Verhalten fehlinterpretieren
Sie ärgern sich über Mitarbeiter? Das hilft!

Wenn Chefs sich über Mitarbeiter ärgern, hat das oft eine simple Ursache: Sie fehlinterpretieren deren Verhalten. Woran Sie erkennen, dass Sie in die Falle tappen – und wie Sie die Stopp-Taste drücken können.

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Wenn der Ärger hochkocht, neigen wir dazu, das Verhalten anderer falsch zu interpretieren.
© go2 / photocase.de

Zu „faulen Mitarbeitern“ finden sich 791.000 Treffer bei Google, über „dumme Mitarbeiter“ gibt es sogar 8 Millionen Einträge. Auch im Alltag als Coach für Mitarbeiterführung erlebe ich, dass sich fast alle Chefs und Chefinnen von dummen, faulen, respektlosen, unwilligen oder angriffslustigen Mitarbeitern umgeben fühlen.

Haben Sie auch so einen Mitarbeiter, der sich gar nicht bemüht? Nervt es Sie, wie Ihre Kollegen schludern, während Sie sich jeden Tag voll reinhängen? Sie sind nicht allein.

Wir vermischen Beobachtungen und Annahmen

Wenn wir uns die ärgerliche Situation im Seminar genauer anschauen, um eine Gesprächsstrategie auszuarbeiten, kommt in 80 Prozent der Fälle heraus:  Es ist alles ganz anders, als zunächst gedacht. Das Problem: Im Umgang mit anderen Menschen vermischen wir das, was wir beobachten, mit dem, was wir glauben.

Ein ganz typisches Beispiel: „Ich sitze jeden Tag bis 23 Uhr im Büro und dann macht meine Sekretärin schon wieder einen Fehler bei der Abrechnung“, klagte einmal ein Unternehmer in meinem Führungsseminar. Er war stinksauer und wollte ein Kritikgespräch mit der Dame führen. Vor allem ärgerte ihn der „mangelnde Respekt“ der Kollegin. Dabei strengte er sich selbst so an.

Ich bat den Unternehmer, mir genauer zu erklären, wie der Fehler seiner Sekretärin und seine lange Arbeitszeit zusammenhängen. Die Antwort war: „Gar nicht!“ Der Chef saß jeden Tag bis kurz vor Mitternacht im Büro – egal, ob ein Mitarbeiter oder eine Mitarbeiterin einen Fehler gemacht hatte oder nicht. Seine Wut über sich selbst, das Gefühl, alleine zu kämpfen, seine Angst zu scheitern – all das vermischte sich mit seinem Ärger über den Fehler der Sekretärin.

Jeder sieht die Welt durch seinen persönlichen Filter

Was passiert eigentlich in solchen Momenten? Wir Menschen neigen dazu, unsere eigene Wahrnehmung als Fakt zu begreifen, und vergessen darüber eine Tatsache, die jeder schon erlebt hat: Jeder sieht die Welt durch seinen persönlichen Filter. Ob etwas laut oder leise ist, eine Herausforderung im Job oder eine fürchterliche Überforderung, eine angenehme Routine oder nervtötende Aufgabe – drei Menschen, drei Meinungen. Ich kann mich mit Freunden manchmal nicht mal einigen, ob ein T-Shirt eher hellrot oder pink ist.

Wir nehmen das, was wir sehen, nicht nur wahr, sondern interpretieren diese Beobachtungen und verbinden diese mit einem Gefühl. Dieser Prozess läuft so rasend schnell ab, dass wir ihn gar nicht bemerken. In der Steinzeit war dieses Muster überlebenswichtig. Wenn Sie einem Bären begegnen, sollten Sie nicht lange fackeln, sondern blitzschnell entscheiden: Freund oder Feind, gut für mich oder schlecht. Wir alle sind Meister der Interpretation und Antizipation.

Es gibt Dutzende mögliche Erklärungen für ein Verhalten

Um noch einmal auf das Einstiegsbeispiel zurückzukommen: Die Sekretärin macht einen Fehler – und binnen Sekunden schießen dem Chef  die unterschiedlichsten Interpretationen in den Kopf: „Sie gibt sich keine Mühe, sie ist unkonzentriert, sie macht das, um mir zu schaden. Ich arbeite so hart und diese Frau offenkundig nicht.“ Praktisch zeitgleich übernehmen unsere Emotionen das Ruder. Wir ärgern uns, wir fühlen uns persönlich angegriffen, wir würden die Person am liebsten bestrafen.

Nüchtern betrachtet hat die Frau einen Fehler gemacht – und Sie wissen erst einmal nicht warum. Es gibt Dutzende Möglichkeiten: Unsicherheit, Unkonzentriertheit, Unwissen, ein Missverständnis, persönliche Sorgen.

