Unternehmer gegen Umweltverschmutzung
„Für mich stehen 50 Prozent Umsatz auf dem Spiel“

Ein kleiner Familienbetrieb gegen die Plastikindustrie: Getränkehändler Hans-Peter Kastner streicht Einweg-Plastikflaschen aus seinem Sortiment – und macht damit bundesweit Schlagzeilen.

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Getränkehändler Hans-Peter Kastner streicht ab 1. August 2019 Einweg-Plastikflaschen aus seinem Sortiment.
Getränkehändler Hans-Peter Kastner streicht ab 1. August 2019 Einweg-Plastikflaschen aus seinem Sortiment.

Nur zwei bis zweieinhalb Stunden pro Nacht schläft der Stuttgarter Getränkehändler Hans-Peter Kastner zurzeit. Mehr ist nicht drin, denn der Unternehmer ist ein viel gefragter Mann: Er ist bei Stern TV aufgetreten, die Tagesschau hat über ihn berichtet, er besucht regionale Nachrichtensendungen, täglich klopfen Print- und Onlinemedien aus dem ganzen Land bei ihm an. Er steht ihnen allen Rede und Antwort.

Der Grund für den Wirbel um den 41-Jährigen: Am 17. Juni machte er auf der Facebookseite seines Fünf-Mann-Betriebs seinem Ärger über Einweg-Plastikflaschen Luft – und den Müll, den sie erzeugen. Als Konsequenz auf die zahlreichen Leserreaktionen nimmt er sie ab 1. August aus seinem Sortiment. Und riskiert damit hohe Umsatzeinbußen.

„Vor drei Wochen war ich ein stinknormaler Getränkehändler, heute bin ich, glaube ich, ein bundesweit bekanntes Gesicht im Kampf gegen den Plastikwahnsinn“, sagt Kastner. Sein Facebook-Post wurde mittlerweile 4,2 Millionen gelesen, fast 50.000 Menschen haben ihn geteilt.

10.400 entsorgte Einwegflaschen und -dosen in zwölf Wochen

Über den Schritt, Einweg-Plastikflaschen aus dem Sortimenten zu nehmen, habe er schon länger nachgedacht. „Aber die Familie hat nicht mitgezogen“, sagt Kastner. „Die meinten: ‚Sei vorsichtig, Einweg macht immerhin 30 Prozent deines Umsatzes aus.‘“

Schließlich gingen sie einen Kompromiss ein: Bevor er eine Entscheidung trifft, sollte Kastner zwölf Wochen lang Fremdleergut sammeln – also Einwegflaschen, die Kunden in anderen Geschäften gekauft haben, aber bei ihm gegen 25 Cent Pfand abgeben können. Kastner muss das Fremdleergut annehmen, weil er selbst Einwegflaschen verkauft – so schreibt es das Gesetz vor. In den zwölf Wochen kamen insgesamt 10.400 Einwegflaschen und -dosen zusammen. „Ein Berg von Müll“, schreibt Kastner auf Facebook. „Denn die Flaschen werden nur einmal verwendet.“

Durch die Entsorgung des Fremdleerguts entstehen dem Getränkehändler Kosten. Doch seine Hauptsorge gilt der Umwelt – „in Zeiten, wo viele von Umweltschutz und Nachhaltigkeit reden, wo eine kleine Schwedin es schafft, die ganze Welt zum Zuhören zu bringen, und wir täglich Gedanken austauschen, wie wir das Klima retten können“, schreibt er bei Facebook.

