Finanzielle Reichweite
„Unternehmer reden sich ihre Finanzen schön“

Wie lange würde Ihr Unternehmen überleben, wenn der Umsatz von heute auf morgen auf null zurückgehen würde? Wenn Ihre Antwort „fünf Monate“ oder weniger lautet, sollten Sie dieses Interview lesen.

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Macht schnell schlapp: Die finanzielle Reichweite vieler Unternehmer ist alarmierend, findet Unternehmercoach Stefan Merath.
Macht schnell schlapp: Die finanzielle Reichweite vieler Unternehmer ist alarmierend, findet Unternehmercoach Stefan Merath.

impulse: Herr Merath, beschäftigen sich Unternehmer zu wenig mit den Finanzen ihrer eigenen Firma?
Stefan Merath: Ich kenne einen Unternehmer, der hat hinter seinem Schreibtisch einen großen Schrank stehen. Wenn der eine Rechnung oder Mahnung bekommt, dann legt er sie ungelesen in diesen Schrank.

Ein Extrembeispiel.
Mag sein. Das Thema Finanzen ist aber bei sehr vielen Unternehmern eine Baustelle. Viele können die einfachsten Fragen entweder gar nicht beantworten, weil sie die Zahlen nicht wissen. Oder die Zahlen sind einfach nur traurig. Da macht ein Unternehmen 8 Millionen Euro Umsatz und der Unternehmer kann sich nur ein Gehalt von 2000 Euro brutto auszahlen, weil die Firma nicht mehr abwirft.

Was glauben Sie: Warum versuchen Betroffene nicht, die Situation in den Griff zu bekommen?
Die meisten Unternehmer reden sich ihre Finanzen schön. Gerade wenn das Unternehmen in einer finanziell schwierigen Situation steckt, kommt in vielen eine Art Scham hoch. Und aus dieser Scham heraus beschäftigen sie sich nicht mit dem Thema, sondern verdrängen es. Oft haben sie auch wenig Ahnung, worauf es bei den Unternehmensfinanzen überhaupt ankommt. Sie schauen in der Betriebswirtschaftlichen Auswertung (BWA) auf Umsatz und Gewinn und so lange der Gewinn größer als null ist, sagen sie: „Alles gut“.

Und das ist ein Fehler?
Ja, weil das nichts darüber aussagt, ob ein Unternehmen gesund ist. Die entscheidende Frage ist nicht: „Mache ich Gewinn oder mache ich keinen Gewinn?“, sondern: „Wie lange würde mein Unternehmen überleben, wenn der Umsatz von heute auf morgen auf null zurückgehen würde?“ Diesen Wert nennt man finanzielle Reichweite. Er ähnelt der Liquidität, wird aber in Tagen, Wochen oder Monaten gemessen.

In der Betriebswirtschaftslehre spielt diese Kennzahl quasi keine Rolle. Warum halten Sie sie für so wichtig?
Liegt die finanzielle Reichweite bei unter zwei Monaten und Ihr Umsatz bricht ein, können Sie nicht mehr umsteuern: Sie gehen schneller insolvent, als Sie Ihre Mitarbeiter entlassen können. Unter drei Monaten ist immer noch Alarmstufe rot und Sie müssen jeden Auftrag annehmen – egal ob Sie Bauchschmerzen haben, weil der Kunde nicht zu Ihnen passt. Ein kurzer Blick aufs Konto und Sie sagen: Mach‘ ich! Ich empfehle, eine finanzielle Reichweite von mindestens sechs Monaten anzustreben.

Sechs Monate? So lange halten wohl die wenigsten Unternehmen ohne Umsatz durch.
Für die meisten Unternehmer ist dieses Ziel in weiter Ferne, das stimmt. Wenn ich Teilnehmer meiner Seminare nach ihrer finanziellen Reichweite frage, liegen 60 bis 70 Prozent bei unter zwei Monaten, 20 bis 30 Prozent bei zwei bis sechs Monaten und nur 5 Prozent bei mehr als sechs Monaten.

