Mit seinem größten Fehler brachte Verleger Reinhold Neven DuMont sich und sein Team in Lebensgefahr: Er sagte vorschnell Ja zur Veröffentlichung der „Satanischen Verse“ von Salman Rushdie.
14. November 2016, 08:22 Uhr,
Aufgezeichnet von Nikolaus Förster
Der 79-jährige Reinhold Neven Du Mont ist ehemaliger geschäftsführender Gesellschafter des Kölner Kiepenheuer & Witsch-Verlags.
© Stefan Hobmaier / impulse
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Im Oktober 1988 wurde mir auf der Frankfurter Buchmesse das neue Manuskript von Salman Rushdie angeboten: „Die satanischen Verse“. Der Literaturagent gab mir 80 Seiten des englischen Manuskripts, eine Leseprobe, und 24 Stunden Zeit, um mir ein Urteil zu bilden. Rushdies Fantasie beeindruckte mich. Ich bot für die deutschen Rechte und erhielt den Zuschlag. Ein paar Monate später passierte Unerhörtes: Wir hatten das Manuskript zur Übersetzung gegeben, als Ayatollah Khomeini eine Fatwa über Rushdie verhängte und alle Muslime aufrief, das Todesurteil zu vollstrecken.
„Wissen Sie denn nicht, dass Sie zum Tode verurteilt sind?“
Als ich morgens in den Verlag kam, hatte ich ein mulmiges Gefühl. Eine Mitarbeiterin rief: „Wissen Sie denn nicht, dass Sie zum Tode verurteilt sind?“ Die Fatwa erstreckte sich auch auf Verleger und Übersetzer. Ich bemühte mich, nicht die Fassung zu verlieren, und war ratlos. Der Kölner Polizeipräsident sagte, einen Anschlag könne jeder verüben, das müsse keine Morddelegation aus dem Iran sein. In Pakistan und Indien kam es zu Pogromen, Menschen starben. Unsere Übersetzerin schmiss hin. Später wurde auf den italienischen Übersetzer ein Anschlag verübt, der japanische Übersetzer erstochen, der norwegische Verleger angeschossen.
Wieso hatte ich mein Team nur in solch eine Gefahr gebracht? Mein Fehler bestand nicht darin, den Titel veröffentlichen zu wollen. Das war richtig. Aber ich machte mir große Vorwürfe, dass ich nicht darauf bestanden hatte, vorab das ganze Manuskript lesen zu dürfen. Dann hätten wir uns wenigstens auf die Situation einstellen können. Nach langen Debatten schlossen sich hierzulande Hunderte Verlage und Herausgeber zusammen, um in Anlehnung an die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte den Artikel 19 Verlag zu gründen, einzig zur Veröffentlichung der „Satanischen Verse“. So verteilten wir das Risiko.
Im Oktober 1988 wurde mir auf der Frankfurter Buchmesse das neue Manuskript von Salman Rushdie angeboten: „Die satanischen Verse“. Der Literaturagent gab mir 80 Seiten des englischen Manuskripts, eine Leseprobe, und 24 Stunden Zeit, um mir ein Urteil zu bilden. Rushdies Fantasie beeindruckte mich. Ich bot für die deutschen Rechte und erhielt den Zuschlag. Ein paar Monate später passierte Unerhörtes: Wir hatten das Manuskript zur Übersetzung gegeben, als Ayatollah Khomeini eine Fatwa über Rushdie verhängte und alle Muslime aufrief, das Todesurteil zu vollstrecken.
„Wissen Sie denn nicht, dass Sie zum Tode verurteilt sind?“
Als ich morgens in den Verlag kam, hatte ich ein mulmiges Gefühl. Eine Mitarbeiterin rief: „Wissen Sie denn nicht, dass Sie zum Tode verurteilt sind?“ Die Fatwa erstreckte sich auch auf Verleger und Übersetzer. Ich bemühte mich, nicht die Fassung zu verlieren, und war ratlos. Der Kölner Polizeipräsident sagte, einen Anschlag könne jeder verüben, das müsse keine Morddelegation aus dem Iran sein. In Pakistan und Indien kam es zu Pogromen, Menschen starben. Unsere Übersetzerin schmiss hin. Später wurde auf den italienischen Übersetzer ein Anschlag verübt, der japanische Übersetzer erstochen, der norwegische Verleger angeschossen.
Wieso hatte ich mein Team nur in solch eine Gefahr gebracht? Mein Fehler bestand nicht darin, den Titel veröffentlichen zu wollen. Das war richtig. Aber ich machte mir große Vorwürfe, dass ich nicht darauf bestanden hatte, vorab das ganze Manuskript lesen zu dürfen. Dann hätten wir uns wenigstens auf die Situation einstellen können. Nach langen Debatten schlossen sich hierzulande Hunderte Verlage und Herausgeber zusammen, um in Anlehnung an die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte den Artikel 19 Verlag zu gründen, einzig zur Veröffentlichung der „Satanischen Verse“. So verteilten wir das Risiko.