Beschwerdemanagement
Wie viel muss ich mir von meinen Kunden bieten lassen?

Beschwerdemanagement kostet Nerven - vor allem wenn der Kunde ausfallend wird oder im Unrecht ist. Was Unternehmer hinnehmen sollten und warum es manchmal besser ist, kulant zu sein.

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Ein Fall fürs Beschwerdemanagement: Wann ist die Grenze erreicht - und gibt es sie überhaupt?
Ein Fall fürs Beschwerdemanagement: Wann ist die Grenze erreicht - und gibt es sie überhaupt?

„Der Kunde ist König“, heißt eine Faustregel im Kundenservice. Aber was, wenn der Kunde im Unrecht ist oder zu viel verlangt? Wenn er wütende Beschimpfungen am Telefon ausstößt oder eine Reklamation macht, obwohl er das Produkt falsch verwendet hat? Evelyne Hett berät Unternehmen bei der Kommunikation mit Kunden und rät zur Gelassenheit bei Beschwerdemanagement.

impulse: Frau Hett, ich gehe ans Telefon und habe einen wütenden Kunden in der Leitung, der sich lautstark beschwert. Wie reagiere ich darauf am besten?

Evelyne Hett: Ich sollte mich erstmal fragen: Welchen Anlass hat mein Kunde, um derart ausfallend zu werden? Hat er vielleicht Recht mit seiner Beschwerde?

Auch wenn jemand so richtig aufdreht und laut wird?

Machen Sie sich bewusst: Es ist kein persönlicher Angriff, das ist es niemals. Bringen Sie Verständnis für den Kunden auf, auch wenn es schwer fällt. Denn er zahlt Ihren Lohn: No client, no company.

Muss ich mir die Tirade denn auf jeden Fall anhören?

Ja, es ist schließlich Ihr Kunde. Ich habe das aber auch schon mal anders erlebt. Ich hatte selbst eine berechtigte Kundenbeschwerde und der Mitarbeiter hat mitten im Gespräch einfach aufgelegt.

Unsere Expertin
Markus GoetzmannEvelyne Hett berät Unternehmen darin, wie sie mit ihren Kunden kommunizieren. Sie arbeitet als Dozentin, Qualitätsmanagerin und schult Mitarbeiter. Ausgebildet ist sie als Reitlehrerin, über therapeutisches Reiten kam sie zum Coaching.

Absichtlich?

Wegen einer Software, die auf dem Prinzip Power Dialing basiert. Da werden Gespräche automatisch nach einer bestimmten Zeit unterbrochen. Das kenne ich auch aus Callcentern. Auch im Outbound wird das eingesetzt, also wenn am Telefon Kunden geworben werden. Ich kenne ein Unternehmen, ein großes und namhaftes Callcenter, da haben Mitarbeiter genau 1:39 Minuten Zeit, um das Gespräch aufzubauen und zum Abschluss zu kommen. Wenn sie das nicht erreichen, dann haben sie schon Ärger mit ihrem Teamleiter.

Dann haben die Mitarbeiter gar keine andere Wahl?

Nicht immer. Neulich habe ich bei einer Servicehotline einer Software für Fotobearbeitung angerufen. Die Mitarbeiterin dort war mit meiner Anfrage überfordert. Sie sagte wörtlich: „Ich reiße hier nur meinen Job.“ Sie arbeite nur vormittags und der Rest sei ihr egal. Da kann ich jeden Kunden verstehen, der dann aufgebracht ist. Mein Problem wurde überhaupt nicht ernstgenommen.

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Wie kann ich meinen Mitarbeitern den richtigen Umgang beibringen?

Die Mitarbeiter sollten auf jeden Fall genug Background-Informationen über den Kunden einsehen können. Meist werden neue Mitarbeiter nur mit der Technik der neuen Telefonanlage vertraut gemacht. Aber nicht mit dem eigentlich Wichtigen: Wie ich mit den Kunden spreche. Sie kriegen den klassischen Gesprächsleitfaden auf den Tisch gelegt und das wars. Dementsprechend inkompetent werden Kunden in der Zentrale dann auch angesprochen. Dabei ist das Ihre Visitenkarte als Unternehmen. Das ist der erste Eindruck des Kunden.

