Schwangerschaft und Selbstständigkeit
„Ohne meinen Partner hätte ich meinen Betrieb dichtmachen müssen“

Weil das Mutterschutzgesetz nicht für Selbstständige gilt, kann eine Schwangerschaft die Existenz bedrohen. Eine Petition fordert eine Reform. Initiatorin und Tischlermeisterin Johanna Röh über ihre Erfahrungen.

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Schwangerschaft-und-Selbstständigkeit-Johanna-Roeh
Tischlermeisterin Johanna Röh fordert eine Reform des Mutterschutzgesetzes für Selbstständige.
© Jürgen Friedrich

„Im Herbst vergangenen Jahres bin ich schwanger geworden. Es war zwar eine geplante Schwangerschaft – aber mein Mann und ich hatten den Zeitpunkt schon herausgezögert, bis wir dachten, dass wir es finanziell schaffen können. Mir war klar, dass es nicht einfach werden würde, als Tischlerin mit eigenem Betrieb ein Kind zu bekommen – aber dass es so schwierig wird, hatte selbst ich nicht erwartet.

Schon in den ersten Schwangerschaftsmonaten kam die finanzielle Notlage

Mit Beginn der Schwangerschaft litt ich unter Hyperemesis, auch bekannt als Schwangerschaftsübelkeit. Bis Ende des fünften Schwangerschaftsmonats konnte ich kaum arbeiten und musste mich mehrmals krankschreiben lassen. Aufträge blieben liegen und meine finanzielle Situation wurde immer angespannter.

Krankengeld bekam ich zunächst nicht. Denn die Bemessungsgrundlage für mein Krankengeld waren das Arbeitseinkommen des vorangegangenen Jahres, als ich noch in der Investitionsphase steckte und wenig verdiente.

Genauso schwierig ist es mit dem Mutterschaftsgeld: Mein geringes Einkommen vor der Schwangerschaft war auch hier Basis für den Tagessatz. Mir standen damit seit März nur 6,61 Euro pro Tag zu. Mein Mann ist Angestellter in einem Büro, er hat mich zeitweise mitfinanziert, aber er verdient nicht genug, um zusätzlich meine gesamten Fixkosten zu decken.

Nur angestellte schwangere Tischlerinnen werden geschützt

Wäre ich als Schwangere angestellt, gilt bei einer Tischlerin ab Beginn der Schwangerschaft direkt ein Beschäftigungsverbot mit vollem Lohnausgleich. Die Gründe: Als Tischlerin muss man schwer heben, ist lauten oder vibrierenden Maschinen ausgesetzt, dazu Stauben und Gasen.

Anders bei Selbstständigen! Da heißt es: Du musst selbst entscheiden, ob du arbeiten willst oder nicht. Aber ich kann ja nicht frei entscheiden, wenn die wirtschaftliche Notlage so groß ist, dass ich arbeiten muss, um zu überleben. Eine Schwangerschaft ist damit das persönliche Pech einer Frau – der Staat hält sich raus.

Mein Unternehmen stand kurz vor der Pleite

Diese Ungerechtigkeit betrifft aber nicht nur meine private Absicherung, sondern auch die betriebliche. 1200 Euro fehlen mir jeden Monat, den ich nicht arbeite. Die Kosten aber fallen trotzdem weiterhin an. Wie etwa die Pacht für meine Werkstatt, Versicherungen und Nebenkosten.

Zur Person
Johanna Röh ist Tischlermeisterin und Restauratorin im Handwerk mit eigener Werkstatt in Alfhausen im Landkreis Osnabrück. Sie ist Initiatorin der Petition „Gleiche Rechte im Mutterschutz für selbstständige Schwangere“. (Foto: Jürgen Friedrich)

Noch ein Beispiel. Zu Beginn der Schwangerschaft habe ich einen Gesellen auf 450-Euro-Basis eingestellt, der mich entlasten sollte, weil es für mich immer schwieriger wurde praktisch zu arbeiten. Das war für mich gut, weil ich körperlich nicht mehr so stark gefordert war. Aber das Geld, das er erwirtschaftet, ging direkt in seinen Lohn. Seine Arbeit hat mir keine Gewinne eingebracht, also auch keine finanzielle Entlastung, weil er ja schließlich neu in der Firma war, angelernt und betreut werden musste.

Ohne meinen Partner hätte ich meinen Betrieb dichtmachen müssen. Meine Auszubildende hätte eine andere Arbeit finden müssen.

Es geht also nicht nur um mich. Ich bin auch Chefin – und meine Mitarbeitenden damit abhängig von mir.

