Arbeitszeitbetrug
Wann Chefs Mitarbeiter feuern können, die zu wenig arbeiten

Private Telefonate oder die Pause zur Arbeitszeit zählen: Begehen Mitarbeiter Arbeitszeitbetrug, können Chefs ihnen womöglich fristlos kündigen. Was dabei zu beachten ist.

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Arbeitszeitbetrug
© impulse

Wann liegt Arbeitszeitbetrug vor?

Egal ob ein Arbeitnehmer während der Arbeitszeit ständig privat online shoppt oder in der Zeiterfassungs-Software erst dann ausstempelt, wenn er schon zu Hause auf dem Sofa sitzt: „Arbeitszeitbetrug liegt immer dann vor, wenn ein Arbeitnehmer sich für Arbeitszeit bezahlen lässt, die er nicht geleistet hat“, sagt Pascal Croset, Fachanwalt für Arbeitsrecht.

Typischerweise ist das der Fall, wenn ein Arbeitnehmer …

  • einen Kollegen bittet, ihn beispielsweise um 7 Uhr einzustempeln, obwohl er erst um 8 Uhr bei der Arbeit erscheint.
  • im Homeoffice vorgibt zu arbeiten, tatsächlich aber Freizeitbeschäftigungen nachgeht.
  • Pausen als Arbeitszeit aufschreibt.
  • stundenlang privat im Internet surft (obwohl er das laut Betriebsvereinbarung oder Arbeitsvertrag nicht darf), telefoniert oder Spiele spielt.
  • im Außendienst Fahrtzeiten abrechnet, zu denen er schon zu Hause war.

Kaffeepausen, Plausch mit den Kollegen oder Zuspätkommen – was gilt hier?

Kommt ein Mitarbeiter zu spät, arbeitet dafür aber abends länger, begeht er keinen Arbeitszeitbetrug. Holt er die Zeit dagegen nicht nach und gibt in der Zeiterfassung fälschlicherweise an, pünktlich gewesen zu sein, betrügt er.

Anders sieht es aus, wenn Mitarbeiter außerhalb der Pausen mehrfach täglich Kaffee oder Tee kochen oder mit Kollegen plaudern: Sie arbeiten zwar nicht im eigentlichen Sinne, aber sie betrügen auch nicht, sagt Croset. „Es ist verschwendete Arbeitszeit, aber das Betrugselement fehlt. Ein Plausch im Rahmen des Üblichen ist in Ordnung.“

Nehmen die Kaffee- und Plauderpausen überhand, ist umstritten, ob es sich dabei um Arbeitszeitbetrug handelt. In jedem Fall gilt: Arbeitgeber müssen den Betrug nachweisen.

Lese Sie dazu auch: Arbeitszeitgesetz: Was gehört zur bezahlten Arbeitszeit?

Der Experte
Pascal Croset ist Fachanwalt für Arbeitsrecht und betreibt in Berlin seine Kanzlei Croset. Er berät und vertritt Arbeitgeber und Arbeitnehmer.

Ist es Arbeitszeitbetrug, wenn Arbeitnehmer bei Raucherpausen nicht ausstempeln?

Um Arbeitszeitbetrug durch Raucherpausen gibt es häufig Streit, sagt Croset. Eine klare Vereinbarung der Arbeitszeiten hilft, Täuschungen zu beweisen. (Mehr zum Nachweis von Arbeitszeitbetrug siehe unten.)

Beispiel 1: Croset hat in der Vergangenheit einen Arbeitgeber beraten, der einem Mitarbeiter kündigen wollte, weil dieser sich zum Rauchen nicht ausstempelte. Die Crux: Im Unternehmen gab es zwar eine Zeiterfassungssoftware, sie zog aber täglich automatisch eine halbe Stunde Pause ab – die Mitarbeiter mussten also auch nicht zur Mittagspause ausstempeln.

Entsprechend stempelte auch der Raucher nicht aus. „Für einen Beweis hätte ich wissen müssen, wie oft am Tag er wie lange raucht und wie lange er mittags Pause macht“, sagt Croset. „Ohne diesen Beweis gab es keinen Beweis eines Verstoßes gegen die Arbeitspflicht, die eine Kündigung wegen Arbeitszeitbetrug gerechtfertigt hätte“, sagt Croset.

