Corona-Konflikte und Arbeitsrecht
Was Sie bei Störenfrieden im Betrieb tun können

Konflikte zwischen Geimpften und Ungeimpften können den Betriebsfrieden empfindlich stören. Was können Unternehmerinnen und Unternehmer dagegen tun? Und: Wann greift das Arbeitsrecht, wenn Mitarbeiter bei der Arbeit agitieren?

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Coronaleugner
© Andrii Yalanskyi/iStock/Getty Images Plus/Getty Images

Die Stimmung zwischen Impfgegnern und -befürwortern ist gereizt – auch in den Unternehmen. Für zusätzlichen Frust sorgen die ständig wechselnden Corona-Schutzmaßnahmen. Das bleibt nicht ohne Folgen für das Betriebsklima: Viele Mitarbeiter machen aus ihrem Unmut keinen Hehl – und teilweise geraten Teammitglieder heftig aneinander.

Was können Unternehmer und Unternehmerinnen tun, damit die Situation nicht eskaliert? Sollten sie sich beispielsweise einmischen, wenn ein Mitarbeiter im Unternehmen Corona leugnet, krude Ansichten äußert oder Stimmung macht? Oder wenn geimpfte Mitarbeiter andere massiv bedrängen, sich ebenfalls impfen zu lassen? Der Rechtsanwalt und Mediator Thorsten Blaufelder erklärt, welche Handhabe das Arbeitsrecht gegen Agitatoren bietet, die das Team spalten. Und was Führungskräfte tun können, damit es erst gar nicht so weit kommt.

impulse: Wie sollten Chefs und Chefinnen damit umgehen, wenn ein Mitarbeiter bei der Arbeit agitiert und zum Beispiel Verschwörungstheorien über Corona verbreitet?
Thorsten Blaufelder: Die Meinungsfreiheit räumt Menschen auch das Recht ein, Blödsinn zu verbreiten. Die Frage ist nur: in welcher Form und zu welcher Zeit? Wer während der Arbeitszeit Verschwörungstheorien verbreitet oder auch nur hitzige Diskussionen provoziert, stört mitunter den Betriebsablauf, indem er Kollegen von der Arbeit abhält. Das darf der Chef unterbinden: Wer seinen Job nicht macht, kann zunächst mündlich ermahnt und schließlich auch formell abgemahnt werden.

Anders liegen die Dinge in den Pausen: Beim Mittagessen darf prinzipiell alles geäußert werden. Da muss der Unternehmer auch aushalten, wenn seine Mitarbeiter krude Thesen verbreiten. Der Arbeitgeber darf nicht pauschal sagen: In meinem Betrieb gibt es ein Diskussionsverbot.

Zur Person
Thorsten BlaufelderThorsten Blaufelder ist seit 20 Jahren Anwalt – mit Sitz in Dornhan im Schwarzwald. Seit 2007 kümmert er sich als Fachanwalt für Arbeitsrecht nahezu ausschließlich um dieses Rechtsgebiet. Zudem arbeitet er als Wirtschaftsmediator und Coach, um Streitfälle schon zu schlichten, bevor sie vor Gericht gehen.
 

Aber der Streit in der Mittagspause hat auch Folgen für die Stimmung. Wann sollten Führungskräfte eingreifen?
Wenn das regelmäßig vorkommt, dann sollten Unternehmer tatsächlich handeln. Eine Möglichkeit besteht darin, auf die Streithähne zuzugehen und zu sagen: „Okay, hier gibt es verschiedene Ansichten, lasst uns das bitte auf der Arbeit ausklammern.“ Im Umgang mit Corona-Leugnern oder Impfgegnern könnten Chefs etwa sagen: „Ich bin anderer Meinung, aber ich akzeptiere deine Auffassung. Erkenne aber bitte auch du an, dass viele im Team das anders sehen.“

Vielleicht hilft es auch, wenn alle Mitarbeiter im Unternehmen einmal die Möglichkeit bekommen, ihrem Unmut Luft zu machen und ihre Ansichten und Zweifel zu äußern. Viele Arbeitnehmer haben das Gefühl, dass ihre Sorgen nicht gehört werden und ihre Meinung niemanden interessiert. Dem können Führungskräfte entgegenwirken, indem sie das Thema „Umgang mit Corona im Betrieb“ einmal mit dem Team in einem festen Rahmen ausdiskutieren.

Welche roten Linien gibt es, bei denen der Arbeitgeber handeln muss?
Diskriminierungen und Beleidigungen unter Mitarbeitern gehen gar nicht. Hier müssen Vorgesetzte eingreifen. Dazu ist der Arbeitgeber gesetzlich verpflichtet. Rassistische oder antisemitische Aussagen sind nicht akzeptabel und müssen Konsequenzen haben.

