Vertrauenskultur in Unternehmen
Warum Chefs lernen müssen, ihren Mitarbeitern zu vertrauen

Wenn ein Mitarbeiter ins Home-Office verschwindet, bekommt so mancher Chef Panik: "Jetzt kann der ja machen, was er will!" Richtig! Und im Idealfall will er genau das, wofür er bezahlt wird. Doch wie baut man Vertrauen auf - und geht es wirklich ganz ohne Kontrolle?

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Vertrauensbildende Maßnahme: Am Berg muss ein Bergsteiger dem anderen vertrauen können. Doch auch für Unternehmen ist eine funktionierende Vertrauenskultur wichtig.
Vertrauensbildende Maßnahme: Am Berg muss ein Bergsteiger dem anderen vertrauen können. Doch auch für Unternehmen ist eine funktionierende Vertrauenskultur wichtig.
© sezer66 / Fotolia.com

Viele Chefs fürchten einen vermeintlichen Kontrollverlust, wenn sie nicht mehr sehen können, was ein Mitarbeiter tut. Kümmert er sich eher um das Projekt Wäscheberg anstatt um sein Arbeitsprojekt? Bespaßt er seine Kinder, anstatt sich um Kunden zu kümmern?

Ein Umdenken ist gefragt. Denn: Vor allem junge hochqualifizierte Bewerber machen ihre Entscheidung für einen Job heute oft davon abhängig, ob ein Unternehmen flexible Arbeitsmodelle unterstützt.

Im Interview erklärt die Diplom-Psychologin Judith Klups, warum Chefs an der Vertrauenskultur im Unternehmen arbeiten müssen – und wie das in der Praxis aussehen kann.

impulse: Frau Klups, warum spielt Vertrauen beim Thema Home-Office eine so große Rolle? Im Büro steht man ja auch nicht ständig hinter seinem Mitarbeiter und guckt, ob der auch fleißig arbeitet.

Judith Klups: Das stimmt. Viele Führungskräfte geben sich aber einer Illusion hin: Wer da ist, der arbeitet. Das ist natürlich Quatsch. Nur davon, dass ein Mitarbeiter acht Stunden lang an seinem Arbeitsplatz sitzt, erledigt er seinen Job nicht. Aber erst wenn der Mitarbeiter von zuhause aus arbeitet, stellen sich die Chefs die Frage: Vertraue ich ihm wirklich?

Und wie lautet die Antwort?

Erschreckend häufig lautet sie nein. Ich hatte letztens eine Führungskraft in einem Training, die sagte: „Wenn wir Home-Office machen, dann brauche ich Überwachungskameras.“ Da gibt es dann ein ganz grundsätzliches Problem mit den Führungswerten. Bei flexiblen Arbeitsmodellen braucht man aber echtes Vertrauen – nicht fadenscheiniges und oberflächliches.

Unsere Expertin
Judith Klups Judith Klups ist Partnerin bei den Zukunftsagenten und berät Unternehmen unter anderem bei der strategischen Organisationsentwicklung und zukunftsgerichteten HR-Prozessen.

Was meinen Sie damit?

Oft wird in Unternehmen von „Vertrauen“ gesprochen – aber dann ruft die Führungskraft den Mitarbeiter am Freitag um 17 Uhr im Home-Office an, um etwas „Wichtiges“ zu fragen – eigentlich aber, um zu kontrollieren, ob die Person auch wirklich arbeitet. Das habe ich selber so erlebt und das würde jemanden wie mich eher dazu bringen, nach so einem Anruf in den Feierabend zu verschwinden.

Wie kann ich echtes Vertrauen in der Unternehmenskultur verankern?

Vertrauen beginnt bei mir selbst – ich muss den Anfang machen und einem anderen Vertrauen schenken. Bei meinem Gegenüber verhält es sich gleichermaßen – auch er kann mir im Idealfall Vertrauen schenken. Vertrauen kann man sich demnach auch nicht verdienen – man bekommt es geschenkt.

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Können Sie Tipps für vertrauensbildende Maßnahmen geben?

Bei vertrauensbildenden Maßnahmen sollte man mit jedem einzelnen erarbeiten, was passieren muss, damit er einer anderen Person, einem System, einem Prozess Vertrauen schenken kann. Was hindert ihn daran, was hemmt ihn, was muss passieren, damit er es tut? Nur so kann eine echte Vertrauenskultur entstehen.

