Nachhaltiges Unternehmertum
„Wer Nachhaltigkeit nicht an Nummer Eins stellt, gefährdet sein Unternehmen“

Recycling-Papier oder Veggie-Day: Unternehmerin Anabel Ternès findet, dass viele Firmen Nachhaltigkeit zu kurz denken. Sechs Impulse, wie sie ihr Unternehmen nachhaltig aufstellt.

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Nachhaltiges Unternehmertum
© Andrii Yalanskyi/iStock/Getty Images Plus/Getty Images

Bei einer Veranstaltung zum Thema Nachhaltigkeit und Unternehmertum habe ich neulich eine Szene erlebt, die ich reichlich skurril fand: Einer der Speaker, der sich für Umweltschutz einsetzt, erzählte, dass er sich vegan ernähre. Regelmäßig packe er sein Auto bis oben hin voll mit veganen Lebensmitteln – einen SUV. Die anderen Teilnehmer stockten: „Ein SUV? Du redest von Ökobilanz und fährst SUV?“ Er zeigte überhaupt kein Verständnis für ihren Einwand, er fand, er handelte nachhaltig.

Dieses Erlebnis war fast schon symbolisch für mich: Unternehmer rühmen sich mit einzelnen Aktionen, führen zum Beispiel einen Veggie-Day in ihrer Kantine ein. Aber mehr dann auch nicht.

Grundsätzlich befürworte ich es natürlich, auch kleine Dinge wie das Kantinenessen zugunsten der Umwelt umzustellen. Aber das ist für mich so, als ob man seinen Mitarbeitern einen Obstkorb hinstellt und sagt: Jetzt habe ich wirklich was für das Gesundheitsmanagement getan.

Viele betreiben Greenwashing, um auf einen Trend aufzuspringen

Ich habe den Eindruck, dass viele Unternehmen auf den Zug der Nachhaltigkeit aufspringen, weil es ein aktuelles Thema ist. Man steht nach außen hin gut da, wenn man von sich behaupten kann, dass die Firma sich für Nachhaltigkeit einsetze. Aber viele tun das eben nur oberflächlich, sie betreiben Greenwashing.

Was ich in der Debatte aber vor allem beobachte: Nachhaltigkeit wird oft zu kurz gedacht. Unternehmer zerbrechen sich den Kopf über umweltfreundliche Kaffeekapseln oder Ökopapier für den Drucker – dabei geht es doch um viel mehr: Jedes Unternehmen, das langfristig bestehen will, sollte nachhaltig arbeiten. Und zwar im ökologischen, aber auch im sozialen und ökonomischen Sinne. Wer Nachhaltigkeit nicht an Nummer Eins stellt, gefährdet sein Unternehmen.

Was ich konkret damit meine? Einige Punkte, wie ich meine Firma GetYourWings gestalte, um sie nachhaltig aufzustellen.

1. Langfristig planen

Ich kenne einige Unternehmen, in denen man nur das nächste Jahr plant – wenn es hochkommt, gibt es vielleicht mal einen Drei-Jahres-Plan. Das halte ich für viel zu kurz gedacht: Mein Co-Geschäftsführer und ich haben für unser Unternehmen, mit dem wir jungen Menschen Sozial- und Digital-Kompetenzen vermitteln, eine langfristige Mission. Außerdem haben wir eine Fünf-Jahres-Vision: Wir haben überlegt, wo wir in fünf Jahren stehen wollen, welche Kooperationspartner wir dann haben wollen, wie die Firma wachsen soll. Das hilft uns dabei, nachhaltig zu wirtschaften, um langfristig zu bestehen.

Für die Etappen auf dem Weg dahin setzen wir uns konkrete Ziele. Wir überlegen dabei, was wir mindestens erreichen wollen, was das Best-Case-Szenario wäre – aber auch das Worst-Case-Szenario. So sind wir auf viele Eventualitäten vorbereitet.

2. In Mitarbeiter investieren

Nachhaltiges Unternehmertum ist für mich auch ein Personalthema: Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sollen nicht nur gute Ergebnisse liefern. Sie sollen sich auch bei uns wohlfühlen, gern hier arbeiten – und langfristig bleiben.

