Wachstumskurs
Muss es immer „höher, schneller, weiter“ sein?

Mehr Umsatz, mehr Projekte, mehr Mitarbeiter – das ist das Ziel. Oder? Sven Franzen fragt sich, ob Unternehmer auf permanentem Wachstumskurs nicht etwas Entscheidendes aus den Augen verlieren.

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Wachstumskurs
© Utamaru Kido / Moment / Getty Images

Du musst wachsen – dieses Mantra begegnet einem als Unternehmer ständig. Sei es in der Bilanzbesprechung mit dem Steuerberater, der ganz selbstverständlich fragt: „Ihre Umsatzplanung sieht sicherlich höhere Volumen vor?“ Oder beim Blick in die Wirtschaftspresse, wo diejenigen bejubelt werden, die die irrste Rendite erwirtschaftet haben.

Von allen Seiten werden wir darauf gepolt, dass wir wachsen müssen – um jeden Preis.

Ist ein permanenter Wachstumskurs wirklich gesund?

Ich frage mich schon seit Längerem: Geht das? Und: Ist so ein permanenter Wachstumskurs wirklich gesund? Wenn alle schon ein Auto haben – sollte man dann wirklich noch versuchen, immer mehr Autos zu verkaufen?

Ich glaube: Wenn wir uns darauf versteifen, immer weiter wachsen zu wollen, passieren manchmal Dinge, die nicht gut für uns, die Gesellschaft oder unsere Unternehmen sind. Höher, schneller, weiter ist nicht immer der beste Ratgeber.

Wer ständig wachsen will, kann sich verkalkulieren

Ein Beispiel: Ich kannte einen erfolgreichen Co-Working-Space. Es war optimal organisiert, es lief gut. Bis sich die Betreiber entschlossen, an dem damaligen Standort die Fläche zu verdoppeln und einen weiteren Standort zu eröffnen – in einer Top-Lage mit sehr hoher Miete. Sie wollten wachsen. Und haben sich verkalkuliert. Mit dem Ergebnis, dass sie Insolvenz anmelden mussten.

„Es ist okay so, wie es ist“ – das ist ein Satz, der wohl den wenigsten Unternehmern leicht über die Lippen geht.

Ich will mein Unternehmen weiterentwickeln – aber anders

Auch ich tue mich schwer damit. Er klingt nach Stillstand. Natürlich will auch ich mein Unternehmen weiterentwickeln. Aber das bedeutet für mich nicht immer, dass ich weiter wachsen muss. Es geht auch anders:

Stellen Sie sich vor, Sie backen jedes Jahr einen Geburtstagskuchen für jemanden, der Ihnen wirklich wichtig ist. Jahr für Jahr wollen Sie sich selbst übertreffen, der Kuchen soll noch größer, noch pompöser werden. Vor lauter Eifer verlieren Sie dabei das Wesentliche aus den Augen. Und am Ende schmeckt der Teig gar nicht mehr, der Kuchen ist ungenießbar.

Wäre es nicht viel klüger, den Kuchen nicht künstlich aufzublasen, sondern ihn zu verfeinern und bessere Zutaten zu verwenden? Statt immer größer werden zu wollen – wäre es nicht sinnvoller, mein Produkt zu optimieren oder meine Kunden noch besser zu verstehen?

Wie viel Freiheit müsste ich für ein größeres Unternehmen aufgeben?

Dieser Gedanke lässt sich für mich gut auf die Größe meines Unternehmens übertragen. Was hätte ich gewonnen, wenn ich statt einer Handvoll fester Mitarbeiter ein Team von 60 Mitarbeitern führen würde? Was würde es bedeuten, wenn ich so einen großen Apparat am Laufen halten müsste? Könnte ich mir dann das Zehnfache an Gehalt auszahlen? Oder wären es vielleicht nur 30 Prozent mehr?

Und: Wäre es mir das wert? Wie viel Freiheit würde ich dafür aufgeben? Wie gut wäre unsere Leistung dann? Würden wir unsere Kunden massiv besser nach vorne bringen können?

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Es gehört Mut dazu, authentisch zu bleiben

Aktuell habe ich ein festes Kernteam, wie eine Familie. Dazu kommt ein Team aus Freelancern und ein virtuelles Team, das uns ergänzt. Die Vorstellung, ein Unternehmen mit 60 oder 100 Mitarbeitern zu führen, finde ich derzeit beklemmend. Inzwischen kann ich ehrlich zu mir selbst sein und sagen: Es wäre für mich derzeit nicht das Richtige, ein großes Unternehmen aufzubauen – alles kann sich ändern und ist von Persönlichkeit zu Persönlichkeit verschieden.

