Corona-Arbeitsschutzverordnung
Neue Corona-Regeln: Das sollten Arbeitgeber jetzt tun

Sollen statt müssen: Die neue Corona-Schutzverordnung gibt Unternehmerinnen und Unternehmern mehr Gestaltungsfreiheit. Doch veränderte Isolationspflichten sorgen für Verwirrung. Was Sie beachten müssen.

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Corona-Arbeitsschutzverordnung
© Malte Mueller/fStop/Getty Images

Die steigenden Energiekosten und die Inflation haben ein Thema in den Hintergrund gedrängt: die Corona-Pandemie. Doch ausgestanden ist sie noch lange nicht. Deswegen gilt vom 1. Oktober dieses Jahres bis zum 7. April 2023 eine neue Fassung der Sars-CoV-2-Arbeitsschutzverordnung.

Ziel der Bundesregierung: das Risiko einer Infektion mit dem Coronavirus bei der Arbeit zu minimieren sowie die Sicherheit und die Gesundheit der Beschäftigten zu schützen. Doch was bedeutet das für Unternehmerinnen und Unternehmer? Was ist konkret zu tun?

Mehr Handlungsfreiheit für die Arbeitgeber

Die wichtigste Botschaft für Unternehmer lautet: „Die neue Verordnung ist weniger streng als die erste“, sagt Andrea Kröpelin, Fachanwältin für Arbeitsrecht in der Hamburger Kanzlei Möhrle Happ Luther. „Jetzt wird davon ausgegangen, dass der Arbeitgeber bei der Erstellung eines Hygienekonzepts lediglich prüft, ob die Maßnahmen, welche die Verordnung vorschlägt, für seinen Betrieb sinnvoll sind. Die Arbeitgeber haben jetzt mehr Handlungsfreiheit und Eigenverantwortung.“

Und das betrifft in der Praxis folgende Punkte …

Betriebliches Hygienekonzept

Hier heißt es in der Verordnung: Der Arbeitgeber ist verpflichtet, ein betriebliches Hygienekonzept zu erstellen und darin entsprechende Maßnahmen zum Infektionsschutz festzulegen sowie diese anschließend auch umzusetzen. Dieses Konzept gilt dann auch für Pausenzeiten und -bereiche.

Hierbei seien nachstehende Maßnahmen zu prüfen:

  1. Einhaltung des Mindestabstands von 1,5 Metern zwischen zwei Personen
  2. Sicherstellung der Handhygiene
  3. Einhaltung der Hust- und Niesetikette
  4. Infektionsschutzgerechtes Lüften von Innenräumen
  5. Verminderung von betriebsbedingten Personenkontakten
  6. Das Angebot an Beschäftigte, die nicht ausschließlich von zuhause arbeiten, sich regelmäßig mit zertifizierten Tests kostenfrei auf Corona testen zu lassen.

Wichtig ist das Wort prüfen. Es gibt keine staatliche Anordnung mehr. „Jeder Arbeitgeber muss eigenverantwortlich klären, welche Maßnahme notwendig ist, um die Gesundheit der Mitarbeiter zu schützen“, macht Arbeitsrechtlerin Kröpelin deutlich. Die Ergebnisse solcher Prüfungen sind dann an die Bedingungen des jeweiligen Betriebes anzupassen.

Mehr dazu hier: Infektionsschutz im Betrieb: Eine Gefährdungsbeurteilung für Corona erstellen – so geht‘s

„Viele dieser Maßnahmen haben sich allerdings in den zurückliegenden zweieinhalb Jahren der Pandemie bewährt. Deswegen haben auch die wenigsten Arbeitgeber Probleme, bestimmte Maßnahmen wieder umzusetzen“, glaubt Fachanwältin Kröpelin.

Die folgenden Maßnahmen sollten Unternehmer laut Verordnung prüfen:

1. Mindestabstand

Zu diesem Punkt steht in der Verordnung des Ministeriums sinngemäß: Der Arbeitgeber muss medizinische Schutzmasken ausgeben, wenn: Der Mindestabstand von 1,5 Meter unterschritten wird, oder wenn bei „tätigkeitsbedingten Körperkontakten“ oder bei gleichzeitigem Aufenthalt mehrerer Personen in Innenräumen technische und organisatorische Schutzmaßnahmen zum Schutz der Beschäftigten nicht ausreichen.

