Neuanfang
Hab‘ ich mich jetzt selbst abgeschafft?

Neun Wochen lang war Unternehmerin Vanessa Weber auf Weltreise. Zurück im Betrieb, warteten einige Überraschungen auf sie. Wie Sie den Wiedereinstieg erlebte.

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Ein seltener Anblick für Vanessa Weber: ihr aufgeräumtes Büro mit leerem Schreibtisch nach einem langen Urlaub.
Ein seltener Anblick für Vanessa Weber: ihr aufgeräumtes Büro mit leerem Schreibtisch nach einem langen Urlaub.
© Weber

Singapur, Bali, Australien, Neuseeland, Tahiti, Hawaii, San Francisco – und zurück nach Aschaffenburg. Mehr als zwei Monate war ich unterwegs, habe Länder in mehreren Zeitzonen bereist und sogar die Datumsgrenze im Pazifik überquert. Die Auszeit war gut geplant. Mitarbeiter, Kunden, Lieferanten, Familie, Freunde – alle wussten Bescheid. Die Aufgaben und Verantwortlichkeiten in der Firma waren verteilt, jeder konnte selbstständig arbeiten und es war klar kommuniziert: Ich bin nur in absoluten Notfällen erreichbar.

Meine Vorfreude auf die Reise war riesig. Es war aber auch wirklich Zeit für eine Arbeitspause: Über ein Jahr hatte ich mir nicht freigenommen, um den ganzen Urlaub am Stück nehmen zu können. Ich war oft gereizt gewesen, Kleinigkeiten konnten mich schon zur Weißglut bringen. Rückblickend glaube ich, dass ich kurz vor einem Burn-out stand. Kurz vor der Reise habe ich nochmal alle Mitarbeiter versammelt, die letzten Fragen geklärt. Am wichtigsten war mir aber, mich bei allen zu bedanken, dass sie mir diesen Traumurlaub ermöglichen.

Wirklich abschalten ist gar nicht so leicht

Dann ging es endlich los. Und das Erstaunliche war: Trotz der vielen schönen Eindrücke war mir in den ersten zwei Wochen, in den Ruhepausen, immer wieder langweilig. Ich habe mich tatsächlich in mein E-Mail-Postfach eingeloggt. Ohne Grund, aus reiner Gewohnheit. Wie beim Henne-Ei-Prinzip meint man ja immer, man sei unentbehrlich.

Aber im Postfach war nicht viel zu tun. Mein Vater und mein Bruder hatten den Zugang und leerten es nach Bearbeitung regelmäßig. Ich habe trotzdem sechs Mal über mein Smartphone hineingeguckt, in 60 Tagen. Ich finde, ein noch ganz passabler Schnitt und es war mehr aus Neugier als aus Sorge. Immerhin habe ich keine Nachricht bearbeitet und auch keine schwierige Anfrage gesehen. Allmählich habe ich mich entspannt, mir keine Sorgen mehr gemacht und mich zurückgelehnt, mit absolutem Vertrauen in alle zu Hause.

Der Urlaub konnte beginnen. Und natürlich ging er viel zu schnell um. Unterwegs haben wir viele Weltreisenden kennengelernt, die ein halbes Jahr unterwegs sind. Da habe ich richtig Lust bekommen, selbst zu verlängern. Aber das ging natürlich nicht und ich habe mich auf die Aufgaben zu Hause ja auch gefreut.

Vom Spielfeld auf die Trainerbank

Zurück in Aschaffenburg erwarteten mich dann aber doch einige Überraschungen. Das Erste, was mich sehr positiv überraschte: Mein Schreibtisch war komplett leer, genau wie ich ihn verlassen hatte. Bei den E-Mails war es dasselbe, es gab keine ungelesenen oder unbeantworteten Nachrichten. Sehr ungewohnt. Denn nach meinen bisherigen Urlauben, meist ein bis zwei Wochen, waren Tisch wie Postfach mit Dokumenten überladen. Jetzt war nichts da – ein komisches Gefühl, das muss ich zugeben.

Habe ich mich jetzt selbst abgeschafft? Bin ich überflüssig, wenn der Betrieb ohne mich auskommt? Diese Fragen stellte ich mir.

Auf den zweiten Blick war das alles aber gar nicht komisch. Es war genau richtig. Ich hatte alles richtig gemacht. Die Mitarbeiter arbeiteten selbstständiger als zuvor, gleichzeitig waren die Zahlen besser als im Vorjahr. Es hat sich eigentlich alles wunderbar ergeben – man muss nur loslassen können und sich neue Aufgaben suchen. In meinem Fall gibt es nun Freiraum für Themen, die ich mir lange gewünscht habe, die aber bisher im Tagesgeschäft untergegangen sind: Strategie, Personalführung, kreatives Marketing, eine neue Webseite.