Beispiel 2: Grundsätzlich können Zigarettenpausen, für die Arbeitnehmer Gehalt kassieren, auch eine fristlose Kündigung rechtfertigen. Das zeigt ein Urteil des Landesarbeitsgerichts Rheinland-Pfalz: Ein Arbeitnehmer stempelte während seiner Raucherpausen nicht aus, obwohl er zuvor schon zweimal deswegen abgemahnt worden war.

Eine betriebliche Regelung gab vor, dass Raucher ausstempeln mussten – und ihnen eine fristlose Kündigung drohte, wenn sie dies wiederholt missachten. Das LAG befand die fristlose Kündigung für rechtens (Urteil vom 6.5.2010, Az.: 10 Sa 712/09).

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Ist eine Kündigung wegen Arbeitszeitbetrug möglich?

Lässt ein Arbeitnehmer sich für Arbeitszeit bezahlen, die er nicht geleistet hat, ist das eine Pflichtverletzung gegen seinen Arbeitsvertrag und ein Vertrauensmissbrauch gegenüber dem Arbeitgeber. Arbeitszeitbetrug kann daher eine verhaltensbedingte oder eine außerordentliche, fristlose Kündigung rechtfertigen. Welche Art der Kündigung in Frage kommt, hängt vom Einzelfall ab.

Was Sie bei einer fristlosen Kündigung beachten müssen: Fristlose Kündigung: Das müssen Arbeitgeber wissen

Welche Kriterien müssen für eine Kündigung wegen Arbeitszeitbetrug erfüllt sein?

Damit eine Kündigung wegen Arbeitszeitbetrug rechtens ist – also auch im Fall einer Kündigungsschutzklage vor Gericht besteht – muss sie folgende Kriterien erfüllen:

  1. Der Arbeitnehmer muss laut Croset in erheblichem Maße mit seiner Arbeitszeit geschummelt haben. „Minuten fallen nicht ins Gewicht, sondern rechtfertigen allenfalls eine Abmahnung “, sagt der Rechtsanwalt. Ab wie vielen Stunden Arbeitszeitbetrug erheblich ist, entscheide jedes Gericht anders.
  2. Für den Arbeitgeber muss durch den Betrug ein gewisser Schaden entstanden sein. Das heißt, so Croset: „Der Schaden liegt in der Bezahlung von in Wahrheit nicht geleisteter Arbeit. Ist die erschlichene Vergütung gering, wird erstmal keine Kündigung in Frage kommen, aber eine Abmahnung.“
  3. Der Arbeitgeber muss den Arbeitszeitbetrug nachweisen können.

Beispiel für eine berechtigte Kündigung: Eine Verwaltungsangestellte des Medizinischen Dienstes der Krankenkassen arbeitete in Gleitzeit und dokumentierte ihre Arbeitszeit per Software. Laut Dienstvereinbarung begann und endete ihre Arbeitszeit am Arbeitsplatz – sie stempelte aber regelmäßig schon auf dem Parkplatz ein. An sieben Tagen habe sie so 135 Minuten eingetragen, in denen sie noch nicht mal das Firmengebäude betreten hatte. Ihr Arbeitgeber kündigte ihr fristlos, das Bundesarbeitsgericht erklärte die Kündigung für wirksam.

In dem Urteil heißt es, für fristlose Kündigungen müsse nach § 626 BGB ein wichtiger Grund vorliegen – und der sei gegeben, wenn ein Arbeitnehmer bewusst gegen seine Pflicht verstößt, die Arbeitszeit richtig festzuhalten. Der schwere Vertrauensbruch rechtfertige die Kündigung (BAG, Urteil vom 9.6.2011, Az.: 2 AZR 381/10).

Beispiel für eine unberechtigte Kündigung: Schummelt ein Arbeitnehmer scheinbar mit seiner Arbeitszeit, sollten Arbeitgeber auch dessen Überstunden im Blick haben. So erklärte das LAG Berlin-Brandenburg 2012 eine Kündigung für unwirksam: Ein Arbeitnehmer war während seiner Arbeitszeit an vier Tagen für private Einkäufe in den Supermarkt gegangen, ohne auszustempeln. Er ließ sich dadurch insgesamt eine Stunde bezahlen, während der er nicht arbeitete.