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Der Begriff „medizinische Maske“ umfasst sowohl OP-Masken als auch FFP2-Masken. Um sowohl eine Eigen- sowie eine Fremdgefährdung auszuschließen, rät Rechtsanwältin Kröpelin im Zweifel zur FFP2-Maske. „Damit ist man auf der sicheren Seite.“

Das Tragen einer Maske kann der Arbeitgeber sogar anordnen, wenn die Mitarbeiter sich ständig auf engen Fluren begegnen oder in Arbeitsgemeinschaften auf Baustellen keine Mindestabstände möglich sind. „Hierfür sollte der Arbeitgeber unbedingt das Infektionsgeschehen verfolgen“, lautet der Rat von Juristin Kröpelin. „Wenn dieses vergleichsweise entspannt ist, kann es ungefährlich sein, sollten mal zwei Leute auf dem Flur eng aneinander vorbeilaufen. Aber das kann sich im Winter noch ändern. Es ist aktuell schwer, eine Vorhersage zu treffen.“

Im Zweifel geht der Unternehmer aber auf Nummer sicher und ordnet an, dass überall dort, wo sich die Menschen im Betrieb treffen, Masken getragen werden sollen. Wie in den zurückliegenden zwei Wintern. Bei Verstößen seitens der Mitarbeiter „sollte man auch über arbeitsrechtliche Maßnahmen nachdenken“, rät Anwältin Kröpelin.

2. Handhygiene

Hier liefert die Verordnung zwar keine genauen Vorschriften. Aber klar ist, dass im Unternehmen Spender mit Desinfektionsmitteln aufgestellt oder aufgehängt werden müssen. „Das muss der Arbeitgeber leisten“, betont Andrea Kröpelin. „Dort, wo Wasser und Seife zur Verfügung stehen, ist beides ausreichend. Nur in den Bereichen, wo das nicht möglich ist, braucht es Desinfektionsspender.“

3. Hust- und Niesetikette

Auch weiterhin gilt: Immer in die Armbeuge husten und/oder niesen. Händeschütteln sollte man weiterhin vermeiden.

4. Lüften

Luftaustausch ist eines der wichtigsten Mittel zum Infektionsschutz. Doch angesichts steigender Heizkosten kann so etwas in der kalten Jahreszeit unpopulär werden. Infektionsschutzgerechtes Lüften hieß aber nie, dass die Fenster die ganze Zeit offenstehen sollen. „Der Rat der Aerosolforscher war immer, dass man einmal pro Stunde das Fenster für fünf Minuten aufmachen soll. Das garantiert einen schnellen Luftaustausch, und der Wärmeverlust dürfte sich in Grenzen halten“, betont Arbeitsrechtlerin Kröpelin. Und wer im Betrieb eine leistungsstarke Lüftungsanlage installiert hat, der hat auch ohne offene Fenster ein gutes Raumklima.

5. Persönliche Kontakte

Hier gilt neuerdings eine für den betrieblichen Alltag vereinfachte Regel: Es wird im Gegensatz zur alten Verordnung nicht mehr davon geschrieben, betriebsbedingte Kontakte zu vermeiden. Stattdessen ist jetzt nur noch zu prüfen, ob Kontakte vermindert werden können. Das kann man beispielsweise schaffen, in dem man Besprechungen per Video durchführt oder den Aufenthaltsraum in zwei Schichten nutzt.

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Ein Einzelhandelsgeschäft oder eine Autowerkstatt kommen aber ohne Kundenkontakte nicht aus. Je weniger Menschen im Laden, umso schlechter ist es fürs Geschäft. Was nun? Für die Juristin Kröpelin ist das ein komplizierter Punkt. Die Lösung: „Wenn der Unternehmer sagt, ich kann die Personenkontakte im Betrieb nicht vermindern, dann kommt die Maßnahme für ihn eben nicht in Betracht. Er muss ja nur prüfen, ob er vermindern kann.“

Zur Person

Dr. Andrea Kröpelin ist Fachanwältin für Arbeitsrecht in der Hamburger Kanzlei Möhrle Happ Luther. Die Rechtsanwältin ist Expertin für Individuelles und kollektives Arbeitsrecht, Betriebliche Altersversorgung, Restrukturierungen sowie M&A.

6. Homeoffice und Testangebot

Auch hier gilt: Es muss laut Verordnung lediglich geprüft werden, ob Beschäftigten das Angebot gemacht werden kann, Tätigkeiten in ihrer Wohnung auszuführen, „wenn keine betrieblichen Gründe entgegenstehen“, wie es heißt. Also: Es gibt keine Homeoffice-Pflicht mehr.