Braucht jedes Unternehmen so einen Gesprächsleitfaden?

Auf jeden Fall! Man muss sich unbedingt auf einheitliche Formulierungen einigen. Der eine sagt „Beschwerde“, der andere sagt „Reklamation“. Ist es der „Client“ oder ist es der „Kunde“? Und auch wie ich mich am Telefon melde und wie ich mich verabschiede, muss unbedingt einheitlich sein.

Ist das dem Kunden nicht egal, so lange ihm geholfen wird?

Nein. Wenn ein Kollege „Reklamation“ sagt und am nächsten Tag ein anderer „Beschwerde“, hat der Kunde unbewusst das Gefühl, das hier jemand ganz anders mit ihm spricht. Habe ich innerhalb eines Unternehmens aber das gleiche Wording, dann gibt es eine einheitliche Wahrnehmung.

Und davon sollte ich nicht abweichen?

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Doch, müssen Sie sogar, aber in Einzelfällen. Ich werde täglich an der Supermarktkasse gefragt: Haben Sie eine Kundenkarte? Innerlich denke ich: „Ich war erst gestern bei euch, ich habe immer noch keine Kundenkarte und ich will auch keine haben“. Das ärgert mich. Die Mitarbeiter sollten nicht automatisch Floskeln runterrasseln.

Wenn der Fehler nun beim Kunden lag, was mache ich dann? Sollte ich es dem Kunden sagen?

Ja, sollte man schon. Wenn zum Beispiel ein Gerät falsch verwendet wurde. Der Kunde hat mit dem Akkuschrauber in einen Stahlträger gebohrt. Der Schrauber war dafür nicht geeignet, ist überhitzt und kaputtgegangen. Das sollte ich möglichst genau in Erfahrung bringen und es dem Kunden dann auch erklären. Ich muss auch überlegen, wie wichtig der Kunde für mich ist. Schicke ich ihm einfach ein Ersatzgerät? Lasse ich es reparieren? Oder schicke ich ihm eine Entschuldigung und eine Tüte Bonbons?

Wenn ich das bei jeder Beschwerde so mache, dann verschenke ich meine Produkte ja laufend.

Ich gebe immer zu bedenken: Ist mein Kunde unzufrieden und wird mit seinem Problem allein gelassen, dann kommuniziert er das weiter. Und das läuft wie in einer Spirale immer weiter. Bei Konzernen ist das nicht wirklich gefährdend. Aber bei kleinen Unternehmen schon, besonders wenn meine Kunden in der Region wohnen. Ich sollte alles tun, damit sie meine Kunden bleiben.

Was zum Beispiel?

Etwas Kleines schicken, zum Beispiel einen Gutschein oder ein kleines Geschenk. Aber auch eine persönliche Mail kann schon sehr hilfreich sein. Der Spielraum sollte in jedem Unternehmen vereinbart sein. Jeder Mitarbeiter sollte wissen, welche Spanne er hat, um die Kunden wieder glücklich zu machen.

Muss ich auch Kompromisse eingehen, die mich vielleicht viel Geld kosten, weil ich an einem Auftrag dann nichts mehr verdiene?

Ja, auch wenn sie mir wehtun. Aber ich habe dann einen Kunden, der mich empfiehlt, der mit mir zufrieden ist und das auch weitererzählt.

Da ziehen Sie keine Grenze?

Nein. Der Kunde bezahlt meinen Lohn. Das sollte man sich wirklich bewusst machen. Ganz einfach.


