Motivierende Gesprächsführung
Mit diesen 6 Fragen motivieren Sie Ihre Mitarbeiter zu Höchstleistungen

Eine Methode, mit der Ärzte Drogensüchtigen helfen, macht nun auch in der Mitarbeiterführung Karriere: Die motivierende Gesprächsführung verspricht, Topleistungen hervorzurufen - ohne Druck aufzubauen.

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Motivierende Mitarbeitergespräche
© Eoneren/iStock/Getty Images Plus/Gettyimages.de

impulse: Die Methode der motivierenden Gesprächsführung wurde ursprünglich entwickelt, um Drogenabhängigen zu helfen. Warum soll sich das auf die Mitarbeiterführung übertragen lassen?

Stephan Kowalski: Letztendlich zeigt die Technik, wie Motivation beim Menschen funktioniert. Das ist universell – ob es darum geht, jemanden von Drogen abzubringen, Kinder zum Zähneputzen zu animieren oder Mitarbeiter für ihren Job zu begeistern. Der Erfolg mit Suchtkranken ist übrigens enorm. Das Programm ist Standard in Notfallaufnahmen und Traumazentren in den USA.

Wie funktioniert die Methode?

Der US-amerikanische Psychologe Michael Pantalon hat das Verfahren für Ärzte in Notaufnahmen entwickelt. Ziel war es, Suchtkranke, die immer wieder in der Klinik landeten, von ihren Suchtmitteln abzubringen. Mit Argumenten, wie ungesund ihr Verhalten ist, kamen die Ärzte nicht weiter. Pantalons Ansatz ist anders: Viele Menschen sind dann bereit, ihr Verhalten  zu ändern, wenn sie ihre eigenen Gründe dafür erkennen. Er hat sechs Fragen entwickelt, mit denen man diese Motivation aus einem Menschen herauskitzeln kann.

Welche Fragen sind das?

  1. Welche Gründe könnte es für Sie geben, sich zu ändern (bzw. das gewünschte Ziel zu erreichen)?
  2. Wie groß ist Ihre Bereitschaft, sich zu ändern, auf einer Skala von 1 (überhaupt nicht bereit) bis 10 (vollkommen bereit)?
  3. Warum haben Sie keine niedrigere Zahl gewählt?
  4. Stellen Sie sich vor, Sie hätten sich bereits verändert (bzw. das Ziel schon erreicht): Was wären die positiven Ergebnisse für Sie?
  5. Warum sind diese Ergebnisse für Sie wichtig?
  6. Was ist – wenn überhaupt – der nächste Schritt?

Wie soll dieses Verfahren in der Mitarbeiterführung funktionieren?

Nehmen wir ein Beispiel: Ein Mitarbeiter kommt regelmäßig zu spät – und der Chef ist richtig genervt. Normalerweise würde man den Druck erhöhen. Bei der motivierenden Gesprächsführung  nimmt man den Druck raus – auch wenn das gegen die Intuition ist. Der Chef schildert, was er wahrgenommen hat, und fragt dann: „Welchen Grund könnte es für Sie persönlich geben, in Zukunft pünktlich zu sein?“ Vielleicht lautet die Antwort: Ich möchte meinen Job nicht verlieren, weil ich für meine Kinder ein Vorbild sein möchte. Oder: Es ist mir wichtig, für meine Familie das Einkommen zu sichern.

Zur Person
Stephan Kowalski, Jahrgang 1967, ist Experte für Motivation, Visioning und Spezialisierung. Er hat die impulse-Akademie mitgegründet und in den vergangenen 15 Jahren mehrere Unternehmen aufgebaut. Als Berater und Strategie-Coach gibt er sein Wissen und seine Erfahrungen an Unternehmer weiter, die wachsen wollen.

Es könnte aber auch sein, dass der Mitarbeiter erst einmal gar nichts sagt.

Ja, wenn er sich überrumpelt fühlt. Deswegen ist es so wichtig, dass das Gespräch freiwillig und ohne Druck stattfindet. Bei dem Mitarbeiter muss ankommen: Ich habe die Wahl, ich kann auch weiterhin zu spät kommen, aber das hat irgendwann Konsequenzen. In der Regel funktioniert das, weil die Mitarbeiter merken, dass sich auf einmal jemand mit ihren persönlichen Gründen beschäftigt.

Wie geht es dann weiter?