Kastner nimmt Umsatzverluste in Kauf – der Umwelt zuliebe

Seine Entscheidung, Einwegplastik aus dem Sortiment zu nehmen – und so auch das Fremdleergut nicht mehr annehmen zu müssen – birgt für den Unternehmer finanzielle Risiken. „Mein Umsatz setzt sich aus 30 Prozent Einweg- und 70 Prozent Mehrweganteil zusammen“, erklärt Kastner. „Tatsächlich stehen aber 50 Prozent Umsatz für mich auf dem Spiel, weil Kunden, die Einwegflaschen kaufen, auch Glas- und Mehrwegflaschen mitnehmen.“

Warum er den Schritt trotzdem wagt? „Ich habe kein Problem damit, meinen Kindern zu sagen, dass ich gescheitert bin. Ich habe aber ein Problem damit, meinen Kindern zu sagen, dass ich nichts gegen die Umweltverschmutzung getan habe.“

Dank all der Aufmerksamkeit, die Kastner gerade bekommt, rechnet er aber mit maximal fünf Prozent Umsatzeinbußen. Kastner: „Es gibt mittlerweile Aufrufe im Internet, dass man uns unterstützen und bei uns einkaufen soll. Die meisten Kunden reagieren sehr positiv.“

Viele wissen nicht, dass sie Einweg kaufen

Vielen Kunden scheint ohnehin gar nicht klar zu sein, was sie aus dem Getränkehandel nach Hause tragen. Das machen die Ergebnisse einer Umfrage deutlich, die Kastner unter seinen eigenen Kunden im Geschäft gemacht hat: Der Unternehmer befragte 1000 Käufer von Sechserträger-Einwegflaschen, warum sie Einweg kaufen. „856 sind davon ausgegangen, dass sie Mehrweg kaufen“, erinnert er sich.

Und auch in den Medien scheint das Thema Einweg-Plastikflaschen vs. Mehrweg-Plastikflaschen für Verwirrung zu sorgen. Einige Zeitungen haben über den Getränkehändler geschrieben, er verbanne Plastik generell aus seinem Sortiment. „Das ist so nicht richtig“, sagt Kastner. „Ich verbanne aktuell nur Einweg. Damit ich auch Mehrweg-Plastikflaschen aus dem Sortiment nehmen könnte, brauchen wir gesetzliche Änderungen.“ Denn er beliefert auch Schulen, Kindergärten und Sportvereine, in denen Glasflaschen generell verboten sind.

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Erste Erfolge bei den Kunden

Den Medienrummel will Kastner nutzen, um Menschen über Plastik aufzuklären: „Durch die Medien ist mir die Chance gegeben worden, die Getränkeindustrie zu verändern. Diese Chance möchte ich nicht ungenutzt lassen. Und ich möchte die Menschen zum Nachdenken bringen – vielleicht überlegen sie beim nächsten Einkauf zweimal, was sie kaufen“, sagt Kastner. Denn letztlich seien die Verbraucher schuld, dass das Einwegsystem sich so durchgesetzt habe: „Wir sind zu faul, Glaskisten zu schleppen, und sind deshalb auf Plastik umgestiegen.“

Mittlerweile kann der Unternehmer erste Erfolge verzeichnen: Einige Kunden haben Plastikleergut abgegeben und anschließend Glasflaschen gekauft. Besonders berührt hat ihn die Reaktion eines älteren Ehepaars, das auf Bild.de über ihn gelesen und ihm daraufhin geschrieben hat: Um auf Plastikflaschen zu verzichten, werde das Paar dank Kastner nun immer zu zweit einkaufen gehen und gemeinsam den schweren Kasten Glasflaschen schleppen.

Für seinen Einsatz gegen Einwegflaschen erntet Kastner aber auch Kritik, wird sogar angefeindet. Doch davon will er sich nicht beeindrucken lassen: „Tausende E-Mails begeisterter Menschen geben mir Kraft, meinen Weg weiterzugehen.“

Industrievertreter reagieren auf Kastners Aufruf

Kastner versucht nun, andere Getränkehändler auf seine Seite zu ziehen. Doch bislang will niemand seinem Beispiel folgen: „Ein Kollege in Bayern mit 41 Filialen hat gesagt, er unterstützt das. Er will jetzt im Laden auszeichnen, was Mehrweg und was Einweg ist. Das finde ich verlogen, weil wir das seit dem 1.1.2019 laut Gesetz sowieso auszeichnen müssen.“

