Insolvenz von Tollabox
Wenn eine vermeintlich wunderbare Geschäftsidee scheitert

Das Bastelkisten-Start-up Tollabox von impulse-Bloggerin Béa Beste musste im April Insolvenz anmelden. Wie die Gründerin das Scheitern ihrer Geschäftsidee erlebt hat - und was sie hoffen lässt.

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© Béa Beste

„Even if you fall on your face, you’re still moving forward.“ Yeeeey!

Was für ein Schritt wäre es, wenn heute mehr Menschen die Chancen aus einem Scheitern annehmen. Bejubeln. Geradezu umarmen würden. Die impulse-Konferenz „Aus Fehlern lernen“ im November 2014 war ein weiterer Schritt in der Befreiungsbewegung unserer deutschen Kultur vom negativen, dunklen Schamgefühl, das sich normalerweise beim leisesten Gedanken an die geringfügige Möglichkeit des Scheiterns einstellt. Also ICH hatte das nicht nötig. ICH war auf der Seite der Prediger. ICH hatte ja noch nie ein Problem mit dem Scheitern. ICH bin grundsätzlich ein risikoaffiner Typ. Scheitern, komm schon her, ich knuddle dich!

Und dann flog ich Anfang 2015 gehörig auf die Schnauze.

Bei meinem E-Commerce-Unternehmen Tollabox, im Jahre 2013 kurzfristig mit 600.000 Euro eingesammelten Kapitals sogar auf Platz 1 der erfolgreichsten deutschen Crowdfunding-Unternehmen, platzte in diesem Januar eine Finanzierungsrunde. Der weitere Schritt war unvermeidbar: „Die Playducato GmbH hat am 11. Februar 2015 Insolvenzantrag beim Amtsgericht Charlottenburg gestellt. Eine zur Aufrechterhaltung der Zahlungsfähigkeit notwendige Finanzierungsrunde ist kurz vor Abschluss gescheitert. Die Geschäfte werden mit Zustimmung des vom Gericht eingesetzten vorläufigen Insolvenzverwalters Prof. Dr. Martini zumindest bis Ende April 2015 fortgeführt und die Kunden vertragsgemäß beliefert. Das Hauptproblem des Geschäftsmodells bestand in der zu kurzen Abodauer für die Tollabox. Derzeit werden verschiedene Möglichkeiten für die Umstrukturierung des Geschäftsmodells geprüft.“ So die offizielle Erklärung.

Wer von Ihnen glaubt jetzt, dass noch eine Spur vom Yeeeey-Gefühl in mir war? Echtes Scheitern ist ein negatives, dunkles Gefühl, das viel mit Scham, aber auch mit Trauer, Machtlosigkeit, Verzweiflung und Wut auf alle Beteiligten zu tun hat. Inklusive sich selbst. Vor allem sich selbst!

In der Zeit, die der Gesetzgeber dem Insolvenzler als Chance bietet, doch noch etwas zu retten, musste ich auch erkennen, dass die Umstrukturierungsansätze keine echte Chance mehr hatten. Drei Monate späte kam der Moment, in dem ich alle Buttons auf der Website abschaltete, mit denen man die Tollabox kaufen konnte. Im Büro haben wir alles aufgeräumt und die Zeugnisse für die Mitarbeiter geschrieben. Die Metapher „Lichter aus“ stimmt. Es ist ein richtig trauriger Moment. Die wunderbare Idee, eine monatliche Box mit Material, Ideen und Lerneffekt für Kinder zwischen 4 und 10 Jahren im Abonnement zu vertreiben, hat nicht funktioniert. Meine Idee, mein Baby, musste ich endgültig „begraben“ – das tat enorm weh.

Dann stellte sich das Lernen ein

Im Internet machte zu diesem Zeitpunkt eine Studie Furore: #regrettingmotherhood handelte von Frauen, die ihre Mutterschaft bereuen. Ich hingegen stellte mir die Frage, ob es so gut war, eine Business-Idee so zu lieben wie ein Kind. War das gut? Daran zu hängen mit aller Seele? Macht das nicht blind? So nach dem Motto: „Mein Kind ist hochbegabt und alle anderen verkennen das?“ Möglicherweise hätte ich mit einer guten Portion Kaltschnäuzigkeit besser die Marktprobleme erkennen können. Dass Eltern zu beschäftigt sind und vom Alltag so überwältigt, dass sie keine richtige Zeit haben, in Ruhe mit ihren Kindern die Dinge aus der Box zu spielen.