Völlig klar ist auch: Nazi-Vergleiche sind unakzeptabel. Wer einen Kollegen als „Impf-Nazi“ bezeichnet, braucht vor dem Arbeitsgericht nicht mit Verständnis rechnen. Auch bei Aussagen wie „Hier geht es schlimmer zu als in jedem KZ“ verstehen Richter keinen Spaß. Das kann ein Kündigungsgrund sein.

Weniger eindeutig ist die Antwort auf die Frage: Wo fängt eine Beleidigung an? Ist die Bezeichnung als „Covidiot“ noch gerechtfertigt? Hier muss der Unternehmer im Zweifel einmal laut und deutlich sagen, dass das im Betrieb nicht erwünscht ist. Im Wiederholungsfall kann dann auch eine Abmahnung ausgesprochen werden.

Dürfen Unternehmer darüber hinaus noch weitergehende Hausregeln festlegen?
Solche Hausregeln sind möglich. Ich finde es aber wichtig, dass solche Regeln nicht einfach von oben vorgegeben werden. Wenn es einen Betriebsrat gibt, dann muss dieser Verhaltensregeln immer zustimmen. Aber auch kleine Unternehmen haben die Möglichkeit, gemeinsam mit den Mitarbeitern einen „Code of Conduct“ zu entwickeln.

In so einem Verhaltenskodex kann zum Beispiel ein wertschätzender und diskriminierungsfreier Umgang miteinander festgelegt werden. Allerdings dürfen solche Hausregeln nicht die Rechte der Mitarbeiter beschneiden, zum Beispiel das auf freie Meinungsäußerung. Politische Diskussionen in der Pause dürfen also nicht untersagt werden. Während der Arbeitszeit kann der Chef dagegen auch ziemlich rigorose Ansagen machen und Debatten unterbinden.

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Statt lange Benimmregeln zu verfassen, ist es aber oft praxisnäher, einfach eine Rundmail zu schreiben: „In letzter Zeit ist es verstärkt zu Konflikten gekommen. Daher möchte ich euch bitten, politische Diskussionen in den Pausen und nicht während der Arbeitszeit zu führen.“ So eine Mail sollte gleich an alle gehen, damit sich nicht ein einzelner Kollege gemaßregelt fühlt. Das schafft auch die Grundlage für arbeitsrechtliche Maßnahmen. Hinterher kann niemand sagen: „Ich habe das nicht gewusst.“

Wann ist eine Kündigung als letzter Ausweg gerechtfertigt?
Wer trotz mehrfacher Abmahnung kein Einsehen hat, kann auch verhaltensbedingt gekündigt werden. Es gibt aber auch Situationen, die rechtfertigen einen sofortigen Rauswurf. Das ist etwa der Fall, wenn das Verhalten des Mitarbeiters dem Betrieb schadet.

Jeder darf Corona für eine Verschwörung halten, aber wenn das auf den Arbeitgeber zurückfällt, hat der auch das Recht, daraus Konsequenzen zu ziehen. Das ist bereits dann der Fall, wenn ein Mitarbeiter etwas bei Facebook oder LinkedIn postet und aus dem Profil geht klar die Firmenzugehörigkeit hervor. Vielen Arbeitnehmern ist nicht bewusst, dass eine solche vermeintlich private „Meinungsäußerung“ auch ein arbeitsrechtlicher Verstoß sein kann.

Eine nicht hinnehmbare Bemerkung wäre es wohl, wenn ein Mitarbeiter seinen Arbeitgeber aus Verärgerung und Frust als „linksgrün versifften diktatorischen Gutmensch-Betrieb“ bezeichnet. Ob das dann tatsächlich auch eine Kündigung rechtfertigt, hängt im Einzelfall aber immer von einer Gewichtung aller Umstände ab: Wie lange gehört der Mitarbeiter schon zum Betrieb? Hat er sich entschuldigt und den Post gelöscht?

Was ist mit gerechtfertigter Kritik, die Mitarbeiter öffentlich äußern – müssen Arbeitgeber das dulden?
Arbeitnehmer haben eine Loyalitätspflicht gegenüber ihrem Arbeitgeber: Sie dürfen sich zwar kritisch äußern, aber keine falschen Tatsachen behaupten oder gar geschäftsschädigende Gerüchte über den Arbeitgeber in Umlauf bringen. Juristisch macht es einen großen Unterschied, ob es sich um eine Meinungsäußerung oder eine Tatsachenbehauptung handelt.