Ist es denn nicht unrealistisch, sich ein derart ambitioniertes Ziel zu setzen?
Entscheidend ist, dass Sie überhaupt erst einmal ein Ziel haben – und dass Sie loslegen. Fangen Sie an, indem Sie Monat für Monat Rücklagen bilden: Überweisen Sie zum Beispiel 500 Euro auf ein separates Konto, auf das Sie nicht einfach so zugreifen können. Den Betrag steigern Sie dann nach und nach. Ein Kunde von mir hat mit einem Euro monatlich angefangen.

Zur Person
Stefan MerathUnternehmercoach Stefan Merath, bekannt für sein Buch „Der Weg zum erfolgreichen Unternehmer“, berät nicht nur Inhaber kleiner Unternehmen. Er hat auch mehrere eigene Firmen geführt.

Wie viel Zeit sollte ich mir selbst einräumen, um mein Ziel zu erreichen?
Es ist machbar, die finanzielle Reichweite eines Unternehmens innerhalb eines Jahres um einen Monat zu erhöhen. Ich bin selbst Unternehmer und habe fünf Jahre gebraucht, um meine finanzielle Reichweite auf sechs Monate auszudehnen.

Angenommen, ich will meine finanzielle Reichweite erhöhen. Welche Möglichkeiten habe ich?
Die Antwort ist im Grunde ganz einfach: Sie müssen den Gewinn erhöhen – indem Sie entweder die Kosten senken oder mehr einnehmen.

Wie viel Gewinn sollte ich Ihrer Meinung nach anpeilen?
Ihr Ziel sollte sein, 20 Prozent Gewinn vom Rohertrag zu machen. Wenn Sie also einen Rohertrag von 1 Million Euro haben, dann sollten 200.000 Euro Gewinn Ihr Ziel sein – plus Steuern und angemessenes Unternehmergehalt.

Mancher Unternehmer wird wahrscheinlich sagen: In meiner Branche ist das ausgeschlossen.
Ich sage nicht, dass es leicht ist. Ich habe selbst drei Unternehmen gegründet. Mit dem ersten ging ich insolvent; bei meiner nächsten Firma habe ich von Anfang an darauf geachtet, dass die finanzielle Reichweite stimmt. Innerhalb von drei Jahren konnte ich meinen Gewinn von 4 Prozent des Rohertrags auf 20 Prozent anheben.

In eigener Sache
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Wie kann eine solche Steigerung gelingen?
Es gibt eine Menge möglicher Maßnahmen, um den Gewinn zu erhöhen. Manche wirken schnell: Sie können beispielsweise den Preis erhöhen. Bei anderen braucht es mehr Zeit, bis Sie messbare Resultate bekommen: Wenn Sie etwa die Prozesse optimieren, um weniger Arbeitszeit zu verschwenden. Die Mechaniken dahinter sind jeweils simpel. Was Unternehmern aber bei der Umsetzung im Weg steht, sind Angst, Scham, Selbstzweifel – all diese emotionalen Dinge.

Wie meinen Sie das?
Nehmen Sie Preiserhöhungen: ein einfacher und schneller Weg, um den Gewinn zu erhöhen. Und doch höre ich von vielen Unternehmern: „Preise erhöhen? Das kann ich doch nicht machen!“ Preiserhöhungen sind in vielen Fällen allein eine Frage des Selbstbewusstseins. Genauso ist es eine Frage des Selbstbewusstseins, Kunden abzulehnen und sich auf das zu konzentrieren, was Sie wirklich gut können.

Wo wird in kleinen Unternehmen zu viel Geld ausgegeben?
Beim Personal. In vielen Unternehmen liegen die Personalkosten bei 70 Prozent vom Rohertrag oder sogar noch höher. In wirtschaftlich gesunden Unternehmen liegt dieser Wert bei 30 bis 40 Prozent.

Ich kann aber doch nicht einfach die Hälfte der Belegschaft rauswerfen.
Müssen Sie auch nicht. Wenn Sie es schaffen, den Rohertrag bei gleichem Personaleinsatz verdoppeln, dann stimmen die Verhältnisse wieder. Das ist ein Projekt für zwei bis vier Jahre.