Der breiten Masse, die über 3 Millionen Familien in Deutschland, die potenziell als Käufer infrage gekommen wären, konnten wir den Nutzen der Tollabox nicht verständlich machen. Die Marketingkosten blieben trotz zahlloser Versuche und Verbesserungen zu teuer. Oder die Abonnenten haben nach wenigen Monaten abbestellt. Hätte ich nicht ständig gedacht, dass sich das noch einrenkt, dass wir schon noch an Marketing und Produkt schrauben können, dass noch eine ungeahnte Chance kommt… dann hätte ich der Realität ins Auge blicken können. Stattdessen trug ich die Mama-Rosabrille und habe gedacht, dass wir kurz vor der Lösung stehen, dass der nächste Versuch klappen würde.

Ich bereue es, ab einem gewissen Erkenntnisstand und Zeitpunkt für meine Businessidee wie eine verblendete Löwenmama gekämpft zu haben. Es tut mir leid für die Zeit und Kraft meines Teams und das Geld meiner Investoren. Das ist #regrettingmotherhood der anderen Art. Gar kein gutes Gefühl, aber immer noch eine Erkenntnis.

Jetzt bin ich schlauer!

Dann wurde mir klar: Was ich weiterhin mit vollem Herzen lieben werde, ist mein Thema – das sind Kinder, Eltern und das Prinzip der spielerischen Bildung. Ich mache weiter in Form eines hoffentlich inspirierenden Kreativ-Blogs, ohne Boxen und teure Abonnentengewinnung. Ich prüfe derzeit die Möglichkeiten im Bereich Digital Publishing und Kinder-Apps. Ich starte erneut von Null und gehe an die neuen Ideen analytischer und vielleicht auch distanzierter heran, und achte besser auf die Marktwirklichkeit. Ich weiß, dass mich Unternehmertum an sich nicht abschreckt.

Unsere Gesellschaft hat doch gelernt, mit dem Scheitern umzugehen

Aber was viel wichtiger ist: Ich habe auch erfahren, wie die Menschen um mich herum reagiert haben, selbst diejenigen, die viel Geld mit uns verloren haben. Sie haben viel mehr Verständnis für die Situation, als ich je gedacht hätte, dass es möglich ist. Ich habe Respekt, Zuspruch und Ermunterung erhalten, auf allen Kanälen. Ob in der Start-up-Szene oder in Berater-Kreisen: Ich werde wie eine Unternehmerin behandelt, die eine wertvolle Erfahrung gemacht hat. Ich fühle mich nicht stigmatisiert, nicht traumatisiert. Und ich merke, dass Konferenzen wie die von impulse und alle Bemühungen, das Stigma des Scheiterns aufzuheben, tatsächlich eine Wirkung haben.

In eigener Sache
Machen ist wie wollen, nur krasser
Machen ist wie wollen, nur krasser
Die impulse-Mitgliedschaft - Rückenwind für Unternehmerinnen und Unternehmer

Scheitern ist tatsächlich auch bei uns möglich geworden. Deswegen habe ich auch diese Zeilen geschrieben.

