoliert fühlen. Überforderung führt auch öfter zu Tränen, wenn sich diese also einer Aufgabe nicht gewachsen sehen. Das bestätigen auch verschiedene Untersuchungen. Beim Gegenüber brechen die Dämme. Was mache ich als Erstes? Zuerst einmal zuhören, sich Zeit nehmen und die Ursachen diagnostizieren. Sollte man nicht erst einmal ein Taschentuch reichen? Sicher, das sollte man parallel machen. Aber: Ich muss abklären, worum es geht. Denn je nach Ursache ist der Hilfeweg ein anderer. Als erstes muss ich klären, ob es privat ein Problem gibt oder bei der Arbeit. Weint der Mitarbeiter aus privaten Gründen, dann gebe ich ihm die Option sofort nach Hause zu gehen. Das gebietet dir Fürsorge. Liegt der Grund im Unternehmen, dann muss ich die Ursachen erforschen und Lösungswege finden. Das ist mein Auftrag. Ich frage also: „Warum weinst Du?“. Nein. Stellen Sie keine Warum-Fragen, denn Warum-Fragen richten sich schon an die Vernunft. Fragen Sie stattdessen „Was ist los?“ Das ist eine neutrale Frage. Und dann gilt: Mund halten. Stille ertragen. Aktiv zuhören. Viele Führungskräfte trauen sich aber nicht, nach dem Auslöser zu fragen. Warum nicht? Eventuell kommen halt noch mehr Tränen, das verunsichert und macht viele Führungskräfte hilflos. Vielleicht ahnt man auch, dass man selbst nicht so ganz unschuldig ist an der Situation. Vielen Führungskräften geht tatsächlich durch den Kopf: Oh Gott – bin ich jetzt daran schuld? Bin ich Auslöser des Problems? In vielen Fällen ist man es nicht. Wirklich? Wenn ich etwa einem Kollegen sage, dass er seine Aufgaben nicht gut erledigt – dann bin doch ich es, der ihn unter Druck setzt und zum Weinen bringt. Nein, nicht grundsätzlich. Wenn ich mit jemandem über eine nicht erfolgte Aufgabenerledigung oder ein Fehlverhalten sprechen muss, dann bin ich sachlich nicht beteiligt. Ich bin sozusagen nur der Überbringer der Nachricht. Wenn ich die Aufgaben klar kommuniziert und ein Einverständnis eingeholt habe, dann habe ich keinen Fehler begangen. In diesem Fall bin ich also nicht schuld. Diese innere Haltung ist ganz wichtig. Wie reagiere ich dann auf Tränen? Oberste Aufgabe als Führungskraft: sachlich bleiben – aber Verständnis zeigen. Auf keinen Fall in eine elterlich tröstende Rolle kommen, stattdessen auf Augenhöhe bleiben. Die Person fühlt sich ja schon oft selber klein. Auch keine Dinge versprechen, die man nicht erfüllen kann, oder Floskeln wie „Das wird schon wieder“. Eine Führungskraft sollte an dieser Stelle vorsichtig mit Mitgefühl sein, dies wirkt oft nicht glaubhaft. [mehr-zum-thema] Das wäre doch aber menschlich. Ich kann Mitgefühl zeigen, wenn meinem Gegenüber etwas Schlimmes passiert ist. Aber nicht, wenn er seinen Job nicht gut macht. Denn dann nehme ich meinen Führungsauftrag nicht wahr. Wenn ein Mitarbeiter weint, kann ich nicht deswegen die Anforderungen an ihn senken. Entweder hat man eine Anforderung und man denkt, dass eine Person diese auf einer Stelle erfüllen muss – oder man hat sie nicht. Es kann ja auch sein, dass jemand manipulative Tränen vergießt. Was meinen Sie damit? Jemand kommt mit einer Situation oder Aufgabe nicht klar und verdrückt ein paar Schonungstränen: „Bitte schon mich doch!“ „Sei doch nicht so hart zu mir!“ In so einer Situation kann man schnell Führungsfehler machen. Da ist es wichtig, dass man sich als Führungskraft ganz klar ist: Was ist auf einer bestimmten Position zu leisten? Und dann muss ich auch konsequent bleiben. Tränen dürfen nicht dazu führen, dass man den Schwierigkeitsgrad runtersetzt. Man verliert dann auch gegenüber dem Rest des Teams, weil es ungerecht und nicht fair wäre. Was mache ich stattdessen? Denn wenn jemand offensichtlich überfordert ist, muss ich ja reagieren. Mein Job ist es, von einem Zustand wieder in einen Prozess zu kommen. Weinen ist ja ein Zustand: Ich bin jetzt aufgewühlt. Da muss ich als Chef im Dialog lösungsorientiert sein: „Wie können wir jetzt damit umgehen?“ Das ist meine Aufgabe, versuchen, nach vorne zu schauen. Und zwar nicht aus einer Betroffenheit heraus, sondern mit möglichst hoher Sachlichkeit. Dann überlegen wir gemeinsam eine Lösungsidee. Wie sieht der aus? Ich schaue, woran die Überforderung liegt: am Wissen? Am Können? Am Wollen? An welchen Punkten müssen wir da ansetzen? Und da kann ich als Führungskraft wieder mein ganzes Instrumentarium der klassischen Personalentwicklung zum Einsatz bringen. Braucht die Person eine Fortbildung? Muss sie einen Paten zur Seite bekommen, der ihr das zeigt? Muss ich vielleicht eine andere Position für sie finden? Wie kann ich reagieren, wenn mein Mitarbeiter in einem Zoom-Meeting weint? Offen ansprechen, Anlass klären und eventuell Support anbieten: Was kann Sie unterstützen? Nicht: wie kann ich Sie unterstützen? Sonst ist man direkt als Person im Boot. Manchmal fängt ja auch ein Mitarbeiter in der Gruppe an zu weinen, etwa weil er von anderen kritisiert wird. Was dann? Die Situation unterscheidet sich deutlich vom Vier-Augen-Gespräch. Im Vier-Augen-Gespräch muss ich direkt reagieren. Da hilft es nicht, das Gespräch aufzuschieben. In der Gruppe bin ich dagegen immer für einen Abbruch der Situation. Pause machen, dem weinenden Kollegen die Möglichkeit geben, sich zu sammeln, und dann das Vier-Augen-Gespräch suchen. Ich hatte so eine Situation auch schon einmal. Da war das Weinen einer Mitarbeiterin auch ein wichtiger Hinweis für den Gesamtprozess. Inwiefern? Es kam aus der Gruppe viel persönliche Kritik. Da haben die Beteiligten gemerkt: Wir sind in der Kritik übers Ziel hinausgeschossen, das war nicht hilfreich, wir brauchen da eine andere Strategie. Weinen gehört zum Menschen. Weinen berührt uns. Das ist nicht grundsätzlich schlecht, sondern zeigt einen Veränderungswunsch auf. Oft bringt es einen dadurch weiter.
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