Es gehört viel Mut dazu zu sagen: Ich bleibe so, wie ich bin. Ich will mich nicht verbiegen und den Erwartungen anderer entsprechen. Mich leiten dabei diese Fragen:

  • Was passt zu mir?
  • Wo will ich eigentlich hin?
  • Was brauche ich, um glücklich zu sein?
  • Wie viel Freiheit will ich haben?

Viele wünschen sich, aus ihrem Korsett auszubrechen

Wenn ich mit anderen Unternehmern spreche, fallen die Reaktionen ganz unterschiedlich aus. Einige aus der älteren Generation können meine Überlegungen nicht nachvollziehen. Sie sind auf Wachstumskurs geeicht. Doch bei den meisten spüre ich eine große Sehnsucht. Sie wollen raus aus ihrem Korsett, aus den finanziellen Zwängen, die eine lange Payroll mit sich bringt, raus aus der Verantwortung für große Teams. Sie wünschen sich mehr persönlichen Freiraum.

Vor einiger Zeit habe ich einen Unternehmer kennengelernt, der den Betrieb seines Vaters übernommen hat. Er muss mehrere Kredite abbezahlen, hat viele Mitarbeiter, muss in neue Maschinen investieren. „Ich schlafe nicht gut“, meinte er. „Was heißt denn nicht gut?“, fragte ich. Seine Antwort: „Eigentlich schlafe ich fast gar nicht, seitdem ich das Unternehmen mit so viel Verantwortung führe.“

Geht es Ihnen ähnlich?

Ich fand das erschreckend. Gesund zu sein, zu lachen, gut schlafen zu können – das kriegen wir mit der Geburt geschenkt! Dann soll ich auf einmal wegen „vermeintlichem Erfolg“ Geld investieren, um nur noch mithilfe einer Therapie oder Medikamenten diese elementaren Lebensteile leben zu können? Dann sollte ich etwas ändern. Und mir die Frage stellen: Ist dieser Weg wirklich der richtige für mich?

Wie geht es Ihnen damit? Beschäftigen Sie sich mit ähnlichen Fragen? Was sind Ihre Erfahrungen? Ich bin gespannt auf Ihre Kommentare! Danke für das Teilen.