Um das zu erreichen, gehört für mich dazu, ihnen zu vertrauen. Und nicht auf jede Minute oder Stunde zu gucken, die eine Person vielleicht mal weniger arbeitet. Wir achten vor allem darauf, dass sie engagiert bleiben, eine gute Work-Life-Balance und Spaß bei der Arbeit haben.

Wenn wir jemandem mit einem Projekt mehr Verantwortung übertragen und dann merken, dass derjenige die Erwartungen nicht erfüllen kann, dann ist auch das kein Beinbruch. Das heißt für mich vielmehr, dass ich in die Person investieren muss: Ich ermögliche zum Beispiel Weiterbildungen. Kurzfristig erreichen wir so vielleicht nicht immer die Ziele, die wir uns setzen. Statt mehr Umsatz mit einem Projekt zu machen, kostet uns die Weiterbildung. Aber langfristig zahlt sich das aus: weil der Mitarbeiter dazulernt. Und es wertschätzt, dass wir ihm den Raum geben, sich zu entwickeln.

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3. Nachhaltigkeit zur Chefsache machen

Aktuell sehe ich viele Stellenangebote anderer Firmen, die beispielsweise nach einem Sustainability Manager suchen. Es ist natürlich gut, wenn sich eine Person dieses Themas annimmt. Dennoch sollte man als Geschäftsführer oder Geschäftsführerin nicht vergessen: Nachhaltigkeit ist Chefsache.

Chefs sollten das Thema strategisch ganz oben aufhängen. Und es nicht nur unter dem ökologischen Gesichtspunkt verstehen, sondern als Querschnittsaufgabe: Wie halte ich Personal langfristig? Wen braucht mein Unternehmen in 10 Jahren? Wie kann ich Mitarbeiter unterstützen, damit sie in der Transformation des Unternehmens nicht nur mitkommen, sondern sie mitgestalten können? Wo will ich mit dem Unternehmen in X Jahren stehen? Wie sichern wir nachhaltigen Erfolg? Das sind Themen, die kein einzelner Sustainibility Manager bearbeiten kann, das muss die Geschäftsleitung vorgeben.

4. Mitarbeiter einbinden

Auch wenn ich Nachhaltigkeit im Unternehmen für eine Chefaufgabe halte, beziehe ich meine Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen natürlich von Anfang an mit ein. Wir haben zum Beispiel Umfragen gemacht, wie wir uns nachhaltiger aufstellen können. Dabei kamen Ideen raus, an die wir gar nicht gedacht hatten; beispielsweise, alte Ausdrucke zurechtzuschneiden und dann auf der anderen, leeren Seite für Handnotizen zu verwenden. Es lohnt sich immer, das Know-how des Teams einzubinden und zu nutzen.

5. Die Firma umweltgerecht gestalten

Man sollte auch die Kleinigkeiten nicht vernachlässigen, um sich für Nachhaltigkeit im Sinne der Umwelt einzusetzen. Ein paar Beispiele: Wir haben unser Büro verkleinert und nutzen es nur noch, wenn es wirklich nötig ist, sich vor Ort zu treffen. Wir arbeiten überwiegend im Homeoffice und sparen uns so viele Fahrten mit dem Auto.

Wir schauen, dass wir Dokumente nur ausdrucken, wenn es nicht anders geht. Das klingt vielleicht etwas banal, aber wir sind da recht extrem geworden: Wir ärgern uns richtig, wenn uns jemand etwas per Post schickt, was man auch hätte elektronisch senden können. Und wenn wir etwas drucken müssen, dann natürlich auf Recyclingpapier.

Wir bestellen nicht bei Amazon, sondern bei einem Ökoservice-Versand, wie dem Avocado Store. Dort werden Bestellungen gesammelt verschickt; man bekommt nicht diverse einzelne Pakete, sondern ein großes.