Die Industrie hingegen hat Interesse an Gesprächen mit dem engagierten Unternehmer: „Es gibt Anfragen von Plastikflaschen-Herstellern, die mit mir besprechen wollen, dass Plastik doch gar nicht so schlecht ist. Und andere, die mir Produkte verkaufen wollen, die angeblich super bei mir reinpassen. Mineralwasser in Einweg-Tetrapaks zum Beispiel. Die kuriosesten Dinge.“

Ein Fruchtsafthersteller habe ihm mündlich die Zusage gegeben, dass er Einweg-Plastikflaschen aus seinem Sortiment streichen will. Und die Coca-Cola Company gibt Kastner die Möglichkeit, sein Anliegen in der deutschen Unternehmenszentrale vorzutragen. Sein Rat an andere Unternehmer lautet daher: „Nehmt den Umweltschutz selber in die Hand! Wir können nicht auf die Politik warten.“

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Sein Facebook-Post wurde mittlerweile 4,2 Millionen gelesen, fast 50.000 Menschen haben ihn geteilt. 10.400 entsorgte Einwegflaschen und -dosen in zwölf Wochen Über den Schritt, Einweg-Plastikflaschen aus dem Sortimenten zu nehmen, habe er schon länger nachgedacht. „Aber die Familie hat nicht mitgezogen“, sagt Kastner. „Die meinten: ‚Sei vorsichtig, Einweg macht immerhin 30 Prozent deines Umsatzes aus.‘“ Schließlich gingen sie einen Kompromiss ein: Bevor er eine Entscheidung trifft, sollte Kastner zwölf Wochen lang Fremdleergut sammeln – also Einwegflaschen, die Kunden in anderen Geschäften gekauft haben, aber bei ihm gegen 25 Cent Pfand abgeben können. Kastner muss das Fremdleergut annehmen, weil er selbst Einwegflaschen verkauft – so schreibt es das Gesetz vor. In den zwölf Wochen kamen insgesamt 10.400 Einwegflaschen und -dosen zusammen. „Ein Berg von Müll“, schreibt Kastner auf Facebook. „Denn die Flaschen werden nur einmal verwendet.“ Durch die Entsorgung des Fremdleerguts entstehen dem Getränkehändler Kosten. Doch seine Hauptsorge gilt der Umwelt - „in Zeiten, wo viele von Umweltschutz und Nachhaltigkeit reden, wo eine kleine Schwedin es schafft, die ganze Welt zum Zuhören zu bringen, und wir täglich Gedanken austauschen, wie wir das Klima retten können“, schreibt er bei Facebook. Kastner nimmt Umsatzverluste in Kauf – der Umwelt zuliebe Seine Entscheidung, Einwegplastik aus dem Sortiment zu nehmen – und so auch das Fremdleergut nicht mehr annehmen zu müssen – birgt für den Unternehmer finanzielle Risiken. „Mein Umsatz setzt sich aus 30 Prozent Einweg- und 70 Prozent Mehrweganteil zusammen“, erklärt Kastner. „Tatsächlich stehen aber 50 Prozent Umsatz für mich auf dem Spiel, weil Kunden, die Einwegflaschen kaufen, auch Glas- und Mehrwegflaschen mitnehmen.“ Warum er den Schritt trotzdem wagt? „Ich habe kein Problem damit, meinen Kindern zu sagen, dass ich gescheitert bin. Ich habe aber ein Problem damit, meinen Kindern zu sagen, dass ich nichts gegen die Umweltverschmutzung getan habe.“ Dank all der Aufmerksamkeit, die Kastner gerade bekommt, rechnet er aber mit maximal fünf Prozent Umsatzeinbußen. Kastner: „Es gibt mittlerweile Aufrufe im Internet, dass man uns unterstützen und bei uns einkaufen soll. Die meisten Kunden reagieren sehr positiv.