Tipps fürs Beschwerdemanagement

  • Alle Mitarbeiter sollten eine personalisierte E-Mail-Adresse haben, damit der Kunde vertrauliche Daten nicht an allgemeine Adressen schicken muss und das Gefühl hat, dass seine E-Mail auch wirklich ankommt (Also keine Adressen, die mit „info@“ oder „kundenservice@“ beginnen)

Wenn Sie einen wütenden Kunden am Telefon haben:

  • Innerlich bis 10 zählen
  • Den Kunden seine Geschichte bis zum Schluss erzählen lassen
  • Notizen machen, um später nicht alles nachfragen zu müssen

Wenn Sie eine Beschwerde aufnehmen:

  • Kundennummer oder Rechnungsnummer direkt notieren und weiterleiten, damit der Kunde die Daten nicht nochmal durchgeben muss
  • Den Kunden die gleiche Geschichte nicht mehrmals erzählen lassen: Wenn die Anfrage an Kollegen weitergeleitet wird, möglichst genau das Problem schildern
  • Kontaktdaten des Kunden notieren und anbieten, dass der Kunde zurückgerufen wird
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"Der Kunde ist König", heißt eine Faustregel im Kundenservice. Aber was, wenn der Kunde im Unrecht ist oder zu viel verlangt? Wenn er wütende Beschimpfungen am Telefon ausstößt oder eine Reklamation macht, obwohl er das Produkt falsch verwendet hat? Evelyne Hett berät Unternehmen bei der Kommunikation mit Kunden und rät zur Gelassenheit bei Beschwerdemanagement. impulse: Frau Hett, ich gehe ans Telefon und habe einen wütenden Kunden in der Leitung, der sich lautstark beschwert. Wie reagiere ich darauf am besten? Evelyne Hett: Ich sollte mich erstmal fragen: Welchen Anlass hat mein Kunde, um derart ausfallend zu werden? Hat er vielleicht Recht mit seiner Beschwerde? Auch wenn jemand so richtig aufdreht und laut wird? Machen Sie sich bewusst: Es ist kein persönlicher Angriff, das ist es niemals. Bringen Sie Verständnis für den Kunden auf, auch wenn es schwer fällt. Denn er zahlt Ihren Lohn: No client, no company. Muss ich mir die Tirade denn auf jeden Fall anhören? Ja, es ist schließlich Ihr Kunde. Ich habe das aber auch schon mal anders erlebt. Ich hatte selbst eine berechtigte Kundenbeschwerde und der Mitarbeiter hat mitten im Gespräch einfach aufgelegt. Absichtlich? Wegen einer Software, die auf dem Prinzip Power Dialing basiert. Da werden Gespräche automatisch nach einer bestimmten Zeit unterbrochen. Das kenne ich auch aus Callcentern. Auch im Outbound wird das eingesetzt, also wenn am Telefon Kunden geworben werden. Ich kenne ein Unternehmen, ein großes und namhaftes Callcenter, da haben Mitarbeiter genau 1:39 Minuten Zeit, um das Gespräch aufzubauen und zum Abschluss zu kommen. Wenn sie das nicht erreichen, dann haben sie schon Ärger mit ihrem Teamleiter. Dann haben die Mitarbeiter gar keine andere Wahl? Nicht immer. Neulich habe ich bei einer Servicehotline einer Software für Fotobearbeitung angerufen. Die Mitarbeiterin dort war mit meiner Anfrage überfordert. Sie sagte wörtlich: "Ich reiße hier nur meinen Job." Sie arbeite nur vormittags und der Rest sei ihr egal. Da kann ich jeden Kunden verstehen, der dann aufgebracht ist. Mein Problem wurde überhaupt nicht ernstgenommen. Wie kann ich meinen Mitarbeitern den richtigen Umgang beibringen? Die Mitarbeiter sollten auf jeden Fall genug Background-Informationen über den Kunden einsehen können. Meist werden neue Mitarbeiter nur mit der Technik der neuen Telefonanlage vertraut gemacht. Aber nicht mit dem eigentlich Wichtigen: Wie ich mit den Kunden spreche. Sie kriegen den klassischen Gesprächsleitfaden auf den Tisch gelegt und das wars. Dementsprechend inkompetent werden Kunden in der Zentrale dann auch angesprochen. Dabei ist das Ihre Visitenkarte als Unternehmen. Das ist der erste Eindruck des Kunden. Braucht jedes Unternehmen so