Arbeitsrechtlerin Kröpelin sagt aber, dass sich beide Seiten auf individuelle Lösungen verständigen können. „Homeoffice hat sich ja dort, wo es möglich ist, in den zurückliegenden zwei Jahren etabliert. Die meisten Unternehmen haben hier ihren eigenen Rhythmus gefunden.“

Allen Beschäftigten, die nicht regelmäßig von zuhause arbeiten können, müssen Betriebe anbieten, sich regelmäßig mit zertifizierten Tests kostenfrei auf Corona testen zu lassen. Grundsätzlich reicht es aus, Selbsttests zur Verfügung zu stellen. Nach der alten Fassung galt die Pflicht, zweimal pro Woche ein Testangebot zu machen. Die Neufassung lässt das offen und macht keine konkrete Vorgaben. Arbeitgeber müssen das also für ihren Betrieb und die dortigen Verhältnisse abwägen und entscheiden. Einmal pro Monat dürfte kaum ausreichen, ein- bis zweimal pro Woche werden es wohl schon sein müssen.

7. Isolationspflicht

Bisher galt bundesweit: Bei positivem Test (PCR oder Antigen) musste sich die entsprechende Person in fünftägige häusliche Isolation begeben, sie durfte also nicht zur Arbeit – bei Lohnfortzahlung. Der Arbeitgeber wiederum konnte sich das Geld vom Staat gemäß §56 des Infektionsschutzgesetzes erstatten lassen.

Vier Bundesländer sind jetzt aus dieser bisher einheitlichen Regelung ausgeschert: In Baden-Württemberg, Bayern, Hessen und Schleswig-Holstein gilt seit 16. November 2022 die Isolationspflicht nicht mehr. In einer gemeinsamen Erklärung begründen das die vier Länder unter anderem mit einer hohen Basisimmunität der deutschen Bevölkerung und damit, dass die meisten EU-Staaten ebenfalls auf Isolationspflichten für Coronainfizierte verzichten.

Stattdessen gelten in den vier Bundesländern ab jetzt für positiv Getestete eine Reihe von verpflichtenden Schutzmaßnahmen. Diese werden für mindestens fünf Tage angeordnet, heißt es. Die Fortführung kann angeordnet werden, bis 48 Stunden Symptomfreiheit besteht, maximal jedoch für zehn Tage.

Zu den Maßnahmen gehören unter anderem

  • Maskenpflicht (mindestens Mund-Nasen-Schutz) außerhalb der eigenen Wohnung für Erwachsene und Kinder ab 6 Jahren; Ausnahme im Freien, wenn Mindestabstand von 1,5 Metern eingehalten werden kann.
  • Tätigkeitsverbot für in medizinischen/pflegerischen Einrichtungen tätige Personen.

Worauf die vier Ländern hinweisen: Kranke Personen sollen grundsätzlich zu Hause bleiben, um Ansteckungen anderer Personen zu vermeiden.

Aber es sollen in den vier Ländern diejenigen Menschen wieder arbeiten gehen, die leichte oder gar keine Symptome aufweisen. Nur eben mit Maske und Abstand. Ist das alltagstauglich? „Diese neue Regelung wälzt die Probleme auf die Arbeitgeber ab“, findet Juristin Kröpelin. „Grundsätzlich können Arbeitgeber darauf bestehen, dass der betroffene Mitarbeiter zur Arbeit erscheint. Nur damit riskiert der Chef auch, dass Infizierte ihre Kolleginnen und Kollegen anstecken.“

Zudem: Was heißt „leichte Symptome“? Das ist auch für Arbeitsrechtlerin Kröpelin schwierig, zu beantworten. „Früher wurde ja gern gesagt: ‚Wer nicht seinen Kopf unter dem Arm trägt, kann auch arbeiten.‘ Doch so einfach sollte man es sich beim Coronavirus nicht machen.“

Was gilt, wenn am Wohnort eines Mitarbeiter keine Isolationspflicht gilt, am Arbeitsort aber schon?

Ab jetzt können komplizierte Situationen entstehen. Etwa, wenn ein infizierter Einwohner aus Schleswig-Holstein in einem Unternehmen in Hamburg beschäftigt und Homeoffice nicht möglich ist, etwa in einem Handwerksbetrieb. In seinem Heimatland dürfte er ja jetzt arbeiten – doch in Hamburg weiterhin nicht. Hätte etwa der Betrieb Kunden in Schleswig-Holstein, dürfte der infizierte Mitarbeiter dort eingesetzt werden. Aber wenn er in der Firmenzentrale in Hamburg erscheinen würde, wäre zu klären, wer sich dann ordnungswidrig verhält und ggf. mit einem Bußgeld rechnen muss – er oder sein Chef. „In erster Linie wohl der Mitarbeiter“, schätzt Arbeitsrechtlerin Kröpelin ein.