Sein Arbeitgeber kündigte ihm fristlos, das Gericht hielt dagegen: Laut Vertrag waren mit dem Gehalt pro Monat auch zehn Überstunden abgegolten. Dem Arbeitgeber sei kein Schaden entstanden, weil der Mitarbeiter bereits mehrere Überstunden geleistet hatte (Urteil vom 13.6.2012, Az.: 15 Sa 407/12).

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Wie können Arbeitgeber Arbeitszeitbetrug nachweisen?

Arbeitszeitbetrug nachzuweisen, ist knifflig. Nach Crosets Erfahrung scheitern viele Kündigungen daran – denn um zu belegen, dass ein Mitarbeiter schummelt, muss seine Arbeitszeit klar definiert sein. Arbeitsbeginn und -ende seien aber nur in wenigen Firmen genau festgelegt.

Hat eine Firma feste Arbeitszeiten im Arbeitsvertrag oder in einer Betriebsvereinbarung definiert oder erfassen Mitarbeiter die Zeit mit der Stechuhr, können Arbeitgeber Verstöße leichter nachweisen.

Für einen Beweis müssen Arbeitgeber ihren Angestellten im Grunde auf frischer Tat ertappen, sagt Croset. Und selbst dann kann es schwierig werden: „Die Erfahrung zeigt, dass die meisten viele Ausreden haben“, sagt der Arbeitsrechtler. „Von ‚Das Arbeitszeiterfassungsgerät funktioniert manchmal nicht richtig‘, über ‚Das habe ich vergessen einzutragen‘ und ‚Das habe ich zu Hause nachgearbeitet‘. Und natürlich stimmt das manchmal auch“.

Croset hat auch erlebt, dass ein Chef seinen Mitarbeiter um 16.30 Uhr mit Rucksack und Mütze auf dem Flur traf – und der als Arbeitsende nachträglich 17 Uhr eintrug. Der Rechtsanwalt: „Der Arbeitnehmer sagte dann, er habe auf dem Flur noch eine halbe Stunde mit einem Kollegen gesprochen, der etwas von ihm als Schwerbehindertenvertreter wissen wollte. Und das ist Arbeitszeit.“

Weil es so schwierig ist, Arbeitszeitbetrug nachzuweisen, empfiehlt Croset Unternehmern, einen Anwalt zu Rate zu ziehen. „Das raten Anwälte natürlich immer“, sagt er. „Aber die Erfahrung zeigt, dass Arbeitszeitbetrug ein häufig überschätzter Kündigungsgrund ist, weil viele Arbeitgeber ihn nicht beweisen können.“

Ist der Einsatz eines Privatdetektivs sinnvoll?

Arbeiten Angestellte im Außendienst oder regelmäßig außerhalb des Firmengebäudes, ist es für Chefs besonders schwierig, Arbeitszeitbetrug nachzuweisen. Bei einem starken Verdacht empfiehlt Croset daher, einen Privatdetektiv anzuheuern. Denn vor Gericht gilt: „Der Arbeitgeber muss immer den Vollbeweis bringen. Und weil viele Arbeitnehmer sich rausreden können, geht das häufig nur mit Privatdetektiv.“ Der Detektiv beschattet den Mitarbeiter und dokumentiert genau, ob und wann er mit seiner Arbeitszeit schummelt.

Beispiel: Croset hat einen Fall erlebt, bei dem ein Arbeitgeber zwei Arbeitnehmern Arbeitszeitbetrug vorwarf, die gemeinsam Plakate an Litfaßsäulen austauschen sollten. Sie hielten dagegen: Mal sei eine der elektronischen Säulen kaputt gewesen, mal hätten sie im Stau gesteckt.

Das Problem: Der Arbeitgeber konnte zwar per Software nachweisen, dass sie logen – etwa weil er im System sehen konnte, dass sie nicht im Stau standen, sondern eine Stunde lange bei einer Bäckerei parkten. Das habe er aus Datenschutzgründen aber nicht gegen sie verwenden dürfen.