Man könnte auch sagen: Ich bin vom Spielfeld auf die Trainerbank gewechselt. Ich schieße keine Tore mehr, habe nicht mehr diesen direkten Erfolg, einen Kunden gewonnen oder einen Auftrag abgeschlossen zu haben. Vielmehr befähige ich meine Mitarbeiter die Tore zu schießen, habe langfristige Erfolge. Aber natürlich kann ich nicht einfach aufs Feld rennen und mitspielen. Diese Zurückhaltung hat sich erst wie ein Rückschritt angefühlt. In Wirklichkeit ist es ein Schritt nach vorne. Ich kann das Spiel ja immer noch beeinflussen und gewinnen, nur von einer anderen Position aus und mit guten Spielern, die ich im Team habe.

Die ersten Stunden zurück im Betrieb

Die Ankunft war sehr stressfrei. Ich kam in der ruhigen Osterwoche zurück und habe bei den Besprechungen nur zugehört: Was ist passiert bisher, welche Themen sind aktuell, wo gab es Schwierigkeiten. Mit den Abteilungen habe ich danach einzelne Gespräche geführt, zum Stand der Dinge und den Zielen. Das hat mir einen guten Überblick verschafft.

Lustig war, dass mir mein Computer-Passwort erstmal nicht einfiel. Das musste ich vor dem Urlaub ändern. Aber nach fünf Minuten war es wieder da. Auch die anderen Dinge waren schnell wieder präsent – nur dass ich jetzt anders mit ihnen umgehe.

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Wobei mir die Reise geholfen hat

Die Reise hat mir richtig gut getan. Ich bin viel beruhigter, mache mich nicht so viele Sorgen. Dazu kommt das Gefühl, einen besseren Überblick zu haben. Früher war ich in dem Hamsterrad, aus dem ich selten einen Fuß setzen konnte. Da wirken die Probleme riesig. Jetzt stehe ich neben dem Hamsterrad, habe mehr einen Blick von außen. Plötzlich wirkt alles weniger dramatisch. Bei mir musste immer alles auf 200 km/h gehen, alles sofort umgesetzt werden. Jetzt bin ich entspannter, habe ein bisschen mehr Aloha-Feeling. Ich gehe mit Bedacht an die Projekte heran, nehme mir Zeit dafür und mache nicht fünf Sachen gleichzeitig.

Darüber freue ich mich sehr. Aber das alles ist nur möglich, weil alle während meiner Abwesenheit  an einem Strang gezogen haben. Dafür möchte ich mich bald mit einer großen Feier bedanken. Es sind alle Mitarbeiter und natürlich auch meine Familie, die einen großen Beitrag dazu geleistet hat, eingeladen. Ich möchte ein paar Urlaubsbilder zeigen und Gerichte meiner Reiseziele servieren. Vielleicht gibt es auch eine hawaiianische Hula-Aufführung. Dort hat es mir nämlich mit am besten gefallen. Und eine neue Reise? Die mache ich bestimmt. Nur sollten die Abstände dazwischen nicht mehr so lang sein :)

5 Tipps fürs Ankommen

Zuhören statt Aktionismus: Wie ist es den Mitarbeitern ergangen, was haben sie erlebt und zu erzählen? Fragen Sie in Ruhe nach, bevor Sie neue Aufgaben verteilen und sich voller Enthusiasmus große neue Ziele stecken.

Zurückhaltung: Großer Aktionismus ist nach einer längeren Pause vielleicht verlockend, aber bestimmt nicht angebracht. Deshalb besser nicht überall einmischen, sondern auch vertrauen: Es hat ohne mich funktioniert, und auch wenn ich wieder da bin, wird es das. Mitarbeitern Aufgaben wieder abzunehmen, die sie eine Zeit lang gut erfüllt haben, kommt nicht infrage.

Dankbarkeit: Ich bin meinen Mitarbeitern und meiner Familie sehr dankbar, dass sie mir diese Auszeit ermöglicht haben. Ohne sie wäre es nicht gegangen. Lob und das Feiern von Erfolgen sind mit deshalb sehr wichtig.

Kritik vermeiden: Fehler passieren. Aber eine falsche Entscheidung ist besser als keine. Zum Beispiel wurde im Onlineshop etwas ausprobiert, was nicht gut funktioniert hat. Auch wenn man es selber nicht so gemacht hätte, bringt Kritik niemanden weiter – im Gegenteil: Es würde sogar das Vertrauen der Mitarbeiter in ihre eigenen Fähigkeiten mindern.