Was es bräuchte

Der Staat müsste hier mit Unterstützungen helfen, die Zeit der Schwangerschaft zu überbrücken. Damit nicht nur ich selbst meine Existenzgrundlage behalten kann, sondern auch die Arbeitsplätze bestehen bleiben. Es könnte zum Beispiel ein System aus Betriebshelferinnen und Betriebshelfern geben, die die Arbeitskraft der Schwangeren ersetzen. So habe ich das ja mit meinem Gesellen gemacht, nur dass ich ihn selbst bezahlen musste. Wo die Arbeitskraft der Schwangeren nicht ersetzt werden kann, könnte es stattdessen auch Ausgleichszahlungen geben. Notfalltöpfe könnten die Fixkosten des Betriebes decken.

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Petition für eine Reform

Als ich auf Instagram begonnen habe, über meine Erfahrungen zu sprechen, habe ich viele Frauen kennengelernt, die sich in einer ähnlichen Situation befinden. Nicht alle haben in der Schwangerschaft finanziellen Rückhalt: Sie mussten ihren Betrieb schließen oder haben ihn vorher geschlossen, weil sie wussten, dass es nicht funktionieren wird.

Heute sind wir eine Gruppe von 15 Personen und haben die Petition „Gleiche Rechte im Mutterschutz für selbstständige Schwangere“ ins Leben gerufen. Mehr als 100.000 Personen haben unseren Aufruf unterzeichnet. Jetzt bekommen wir die Chance, unsere Forderungen im Bundestag vorzutragen.

Frauen sollten jederzeit schwanger werden können

Frauen sollten auch ohne Vorplanung schwanger werden können, ohne dadurch in Existenznot geraten zu müssen. Es braucht dafür unterschiedliche Maßnahmen, sodass es für jede Lebenslage und in jeder Branche der Schwangeren eine passende Lösung gibt.

Dazu gehören zum Beispiel neue Regelungen zum Krankengeld, ebenso für die private und betriebliche Absicherung. In Österreich und den Niederlanden gibt es bessere Bedingungen für Selbstständige und das funktioniert super.

Ich bin mir sicher, dass die aktuellen Bedingungen viele Frauen davon abhalten, den Schritt in die Selbstständigkeit zu wagen, und sie sich lieber eine Festanstellung suchen.

Arbeit bis eineinhalb Wochen vor der Geburt

Ich bin jetzt seit acht Wochen Mutter. Eineinhalb Wochen vor der Entbindung habe ich die letzte Baustelle abgeschlossen. Ich durfte jedoch nicht arbeiten, sondern nur die Arbeit betreuen, weil ich krankgeschrieben war.

Sechs Wochen nach der Geburt stand ich wieder auf der Baustelle und habe gemerkt: Körperlich geht das noch nicht. Im August werde ich langsam wieder anfangen zu arbeiten. Mein Mann bleibt dann zuhause und kümmert sich um unser Kind.

Eigentlich würde ich mir die Kinderbetreuung mit meinem Mann lieber gleichberechtigter aufteilen. Aber das geht nicht, weil es finanziell zu eng ist. Denn ich bekomme nur 300 Euro Elterngeld im Monat, den Mindestsatz. Das reicht nicht, um meine Kosten zu decken.“