Besagten Mitarbeiter nach Hause schicken bei voller Lohnfortzahlung, wird für den Hamburger Betrieb auch kompliziert. Denn die Erstattungsmöglichkeit nach Infektionsschutzgesetz gilt ja nun auch nicht mehr. Grundsätzlich sind solche Probleme überall zu erwarten, wo Berufstätige aus den vier Ländern in Bundesländer pendeln, in denen die Isolationspflicht weiterhin gilt.

Einfacher ist der umgekehrte Fall, also, wenn ein infizierter Hamburger nach Schleswig-Holstein zur Arbeit pendeln will. Hier verweist Andrea Kröpelin auf die § 6 Abs. 2 der Hamburger Coronaverordnung, in der steht: Der in Hamburg wohnende Mitarbeiter darf demnach in den ersten fünf Tagen seine Wohnung nicht verlassen, weil er in seinem Wohnort der Absonderungspflicht unterliegt. Unterbrechungen sind nur für eine Testung zulässig und dann, wenn dies zum Schutz von Leben oder Gesundheit zwingend erforderlich ist. Also: Er könnte also gar nicht über Hamburger Stadtgebiet nach Schleswig-Holstein „ausreisen“.

„Im Alltag werden sich diese Fragen aber oft gar nicht stellen, weil Infizierte sich mit einem Attest krankmelden“, meint Anwältin Kröpelin.

Außerdem erinnert die Juristin an die Fürsorgepflicht des Arbeitgebers. Denn im schlimmsten Fall sorgt der Infizierte in seinem Betrieb für einen heftigen Coronaausbruch mit etlichen kranken Kollegen und Produktionsausfällen. Auch das vorgeschriebene Tragen einer Maske schützt nicht sicher vor Ansteckung am Arbeitsplatz und zumindest zum Essen und Trinken wird diese ja abgesetzt.

Das gilt für Schutzimpfungen

Die Corona-Schutzverordnung schreibt hier vor, dass der Arbeitgeber seinen Beschäftigten ermöglichen muss, sich während der Arbeitszeit gegen das Coronavirus impfen zu lassen. Also sie freizustellen. Die Impfungen können Betriebsärzte oder überbetriebliche Dienste von Betriebsärzten vornehmen. Diese sind organisatorisch und personell zu unterstützen, heißt es in der Verordnung.

Die häufigste Impfvariante wird jedoch der Gang zum Hausarzt sein. Dieser muss auch innerhalb der Arbeitszeit möglich sein, betont Andrea Kröpelin. „Das war jedoch schon in der alten Verordnung so vorgesehen, ist also nichts Neues. Arbeitgeber sollten entsprechende Erfahrungen gesammelt haben.“

Die 2- und 3G-Regeln sind jedoch entfallen. Ausnahme: Es gilt eine einrichtungsbezogene Impfpflicht in Gesundheitsbereichen.

„Für andere Mitarbeiter gibt es keine Impfpflicht und umgekehrt auch für deren Arbeitgeber kein Recht, den Impfstatus zu abzufragen“, betont Arbeitsrechtsexpertin Kröpelin.

Die Verordnung schreibt allerdings vor, dass der Arbeitgeber seine Beschäftigten über die Gesundheitsgefährdung einer Covid-Erkrankung aufzuklären und über die Möglichkeit einer Schutzimpfung zu informieren hat.

Dokumentationspflicht für den Arbeitgeber

So abgespeckt die neue Schutzverordnung auch ist, der Unternehmer muss trotzdem ein paar heikle Punkte beachten. „Er muss dokumentieren, dass er sämtliche Punkte aus der Verordnung geprüft hat“, mahnt Andrea Kröpelin. „Das ist allein deswegen wichtig, damit die Gesundheitsämter oder Arbeitsschutzbehörden bei einer etwaigen Prüfung nichts zu beanstanden haben.“

Bei so einer Prüfung muss der Arbeitgeber auch die Maßnahmen seines Hygienekonzepts begründen. „Zum Beispiel können Einzelbüros ein guter Grund sein, auf Homeoffice-Angebote zu verzichten“, rät die Juristin Kröpelin.

Das neue Konzept ist weitgehend das alte

Die neue Corona-Schutzverordnung muss keinen Unternehmer ins Schwitzen bringen. Denn er muss einfach nur sein altes Hygienekonzept aus Schublade holen, die alten Hinweistafeln aufhängen und dann in einer Betriebsversammlung oder einer Rundmail darauf hinweisen, dass die Verordnung ab 1. Oktober wieder gilt – nur die 2G- und 3G-Regeln müssen wegfallen, weil es dafür keine rechtliche Grundlage mehr gibt.