“ Viele wissen nicht, dass sie Einweg kaufen Vielen Kunden scheint ohnehin gar nicht klar zu sein, was sie aus dem Getränkehandel nach Hause tragen. Das machen die Ergebnisse einer Umfrage deutlich, die Kastner unter seinen eigenen Kunden im Geschäft gemacht hat: Der Unternehmer befragte 1000 Käufer von Sechserträger-Einwegflaschen, warum sie Einweg kaufen. „856 sind davon ausgegangen, dass sie Mehrweg kaufen“, erinnert er sich. Und auch in den Medien scheint das Thema Einweg-Plastikflaschen vs. Mehrweg-Plastikflaschen für Verwirrung zu sorgen. Einige Zeitungen haben über den Getränkehändler geschrieben, er verbanne Plastik generell aus seinem Sortiment. „Das ist so nicht richtig“, sagt Kastner. „Ich verbanne aktuell nur Einweg. Damit ich auch Mehrweg-Plastikflaschen aus dem Sortiment nehmen könnte, brauchen wir gesetzliche Änderungen.“ Denn er beliefert auch Schulen, Kindergärten und Sportvereine, in denen Glasflaschen generell verboten sind. Erste Erfolge bei den Kunden Den Medienrummel will Kastner nutzen, um Menschen über Plastik aufzuklären: „Durch die Medien ist mir die Chance gegeben worden, die Getränkeindustrie zu verändern. Diese Chance möchte ich nicht ungenutzt lassen. Und ich möchte die Menschen zum Nachdenken bringen - vielleicht überlegen sie beim nächsten Einkauf zweimal, was sie kaufen“, sagt Kastner. Denn letztlich seien die Verbraucher schuld, dass das Einwegsystem sich so durchgesetzt habe: „Wir sind zu faul, Glaskisten zu schleppen, und sind deshalb auf Plastik umgestiegen.“ Mittlerweile kann der Unternehmer erste Erfolge verzeichnen: Einige Kunden haben Plastikleergut abgegeben und anschließend Glasflaschen gekauft. Besonders berührt hat ihn die Reaktion eines älteren Ehepaars, das auf Bild.de über ihn gelesen und ihm daraufhin geschrieben hat: Um auf Plastikflaschen zu verzichten, werde das Paar dank Kastner nun immer zu zweit einkaufen gehen und gemeinsam den schweren Kasten Glasflaschen schleppen. Für seinen Einsatz gegen Einwegflaschen erntet Kastner aber auch Kritik, wird sogar angefeindet. Doch davon will er sich nicht beeindrucken lassen: „Tausende E-Mails begeisterter Menschen geben mir Kraft, meinen Weg weiterzugehen.“ Industrievertreter reagieren auf Kastners Aufruf Kastner versucht nun, andere Getränkehändler auf seine Seite zu ziehen. Doch bislang will niemand seinem Beispiel folgen: „Ein Kollege in Bayern mit 41 Filialen hat gesagt, er unterstützt das. Er will jetzt im Laden auszeichnen, was Mehrweg und was Einweg ist. Das finde ich verlogen, weil wir das seit dem 1.1.2019 laut Gesetz sowieso auszeichnen müssen.“ Die Industrie hingegen hat Interesse an Gesprächen mit dem engagierten Unternehmer: „Es gibt Anfragen von Plastikflaschen-Herstellern, die mit mir besprechen wollen, dass Plastik doch gar nicht so schlecht ist. Und andere, die mir Produkte verkaufen wollen, die angeblich super bei mir reinpassen. Mineralwasser in Einweg-Tetrapaks zum Beispiel. Die kuriosesten Dinge.“ Ein Fruchtsafthersteller habe ihm mündlich die Zusage gegeben, dass er Einweg-Plastikflaschen aus seinem Sortiment streichen will. Und die Coca-Cola Company gibt Kastner die Möglichkeit, sein Anliegen in der deutschen Unternehmenszentrale vorzutragen. Sein Rat an andere Unternehmer lautet daher: „Nehmt den Umweltschutz selber in die Hand! Wir können nicht auf die Politik warten.“