Würden Sie sich genauso ärgern, wenn Sie wüssten, dass die Sekretärin drei Tage vor dem Fehler Ihren Partner ins Krankenhaus bringen musste? Oder wenn Ihnen klar wäre, dass ein Kollege, vielleicht sogar Sie selbst, versehentlich eine falsche Zahl weitergegeben hat? Was würden Sie empfinden, wenn die Sekretärin ehrlich einräumt, dass Sie sich mit der Abrechnung manchmal überfordert fühlt und gerne einen Buchhaltungskurs besuchen würde?

Daran erkennen Sie eigene Fehlinterpretationen

Woran können Sie nun im Alltag erkennen, ob Sie gerade in der Interpretationsfalle stecken? In Wahrheit stecken wir ständig in der Falle, denn wir sehen 24 Stunden täglich durch unseren persönlichen Filter. Oft ist das kein Problem. Ob Sie die Welt etwas bläulicher wahrnehmen als Ihr Kollege, wird kaum je für Probleme sorgen. Heikel wird es in Konflikten – da sind fast immer Interpretationen im Spiel, die für schlechte Gefühle sorgen. Wenn Sie spüren, dass in Ihnen Ärger hochkocht, wenn Sie sich gekränkt, angegriffen oder übergangen fühlen, ist das ein ziemlich klares Indiz: Sie sind mittendrin, Sie haben ein Verhalten interpretiert und das hat eine negative Emotion bei Ihnen ausgelöst.

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In Konflikten lohnt es sich daher immer, beim Gegenüber nachzufragen: Warum hast du bei Projekt X nicht an mich gedacht? Was genau meinst du mit deiner Aussage? Wieso hast du dich noch nie für eine Spätschicht gemeldet? Meine Erfahrung: In der Regel bin ich überrascht, welche Intentionen mein Gegenüber hatte.

Stellen Sie sich folgende Fragen

Ebenfalls hilfreich: Selbstreflexion. Drücken Sie beim nächsten Mal die Stopp-Taste, bevor Sie sich in der Interpretationsfalle verheddern. Das ist nicht leicht, aber Sie können es üben. Stellen Sie sich dazu folgende Fragen:

  • Was habe ich genau beobachtet?
  • Wie habe ich dieses Verhalten interpretiert?
  • Wie könnte ich das Verhalten noch interpretieren? (Fantasieren Sie hier frei drauf los)
  • Wie fühle ich mich?
  • Wie viel von meinem Gefühl hat mit der Situation zu tun? Wo übertreibe ich,  aufgrund von früheren Erfahrungen?
  • Welches Ziel möchte ich mit meinem Mitarbeiter vereinbaren?

Mit kühlem Kopf und weniger eigenen Interpretationen – das ist jedenfalls meine eigene Erfahrung – lassen sich die meisten Probleme lösen.