„Damit macht man im Prinzip nichts falsch. Auch, wenn das alte Konzept mehr leistet als die neue Verordnung verlangt“, sagt Arbeitsrechtlerin Kröpelin. Mit einer umfassenden Lösung schließt der Unternehmer aus, dass ein Mitarbeiter aufgrund eines laschen Hygienekonzepts über eine Ansteckung im Betrieb klagt – was freilich schwer nachzuweisen ist.

Mehr dazu hier: Corona im Betrieb: Wann die Unfallversicherung bei Covid-19 zahlt – und wann nicht

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Die steigenden Energiekosten und die Inflation haben ein Thema in den Hintergrund gedrängt: die Corona-Pandemie. Doch ausgestanden ist sie noch lange nicht. Deswegen gilt vom 1. Oktober dieses Jahres bis zum 7. April 2023 eine neue Fassung der Sars-CoV-2-Arbeitsschutzverordnung. Ziel der Bundesregierung: das Risiko einer Infektion mit dem Coronavirus bei der Arbeit zu minimieren sowie die Sicherheit und die Gesundheit der Beschäftigten zu schützen. Doch was bedeutet das für Unternehmerinnen und Unternehmer? Was ist konkret zu tun? Mehr Handlungsfreiheit für die Arbeitgeber Die wichtigste Botschaft für Unternehmer lautet: „Die neue Verordnung ist weniger streng als die erste“, sagt Andrea Kröpelin, Fachanwältin für Arbeitsrecht in der Hamburger Kanzlei Möhrle Happ Luther. „Jetzt wird davon ausgegangen, dass der Arbeitgeber bei der Erstellung eines Hygienekonzepts lediglich prüft, ob die Maßnahmen, welche die Verordnung vorschlägt, für seinen Betrieb sinnvoll sind. Die Arbeitgeber haben jetzt mehr Handlungsfreiheit und Eigenverantwortung.“ Und das betrifft in der Praxis folgende Punkte ... Betriebliches Hygienekonzept Hier heißt es in der Verordnung: Der Arbeitgeber ist verpflichtet, ein betriebliches Hygienekonzept zu erstellen und darin entsprechende Maßnahmen zum Infektionsschutz festzulegen sowie diese anschließend auch umzusetzen. Dieses Konzept gilt dann auch für Pausenzeiten und -bereiche. Hierbei seien nachstehende Maßnahmen zu prüfen: Einhaltung des Mindestabstands von 1,5 Metern zwischen zwei Personen Sicherstellung der Handhygiene Einhaltung der Hust- und Niesetikette Infektionsschutzgerechtes Lüften von Innenräumen Verminderung von betriebsbedingten Personenkontakten Das Angebot an Beschäftigte, die nicht ausschließlich von zuhause arbeiten, sich regelmäßig mit zertifizierten Tests kostenfrei auf Corona testen zu lassen. Wichtig ist das Wort prüfen. Es gibt keine staatliche Anordnung mehr. „Jeder Arbeitgeber muss eigenverantwortlich klären, welche Maßnahme notwendig ist, um die Gesundheit der Mitarbeiter zu schützen“, macht Arbeitsrechtlerin Kröpelin deutlich. Die Ergebnisse solcher Prüfungen sind dann an die Bedingungen des jeweiligen Betriebes anzupassen. Mehr dazu hier: Infektionsschutz im Betrieb: Eine Gefährdungsbeurteilung für Corona erstellen – so geht‘s „Viele dieser Maßnahmen haben sich allerdings in den zurückliegenden zweieinhalb Jahren der Pandemie bewährt. Deswegen haben auch die wenigsten Arbeitgeber Probleme, bestimmte Maßnahmen wieder umzusetzen“, glaubt Fachanwältin Kröpelin. Die folgenden Maßnahmen sollten Unternehmer laut Verordnung prüfen: 1. Mindestabstand Zu diesem Punkt steht in der Verordnung des Ministeriums sinngemäß: Der Arbeitgeber muss medizinische Schutzmasken ausgeben, wenn: Der Mindestabstand von 1,5 Meter unterschritten wird, oder wenn bei „tätigkeitsbedingten Körperkontakten“ oder bei gleichzeitigem Aufenthalt mehrerer Personen in Innenräumen technische und organisatorische Schutzmaßnahmen zum Schutz der Beschäftigten nicht ausreichen. Der Begriff „medizinische Maske“ umfasst sowohl OP-Masken als auch FFP2-Masken. Um sowohl eine Eigen- sowie eine Fremdgefährdung auszuschließen, rät Rechtsanwältin Kröpelin im Zweifel zur FFP2-Maske. „Damit ist man auf der sicheren Seite.