6. Geschäftspartner sorgfältig auswählen

Auch bei den Firmen, mit denen wir zusammenarbeiten, ist uns wichtig, dass diese nachhaltig handeln. Wir arbeiten zum Beispiel mit AFB zusammen, einem Betrieb, der gebrauchte elektronische Geräte wiederaufbereitet und verkauft. Diese Geräte nutzen wir selbst. Und wir propagieren sie auch in Schulen, wenn wir dort Projekte mit Kindern und Jugendlichen machen.

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Bei einer Veranstaltung zum Thema Nachhaltigkeit und Unternehmertum habe ich neulich eine Szene erlebt, die ich reichlich skurril fand: Einer der Speaker, der sich für Umweltschutz einsetzt, erzählte, dass er sich vegan ernähre. Regelmäßig packe er sein Auto bis oben hin voll mit veganen Lebensmitteln – einen SUV. Die anderen Teilnehmer stockten: „Ein SUV? Du redest von Ökobilanz und fährst SUV?“ Er zeigte überhaupt kein Verständnis für ihren Einwand, er fand, er handelte nachhaltig. Dieses Erlebnis war fast schon symbolisch für mich: Unternehmer rühmen sich mit einzelnen Aktionen, führen zum Beispiel einen Veggie-Day in ihrer Kantine ein. Aber mehr dann auch nicht. Grundsätzlich befürworte ich es natürlich, auch kleine Dinge wie das Kantinenessen zugunsten der Umwelt umzustellen. Aber das ist für mich so, als ob man seinen Mitarbeitern einen Obstkorb hinstellt und sagt: Jetzt habe ich wirklich was für das Gesundheitsmanagement getan. Viele betreiben Greenwashing, um auf einen Trend aufzuspringen Ich habe den Eindruck, dass viele Unternehmen auf den Zug der Nachhaltigkeit aufspringen, weil es ein aktuelles Thema ist. Man steht nach außen hin gut da, wenn man von sich behaupten kann, dass die Firma sich für Nachhaltigkeit einsetze. Aber viele tun das eben nur oberflächlich, sie betreiben Greenwashing. Was ich in der Debatte aber vor allem beobachte: Nachhaltigkeit wird oft zu kurz gedacht. Unternehmer zerbrechen sich den Kopf über umweltfreundliche Kaffeekapseln oder Ökopapier für den Drucker – dabei geht es doch um viel mehr: Jedes Unternehmen, das langfristig bestehen will, sollte nachhaltig arbeiten. Und zwar im ökologischen, aber auch im sozialen und ökonomischen Sinne. Wer Nachhaltigkeit nicht an Nummer Eins stellt, gefährdet sein Unternehmen. Was ich konkret damit meine? Einige Punkte, wie ich meine Firma GetYourWings gestalte, um sie nachhaltig aufzustellen. 1. Langfristig planen Ich kenne einige Unternehmen, in denen man nur das nächste Jahr plant – wenn es hochkommt, gibt es vielleicht mal einen Drei-Jahres-Plan. Das halte ich für viel zu kurz gedacht: Mein Co-Geschäftsführer und ich haben für unser Unternehmen, mit dem wir jungen Menschen Sozial- und Digital-Kompetenzen vermitteln, eine langfristige Mission. Außerdem haben wir eine Fünf-Jahres-Vision: Wir haben überlegt, wo wir in fünf Jahren stehen wollen, welche Kooperationspartner wir dann haben wollen, wie die Firma wachsen soll. Das hilft uns dabei, nachhaltig zu wirtschaften, um langfristig zu bestehen. Für die Etappen auf dem Weg dahin setzen wir uns konkrete Ziele. Wir überlegen dabei, was wir mindestens erreichen wollen, was das Best-Case-Szenario wäre – aber auch das Worst-Case-Szenario. So sind wir auf viele Eventualitäten vorbereitet. 