Ich kann mir nicht helfen: Das alles klingt nach einem wahnsinnigen Kraftakt.
Keine Frage, das Ganze ist ein Marathon. Wenn Sie sagen: „Das klingt ja ganz interessant, ich probiere es mal aus“, dann werden Sie scheitern. Sie brauchen den unbedingten Willen, ein herausragender Unternehmer zu werden. Nur dann haben Sie die Power, das durchzuziehen.

impulse: Herr Merath, beschäftigen sich Unternehmer zu wenig mit den Finanzen ihrer eigenen Firma? Stefan Merath: Ich kenne einen Unternehmer, der hat hinter seinem Schreibtisch einen großen Schrank stehen. Wenn der eine Rechnung oder Mahnung bekommt, dann legt er sie ungelesen in diesen Schrank. Ein Extrembeispiel. Mag sein. Das Thema Finanzen ist aber bei sehr vielen Unternehmern eine Baustelle. Viele können die einfachsten Fragen entweder gar nicht beantworten, weil sie die Zahlen nicht wissen. Oder die Zahlen sind einfach nur traurig. Da macht ein Unternehmen 8 Millionen Euro Umsatz und der Unternehmer kann sich nur ein Gehalt von 2000 Euro brutto auszahlen, weil die Firma nicht mehr abwirft. Was glauben Sie: Warum versuchen Betroffene nicht, die Situation in den Griff zu bekommen? Die meisten Unternehmer reden sich ihre Finanzen schön. Gerade wenn das Unternehmen in einer finanziell schwierigen Situation steckt, kommt in vielen eine Art Scham hoch. Und aus dieser Scham heraus beschäftigen sie sich nicht mit dem Thema, sondern verdrängen es. Oft haben sie auch wenig Ahnung, worauf es bei den Unternehmensfinanzen überhaupt ankommt. Sie schauen in der Betriebswirtschaftlichen Auswertung (BWA) auf Umsatz und Gewinn und so lange der Gewinn größer als null ist, sagen sie: „Alles gut“. Und das ist ein Fehler? Ja, weil das nichts darüber aussagt, ob ein Unternehmen gesund ist. Die entscheidende Frage ist nicht: „Mache ich Gewinn oder mache ich keinen Gewinn?“, sondern: „Wie lange würde mein Unternehmen überleben, wenn der Umsatz von heute auf morgen auf null zurückgehen würde?“ Diesen Wert nennt man finanzielle Reichweite. Er ähnelt der Liquidität, wird aber in Tagen, Wochen oder Monaten gemessen. In der Betriebswirtschaftslehre spielt diese Kennzahl quasi keine Rolle. Warum halten Sie sie für so wichtig? Liegt die finanzielle Reichweite bei unter zwei Monaten und Ihr Umsatz bricht ein, können Sie nicht mehr umsteuern: Sie gehen schneller insolvent, als Sie Ihre Mitarbeiter entlassen können. Unter drei Monaten ist immer noch Alarmstufe rot und Sie müssen jeden Auftrag annehmen – egal ob Sie Bauchschmerzen haben, weil der Kunde nicht zu Ihnen passt. Ein kurzer Blick aufs Konto und Sie sagen: Mach‘ ich! Ich empfehle, eine finanzielle Reichweite von mindestens sechs Monaten anzustreben. Sechs Monate? So lange halten wohl die wenigsten Unternehmen ohne Umsatz durch. Für die meisten Unternehmer ist dieses Ziel in weiter Ferne, das stimmt. Wenn ich Teilnehmer meiner Seminare nach ihrer finanziellen Reichweite frage, liegen 60 bis 70 Prozent bei unter zwei Monaten, 20 bis 30 Prozent bei zwei bis sechs Monaten und nur 5 Prozent bei mehr als sechs Monaten. Ist es denn nicht unrealistisch, sich ein derart ambitioniertes Ziel zu setzen? Entscheidend ist, dass Sie überhaupt erst einmal ein Ziel haben – und dass Sie loslegen. Fangen Sie an, indem Sie Monat für Monat