Neue Aufgaben finden: Bloß nicht in alte Muster und das alte Arbeitsprogramm zurückfallen. Man muss sich etwas Zeit geben, um neue Aufgaben und Ziele zu finden. Aber nach ein paar Tagen ergibt sich das von selbst.

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Singapur, Bali, Australien, Neuseeland, Tahiti, Hawaii, San Francisco - und zurück nach Aschaffenburg. Mehr als zwei Monate war ich unterwegs, habe Länder in mehreren Zeitzonen bereist und sogar die Datumsgrenze im Pazifik überquert. Die Auszeit war gut geplant. Mitarbeiter, Kunden, Lieferanten, Familie, Freunde - alle wussten Bescheid. Die Aufgaben und Verantwortlichkeiten in der Firma waren verteilt, jeder konnte selbstständig arbeiten und es war klar kommuniziert: Ich bin nur in absoluten Notfällen erreichbar. Meine Vorfreude auf die Reise war riesig. Es war aber auch wirklich Zeit für eine Arbeitspause: Über ein Jahr hatte ich mir nicht freigenommen, um den ganzen Urlaub am Stück nehmen zu können. Ich war oft gereizt gewesen, Kleinigkeiten konnten mich schon zur Weißglut bringen. Rückblickend glaube ich, dass ich kurz vor einem Burn-out stand. Kurz vor der Reise habe ich nochmal alle Mitarbeiter versammelt, die letzten Fragen geklärt. Am wichtigsten war mir aber, mich bei allen zu bedanken, dass sie mir diesen Traumurlaub ermöglichen. Wirklich abschalten ist gar nicht so leicht Dann ging es endlich los. Und das Erstaunliche war: Trotz der vielen schönen Eindrücke war mir in den ersten zwei Wochen, in den Ruhepausen, immer wieder langweilig. Ich habe mich tatsächlich in mein E-Mail-Postfach eingeloggt. Ohne Grund, aus reiner Gewohnheit. Wie beim Henne-Ei-Prinzip meint man ja immer, man sei unentbehrlich. Aber im Postfach war nicht viel zu tun. Mein Vater und mein Bruder hatten den Zugang und leerten es nach Bearbeitung regelmäßig. Ich habe trotzdem sechs Mal über mein Smartphone hineingeguckt, in 60 Tagen. Ich finde, ein noch ganz passabler Schnitt und es war mehr aus Neugier als aus Sorge. Immerhin habe ich keine Nachricht bearbeitet und auch keine schwierige Anfrage gesehen. Allmählich habe ich mich entspannt, mir keine Sorgen mehr gemacht und mich zurückgelehnt, mit absolutem Vertrauen in alle zu Hause. Der Urlaub konnte beginnen. Und natürlich ging er viel zu schnell um. Unterwegs haben wir viele Weltreisenden kennengelernt, die ein halbes Jahr unterwegs sind. Da habe ich richtig Lust bekommen, selbst zu verlängern. Aber das ging natürlich nicht und ich habe mich auf die Aufgaben zu Hause ja auch gefreut. Vom Spielfeld auf die Trainerbank Zurück in Aschaffenburg erwarteten mich dann aber doch einige Überraschungen. Das Erste, was mich sehr positiv überraschte: Mein Schreibtisch war komplett leer, genau wie ich ihn verlassen hatte. Bei den E-Mails war es dasselbe, es gab keine ungelesenen oder unbeantworteten Nachrichten. Sehr ungewohnt. Denn nach meinen bisherigen Urlauben, meist ein bis zwei Wochen, waren Tisch wie Postfach mit Dokumenten überladen. Jetzt war nichts da - ein komisches Gefühl, das muss ich zugeben. Habe ich mich jetzt selbst abgeschafft? Bin ich überflüssig, wenn der Betrieb ohne mich auskommt? Diese Fragen stellte ich mir. Auf den zweiten Blick war das alles aber gar nicht komisch. Es war genau richtig. Ich hatte alles richtig gemacht. Die Mitarbeiter arbeiteten selbstständiger als zuvor, gleichzeitig waren die Zahlen besser als im Vorjahr. Es hat sich eigentlich alles wunderbar ergeben - man muss nur loslassen können und sich neue Aufgaben suchen. In meinem Fall gibt es nun Freiraum für Themen, die ich mir lange gewünscht habe, die aber bisher im Tagesgeschäft untergegangen sind: Strategie, Personalführung, kreatives Marketing, eine neue Webseite. Man könnte auch sagen: Ich bin vom Spielfeld auf die Trainerbank gewechselt. Ich schieße keine Tore mehr, habe nicht mehr