Zu „faulen Mitarbeitern“ finden sich 791.000 Treffer bei Google, über „dumme Mitarbeiter“ gibt es sogar 8 Millionen Einträge. Auch im Alltag als Coach für Mitarbeiterführung erlebe ich, dass sich fast alle Chefs und Chefinnen von dummen, faulen, respektlosen, unwilligen oder angriffslustigen Mitarbeitern umgeben fühlen. Haben Sie auch so einen Mitarbeiter, der sich gar nicht bemüht? Nervt es Sie, wie Ihre Kollegen schludern, während Sie sich jeden Tag voll reinhängen? Sie sind nicht allein. Wir vermischen Beobachtungen und Annahmen Wenn wir uns die ärgerliche Situation im Seminar genauer anschauen, um eine Gesprächsstrategie auszuarbeiten, kommt in 80 Prozent der Fälle heraus:  Es ist alles ganz anders, als zunächst gedacht. Das Problem: Im Umgang mit anderen Menschen vermischen wir das, was wir beobachten, mit dem, was wir glauben. Ein ganz typisches Beispiel: „Ich sitze jeden Tag bis 23 Uhr im Büro und dann macht meine Sekretärin schon wieder einen Fehler bei der Abrechnung", klagte einmal ein Unternehmer in meinem Führungsseminar. Er war stinksauer und wollte ein Kritikgespräch mit der Dame führen. Vor allem ärgerte ihn der „mangelnde Respekt“ der Kollegin. Dabei strengte er sich selbst so an. Ich bat den Unternehmer, mir genauer zu erklären, wie der Fehler seiner Sekretärin und seine lange Arbeitszeit zusammenhängen. Die Antwort war: „Gar nicht!“ Der Chef saß jeden Tag bis kurz vor Mitternacht im Büro – egal, ob ein Mitarbeiter oder eine Mitarbeiterin einen Fehler gemacht hatte oder nicht. Seine Wut über sich selbst, das Gefühl, alleine zu kämpfen, seine Angst zu scheitern – all das vermischte sich mit seinem Ärger über den Fehler der Sekretärin. Jeder sieht die Welt durch seinen persönlichen Filter Was passiert eigentlich in solchen Momenten? Wir Menschen neigen dazu, unsere eigene Wahrnehmung als Fakt zu begreifen, und vergessen darüber eine Tatsache, die jeder schon erlebt hat: Jeder sieht die Welt durch seinen persönlichen Filter. Ob etwas laut oder leise ist, eine Herausforderung im Job oder eine fürchterliche Überforderung, eine angenehme Routine oder nervtötende Aufgabe – drei Menschen, drei Meinungen. Ich kann mich mit Freunden manchmal nicht mal einigen, ob ein T-Shirt eher hellrot oder pink ist. Wir nehmen das, was wir sehen, nicht nur wahr, sondern interpretieren diese Beobachtungen und verbinden diese mit einem Gefühl. Dieser Prozess läuft so rasend schnell ab, dass wir ihn gar nicht bemerken. In der Steinzeit war dieses Muster überlebenswichtig. Wenn Sie einem Bären begegnen, sollten Sie nicht lange fackeln, sondern blitzschnell entscheiden: Freund oder Feind, gut für mich oder schlecht. Wir alle sind Meister der Interpretation und Antizipation. Es gibt Dutzende mögliche Erklärungen für ein Verhalten Um noch einmal auf das Einstiegsbeispiel zurückzukommen: Die Sekretärin macht einen Fehler - und binnen Sekunden schießen dem Chef  die unterschiedlichsten Interpretationen in den Kopf: „Sie gibt sich keine Mühe, sie ist unkonzentriert, sie macht das, um mir zu schaden. Ich arbeite so hart und diese Frau offenkundig nicht.“ Praktisch zeitgleich übernehmen unsere Emotionen das Ruder. Wir ärgern uns, wir fühlen uns persönlich angegriffen, wir würden die Person am liebsten bestrafen. Nüchtern betrachtet hat die Frau einen Fehler gemacht - und Sie wissen erst einmal nicht warum. Es gibt Dutzende Möglichkeiten: Unsicherheit, Unkonzentriertheit, Unwissen, ein Missverständnis, persönliche Sorgen. Würden Sie sich genauso ärgern, wenn Sie wüssten, dass die Sekretärin drei Tage vor dem Fehler Ihren Partner ins Krankenhaus bringen musste? Oder wenn Ihnen klar wäre, dass ein Kollege, vielleicht sogar Sie selbst, versehentlich eine falsche Zahl weitergegeben hat? Was würden Sie empfinden, wenn die Sekretärin ehrlich einräumt, dass Sie sich mit der Abrechnung manchmal überfordert fühlt und gerne einen Buchhaltungskurs besuchen würde? Daran erkennen Sie eigene Fehlinterpretationen Woran können Sie nun im Alltag erkennen, ob Sie gerade in der Interpretationsfalle stecken? In Wahrheit stecken wir ständig in der Falle, denn wir sehen 24 Stunden täglich durch unseren persönlichen Filter. Oft ist das kein Problem. Ob Sie die Welt etwas bläulicher wahrnehmen als Ihr Kollege, wird kaum je für Probleme sorgen. Heikel wird es in Konflikten - da sind fast immer Interpretationen im Spiel, die für schlechte Gefühle sorgen. Wenn Sie spüren, dass in Ihnen Ärger hochkocht, wenn Sie sich gekränkt, angegriffen oder übergangen fühlen, ist das ein ziemlich klares Indiz: Sie sind mittendrin, Sie haben ein Verhalten interpretiert und das hat eine negative Emotion bei Ihnen ausgelöst. In Konflikten lohnt es sich daher immer, beim Gegenüber nachzufragen: Warum hast du bei Projekt X nicht an mich gedacht? Was genau meinst du mit deiner Aussage? Wieso hast du dich noch nie für eine Spätschicht gemeldet? Meine Erfahrung: In der Regel bin ich überrascht, welche Intentionen mein Gegenüber hatte. Stellen Sie sich folgende Fragen Ebenfalls hilfreich: Selbstreflexion. Drücken Sie beim nächsten Mal die Stopp-Taste, bevor Sie sich in der Interpretationsfalle verheddern. Das ist nicht leicht, aber Sie können es üben. Stellen Sie sich dazu folgende Fragen: Was habe ich genau beobachtet? Wie habe ich dieses Verhalten interpretiert? Wie könnte ich das Verhalten noch interpretieren? (Fantasieren Sie hier frei drauf los) Wie fühle ich mich? Wie viel von meinem Gefühl hat mit der Situation zu tun? Wo übertreibe ich,  aufgrund von früheren Erfahrungen? Welches Ziel möchte ich mit meinem Mitarbeiter vereinbaren? Mit kühlem Kopf und weniger eigenen Interpretationen - das ist jedenfalls meine eigene Erfahrung - lassen sich die meisten Probleme lösen.