“ Das Tragen einer Maske kann der Arbeitgeber sogar anordnen, wenn die Mitarbeiter sich ständig auf engen Fluren begegnen oder in Arbeitsgemeinschaften auf Baustellen keine Mindestabstände möglich sind. „Hierfür sollte der Arbeitgeber unbedingt das Infektionsgeschehen verfolgen“, lautet der Rat von Juristin Kröpelin. „Wenn dieses vergleichsweise entspannt ist, kann es ungefährlich sein, sollten mal zwei Leute auf dem Flur eng aneinander vorbeilaufen. Aber das kann sich im Winter noch ändern. Es ist aktuell schwer, eine Vorhersage zu treffen.“ Im Zweifel geht der Unternehmer aber auf Nummer sicher und ordnet an, dass überall dort, wo sich die Menschen im Betrieb treffen, Masken getragen werden sollen. Wie in den zurückliegenden zwei Wintern. Bei Verstößen seitens der Mitarbeiter „sollte man auch über arbeitsrechtliche Maßnahmen nachdenken“, rät Anwältin Kröpelin. 2. Handhygiene Hier liefert die Verordnung zwar keine genauen Vorschriften. Aber klar ist, dass im Unternehmen Spender mit Desinfektionsmitteln aufgestellt oder aufgehängt werden müssen. „Das muss der Arbeitgeber leisten“, betont Andrea Kröpelin. „Dort, wo Wasser und Seife zur Verfügung stehen, ist beides ausreichend. Nur in den Bereichen, wo das nicht möglich ist, braucht es Desinfektionsspender.“ 3. Hust- und Niesetikette Auch weiterhin gilt: Immer in die Armbeuge husten und/oder niesen. Händeschütteln sollte man weiterhin vermeiden. 4. Lüften Luftaustausch ist eines der wichtigsten Mittel zum Infektionsschutz. Doch angesichts steigender Heizkosten kann so etwas in der kalten Jahreszeit unpopulär werden. Infektionsschutzgerechtes Lüften hieß aber nie, dass die Fenster die ganze Zeit offenstehen sollen. „Der Rat der Aerosolforscher war immer, dass man einmal pro Stunde das Fenster für fünf Minuten aufmachen soll. Das garantiert einen schnellen Luftaustausch, und der Wärmeverlust dürfte sich in Grenzen halten“, betont Arbeitsrechtlerin Kröpelin. Und wer im Betrieb eine leistungsstarke Lüftungsanlage installiert hat, der hat auch ohne offene Fenster ein gutes Raumklima. 5. Persönliche Kontakte Hier gilt neuerdings eine für den betrieblichen Alltag vereinfachte Regel: Es wird im Gegensatz zur alten Verordnung nicht mehr davon geschrieben, betriebsbedingte Kontakte zu vermeiden. Stattdessen ist jetzt nur noch zu prüfen, ob Kontakte vermindert werden können. Das kann man beispielsweise schaffen, in dem man Besprechungen per Video durchführt oder den Aufenthaltsraum in zwei Schichten nutzt. Ein Einzelhandelsgeschäft oder eine Autowerkstatt kommen aber ohne Kundenkontakte nicht aus. Je weniger Menschen im Laden, umso schlechter ist es fürs Geschäft. Was nun? Für die Juristin Kröpelin ist das ein komplizierter Punkt. Die Lösung: „Wenn der Unternehmer sagt, ich kann die Personenkontakte im Betrieb nicht vermindern, dann kommt die Maßnahme für ihn eben nicht in Betracht. Er muss ja nur prüfen, ob er vermindern kann.“ [zur-person] 6. Homeoffice und Testangebot Auch hier gilt: Es muss laut Verordnung lediglich geprüft werden, ob Beschäftigten das Angebot gemacht werden kann, Tätigkeiten in ihrer Wohnung auszuführen, „wenn keine betrieblichen Gründe entgegenstehen“, wie es heißt. Also: Es gibt keine Homeoffice-Pflicht mehr. Arbeitsrechtlerin Kröpelin sagt aber, dass sich beide Seiten auf individuelle Lösungen verständigen können. „Homeoffice hat sich ja dort, wo es möglich ist, in den zurückliegenden zwei Jahren etabliert. Die meisten Unternehmen haben hier ihren eigenen Rhythmus gefunden.“ Allen Beschäftigten, die nicht regelmäßig von zuhause arbeiten können, müssen Betriebe anbieten, sich regelmäßig mit zertifizierten Tests kostenfrei auf Corona testen zu lassen. Grundsätzlich reicht es aus, Selbsttests zur Verfügung zu stellen. Nach der alten Fassung galt die Pflicht, zweimal pro Woche ein Testangebot zu machen. Die Neufassung lässt das offen und macht keine konkrete Vorgaben. Arbeitgeber müssen das also für ihren Betrieb und die dortigen Verhältnisse abwägen und entscheiden. Einmal pro Monat dürfte kaum ausreichen, ein- bis zweimal pro Woche werden es wohl schon sein müssen. 