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"Even if you fall on your face, you're still moving forward." Yeeeey! Was für ein Schritt wäre es, wenn heute mehr Menschen die Chancen aus einem Scheitern annehmen. Bejubeln. Geradezu umarmen würden. Die impulse-Konferenz "Aus Fehlern lernen" im November 2014 war ein weiterer Schritt in der Befreiungsbewegung unserer deutschen Kultur vom negativen, dunklen Schamgefühl, das sich normalerweise beim leisesten Gedanken an die geringfügige Möglichkeit des Scheiterns einstellt. Also ICH hatte das nicht nötig. ICH war auf der Seite der Prediger. ICH hatte ja noch nie ein Problem mit dem Scheitern. ICH bin grundsätzlich ein risikoaffiner Typ. Scheitern, komm schon her, ich knuddle dich! Und dann flog ich Anfang 2015 gehörig auf die Schnauze. Bei meinem E-Commerce-Unternehmen Tollabox, im Jahre 2013 kurzfristig mit 600.000 Euro eingesammelten Kapitals sogar auf Platz 1 der erfolgreichsten deutschen Crowdfunding-Unternehmen, platzte in diesem Januar eine Finanzierungsrunde. Der weitere Schritt war unvermeidbar: "Die Playducato GmbH hat am 11. Februar 2015 Insolvenzantrag beim Amtsgericht Charlottenburg gestellt. Eine zur Aufrechterhaltung der Zahlungsfähigkeit notwendige Finanzierungsrunde ist kurz vor Abschluss gescheitert. Die Geschäfte werden mit Zustimmung des vom Gericht eingesetzten vorläufigen Insolvenzverwalters Prof. Dr. Martini zumindest bis Ende April 2015 fortgeführt und die Kunden vertragsgemäß beliefert. Das Hauptproblem des Geschäftsmodells bestand in der zu kurzen Abodauer für die Tollabox. Derzeit werden verschiedene Möglichkeiten für die Umstrukturierung des Geschäftsmodells geprüft." So die offizielle Erklärung. Wer von Ihnen glaubt jetzt, dass noch eine Spur vom Yeeeey-Gefühl in mir war? Echtes Scheitern ist ein negatives, dunkles Gefühl, das viel mit Scham, aber auch mit Trauer, Machtlosigkeit, Verzweiflung und Wut auf alle Beteiligten zu tun hat. Inklusive sich selbst. Vor allem sich selbst! In der Zeit, die der Gesetzgeber dem Insolvenzler als Chance bietet, doch noch etwas zu retten, musste ich auch erkennen, dass die Umstrukturierungsansätze keine echte Chance mehr hatten. Drei Monate späte kam der Moment, in dem ich alle Buttons auf der Website abschaltete, mit denen man die Tollabox kaufen konnte. Im Büro haben wir alles aufgeräumt und die Zeugnisse für die Mitarbeiter geschrieben. Die Metapher "Lichter aus" stimmt. Es ist ein richtig trauriger Moment. Die wunderbare Idee, eine monatliche Box mit Material, Ideen und Lerneffekt für Kinder zwischen 4 und 10 Jahren im Abonnement zu vertreiben, hat nicht funktioniert. Meine Idee, mein Baby, musste ich endgültig "begraben" - das tat enorm weh. Dann stellte sich das Lernen ein Im Internet machte zu diesem Zeitpunkt eine Studie Furore: #regrettingmotherhood handelte von Frauen, die ihre Mutterschaft bereuen. Ich hingegen stellte mir die Frage, ob es so gut war, eine Business-Idee so zu lieben wie ein Kind. War das gut? Daran zu hängen mit aller Seele? Macht das nicht blind? So nach dem Motto: "Mein Kind ist hochbegabt und alle anderen verkennen das?" Möglicherweise hätte ich mit einer guten Portion Kaltschnäuzigkeit besser die Marktprobleme erkennen können. Dass Eltern zu beschäftigt sind und vom Alltag so überwältigt, dass sie keine richtige Zeit haben, in Ruhe mit ihren Kindern die Dinge aus der Box zu spielen. Der breiten Masse, die über 3 Millionen Familien in Deutschland, die potenziell als Käufer infrage gekommen wären, konnten wir den Nutzen der Tollabox nicht verständlich machen. Die Marketingkosten blieben trotz zahlloser Versuche und Verbesserungen zu teuer. Oder die Abonnenten haben nach wenigen Monaten abbestellt. Hätte ich nicht ständig gedacht, dass sich das noch einrenkt, dass wir schon noch an Marketing und Produkt schrauben können, dass noch eine ungeahnte Chance kommt... dann hätte ich der Realität ins Auge blicken können. Stattdessen trug ich die Mama-Rosabrille und habe gedacht, dass wir kurz vor der Lösung stehen, dass der nächste Versuch klappen würde. Ich bereue es, ab einem gewissen Erkenntnisstand und Zeitpunkt für meine Businessidee wie eine verblendete Löwenmama gekämpft zu haben. Es tut mir leid für die Zeit und Kraft meines Teams und das Geld meiner Investoren. Das ist #regrettingmotherhood der anderen Art. Gar kein gutes Gefühl, aber immer noch eine Erkenntnis. Jetzt bin ich schlauer! Dann wurde mir klar: Was ich weiterhin mit vollem Herzen lieben werde, ist mein Thema - das sind Kinder, Eltern und das Prinzip der spielerischen Bildung. Ich mache weiter in Form eines hoffentlich inspirierenden Kreativ-Blogs, ohne Boxen und teure Abonnentengewinnung. Ich prüfe derzeit die Möglichkeiten im Bereich Digital Publishing und Kinder-Apps. Ich starte erneut von Null und gehe an die neuen Ideen analytischer und vielleicht auch distanzierter heran, und achte besser auf die Marktwirklichkeit. Ich weiß, dass mich Unternehmertum an sich nicht abschreckt. Unsere Gesellschaft hat doch gelernt, mit dem Scheitern umzugehen Aber was viel wichtiger ist: Ich habe auch erfahren, wie die Menschen um mich herum reagiert haben, selbst diejenigen, die viel Geld mit uns verloren haben. Sie haben viel mehr Verständnis für die Situation, als ich je gedacht hätte, dass es möglich ist. Ich habe Respekt, Zuspruch und Ermunterung erhalten, auf allen Kanälen. Ob in der Start-up-Szene oder in Berater-Kreisen: Ich werde wie eine Unternehmerin behandelt, die eine wertvolle Erfahrung gemacht hat. Ich fühle mich nicht stigmatisiert, nicht traumatisiert. Und ich merke, dass Konferenzen wie die von impulse und alle Bemühungen, das Stigma des Scheiterns aufzuheben, tatsächlich eine Wirkung haben. Scheitern ist tatsächlich auch bei uns möglich geworden. Deswegen habe ich auch diese Zeilen geschrieben.
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