„Der Arbeitgeber hat letztlich ein Detektivteam beauftragt, das ihnen vier Tage lang hinterhergefahren ist. Sie haben minutengenau ausgewertet, was die Arbeitnehmer machen“, sagt Croset. So überzogen sie beispielsweise Pausen um eine Stunde und rechneten sie als Arbeitszeit ab. „Und an einem Tag fuhr einer der beiden drei Stunden auf einen Campingplatz. Da gab es keine Litfaßsäulen.“

Der Arbeitgeber kündigte den Angestellten fristlos. Sie mussten als Schadensersatz auch das Honorar der Privatdetektive teilweise übernehmen – die für vier Tage 10.000 Euro kosteten.

Alternativ kommt laut Croset statt eines Privatdetektivs möglicherweise auch eine Verdachtskündigung in Frage.

Welche Alternativen haben Arbeitgeber, wenn Beweise fehlen?

Statt mit über einen Privatdetektive Beweise zu sammeln, können Arbeitgeber bei einem begründeten Verdacht, dass ein Mitarbeiter Arbeitszeitbetrug begeht, eine Verdachtskündigung aussprechen.

Mehr dazu hier: Verdachtskündigung: Wann ein Rauswurf auf Verdacht möglich ist

Müssen Arbeitgeber vor einer Kündigung wegen Arbeitszeitbetrug abmahnen?

Kann ein Arbeitsgeber den nicht nur im Bagatellbereich liegenden Betrug nachweisen, ist eine Abmahnung vor einer fristlosen Kündigung laut Croset in der Regel nicht notwendig.

Der Fachanwalt für Arbeitsrecht empfiehlt ansonsten, Mitarbeiter immer dann abzumahnen, wenn man sie behalten will. So können Unternehmer sonst zuverlässigen und guten Mitarbeitern eine letzte Warnung geben, damit sie ihr Verhalten ändern.

Mehr dazu hier: Rechtssicher abmahnen: 8 Fehler, die eine Abmahnung unwirksam machen können

Können Arbeitgeber Arbeitszeitbetrug bei Vertrauensarbeitszeit nachweisen?

„Bei Vertrauensarbeitszeit kann es praktisch keinen Arbeitszeitbetrug geben“, sagt Croset. „Denn dieses Arbeitszeitmodell bedeutet, dass der Arbeitgeber bewusst darauf vertraut, dass ein Arbeitnehmer die Zeit nacharbeitet, wenn er einmal später dran war.“