7. Isolationspflicht Bisher galt bundesweit: Bei positivem Test (PCR oder Antigen) musste sich die entsprechende Person in fünftägige häusliche Isolation begeben, sie durfte also nicht zur Arbeit - bei Lohnfortzahlung. Der Arbeitgeber wiederum konnte sich das Geld vom Staat gemäß §56 des Infektionsschutzgesetzes erstatten lassen. Vier Bundesländer sind jetzt aus dieser bisher einheitlichen Regelung ausgeschert: In Baden-Württemberg, Bayern, Hessen und Schleswig-Holstein gilt seit 16. November 2022 die Isolationspflicht nicht mehr. In einer gemeinsamen Erklärung begründen das die vier Länder unter anderem mit einer hohen Basisimmunität der deutschen Bevölkerung und damit, dass die meisten EU-Staaten ebenfalls auf Isolationspflichten für Coronainfizierte verzichten. Stattdessen gelten in den vier Bundesländern ab jetzt für positiv Getestete eine Reihe von verpflichtenden Schutzmaßnahmen. Diese werden für mindestens fünf Tage angeordnet, heißt es. Die Fortführung kann angeordnet werden, bis 48 Stunden Symptomfreiheit besteht, maximal jedoch für zehn Tage. Zu den Maßnahmen gehören unter anderem Maskenpflicht (mindestens Mund-Nasen-Schutz) außerhalb der eigenen Wohnung für Erwachsene und Kinder ab 6 Jahren; Ausnahme im Freien, wenn Mindestabstand von 1,5 Metern eingehalten werden kann. Tätigkeitsverbot für in medizinischen/pflegerischen Einrichtungen tätige Personen. Worauf die vier Ländern hinweisen: Kranke Personen sollen grundsätzlich zu Hause bleiben, um Ansteckungen anderer Personen zu vermeiden. Aber es sollen in den vier Ländern diejenigen Menschen wieder arbeiten gehen, die leichte oder gar keine Symptome aufweisen. Nur eben mit Maske und Abstand. Ist das alltagstauglich? „Diese neue Regelung wälzt die Probleme auf die Arbeitgeber ab“, findet Juristin Kröpelin. „Grundsätzlich können Arbeitgeber darauf bestehen, dass der betroffene Mitarbeiter zur Arbeit erscheint. Nur damit riskiert der Chef auch, dass Infizierte ihre Kolleginnen und Kollegen anstecken.“ Zudem: Was heißt „leichte Symptome“? Das ist auch für Arbeitsrechtlerin Kröpelin schwierig, zu beantworten. „Früher wurde ja gern gesagt: 'Wer nicht seinen Kopf unter dem Arm trägt, kann auch arbeiten.' Doch so einfach sollte man es sich beim Coronavirus nicht machen.“ [mehr-zum-thema] Was gilt, wenn am Wohnort eines Mitarbeiter keine Isolationspflicht gilt, am Arbeitsort aber schon? Ab jetzt können komplizierte Situationen entstehen. Etwa, wenn ein infizierter Einwohner aus Schleswig-Holstein in einem Unternehmen in Hamburg beschäftigt und Homeoffice nicht möglich ist, etwa in einem Handwerksbetrieb. In seinem Heimatland dürfte er ja jetzt arbeiten – doch in Hamburg weiterhin nicht. Hätte etwa der Betrieb Kunden in Schleswig-Holstein, dürfte der infizierte Mitarbeiter dort eingesetzt werden. Aber wenn er in der Firmenzentrale in Hamburg erscheinen würde, wäre zu klären, wer sich dann ordnungswidrig verhält und ggf. mit einem Bußgeld rechnen muss – er oder sein Chef. „In erster Linie wohl der Mitarbeiter“, schätzt Arbeitsrechtlerin Kröpelin ein. Besagten Mitarbeiter nach Hause schicken bei voller Lohnfortzahlung, wird für den Hamburger Betrieb auch kompliziert. Denn die Erstattungsmöglichkeit nach Infektionsschutzgesetz gilt ja nun auch nicht mehr. Grundsätzlich sind solche Probleme überall zu erwarten, wo Berufstätige aus den vier Ländern in Bundesländer pendeln, in denen die Isolationspflicht weiterhin gilt. Einfacher ist der umgekehrte Fall, also, wenn ein infizierter Hamburger nach