Und eine solche funktionierende Vertrauenskultur macht Kontrollen jeder Art wirklich überflüssig?

Neulich habe ich mich mit einem Geschäftsführer unterhalten, der felsenfest davon überzeugt war, man müsse seine Mitarbeiter eben doch kontrollieren. „Warum?“, habe ich gefragt. Die Antwort: „Weil die sonst doch machen, was sie wollen.“ Richtig, und im Idealfall wollen sie das machen, wofür sie bezahlt werden – aber dafür müssen sie motiviert sein, sich wohlfühlen und Vertrauen geschenkt bekommen.

Warum tun sich vor allem viele ältere Chefs so schwer damit, ihren Mitarbeitern die Leine etwas länger zu lassen?

Die Generation der Babyboomer ist damit aufgewachsen, dass Arbeit weitestgehend vor Ort stattfindet. Man ging „zur Arbeit“, ein „Vor-Gesetzter“ entschied, was zu tun ist, Zusammenarbeit fand meist vor Ort statt. Das war auch gut und richtig so und hat unsere Wirtschaft weit voran gebracht. Aber nun treffen sie auf eine Generation, die in einer virtuellen und digitalen Welt aufgewachsen ist. Einer Generation, die sagt: Wieso sollte ich „zur Arbeit“ gehen, wenn meine Arbeit mit dem Anschalten meines Laptops zu mir kommen kann – egal wo ich bin?

Wie lässt sich dieser Gegensatz auflösen?

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Für gegenseitiges Verständnis und Vertrauen müssen die verschiedenen Generationen viel miteinander reden. Nur gemeinsam können wir die Arbeitswelt verändern und weiter erfolgreich bleiben. Außerdem braucht es druchdachte Regeln, damit flexible Arbeitsmodelle funktionieren.

Was meinen Sie damit?

Es gibt Aufgaben, die gut im Home-Office erledigt werden können. Andere, die zum Beispiel vieler Absprachen bedürfen, aber nicht. Das geht leichter vor Ort. Wichtig ist, dass nicht die Führungskraft hierarchisch festlegt, was zu Hause und was in der Firma gemacht werden muss. Ich muss meinem Mitarbeiter vertrauen, dass er selber mitbestimmen kann, was die beste Regelung ist. Von oben zu bestimmen: „Freitags machst Du Home-Office“, bringt dem Mitarbeiter auch keine Flexibilität.

Ein Tag ist doch besser als nichts!

Solche Regeln sind nicht mehr als kosmetische Maßnahmen. Das machen Unternehmen, die sich gezwungen sehen, mit dem Trend zu gehen, die aber nicht überzeugt sind, dass so eine Organisationsentwicklung der richtige Weg ist. Mitarbeiter sind keine Kleinkinder, über die man bestimmt. Man fragt sie nach ihrer Einschätzung und findet gemeinsam eine durchdachte Entscheidung.