Lesen Sie auch: Vertrauensarbeitszeit: Was Arbeitgeber wissen sollten

Wann liegt Arbeitszeitbetrug vor? Egal ob ein Arbeitnehmer während der Arbeitszeit ständig privat online shoppt oder in der Zeiterfassungs-Software erst dann ausstempelt, wenn er schon zu Hause auf dem Sofa sitzt: "Arbeitszeitbetrug liegt immer dann vor, wenn ein Arbeitnehmer sich für Arbeitszeit bezahlen lässt, die er nicht geleistet hat“, sagt Pascal Croset, Fachanwalt für Arbeitsrecht. Typischerweise ist das der Fall, wenn ein Arbeitnehmer ... einen Kollegen bittet, ihn beispielsweise um 7 Uhr einzustempeln, obwohl er erst um 8 Uhr bei der Arbeit erscheint. im Homeoffice vorgibt zu arbeiten, tatsächlich aber Freizeitbeschäftigungen nachgeht. Pausen als Arbeitszeit aufschreibt. stundenlang privat im Internet surft (obwohl er das laut Betriebsvereinbarung oder Arbeitsvertrag nicht darf), telefoniert oder Spiele spielt. im Außendienst Fahrtzeiten abrechnet, zu denen er schon zu Hause war. Kaffeepausen, Plausch mit den Kollegen oder Zuspätkommen – was gilt hier? Kommt ein Mitarbeiter zu spät, arbeitet dafür aber abends länger, begeht er keinen Arbeitszeitbetrug. Holt er die Zeit dagegen nicht nach und gibt in der Zeiterfassung fälschlicherweise an, pünktlich gewesen zu sein, betrügt er. Anders sieht es aus, wenn Mitarbeiter außerhalb der Pausen mehrfach täglich Kaffee oder Tee kochen oder mit Kollegen plaudern: Sie arbeiten zwar nicht im eigentlichen Sinne, aber sie betrügen auch nicht, sagt Croset. „Es ist verschwendete Arbeitszeit, aber das Betrugselement fehlt. Ein Plausch im Rahmen des Üblichen ist in Ordnung.“ Nehmen die Kaffee- und Plauderpausen überhand, ist umstritten, ob es sich dabei um Arbeitszeitbetrug handelt. In jedem Fall gilt: Arbeitgeber müssen den Betrug nachweisen. Lese Sie dazu auch: Arbeitszeitgesetz: Was gehört zur bezahlten Arbeitszeit? Ist es Arbeitszeitbetrug, wenn Arbeitnehmer bei Raucherpausen nicht ausstempeln? Um Arbeitszeitbetrug durch Raucherpausen gibt es häufig Streit, sagt Croset. Eine klare Vereinbarung der Arbeitszeiten hilft, Täuschungen zu beweisen. (Mehr zum Nachweis von Arbeitszeitbetrug siehe unten.) Beispiel 1: Croset hat in der Vergangenheit einen Arbeitgeber beraten, der einem Mitarbeiter kündigen wollte, weil dieser sich zum Rauchen nicht ausstempelte. Die Crux: Im Unternehmen gab es zwar eine Zeiterfassungssoftware, sie zog aber täglich automatisch eine halbe Stunde Pause ab – die Mitarbeiter mussten also auch nicht zur Mittagspause ausstempeln. Entsprechend stempelte auch der Raucher nicht aus. „Für einen Beweis hätte ich wissen müssen, wie oft am Tag er wie lange raucht und wie lange er mittags Pause macht", sagt Croset. „Ohne diesen Beweis gab es keinen Beweis eines Verstoßes gegen die Arbeitspflicht, die eine Kündigung wegen Arbeitszeitbetrug gerechtfertigt hätte“, sagt Croset. Beispiel 2: Grundsätzlich können Zigarettenpausen, für die Arbeitnehmer Gehalt kassieren, auch eine fristlose Kündigung rechtfertigen. Das zeigt ein Urteil des Landesarbeitsgerichts Rheinland-Pfalz: Ein Arbeitnehmer stempelte während seiner Raucherpausen nicht aus, obwohl er zuvor schon zweimal deswegen abgemahnt worden war. Eine betriebliche Regelung gab vor, dass Raucher ausstempeln mussten – und ihnen eine fristlose Kündigung drohte, wenn sie dies wiederholt missachten. Das LAG befand die fristlose Kündigung für rechtens (Urteil vom 6.5.2010, Az.: 10 Sa 712/09). Ist eine Kündigung wegen Arbeitszeitbetrug möglich? Lässt ein Arbeitnehmer sich für Arbeitszeit bezahlen, die er nicht geleistet hat, ist das eine Pflichtverletzung gegen seinen Arbeitsvertrag und ein Vertrauensmissbrauch gegenüber dem Arbeitgeber. Arbeitszeitbetrug kann daher eine verhaltensbedingte oder eine außerordentliche, fristlose