Schleswig-Holstein zur Arbeit pendeln will. Hier verweist Andrea Kröpelin auf die § 6 Abs. 2 der Hamburger Coronaverordnung, in der steht: Der in Hamburg wohnende Mitarbeiter darf demnach in den ersten fünf Tagen seine Wohnung nicht verlassen, weil er in seinem Wohnort der Absonderungspflicht unterliegt. Unterbrechungen sind nur für eine Testung zulässig und dann, wenn dies zum Schutz von Leben oder Gesundheit zwingend erforderlich ist. Also: Er könnte also gar nicht über Hamburger Stadtgebiet nach Schleswig-Holstein „ausreisen“. „Im Alltag werden sich diese Fragen aber oft gar nicht stellen, weil Infizierte sich mit einem Attest krankmelden“, meint Anwältin Kröpelin. Außerdem erinnert die Juristin an die Fürsorgepflicht des Arbeitgebers. Denn im schlimmsten Fall sorgt der Infizierte in seinem Betrieb für einen heftigen Coronaausbruch mit etlichen kranken Kollegen und Produktionsausfällen. Auch das vorgeschriebene Tragen einer Maske schützt nicht sicher vor Ansteckung am Arbeitsplatz und zumindest zum Essen und Trinken wird diese ja abgesetzt. Das gilt für Schutzimpfungen Die Corona-Schutzverordnung schreibt hier vor, dass der Arbeitgeber seinen Beschäftigten ermöglichen muss, sich während der Arbeitszeit gegen das Coronavirus impfen zu lassen. Also sie freizustellen. Die Impfungen können Betriebsärzte oder überbetriebliche Dienste von Betriebsärzten vornehmen. Diese sind organisatorisch und personell zu unterstützen, heißt es in der Verordnung. Die häufigste Impfvariante wird jedoch der Gang zum Hausarzt sein. Dieser muss auch innerhalb der Arbeitszeit möglich sein, betont Andrea Kröpelin. „Das war jedoch schon in der alten Verordnung so vorgesehen, ist also nichts Neues. Arbeitgeber sollten entsprechende Erfahrungen gesammelt haben.“ Die 2- und 3G-Regeln sind jedoch entfallen. Ausnahme: Es gilt eine einrichtungsbezogene Impfpflicht in Gesundheitsbereichen. „Für andere Mitarbeiter gibt es keine Impfpflicht und umgekehrt auch für deren Arbeitgeber kein Recht, den Impfstatus zu abzufragen“, betont Arbeitsrechtsexpertin Kröpelin. Die Verordnung schreibt allerdings vor, dass der Arbeitgeber seine Beschäftigten über die Gesundheitsgefährdung einer Covid-Erkrankung aufzuklären und über die Möglichkeit einer Schutzimpfung zu informieren hat. Dokumentationspflicht für den Arbeitgeber So abgespeckt die neue Schutzverordnung auch ist, der Unternehmer muss trotzdem ein paar heikle Punkte beachten. „Er muss dokumentieren, dass er sämtliche Punkte aus der Verordnung geprüft hat“, mahnt Andrea Kröpelin. „Das ist allein deswegen wichtig, damit die Gesundheitsämter oder Arbeitsschutzbehörden bei einer etwaigen Prüfung nichts zu beanstanden haben.“ Bei so einer Prüfung muss der Arbeitgeber auch die Maßnahmen seines Hygienekonzepts begründen. „Zum Beispiel können Einzelbüros ein guter Grund sein, auf Homeoffice-Angebote zu verzichten“, rät die Juristin Kröpelin. Das neue Konzept ist weitgehend das alte Die neue Corona-Schutzverordnung muss keinen Unternehmer ins Schwitzen bringen. Denn er muss einfach nur sein altes Hygienekonzept aus Schublade holen, die alten Hinweistafeln aufhängen und dann in einer Betriebsversammlung oder einer Rundmail darauf hinweisen, dass die Verordnung ab 1. Oktober wieder gilt – nur die 2G- und 3G-Regeln müssen wegfallen, weil es dafür keine rechtliche Grundlage mehr gibt. „Damit macht man im Prinzip nichts falsch. Auch, wenn das alte Konzept mehr leistet als die neue Verordnung verlangt“, sagt Arbeitsrechtlerin Kröpelin. Mit einer umfassenden Lösung schließt der Unternehmer aus, dass ein Mitarbeiter aufgrund eines laschen Hygienekonzepts über eine Ansteckung im Betrieb klagt – was freilich schwer nachzuweisen ist. Mehr dazu hier: Corona im Betrieb: Wann die Unfallversicherung bei Covid-19 zahlt – und wann nicht