diesen direkten Erfolg, einen Kunden gewonnen oder einen Auftrag abgeschlossen zu haben. Vielmehr befähige ich meine Mitarbeiter die Tore zu schießen, habe langfristige Erfolge. Aber natürlich kann ich nicht einfach aufs Feld rennen und mitspielen. Diese Zurückhaltung hat sich erst wie ein Rückschritt angefühlt. In Wirklichkeit ist es ein Schritt nach vorne. Ich kann das Spiel ja immer noch beeinflussen und gewinnen, nur von einer anderen Position aus und mit guten Spielern, die ich im Team habe. Die ersten Stunden zurück im Betrieb Die Ankunft war sehr stressfrei. Ich kam in der ruhigen Osterwoche zurück und habe bei den Besprechungen nur zugehört: Was ist passiert bisher, welche Themen sind aktuell, wo gab es Schwierigkeiten. Mit den Abteilungen habe ich danach einzelne Gespräche geführt, zum Stand der Dinge und den Zielen. Das hat mir einen guten Überblick verschafft. Lustig war, dass mir mein Computer-Passwort erstmal nicht einfiel. Das musste ich vor dem Urlaub ändern. Aber nach fünf Minuten war es wieder da. Auch die anderen Dinge waren schnell wieder präsent - nur dass ich jetzt anders mit ihnen umgehe. Wobei mir die Reise geholfen hat Die Reise hat mir richtig gut getan. Ich bin viel beruhigter, mache mich nicht so viele Sorgen. Dazu kommt das Gefühl, einen besseren Überblick zu haben. Früher war ich in dem Hamsterrad, aus dem ich selten einen Fuß setzen konnte. Da wirken die Probleme riesig. Jetzt stehe ich neben dem Hamsterrad, habe mehr einen Blick von außen. Plötzlich wirkt alles weniger dramatisch. Bei mir musste immer alles auf 200 km/h gehen, alles sofort umgesetzt werden. Jetzt bin ich entspannter, habe ein bisschen mehr Aloha-Feeling. Ich gehe mit Bedacht an die Projekte heran, nehme mir Zeit dafür und mache nicht fünf Sachen gleichzeitig. Darüber freue ich mich sehr. Aber das alles ist nur möglich, weil alle während meiner Abwesenheit  an einem Strang gezogen haben. Dafür möchte ich mich bald mit einer großen Feier bedanken. Es sind alle Mitarbeiter und natürlich auch meine Familie, die einen großen Beitrag dazu geleistet hat, eingeladen. Ich möchte ein paar Urlaubsbilder zeigen und Gerichte meiner Reiseziele servieren. Vielleicht gibt es auch eine hawaiianische Hula-Aufführung. Dort hat es mir nämlich mit am besten gefallen. Und eine neue Reise? Die mache ich bestimmt. Nur sollten die Abstände dazwischen nicht mehr so lang sein :) 5 Tipps fürs Ankommen Zuhören statt Aktionismus: Wie ist es den Mitarbeitern ergangen, was haben sie erlebt und zu erzählen? Fragen Sie in Ruhe nach, bevor Sie neue Aufgaben verteilen und sich voller Enthusiasmus große neue Ziele stecken. Zurückhaltung: Großer Aktionismus ist nach einer längeren Pause vielleicht verlockend, aber bestimmt nicht angebracht. Deshalb besser nicht überall einmischen, sondern auch vertrauen: Es hat ohne mich funktioniert, und auch wenn ich wieder da bin, wird es das. Mitarbeitern Aufgaben wieder abzunehmen, die sie eine Zeit lang gut erfüllt haben, kommt nicht infrage. Dankbarkeit: Ich bin meinen Mitarbeitern und meiner Familie sehr dankbar, dass sie mir diese Auszeit ermöglicht haben. Ohne sie wäre es nicht gegangen. Lob und das Feiern von Erfolgen sind mit deshalb sehr wichtig. Kritik vermeiden: Fehler passieren. Aber eine falsche Entscheidung ist besser als keine. Zum Beispiel wurde im Onlineshop etwas ausprobiert, was nicht gut funktioniert hat. Auch wenn man es selber nicht so gemacht hätte, bringt Kritik niemanden weiter - im Gegenteil: Es würde sogar das Vertrauen der Mitarbeiter in ihre eigenen Fähigkeiten mindern. Neue Aufgaben finden: Bloß nicht in alte Muster und das alte Arbeitsprogramm zurückfallen. Man muss sich etwas Zeit geben, um neue Aufgaben und Ziele zu finden. Aber nach ein paar Tagen ergibt sich das von selbst.
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