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Du musst wachsen – dieses Mantra begegnet einem als Unternehmer ständig. Sei es in der Bilanzbesprechung mit dem Steuerberater, der ganz selbstverständlich fragt: „Ihre Umsatzplanung sieht sicherlich höhere Volumen vor?“ Oder beim Blick in die Wirtschaftspresse, wo diejenigen bejubelt werden, die die irrste Rendite erwirtschaftet haben. Von allen Seiten werden wir darauf gepolt, dass wir wachsen müssen – um jeden Preis. Ist ein permanenter Wachstumskurs wirklich gesund? Ich frage mich schon seit Längerem: Geht das? Und: Ist so ein permanenter Wachstumskurs wirklich gesund? Wenn alle schon ein Auto haben – sollte man dann wirklich noch versuchen, immer mehr Autos zu verkaufen? Ich glaube: Wenn wir uns darauf versteifen, immer weiter wachsen zu wollen, passieren manchmal Dinge, die nicht gut für uns, die Gesellschaft oder unsere Unternehmen sind. Höher, schneller, weiter ist nicht immer der beste Ratgeber. Wer ständig wachsen will, kann sich verkalkulieren Ein Beispiel: Ich kannte einen erfolgreichen Co-Working-Space. Es war optimal organisiert, es lief gut. Bis sich die Betreiber entschlossen, an dem damaligen Standort die Fläche zu verdoppeln und einen weiteren Standort zu eröffnen – in einer Top-Lage mit sehr hoher Miete. Sie wollten wachsen. Und haben sich verkalkuliert. Mit dem Ergebnis, dass sie Insolvenz anmelden mussten. „Es ist okay so, wie es ist“ – das ist ein Satz, der wohl den wenigsten Unternehmern leicht über die Lippen geht. Ich will mein Unternehmen weiterentwickeln – aber anders Auch ich tue mich schwer damit. Er klingt nach Stillstand. Natürlich will auch ich mein Unternehmen weiterentwickeln. Aber das bedeutet für mich nicht immer, dass ich weiter wachsen muss. Es geht auch anders: Stellen Sie sich vor, Sie backen jedes Jahr einen Geburtstagskuchen für jemanden, der Ihnen wirklich wichtig ist. Jahr für Jahr wollen Sie sich selbst übertreffen, der Kuchen soll noch größer, noch pompöser werden. Vor lauter Eifer verlieren Sie dabei das Wesentliche aus den Augen. Und am Ende schmeckt der Teig gar nicht mehr, der Kuchen ist ungenießbar. Wäre es nicht viel klüger, den Kuchen nicht künstlich aufzublasen, sondern ihn zu verfeinern und bessere Zutaten zu verwenden? Statt immer größer werden zu wollen – wäre es nicht sinnvoller, mein Produkt zu optimieren oder meine Kunden noch besser zu verstehen? Wie viel Freiheit müsste ich für ein größeres Unternehmen aufgeben? Dieser Gedanke lässt sich für mich gut auf die Größe meines Unternehmens übertragen. Was hätte ich gewonnen, wenn ich statt einer Handvoll fester Mitarbeiter ein Team von 60 Mitarbeitern führen würde? Was würde es bedeuten, wenn ich so einen großen Apparat am Laufen halten müsste? Könnte ich mir dann das Zehnfache an Gehalt auszahlen? Oder wären es vielleicht nur 30 Prozent mehr? Und: Wäre es mir das wert? Wie viel Freiheit würde ich dafür aufgeben? Wie gut wäre unsere Leistung dann? Würden wir unsere Kunden massiv besser nach vorne bringen können? Es gehört Mut dazu, authentisch zu bleiben Aktuell habe ich ein festes Kernteam, wie eine Familie. Dazu kommt ein Team aus Freelancern und ein virtuelles Team, das uns ergänzt. Die Vorstellung, ein Unternehmen mit 60 oder 100 Mitarbeitern zu führen, finde ich derzeit beklemmend. Inzwischen kann ich ehrlich zu mir selbst sein und sagen: Es wäre für mich derzeit nicht das Richtige, ein großes Unternehmen aufzubauen - alles kann sich ändern und ist von Persönlichkeit zu Persönlichkeit verschieden. Es gehört viel Mut dazu zu sagen: Ich bleibe so, wie ich bin. Ich will mich nicht verbiegen und den Erwartungen anderer entsprechen. Mich leiten dabei diese Fragen: Was passt zu mir? Wo will ich eigentlich hin? Was brauche ich, um glücklich zu sein? Wie viel Freiheit will ich haben? Viele wünschen sich, aus ihrem Korsett auszubrechen Wenn ich mit anderen Unternehmern spreche, fallen die Reaktionen ganz unterschiedlich aus. Einige aus der älteren Generation können meine Überlegungen nicht nachvollziehen. Sie sind auf Wachstumskurs geeicht. Doch bei den meisten spüre ich eine große Sehnsucht. Sie wollen raus aus ihrem Korsett, aus den finanziellen Zwängen, die eine lange Payroll mit sich bringt, raus aus der Verantwortung für große Teams. Sie wünschen sich mehr persönlichen Freiraum. Vor einiger Zeit habe ich einen Unternehmer kennengelernt, der den Betrieb seines Vaters übernommen hat. Er muss mehrere Kredite abbezahlen, hat viele Mitarbeiter, muss in neue Maschinen investieren. „Ich schlafe nicht gut“, meinte er. „Was heißt denn nicht gut?“, fragte ich. Seine Antwort: „Eigentlich schlafe ich fast gar nicht, seitdem ich das Unternehmen mit so viel Verantwortung führe.“ Geht es Ihnen ähnlich? Ich fand das erschreckend. Gesund zu sein, zu lachen, gut schlafen zu können – das kriegen wir mit der Geburt geschenkt! Dann soll ich auf einmal wegen "vermeintlichem Erfolg" Geld investieren, um nur noch mithilfe einer Therapie oder Medikamenten diese elementaren Lebensteile leben zu können? Dann sollte ich etwas ändern. Und mir die Frage stellen: Ist dieser Weg wirklich der richtige für mich? Wie geht es Ihnen damit? Beschäftigen Sie sich mit ähnlichen Fragen? Was sind Ihre Erfahrungen? Ich bin gespannt auf Ihre Kommentare! Danke für das Teilen.
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