Kündigung rechtfertigen. Welche Art der Kündigung in Frage kommt, hängt vom Einzelfall ab. Was Sie bei einer fristlosen Kündigung beachten müssen: Fristlose Kündigung: Das müssen Arbeitgeber wissen Welche Kriterien müssen für eine Kündigung wegen Arbeitszeitbetrug erfüllt sein? Damit eine Kündigung wegen Arbeitszeitbetrug rechtens ist – also auch im Fall einer Kündigungsschutzklage vor Gericht besteht – muss sie folgende Kriterien erfüllen: Der Arbeitnehmer muss laut Croset in erheblichem Maße mit seiner Arbeitszeit geschummelt haben. „Minuten fallen nicht ins Gewicht, sondern rechtfertigen allenfalls eine Abmahnung “, sagt der Rechtsanwalt. Ab wie vielen Stunden Arbeitszeitbetrug erheblich ist, entscheide jedes Gericht anders. Für den Arbeitgeber muss durch den Betrug ein gewisser Schaden entstanden sein. Das heißt, so Croset: „Der Schaden liegt in der Bezahlung von in Wahrheit nicht geleisteter Arbeit. Ist die erschlichene Vergütung gering, wird erstmal keine Kündigung in Frage kommen, aber eine Abmahnung.“ Der Arbeitgeber muss den Arbeitszeitbetrug nachweisen können. Beispiel für eine berechtigte Kündigung: Eine Verwaltungsangestellte des Medizinischen Dienstes der Krankenkassen arbeitete in Gleitzeit und dokumentierte ihre Arbeitszeit per Software. Laut Dienstvereinbarung begann und endete ihre Arbeitszeit am Arbeitsplatz – sie stempelte aber regelmäßig schon auf dem Parkplatz ein. An sieben Tagen habe sie so 135 Minuten eingetragen, in denen sie noch nicht mal das Firmengebäude betreten hatte. Ihr Arbeitgeber kündigte ihr fristlos, das Bundesarbeitsgericht erklärte die Kündigung für wirksam. In dem Urteil heißt es, für fristlose Kündigungen müsse nach § 626 BGB ein wichtiger Grund vorliegen – und der sei gegeben, wenn ein Arbeitnehmer bewusst gegen seine Pflicht verstößt, die Arbeitszeit richtig festzuhalten. Der schwere Vertrauensbruch rechtfertige die Kündigung (BAG, Urteil vom 9.6.2011, Az.: 2 AZR 381/10). Beispiel für eine unberechtigte Kündigung: Schummelt ein Arbeitnehmer scheinbar mit seiner Arbeitszeit, sollten Arbeitgeber auch dessen Überstunden im Blick haben. So erklärte das LAG Berlin-Brandenburg 2012 eine Kündigung für unwirksam: Ein Arbeitnehmer war während seiner Arbeitszeit an vier Tagen für private Einkäufe in den Supermarkt gegangen, ohne auszustempeln. Er ließ sich dadurch insgesamt eine Stunde bezahlen, während der er nicht arbeitete. Sein Arbeitgeber kündigte ihm fristlos, das Gericht hielt dagegen: Laut Vertrag waren mit dem Gehalt pro Monat auch zehn Überstunden abgegolten. Dem Arbeitgeber sei kein Schaden entstanden, weil der Mitarbeiter bereits mehrere Überstunden geleistet hatte (Urteil vom 13.6.2012, Az.: 15 Sa 407/12). [mehr-zum-thema] Wie können Arbeitgeber Arbeitszeitbetrug nachweisen? Arbeitszeitbetrug nachzuweisen, ist knifflig. Nach Crosets Erfahrung scheitern viele Kündigungen daran – denn um zu belegen, dass ein Mitarbeiter schummelt, muss seine Arbeitszeit klar definiert sein. Arbeitsbeginn und -ende seien aber nur in wenigen Firmen genau festgelegt. Hat eine Firma feste Arbeitszeiten im Arbeitsvertrag oder in einer Betriebsvereinbarung definiert oder erfassen Mitarbeiter die Zeit mit der Stechuhr, können Arbeitgeber Verstöße leichter nachweisen. Für einen Beweis müssen Arbeitgeber ihren Angestellten im Grunde auf frischer Tat ertappen, sagt Croset. Und selbst dann kann es schwierig werden: „Die Erfahrung zeigt, dass die meisten viele Ausreden haben“, sagt der Arbeitsrechtler. „Von ‚Das Arbeitszeiterfassungsgerät funktioniert manchmal nicht richtig‘, über ‚Das habe ich vergessen einzutragen‘ und ‚Das habe ich zu Hause nachgearbeitet‘. Und natürlich stimmt das manchmal auch“. Croset hat auch erlebt, dass ein Chef seinen Mitarbeiter um 16.30 Uhr mit Rucksack und Mütze auf dem Flur traf – und der als Arbeitsende nachträglich 17 Uhr eintrug. Der Rechtsanwalt: „Der Arbeitnehmer sagte dann, er habe auf dem Flur noch eine halbe Stunde mit einem Kollegen gesprochen, der etwas von ihm als Schwerbehindertenvertreter wissen wollte. Und das ist Arbeitszeit.