Viele Chefs fürchten einen vermeintlichen Kontrollverlust, wenn sie nicht mehr sehen können, was ein Mitarbeiter tut. Kümmert er sich eher um das Projekt Wäscheberg anstatt um sein Arbeitsprojekt? Bespaßt er seine Kinder, anstatt sich um Kunden zu kümmern? Ein Umdenken ist gefragt. Denn: Vor allem junge hochqualifizierte Bewerber machen ihre Entscheidung für einen Job heute oft davon abhängig, ob ein Unternehmen flexible Arbeitsmodelle unterstützt. Im Interview erklärt die Diplom-Psychologin Judith Klups, warum Chefs an der Vertrauenskultur im Unternehmen arbeiten müssen - und wie das in der Praxis aussehen kann. impulse: Frau Klups, warum spielt Vertrauen beim Thema Home-Office eine so große Rolle? Im Büro steht man ja auch nicht ständig hinter seinem Mitarbeiter und guckt, ob der auch fleißig arbeitet. Judith Klups: Das stimmt. Viele Führungskräfte geben sich aber einer Illusion hin: Wer da ist, der arbeitet. Das ist natürlich Quatsch. Nur davon, dass ein Mitarbeiter acht Stunden lang an seinem Arbeitsplatz sitzt, erledigt er seinen Job nicht. Aber erst wenn der Mitarbeiter von zuhause aus arbeitet, stellen sich die Chefs die Frage: Vertraue ich ihm wirklich? Und wie lautet die Antwort? Erschreckend häufig lautet sie nein. Ich hatte letztens eine Führungskraft in einem Training, die sagte: "Wenn wir Home-Office machen, dann brauche ich Überwachungskameras." Da gibt es dann ein ganz grundsätzliches Problem mit den Führungswerten. Bei flexiblen Arbeitsmodellen braucht man aber echtes Vertrauen – nicht fadenscheiniges und oberflächliches. Was meinen Sie damit? Oft wird in Unternehmen von „Vertrauen“ gesprochen – aber dann ruft die Führungskraft den Mitarbeiter am Freitag um 17 Uhr im Home-Office an, um etwas „Wichtiges" zu fragen - eigentlich aber, um zu kontrollieren, ob die Person auch wirklich arbeitet. Das habe ich selber so erlebt und das würde jemanden wie mich eher dazu bringen, nach so einem Anruf in den Feierabend zu verschwinden. Wie kann ich echtes Vertrauen in der Unternehmenskultur verankern? Vertrauen beginnt bei mir selbst – ich muss den Anfang machen und einem anderen Vertrauen schenken. Bei meinem Gegenüber verhält es sich gleichermaßen – auch er kann mir im Idealfall Vertrauen schenken. Vertrauen kann man sich demnach auch nicht verdienen – man bekommt es geschenkt. Können Sie Tipps für vertrauensbildende Maßnahmen geben? Bei vertrauensbildenden Maßnahmen sollte man mit jedem einzelnen erarbeiten, was passieren muss, damit er einer anderen Person, einem System, einem Prozess Vertrauen schenken kann. Was hindert ihn daran, was hemmt ihn, was muss passieren, damit er es tut? Nur so kann eine echte Vertrauenskultur entstehen. Und eine solche funktionierende Vertrauenskultur macht Kontrollen jeder Art wirklich überflüssig? Neulich habe ich mich mit einem Geschäftsführer unterhalten, der felsenfest davon überzeugt war, man müsse seine Mitarbeiter eben doch kontrollieren. „Warum?“, habe ich gefragt. Die Antwort: „Weil die sonst doch machen, was sie wollen.“ Richtig, und im Idealfall wollen sie das machen, wofür sie bezahlt werden – aber dafür müssen sie motiviert sein, sich wohlfühlen und Vertrauen geschenkt bekommen. Warum tun sich vor allem viele ältere Chefs so schwer damit, ihren Mitarbeitern die Leine etwas länger zu lassen? Die Generation der Babyboomer ist damit aufgewachsen, dass Arbeit weitestgehend vor Ort stattfindet. Man ging „zur Arbeit“, ein „Vor-Gesetzter“ entschied, was zu tun ist, Zusammenarbeit fand meist vor Ort statt. Das war auch gut und richtig so und hat unsere Wirtschaft weit voran gebracht. Aber nun treffen sie auf eine Generation, die in einer virtuellen und digitalen Welt aufgewachsen ist. Einer Generation, die sagt: Wieso sollte ich „zur Arbeit“ gehen, wenn meine Arbeit mit dem Anschalten meines Laptops zu mir kommen kann – egal wo ich bin? Wie lässt sich dieser Gegensatz auflösen? Für gegenseitiges Verständnis und Vertrauen müssen die verschiedenen Generationen viel miteinander reden. Nur gemeinsam können wir die Arbeitswelt verändern und weiter erfolgreich bleiben. Außerdem braucht es druchdachte Regeln, damit flexible Arbeitsmodelle funktionieren. Was meinen Sie damit? Es gibt Aufgaben, die gut im Home-Office erledigt werden können. Andere, die zum Beispiel vieler Absprachen bedürfen, aber nicht. Das geht leichter vor Ort. Wichtig ist, dass nicht die Führungskraft hierarchisch festlegt, was zu Hause und was in der Firma gemacht werden muss. Ich muss meinem Mitarbeiter vertrauen, dass er selber mitbestimmen kann, was die beste Regelung ist. Von oben zu bestimmen: "Freitags machst Du Home-Office", bringt dem Mitarbeiter auch keine Flexibilität. Ein Tag ist doch besser als nichts! Solche Regeln sind nicht mehr als kosmetische Maßnahmen. Das machen Unternehmen, die sich gezwungen sehen, mit dem Trend zu gehen, die aber nicht überzeugt sind, dass so eine Organisationsentwicklung der richtige Weg ist. Mitarbeiter sind keine Kleinkinder, über die man bestimmt. Man fragt sie nach ihrer Einschätzung und findet gemeinsam eine durchdachte Entscheidung.
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