Die nächste Frage lautet: „Wie hoch auf einer Skala von 1 (überhaupt nicht bereit) bis 10 (vollkommen bereit) ist Ihre Bereitschaft jetzt schon, in Zukunft pünktlich zu kommen?“ Dann kommt als Antwort vielleicht eine vier oder fünf. Daran knüpft man an und fragt: „Warum haben Sie keine niedrigere Zahl gewählt?“ Das ist überraschend, man würde eher die Frage erwarten, warum die Motivation nicht höher ist – was wieder zum Argumentieren und Appellieren führen würde. Stattdessen muss sich der Mitarbeiter über seinen eigenen Antrieb klar werden.

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Und dann?

Mit der nächsten Frage soll sich der Mitarbeiter in die Zukunft versetzen: „Nehmen wir mal an, Sie wären immer pünktlich – wie fühlt sich das an für Sie?“ So stellt man eine Verbindung zwischen Verstand und Gefühlen her, was bei den meisten Menschen die Bereitschaft zu handeln erhöht. Die fünfte Frage bohrt noch tiefer nach den persönlichen Gründen: „Warum sind diese Ergebnisse wichtig für Sie?“ Es lohnt sich, dabei nicht zu schnell aufzugeben und nachzuhaken.

Jetzt hat der Mitarbeiter im Idealfall erkannt, was ihn persönlich zur Pünktlichkeit motivieren könnte. Aber das bedeutet doch noch lange nicht, dass er nie mehr zu spät kommt.

Aber die Bereitschaft zur Veränderung ist da. Und da setzt die letzte Frage an: „Was ist – wenn überhaupt – der nächste Schritt?“ Das „wenn überhaupt“ ist wichtig, weil es an die Autonomie des Gegenübers appelliert. Er muss nichts ändern, aber wenn er etwas ändern würde, was wäre dann ganz konkret der nächste Schritt?

Die Krux ist doch: Als Chef will ich, dass der Mitarbeiter nicht mehr zu spät kommt.

Davon muss man sich lösen. Denn dahinter steckt oft ein Denkfehler: Ich erkläre jemandem, was er tun soll, und erwarte dann, dass er genauso motiviert ist wie ich. Das funktioniert nicht. In der Psychologie weiß man das schon lange: Wird an einen Menschen appelliert, etwas zu tun, kann das einen Widerstand erzeugen. Wenn Sie zu einem Kind sagen, es soll nicht auf die heiße Herdplatte fassen, probiert es das vermutlich gerade deshalb aus. Man nennt das psychische Reaktanz.

Das klingt nach einer kindischen Trotzreaktion. Aber wenn meine Chefin von mir verlangt, einen Artikel mehr am Tag zu schreiben, denke ich doch nicht: Jetzt schreibe ich aus Prinzip einen weniger!

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Das nicht. Natürlich hilft es Mitarbeitern, wenn sie verstehen, was von ihnen erwartet wird. Aber nehmen wir mal an, ein Chef sagt zum Mitarbeiter: „Verkaufe mehr Versicherungen, dann erreichen wir unsere Ziele.“ Er argumentiert dann auf der Vernunftebene. Doch 80 Prozent unseres Handelns wird unbewusst von unseren Emotionen bestimmt. Wir wollen, dass sich unser Handeln gut anfühlt. Und es fühlt sich besonders gut an, wenn man eigene Beweggründe hat und diese mit den eigenen Werten übereinstimmen. Viele Führungskräfte glauben, dass sie wissen, was für den Mitarbeiter gut ist. Das finde ich anmaßend.

Was, wenn der Mitarbeiter sich partout nicht ändern will?

Wenn jemand keinerlei Motivation hat, sein Verhalten zu ändern, kann man auch mit der tollsten Methode nichts erreichen. Dann muss man sich trennen. Aber in der Regel sind Menschen ambivalent. Jeder kennt das: „Ich würde gern mehr Sport machen, kann mich aber nicht aufraffen.“ Die Technik basiert darauf, den anderen diesen Widerspruch in sich spüren zu lassen.

Kosten solche Gespräche nicht wahnsinnig viel Zeit?

Nein, es geht sogar schneller, weil das Argumentieren wegfällt. Von Leuten, die die Technik anwenden, höre ich immer: Die Gespräche verändern sich schon allein dadurch, dass die Führungskraft die Denkrichtung geändert hat. Aber die Technik funktioniert nur, wenn man ein ehrliches Interesse an den Gründen des Mitarbeiters hat. Wenn das Gespräch dazu dient, jemandem fremdbestimmte Ziele unterzujubeln, kann es ethisch fragwürdig werden.

Inwiefern?

Dann ist der Schritt zur Manipulation nicht mehr weit. Nach dem Motto: „Ist es nicht auch für Sie großartig, wenn wir den Umsatz hier verdoppeln?“ Es sollte immer darum gehen, welche Ziele man gemeinsam erreichen will.