Behauptungen muss der Mitarbeiter auch belegen können, das ist vielen nicht klar. Schreibt ein Mitarbeiter in den sozialen Medien, dass seinem Arbeitgeber die „Einhaltung der Corona-Regeln scheißegal“ sei, muss diese Behauptung auch zutreffen. Wenn es stimmt, muss der Arbeitgeber das hinnehmen. Wenn es nicht zutrifft, kann er in letzter Konsequenz sogar eine Kündigung aussprechen.

Die Stimmung zwischen Impfgegnern und -befürwortern ist gereizt – auch in den Unternehmen. Für zusätzlichen Frust sorgen die ständig wechselnden Corona-Schutzmaßnahmen. Das bleibt nicht ohne Folgen für das Betriebsklima: Viele Mitarbeiter machen aus ihrem Unmut keinen Hehl – und teilweise geraten Teammitglieder heftig aneinander. Was können Unternehmer und Unternehmerinnen tun, damit die Situation nicht eskaliert? Sollten sie sich beispielsweise einmischen, wenn ein Mitarbeiter im Unternehmen Corona leugnet, krude Ansichten äußert oder Stimmung macht? Oder wenn geimpfte Mitarbeiter andere massiv bedrängen, sich ebenfalls impfen zu lassen? Der Rechtsanwalt und Mediator Thorsten Blaufelder erklärt, welche Handhabe das Arbeitsrecht gegen Agitatoren bietet, die das Team spalten. Und was Führungskräfte tun können, damit es erst gar nicht so weit kommt. impulse: Wie sollten Chefs und Chefinnen damit umgehen, wenn ein Mitarbeiter bei der Arbeit agitiert und zum Beispiel Verschwörungstheorien über Corona verbreitet? Thorsten Blaufelder: Die Meinungsfreiheit räumt Menschen auch das Recht ein, Blödsinn zu verbreiten. Die Frage ist nur: in welcher Form und zu welcher Zeit? Wer während der Arbeitszeit Verschwörungstheorien verbreitet oder auch nur hitzige Diskussionen provoziert, stört mitunter den Betriebsablauf, indem er Kollegen von der Arbeit abhält. Das darf der Chef unterbinden: Wer seinen Job nicht macht, kann zunächst mündlich ermahnt und schließlich auch formell abgemahnt werden. Anders liegen die Dinge in den Pausen: Beim Mittagessen darf prinzipiell alles geäußert werden. Da muss der Unternehmer auch aushalten, wenn seine Mitarbeiter krude Thesen verbreiten. Der Arbeitgeber darf nicht pauschal sagen: In meinem Betrieb gibt es ein Diskussionsverbot. [zur-person] Aber der Streit in der Mittagspause hat auch Folgen für die Stimmung. Wann sollten Führungskräfte eingreifen? Wenn das regelmäßig vorkommt, dann sollten Unternehmer tatsächlich handeln. Eine Möglichkeit besteht darin, auf die Streithähne zuzugehen und zu sagen: „Okay, hier gibt es verschiedene Ansichten, lasst uns das bitte auf der Arbeit ausklammern.“ Im Umgang mit Corona-Leugnern oder Impfgegnern könnten Chefs etwa sagen: „Ich bin anderer Meinung, aber ich akzeptiere deine Auffassung. Erkenne aber bitte auch du an, dass viele im Team das anders sehen.“ Vielleicht hilft es auch, wenn alle Mitarbeiter im Unternehmen einmal die Möglichkeit bekommen, ihrem Unmut Luft zu machen und ihre Ansichten und Zweifel zu äußern. Viele Arbeitnehmer haben das Gefühl, dass ihre Sorgen nicht gehört werden und ihre Meinung niemanden interessiert. Dem können Führungskräfte entgegenwirken, indem sie das Thema „Umgang mit Corona im Betrieb“ einmal mit dem Team in einem festen Rahmen ausdiskutieren. Welche roten Linien gibt es, bei denen der Arbeitgeber handeln muss? Diskriminierungen und Beleidigungen unter Mitarbeitern gehen gar nicht. Hier müssen Vorgesetzte eingreifen. Dazu ist der Arbeitgeber gesetzlich verpflichtet. Rassistische oder antisemitische Aussagen sind nicht akzeptabel und müssen Konsequenzen haben. Völlig klar ist auch: Nazi-Vergleiche sind unakzeptabel. Wer einen Kollegen als „Impf-Nazi“ bezeichnet, braucht vor dem Arbeitsgericht nicht mit Verständnis rechnen. Auch bei Aussagen wie „Hier geht es schlimmer zu als in jedem KZ“ verstehen Richter keinen Spaß. Das kann ein Kündigungsgrund sein. Weniger eindeutig ist die Antwort auf die Frage: Wo fängt eine Beleidigung an? Ist die Bezeichnung als „Covidiot“ noch gerechtfertigt? Hier muss der Unternehmer im Zweifel einmal laut und deutlich sagen, dass das im Betrieb nicht erwünscht ist. Im Wiederholungsfall kann dann auch eine Abmahnung ausgesprochen werden. Dürfen Unternehmer darüber hinaus noch weitergehende Hausregeln festlegen? Solche Hausregeln sind möglich. Ich finde es aber wichtig, dass solche Regeln nicht einfach von oben vorgegeben werden. Wenn es einen Betriebsrat gibt, dann muss dieser Verhaltensregeln immer zustimmen. Aber auch kleine Unternehmen haben die Möglichkeit, gemeinsam mit den Mitarbeitern einen „Code of Conduct“ zu entwickeln. In so einem Verhaltenskodex kann zum Beispiel ein wertschätzender und diskriminierungsfreier Umgang miteinander festgelegt werden. Allerdings dürfen solche Hausregeln nicht die Rechte der Mitarbeiter beschneiden, zum Beispiel das auf freie Meinungsäußerung. Politische Diskussionen in der Pause dürfen also nicht untersagt werden. Während der Arbeitszeit kann der Chef dagegen auch ziemlich rigorose Ansagen machen und Debatten unterbinden. Statt lange Benimmregeln zu verfassen, ist es aber oft praxisnäher, einfach eine Rundmail zu schreiben: „In letzter Zeit ist es verstärkt zu Konflikten gekommen. Daher möchte ich euch bitten, politische Diskussionen in den Pausen und nicht während der Arbeitszeit zu führen.“ So eine Mail sollte gleich an alle gehen, damit sich nicht ein einzelner Kollege gemaßregelt fühlt. Das schafft auch die Grundlage für arbeitsrechtliche Maßnahmen. Hinterher kann niemand sagen: „Ich habe das nicht gewusst.“ Wann ist eine Kündigung als letzter Ausweg gerechtfertigt? Wer trotz mehrfacher Abmahnung kein Einsehen hat, kann auch verhaltensbedingt gekündigt werden. Es gibt aber auch Situationen, die rechtfertigen einen sofortigen Rauswurf. Das ist etwa der Fall, wenn das Verhalten des Mitarbeiters dem Betrieb schadet. Jeder darf Corona für eine Verschwörung halten, aber wenn das auf den Arbeitgeber zurückfällt, hat der auch das Recht, daraus Konsequenzen zu ziehen. Das ist bereits dann der Fall, wenn ein Mitarbeiter etwas bei Facebook oder LinkedIn postet und aus dem Profil geht klar die Firmenzugehörigkeit hervor. Vielen Arbeitnehmern ist nicht bewusst, dass eine solche vermeintlich private „Meinungsäußerung“ auch ein arbeitsrechtlicher Verstoß sein kann. Eine nicht hinnehmbare Bemerkung wäre es wohl, wenn ein Mitarbeiter seinen Arbeitgeber aus Verärgerung und Frust als „linksgrün versifften diktatorischen Gutmensch-Betrieb“ bezeichnet. Ob das dann tatsächlich auch eine Kündigung rechtfertigt, hängt im Einzelfall aber immer von einer Gewichtung aller Umstände ab: Wie lange gehört der Mitarbeiter schon zum Betrieb? Hat er sich entschuldigt und den Post gelöscht? Was ist mit gerechtfertigter Kritik, die Mitarbeiter öffentlich äußern – müssen Arbeitgeber das dulden? Arbeitnehmer haben eine Loyalitätspflicht gegenüber ihrem Arbeitgeber: Sie dürfen sich zwar kritisch äußern, aber keine falschen Tatsachen behaupten oder gar geschäftsschädigende Gerüchte über den Arbeitgeber in Umlauf bringen. Juristisch macht es einen großen Unterschied, ob es sich um eine Meinungsäußerung oder eine Tatsachenbehauptung handelt. Behauptungen muss der Mitarbeiter auch belegen können, das ist vielen nicht klar. Schreibt ein Mitarbeiter in den sozialen Medien, dass seinem Arbeitgeber die „Einhaltung der Corona-Regeln scheißegal“ sei, muss diese Behauptung auch zutreffen. Wenn es stimmt, muss der Arbeitgeber das hinnehmen. Wenn es nicht zutrifft, kann er in letzter Konsequenz sogar eine Kündigung aussprechen.