Protokoll: Leonie Albrecht

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„Im Herbst vergangenen Jahres bin ich schwanger geworden. Es war zwar eine geplante Schwangerschaft – aber mein Mann und ich hatten den Zeitpunkt schon herausgezögert, bis wir dachten, dass wir es finanziell schaffen können. Mir war klar, dass es nicht einfach werden würde, als Tischlerin mit eigenem Betrieb ein Kind zu bekommen – aber dass es so schwierig wird, hatte selbst ich nicht erwartet. Schon in den ersten Schwangerschaftsmonaten kam die finanzielle Notlage Mit Beginn der Schwangerschaft litt ich unter Hyperemesis, auch bekannt als Schwangerschaftsübelkeit. Bis Ende des fünften Schwangerschaftsmonats konnte ich kaum arbeiten und musste mich mehrmals krankschreiben lassen. Aufträge blieben liegen und meine finanzielle Situation wurde immer angespannter. Krankengeld bekam ich zunächst nicht. Denn die Bemessungsgrundlage für mein Krankengeld waren das Arbeitseinkommen des vorangegangenen Jahres, als ich noch in der Investitionsphase steckte und wenig verdiente. Genauso schwierig ist es mit dem Mutterschaftsgeld: Mein geringes Einkommen vor der Schwangerschaft war auch hier Basis für den Tagessatz. Mir standen damit seit März nur 6,61 Euro pro Tag zu. Mein Mann ist Angestellter in einem Büro, er hat mich zeitweise mitfinanziert, aber er verdient nicht genug, um zusätzlich meine gesamten Fixkosten zu decken. Nur angestellte schwangere Tischlerinnen werden geschützt Wäre ich als Schwangere angestellt, gilt bei einer Tischlerin ab Beginn der Schwangerschaft direkt ein Beschäftigungsverbot mit vollem Lohnausgleich. Die Gründe: Als Tischlerin muss man schwer heben, ist lauten oder vibrierenden Maschinen ausgesetzt, dazu Stauben und Gasen. Anders bei Selbstständigen! Da heißt es: Du musst selbst entscheiden, ob du arbeiten willst oder nicht. Aber ich kann ja nicht frei entscheiden, wenn die wirtschaftliche Notlage so groß ist, dass ich arbeiten muss, um zu überleben. Eine Schwangerschaft ist damit das persönliche Pech einer Frau – der Staat hält sich raus. Mein Unternehmen stand kurz vor der Pleite Diese Ungerechtigkeit betrifft aber nicht nur meine private Absicherung, sondern auch die betriebliche. 1200 Euro fehlen mir jeden Monat, den ich nicht arbeite. Die Kosten aber fallen trotzdem weiterhin an. Wie etwa die Pacht für meine Werkstatt, Versicherungen und Nebenkosten. Noch ein Beispiel. Zu Beginn der Schwangerschaft habe ich einen Gesellen auf 450-Euro-Basis eingestellt, der mich entlasten sollte, weil es für mich immer schwieriger wurde praktisch zu arbeiten. Das war für mich gut, weil ich körperlich nicht mehr so stark gefordert war. Aber das Geld, das er erwirtschaftet, ging direkt in seinen Lohn. Seine Arbeit hat mir keine Gewinne eingebracht, also auch keine finanzielle Entlastung, weil er ja schließlich neu in der Firma war, angelernt und betreut werden musste. Ohne meinen Partner hätte ich meinen Betrieb dichtmachen müssen. Meine Auszubildende hätte eine andere Arbeit finden müssen. Es geht also nicht nur um mich. Ich bin auch Chefin – und meine Mitarbeitenden damit abhängig von mir. Was es bräuchte Der Staat müsste hier mit Unterstützungen helfen, die Zeit der Schwangerschaft zu überbrücken. Damit nicht nur ich selbst meine Existenzgrundlage behalten kann, sondern auch die Arbeitsplätze bestehen bleiben. Es könnte zum Beispiel ein System aus Betriebshelferinnen und Betriebshelfern geben, die die Arbeitskraft der Schwangeren ersetzen. So habe ich das ja mit meinem Gesellen gemacht, nur dass ich ihn selbst bezahlen musste. Wo die Arbeitskraft der Schwangeren nicht ersetzt werden kann, könnte es stattdessen auch Ausgleichszahlungen geben. Notfalltöpfe könnten die Fixkosten des Betriebes decken. Petition für eine Reform Als ich auf Instagram begonnen habe, über meine Erfahrungen zu sprechen, habe ich viele Frauen kennengelernt, die sich in einer ähnlichen Situation befinden. Nicht alle haben in der Schwangerschaft finanziellen Rückhalt: Sie mussten ihren Betrieb schließen oder haben ihn vorher geschlossen, weil sie wussten, dass es nicht funktionieren wird. Heute sind wir eine Gruppe von 15 Personen und haben die Petition „Gleiche Rechte im Mutterschutz für selbstständige Schwangere“ ins Leben gerufen. Mehr als 100.000 Personen haben unseren Aufruf unterzeichnet. Jetzt bekommen wir die Chance, unsere Forderungen im Bundestag vorzutragen. Frauen sollten jederzeit schwanger werden können Frauen sollten auch ohne Vorplanung schwanger werden können, ohne dadurch in Existenznot geraten zu müssen. Es braucht dafür unterschiedliche Maßnahmen, sodass es für jede Lebenslage und in jeder Branche der Schwangeren eine passende Lösung gibt. Dazu gehören zum Beispiel neue Regelungen zum Krankengeld, ebenso für die private und betriebliche Absicherung. In Österreich und den Niederlanden gibt es bessere Bedingungen für Selbstständige und das funktioniert super. Ich bin mir sicher, dass die aktuellen Bedingungen viele Frauen davon abhalten, den Schritt in die Selbstständigkeit zu wagen, und sie sich lieber eine Festanstellung suchen. Arbeit bis eineinhalb Wochen vor der Geburt Ich bin jetzt seit acht Wochen Mutter. Eineinhalb Wochen vor der Entbindung habe ich die letzte Baustelle abgeschlossen. Ich durfte jedoch nicht arbeiten, sondern nur die Arbeit betreuen, weil ich krankgeschrieben war. Sechs Wochen nach der Geburt stand ich wieder auf der Baustelle und habe gemerkt: Körperlich geht das noch nicht. Im August werde ich langsam wieder anfangen zu arbeiten. Mein Mann bleibt dann zuhause und kümmert sich um unser Kind. Eigentlich würde ich mir die Kinderbetreuung mit meinem Mann lieber gleichberechtigter aufteilen. Aber das geht nicht, weil es finanziell zu eng ist. Denn ich bekomme nur 300 Euro Elterngeld im Monat, den Mindestsatz. Das reicht nicht, um meine Kosten zu decken.“ Protokoll: Leonie Albrecht
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