Wenn die Technik so effektiv ist – warum wird sie bislang so wenig genutzt?

Bestimmte Glaubenssätze in der Führung halten sich hartnäckig. Es funktioniert immer noch ziemlich gut, von oben Befehle zu erteilen, obwohl es nicht menschengerecht ist. Dieses System ist geübt und gelernt – auch wenn die Wissenschaft längst weiß, dass es anders besser funktioniert.

impulse: Die Methode der motivierenden Gesprächsführung wurde ursprünglich entwickelt, um Drogenabhängigen zu helfen. Warum soll sich das auf die Mitarbeiterführung übertragen lassen? Stephan Kowalski: Letztendlich zeigt die Technik, wie Motivation beim Menschen funktioniert. Das ist universell - ob es darum geht, jemanden von Drogen abzubringen, Kinder zum Zähneputzen zu animieren oder Mitarbeiter für ihren Job zu begeistern. Der Erfolg mit Suchtkranken ist übrigens enorm. Das Programm ist Standard in Notfallaufnahmen und Traumazentren in den USA. Wie funktioniert die Methode? Der US-amerikanische Psychologe Michael Pantalon hat das Verfahren für Ärzte in Notaufnahmen entwickelt. Ziel war es, Suchtkranke, die immer wieder in der Klinik landeten, von ihren Suchtmitteln abzubringen. Mit Argumenten, wie ungesund ihr Verhalten ist, kamen die Ärzte nicht weiter. Pantalons Ansatz ist anders: Viele Menschen sind dann bereit, ihr Verhalten  zu ändern, wenn sie ihre eigenen Gründe dafür erkennen. Er hat sechs Fragen entwickelt, mit denen man diese Motivation aus einem Menschen herauskitzeln kann. Welche Fragen sind das? Welche Gründe könnte es für Sie geben, sich zu ändern (bzw. das gewünschte Ziel zu erreichen)? Wie groß ist Ihre Bereitschaft, sich zu ändern, auf einer Skala von 1 (überhaupt nicht bereit) bis 10 (vollkommen bereit)? Warum haben Sie keine niedrigere Zahl gewählt? Stellen Sie sich vor, Sie hätten sich bereits verändert (bzw. das Ziel schon erreicht): Was wären die positiven Ergebnisse für Sie? Warum sind diese Ergebnisse für Sie wichtig? Was ist - wenn überhaupt - der nächste Schritt? Wie soll dieses Verfahren in der Mitarbeiterführung funktionieren? Nehmen wir ein Beispiel: Ein Mitarbeiter kommt regelmäßig zu spät - und der Chef ist richtig genervt. Normalerweise würde man den Druck erhöhen. Bei der motivierenden Gesprächsführung  nimmt man den Druck raus - auch wenn das gegen die Intuition ist. Der Chef schildert, was er wahrgenommen hat, und fragt dann: "Welchen Grund könnte es für Sie persönlich geben, in Zukunft pünktlich zu sein?" Vielleicht lautet die Antwort: Ich möchte meinen Job nicht verlieren, weil ich für meine Kinder ein Vorbild sein möchte. Oder: Es ist mir wichtig, für meine Familie das Einkommen zu sichern. Es könnte aber auch sein, dass der Mitarbeiter erst einmal gar nichts sagt. Ja, wenn er sich überrumpelt fühlt. Deswegen ist es so wichtig, dass das Gespräch freiwillig und ohne Druck stattfindet. Bei dem Mitarbeiter muss ankommen: Ich habe die Wahl, ich kann auch weiterhin zu spät kommen, aber das hat irgendwann Konsequenzen. In der Regel funktioniert das, weil die Mitarbeiter merken, dass sich auf einmal jemand mit ihren persönlichen Gründen beschäftigt. Wie geht es dann weiter? Die nächste Frage lautet: "Wie hoch auf einer Skala von 1 (überhaupt nicht bereit) bis 10 (vollkommen bereit) ist Ihre Bereitschaft jetzt schon, in Zukunft pünktlich zu kommen?" Dann kommt als Antwort vielleicht eine vier oder fünf. Daran knüpft man an und fragt: "Warum haben Sie keine niedrigere Zahl gewählt?" Das ist überraschend, man würde eher die Frage erwarten, warum die Motivation nicht höher ist - was wieder zum Argumentieren und Appellieren führen würde. Stattdessen muss sich der Mitarbeiter über seinen eigenen Antrieb klar werden. Und dann? Mit der nächsten Frage soll sich der Mitarbeiter in die Zukunft versetzen: "Nehmen wir mal an, Sie wären immer pünktlich - wie fühlt sich das an für Sie?" So stellt man eine Verbindung zwischen Verstand und Gefühlen her, was bei den meisten Menschen die Bereitschaft zu handeln erhöht. Die fünfte Frage bohrt noch tiefer nach den persönlichen Gründen: "Warum sind diese Ergebnisse wichtig für Sie?" Es lohnt sich, dabei nicht zu schnell aufzugeben und nachzuhaken. Jetzt hat der Mitarbeiter im Idealfall erkannt, was ihn persönlich zur Pünktlichkeit motivieren könnte. Aber das bedeutet doch noch lange nicht, dass er nie mehr zu spät kommt. Aber die Bereitschaft zur Veränderung ist da. Und da setzt die letzte Frage an: "Was ist - wenn überhaupt - der nächste Schritt?" Das "wenn überhaupt" ist wichtig, weil es an die Autonomie des Gegenübers appelliert. Er muss nichts ändern, aber wenn er etwas ändern würde, was wäre dann ganz konkret der nächste Schritt? Die Krux ist doch: Als Chef will ich, dass der Mitarbeiter nicht mehr zu spät kommt. Davon muss man sich lösen. Denn dahinter steckt oft ein Denkfehler: Ich erkläre jemandem, was er tun soll, und erwarte dann, dass er genauso motiviert ist wie ich. Das funktioniert nicht. In der Psychologie weiß man das schon lange: Wird an einen Menschen appelliert, etwas zu tun, kann das einen Widerstand erzeugen. Wenn Sie zu einem Kind sagen, es soll nicht auf die heiße Herdplatte fassen, probiert es das vermutlich gerade deshalb aus. Man nennt das psychische Reaktanz. Das klingt nach einer kindischen Trotzreaktion. Aber wenn meine Chefin von mir verlangt, einen Artikel mehr am Tag zu schreiben, denke ich doch nicht: Jetzt schreibe ich aus Prinzip einen weniger! Das nicht. Natürlich hilft es Mitarbeitern, wenn sie verstehen, was von ihnen erwartet wird. Aber nehmen wir mal an, ein Chef sagt zum Mitarbeiter: "Verkaufe mehr Versicherungen, dann erreichen wir unsere Ziele." Er argumentiert dann auf der Vernunftebene. Doch 80 Prozent unseres Handelns wird unbewusst von unseren Emotionen bestimmt. Wir wollen, dass sich unser Handeln gut anfühlt. Und es fühlt sich besonders gut an, wenn man eigene Beweggründe hat und diese mit den eigenen Werten übereinstimmen. Viele Führungskräfte glauben, dass sie wissen, was für den Mitarbeiter gut ist. Das finde ich anmaßend. Was, wenn der Mitarbeiter sich partout nicht ändern will? Wenn jemand keinerlei Motivation hat, sein Verhalten zu ändern, kann man auch mit der tollsten Methode nichts erreichen. Dann muss man sich trennen. Aber in der Regel sind Menschen ambivalent. Jeder kennt das: "Ich würde gern mehr Sport machen, kann mich aber nicht aufraffen." Die Technik basiert darauf, den anderen diesen Widerspruch in sich spüren zu lassen. Kosten solche Gespräche nicht wahnsinnig viel Zeit? Nein, es geht sogar schneller, weil das Argumentieren wegfällt. Von Leuten, die die Technik anwenden, höre ich immer: Die Gespräche verändern sich schon allein dadurch, dass die Führungskraft die Denkrichtung geändert hat. Aber die Technik funktioniert nur, wenn man ein ehrliches Interesse an den Gründen des Mitarbeiters hat. Wenn das Gespräch dazu dient, jemandem fremdbestimmte Ziele unterzujubeln, kann es ethisch fragwürdig werden. Inwiefern? Dann ist der Schritt zur Manipulation nicht mehr weit. Nach dem Motto: "Ist es nicht auch für Sie großartig, wenn wir den Umsatz hier verdoppeln?" Es sollte immer darum gehen, welche Ziele man gemeinsam erreichen will. Wenn die Technik so effektiv ist - warum wird sie bislang so wenig genutzt? Bestimmte Glaubenssätze in der Führung halten sich hartnäckig. Es funktioniert immer noch ziemlich gut, von oben Befehle zu erteilen, obwohl es nicht menschengerecht ist. Dieses System ist geübt und gelernt - auch wenn die Wissenschaft längst weiß, dass es anders besser funktioniert.