2. In Mitarbeiter investieren Nachhaltiges Unternehmertum ist für mich auch ein Personalthema: Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sollen nicht nur gute Ergebnisse liefern. Sie sollen sich auch bei uns wohlfühlen, gern hier arbeiten – und langfristig bleiben. Um das zu erreichen, gehört für mich dazu, ihnen zu vertrauen. Und nicht auf jede Minute oder Stunde zu gucken, die eine Person vielleicht mal weniger arbeitet. Wir achten vor allem darauf, dass sie engagiert bleiben, eine gute Work-Life-Balance und Spaß bei der Arbeit haben. Wenn wir jemandem mit einem Projekt mehr Verantwortung übertragen und dann merken, dass derjenige die Erwartungen nicht erfüllen kann, dann ist auch das kein Beinbruch. Das heißt für mich vielmehr, dass ich in die Person investieren muss: Ich ermögliche zum Beispiel Weiterbildungen. Kurzfristig erreichen wir so vielleicht nicht immer die Ziele, die wir uns setzen. Statt mehr Umsatz mit einem Projekt zu machen, kostet uns die Weiterbildung. Aber langfristig zahlt sich das aus: weil der Mitarbeiter dazulernt. Und es wertschätzt, dass wir ihm den Raum geben, sich zu entwickeln. 3. Nachhaltigkeit zur Chefsache machen Aktuell sehe ich viele Stellenangebote anderer Firmen, die beispielsweise nach einem Sustainability Manager suchen. Es ist natürlich gut, wenn sich eine Person dieses Themas annimmt. Dennoch sollte man als Geschäftsführer oder Geschäftsführerin nicht vergessen: Nachhaltigkeit ist Chefsache. Chefs sollten das Thema strategisch ganz oben aufhängen. Und es nicht nur unter dem ökologischen Gesichtspunkt verstehen, sondern als Querschnittsaufgabe: Wie halte ich Personal langfristig? Wen braucht mein Unternehmen in 10 Jahren? Wie kann ich Mitarbeiter unterstützen, damit sie in der Transformation des Unternehmens nicht nur mitkommen, sondern sie mitgestalten können? Wo will ich mit dem Unternehmen in X Jahren stehen? Wie sichern wir nachhaltigen Erfolg? Das sind Themen, die kein einzelner Sustainibility Manager bearbeiten kann, das muss die Geschäftsleitung vorgeben. 4. Mitarbeiter einbinden Auch wenn ich Nachhaltigkeit im Unternehmen für eine Chefaufgabe halte, beziehe ich meine Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen natürlich von Anfang an mit ein. Wir haben zum Beispiel Umfragen gemacht, wie wir uns nachhaltiger aufstellen können. Dabei kamen Ideen raus, an die wir gar nicht gedacht hatten; beispielsweise, alte Ausdrucke zurechtzuschneiden und dann auf der anderen, leeren Seite für Handnotizen zu verwenden. Es lohnt sich immer, das Know-how des Teams einzubinden und zu nutzen. 5. Die Firma umweltgerecht gestalten Man sollte auch die Kleinigkeiten nicht vernachlässigen, um sich für Nachhaltigkeit im Sinne der Umwelt einzusetzen. Ein paar Beispiele: Wir haben unser Büro verkleinert und nutzen es nur noch, wenn es wirklich nötig ist, sich vor Ort zu treffen. Wir arbeiten überwiegend im Homeoffice und sparen uns so viele Fahrten mit dem Auto. Wir schauen, dass wir Dokumente nur ausdrucken, wenn es nicht anders geht. Das klingt vielleicht etwas banal, aber wir sind da recht extrem geworden: Wir ärgern uns richtig, wenn uns jemand etwas per Post schickt, was man auch hätte elektronisch senden können. Und wenn wir etwas drucken müssen, dann natürlich auf Recyclingpapier. Wir bestellen nicht bei Amazon, sondern bei einem Ökoservice-Versand, wie dem Avocado Store. Dort werden Bestellungen gesammelt verschickt; man bekommt nicht diverse einzelne Pakete, sondern ein großes. 6. Geschäftspartner sorgfältig auswählen Auch bei den Firmen, mit denen wir zusammenarbeiten, ist uns wichtig, dass diese nachhaltig handeln. Wir arbeiten zum Beispiel mit AFB zusammen, einem Betrieb, der gebrauchte elektronische Geräte wiederaufbereitet und verkauft. Diese Geräte nutzen wir selbst. Und wir propagieren sie auch in Schulen, wenn wir dort Projekte mit Kindern und Jugendlichen machen.
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