einen Gesprächsleitfaden? Auf jeden Fall! Man muss sich unbedingt auf einheitliche Formulierungen einigen. Der eine sagt "Beschwerde", der andere sagt "Reklamation". Ist es der "Client" oder ist es der "Kunde"? Und auch wie ich mich am Telefon melde und wie ich mich verabschiede, muss unbedingt einheitlich sein. Ist das dem Kunden nicht egal, so lange ihm geholfen wird? Nein. Wenn ein Kollege "Reklamation" sagt und am nächsten Tag ein anderer "Beschwerde", hat der Kunde unbewusst das Gefühl, das hier jemand ganz anders mit ihm spricht. Habe ich innerhalb eines Unternehmens aber das gleiche Wording, dann gibt es eine einheitliche Wahrnehmung. Und davon sollte ich nicht abweichen? Doch, müssen Sie sogar, aber in Einzelfällen. Ich werde täglich an der Supermarktkasse gefragt: Haben Sie eine Kundenkarte? Innerlich denke ich: "Ich war erst gestern bei euch, ich habe immer noch keine Kundenkarte und ich will auch keine haben". Das ärgert mich. Die Mitarbeiter sollten nicht automatisch Floskeln runterrasseln. Wenn der Fehler nun beim Kunden lag, was mache ich dann? Sollte ich es dem Kunden sagen? Ja, sollte man schon. Wenn zum Beispiel ein Gerät falsch verwendet wurde. Der Kunde hat mit dem Akkuschrauber in einen Stahlträger gebohrt. Der Schrauber war dafür nicht geeignet, ist überhitzt und kaputtgegangen. Das sollte ich möglichst genau in Erfahrung bringen und es dem Kunden dann auch erklären. Ich muss auch überlegen, wie wichtig der Kunde für mich ist. Schicke ich ihm einfach ein Ersatzgerät? Lasse ich es reparieren? Oder schicke ich ihm eine Entschuldigung und eine Tüte Bonbons? Wenn ich das bei jeder Beschwerde so mache, dann verschenke ich meine Produkte ja laufend. Ich gebe immer zu bedenken: Ist mein Kunde unzufrieden und wird mit seinem Problem allein gelassen, dann kommuniziert er das weiter. Und das läuft wie in einer Spirale immer weiter. Bei Konzernen ist das nicht wirklich gefährdend. Aber bei kleinen Unternehmen schon, besonders wenn meine Kunden in der Region wohnen. Ich sollte alles tun, damit sie meine Kunden bleiben. Was zum Beispiel? Etwas Kleines schicken, zum Beispiel einen Gutschein oder ein kleines Geschenk. Aber auch eine persönliche Mail kann schon sehr hilfreich sein. Der Spielraum sollte in jedem Unternehmen vereinbart sein. Jeder Mitarbeiter sollte wissen, welche Spanne er hat, um die Kunden wieder glücklich zu machen. Muss ich auch Kompromisse eingehen, die mich vielleicht viel Geld kosten, weil ich an einem Auftrag dann nichts mehr verdiene? Ja, auch wenn sie mir wehtun. Aber ich habe dann einen Kunden, der mich empfiehlt, der mit mir zufrieden ist und das auch weitererzählt. Da ziehen Sie keine Grenze? Nein. Der Kunde bezahlt meinen Lohn. Das sollte man sich wirklich bewusst machen. Ganz einfach. Tipps fürs Beschwerdemanagement Alle Mitarbeiter sollten eine personalisierte E-Mail-Adresse haben, damit der Kunde vertrauliche Daten nicht an allgemeine Adressen schicken muss und das Gefühl hat, dass seine E-Mail auch wirklich ankommt (Also keine Adressen, die mit „info@“ oder „kundenservice@“ beginnen) Wenn Sie einen wütenden Kunden am Telefon haben: Innerlich bis 10 zählen Den Kunden seine Geschichte bis zum Schluss erzählen lassen Notizen machen, um später nicht alles nachfragen zu müssen Wenn Sie eine Beschwerde aufnehmen: Kundennummer oder Rechnungsnummer direkt notieren und weiterleiten, damit der Kunde die Daten nicht nochmal durchgeben muss Den Kunden die gleiche Geschichte nicht mehrmals erzählen lassen: Wenn die Anfrage an Kollegen weitergeleitet wird, möglichst genau das Problem schildern Kontaktdaten des Kunden notieren und anbieten, dass der Kunde zurückgerufen wird
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