“ Weil es so schwierig ist, Arbeitszeitbetrug nachzuweisen, empfiehlt Croset Unternehmern, einen Anwalt zu Rate zu ziehen. „Das raten Anwälte natürlich immer“, sagt er. „Aber die Erfahrung zeigt, dass Arbeitszeitbetrug ein häufig überschätzter Kündigungsgrund ist, weil viele Arbeitgeber ihn nicht beweisen können.“ Ist der Einsatz eines Privatdetektivs sinnvoll? Arbeiten Angestellte im Außendienst oder regelmäßig außerhalb des Firmengebäudes, ist es für Chefs besonders schwierig, Arbeitszeitbetrug nachzuweisen. Bei einem starken Verdacht empfiehlt Croset daher, einen Privatdetektiv anzuheuern. Denn vor Gericht gilt: „Der Arbeitgeber muss immer den Vollbeweis bringen. Und weil viele Arbeitnehmer sich rausreden können, geht das häufig nur mit Privatdetektiv.“ Der Detektiv beschattet den Mitarbeiter und dokumentiert genau, ob und wann er mit seiner Arbeitszeit schummelt. Beispiel: Croset hat einen Fall erlebt, bei dem ein Arbeitgeber zwei Arbeitnehmern Arbeitszeitbetrug vorwarf, die gemeinsam Plakate an Litfaßsäulen austauschen sollten. Sie hielten dagegen: Mal sei eine der elektronischen Säulen kaputt gewesen, mal hätten sie im Stau gesteckt. Das Problem: Der Arbeitgeber konnte zwar per Software nachweisen, dass sie logen – etwa weil er im System sehen konnte, dass sie nicht im Stau standen, sondern eine Stunde lange bei einer Bäckerei parkten. Das habe er aus Datenschutzgründen aber nicht gegen sie verwenden dürfen. „Der Arbeitgeber hat letztlich ein Detektivteam beauftragt, das ihnen vier Tage lang hinterhergefahren ist. Sie haben minutengenau ausgewertet, was die Arbeitnehmer machen“, sagt Croset. So überzogen sie beispielsweise Pausen um eine Stunde und rechneten sie als Arbeitszeit ab. „Und an einem Tag fuhr einer der beiden drei Stunden auf einen Campingplatz. Da gab es keine Litfaßsäulen.“ Der Arbeitgeber kündigte den Angestellten fristlos. Sie mussten als Schadensersatz auch das Honorar der Privatdetektive teilweise übernehmen – die für vier Tage 10.000 Euro kosteten. Alternativ kommt laut Croset statt eines Privatdetektivs möglicherweise auch eine Verdachtskündigung in Frage. Welche Alternativen haben Arbeitgeber, wenn Beweise fehlen? Statt mit über einen Privatdetektive Beweise zu sammeln, können Arbeitgeber bei einem begründeten Verdacht, dass ein Mitarbeiter Arbeitszeitbetrug begeht, eine Verdachtskündigung aussprechen. Mehr dazu hier: Verdachtskündigung: Wann ein Rauswurf auf Verdacht möglich ist Müssen Arbeitgeber vor einer Kündigung wegen Arbeitszeitbetrug abmahnen? Kann ein Arbeitsgeber den nicht nur im Bagatellbereich liegenden Betrug nachweisen, ist eine Abmahnung vor einer fristlosen Kündigung laut Croset in der Regel nicht notwendig. Der Fachanwalt für Arbeitsrecht empfiehlt ansonsten, Mitarbeiter immer dann abzumahnen, wenn man sie behalten will. So können Unternehmer sonst zuverlässigen und guten Mitarbeitern eine letzte Warnung geben, damit sie ihr Verhalten ändern. Mehr dazu hier: Rechtssicher abmahnen: 8 Fehler, die eine Abmahnung unwirksam machen können Können Arbeitgeber Arbeitszeitbetrug bei Vertrauensarbeitszeit nachweisen? „Bei Vertrauensarbeitszeit kann es praktisch keinen Arbeitszeitbetrug geben“, sagt Croset. „Denn dieses Arbeitszeitmodell bedeutet, dass der Arbeitgeber bewusst darauf vertraut, dass ein Arbeitnehmer die Zeit nacharbeitet, wenn er einmal später dran war.“ Lesen Sie auch: Vertrauensarbeitszeit: Was Arbeitgeber wissen sollten