Rücklagen bilden: Überweisen Sie zum Beispiel 500 Euro auf ein separates Konto, auf das Sie nicht einfach so zugreifen können. Den Betrag steigern Sie dann nach und nach. Ein Kunde von mir hat mit einem Euro monatlich angefangen. Wie viel Zeit sollte ich mir selbst einräumen, um mein Ziel zu erreichen? Es ist machbar, die finanzielle Reichweite eines Unternehmens innerhalb eines Jahres um einen Monat zu erhöhen. Ich bin selbst Unternehmer und habe fünf Jahre gebraucht, um meine finanzielle Reichweite auf sechs Monate auszudehnen. Angenommen, ich will meine finanzielle Reichweite erhöhen. Welche Möglichkeiten habe ich? Die Antwort ist im Grunde ganz einfach: Sie müssen den Gewinn erhöhen – indem Sie entweder die Kosten senken oder mehr einnehmen. Wie viel Gewinn sollte ich Ihrer Meinung nach anpeilen? Ihr Ziel sollte sein, 20 Prozent Gewinn vom Rohertrag zu machen. Wenn Sie also einen Rohertrag von 1 Million Euro haben, dann sollten 200.000 Euro Gewinn Ihr Ziel sein – plus Steuern und angemessenes Unternehmergehalt. Mancher Unternehmer wird wahrscheinlich sagen: In meiner Branche ist das ausgeschlossen. Ich sage nicht, dass es leicht ist. Ich habe selbst drei Unternehmen gegründet. Mit dem ersten ging ich insolvent; bei meiner nächsten Firma habe ich von Anfang an darauf geachtet, dass die finanzielle Reichweite stimmt. Innerhalb von drei Jahren konnte ich meinen Gewinn von 4 Prozent des Rohertrags auf 20 Prozent anheben. Wie kann eine solche Steigerung gelingen? Es gibt eine Menge möglicher Maßnahmen, um den Gewinn zu erhöhen. Manche wirken schnell: Sie können beispielsweise den Preis erhöhen. Bei anderen braucht es mehr Zeit, bis Sie messbare Resultate bekommen: Wenn Sie etwa die Prozesse optimieren, um weniger Arbeitszeit zu verschwenden. Die Mechaniken dahinter sind jeweils simpel. Was Unternehmern aber bei der Umsetzung im Weg steht, sind Angst, Scham, Selbstzweifel – all diese emotionalen Dinge. Wie meinen Sie das? Nehmen Sie Preiserhöhungen: ein einfacher und schneller Weg, um den Gewinn zu erhöhen. Und doch höre ich von vielen Unternehmern: „Preise erhöhen? Das kann ich doch nicht machen!“ Preiserhöhungen sind in vielen Fällen allein eine Frage des Selbstbewusstseins. Genauso ist es eine Frage des Selbstbewusstseins, Kunden abzulehnen und sich auf das zu konzentrieren, was Sie wirklich gut können. Wo wird in kleinen Unternehmen zu viel Geld ausgegeben? Beim Personal. In vielen Unternehmen liegen die Personalkosten bei 70 Prozent vom Rohertrag oder sogar noch höher. In wirtschaftlich gesunden Unternehmen liegt dieser Wert bei 30 bis 40 Prozent. Ich kann aber doch nicht einfach die Hälfte der Belegschaft rauswerfen. Müssen Sie auch nicht. Wenn Sie es schaffen, den Rohertrag bei gleichem Personaleinsatz verdoppeln, dann stimmen die Verhältnisse wieder. Das ist ein Projekt für zwei bis vier Jahre. Ich kann mir nicht helfen: Das alles klingt nach einem wahnsinnigen Kraftakt. Keine Frage, das Ganze ist ein Marathon. Wenn Sie sagen: „Das klingt ja ganz interessant, ich probiere es mal aus“, dann werden Sie scheitern. Sie brauchen den unbedingten Willen, ein herausragender Unternehmer zu werden. Nur dann haben Sie die Power, das durchzuziehen.
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