Rufbereitschaft
Gilt Rufbereitschaft als Arbeitszeit?

Die Heizung fällt aus, mitten in der Nachtschicht. Gut, wenn ein Haustechniker in Rufbereitschaft ist. Was dann als Arbeitszeit gilt – und wie die Rufbereitschaft vergütet werden muss.

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Klingeling! Mitarbeiter in Rufbereitschaft müssen für den Arbeitgeber jederzeit erreichbar sein.
© Elles Rijsdijk / EyeEm / Getty Images

Ob beim Schlüsseldienst, dem IT-Dienstleister oder einem produzierenden Unternehmen mit Schichtbetrieb: In vielen Branchen ist es notwendig, dass sich Mitarbeiter auch außerhalb ihrer normalen Arbeitszeit für einen Einsatz bereithalten. Was Arbeitgeber dabei beachten müssen.

Was ist der Unterschied zwischen Rufbereitschaft und Bereitschaftsdienst?

Bereitschaftsdienst

Beim Bereitschaftsdienst muss sich der Arbeitnehmer an einem bestimmten Ort innerhalb des Unternehmens (oder außerhalb, aber nicht weit entfernt) aufhalten, um seine Arbeit jederzeit aufnehmen zu können. Bereitschaftsdienste sind etwa in Krankenhäusern oder Pflegeheimen üblich. Ein Beispiel: Eine Ärztin im Bereitschaftsdienst bleibt über Nacht im Krankenhaus, sitzt in einem Aufenthaltsraum oder schläft. Wird sie gebraucht, schlägt ihr Piepser Alarm – und sie nimmt ihre Tätigkeit auf. Bereitschaftsdienst gilt seit einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs von 2000 (EuGH, 03.10.2000 – C-303/98) als Arbeitszeit und muss vergütet werden.

Rufbereitschaft

Anders als beim Bereitschaftsdienst darf ein Mitarbeiter in Rufbereitschaft seinen Aufenthaltsort normalerweise selbst bestimmen. Wer in Rufbereitschaft ist, kann also zu Hause bleiben und seinen Freizeitbeschäftigungen nachgehen. Aber: Er muss für seinen Arbeitgeber erreichbar sein. Und wird er gebraucht, muss er innerhalb einer gewissen Zeitspanne die Arbeit aufnehmen.

„Wie genau der Mitarbeiter seine Arbeitsleistung dann zur Verfügung stellt, ist egal. Es muss der Tätigkeit angemessen sein“, erklärt die Arbeitsrechtlerin Kathrin Bürger. „Ein Systemadministrator kann sich vielleicht von zu Hause aus in das System einloggen, um ein Problem zu beheben. Der Haustechniker in Rufbereitschaft muss bei einem Notfall womöglich in den Betrieb kommen.“

Nicht zu verwechseln ist die Rufbereitschaft mit der Arbeit auf Abruf.

Mehr zu diesem Thema: Arbeit auf Abruf: Diese Regeln gelten für Abrufarbeit 

Zur Person
Kathrin Bürger ist Fachanwältin für Arbeitsrecht und Partnerin bei der Wirtschaftskanzlei Beiten Burkhardt in München.

Arbeitsbereitschaft

Im Zusammenhang mit Bereitschaftsdienst und Rufbereitschaft taucht häufig auch der Begriff Arbeitsbereitschaft auf – und sorgt für Verwirrung. Das Bundesarbeitsgericht hat Arbeitsbereitschaft im Jahr 1981 als „Zeit wacher Aufmerksamkeit im Zustand der Entspannung“ während der normalen Arbeitszeit definiert. Das heißt: Der Arbeitnehmer hält sich dabei an seinem Arbeitsplatz auf und wartet darauf, dass sein Einsatz gefragt ist. Etwa die Verkäuferin, die im Laden steht und darauf wartet, dass der nächste Kunde kommt. Oder der Call-Center-Mitarbeiter, der nur Anrufe entgegennimmt und zwischen zwei Telefonaten einen Leerlauf hat. „Arbeitsbereitschaft ist ganz klassische Arbeitszeit und muss normal vergütet werden“, so die Anwältin.

Rufbereitschaft: Was gilt als Arbeitszeit?

Früher galt Rufbereitschaft nur dann als Arbeitszeit, wenn der Arbeitnehmer tatsächlich zum Einsatz kam. Mit seinem Urteil entschied der Europäische Gerichtshof am 09. März 2021 (C-580/19), dass die Rufbereitschaft immer dann als Arbeitszeit gilt, wenn der Arbeitnehmer seine freie Zeit nicht selbst bestimmen kann. Beispielsweise wenn der Arbeitnehmer an seinem Arbeitsplatz, der nicht seine Wohnung ist, bleiben und dort verfügbar sein muss.

Aber auch ein Rufbereitschaftsdienst, der nicht an einem vorgegebenen Ort abgeleistet wird, kann als Arbeitszeit gelten. Beispielsweise wenn der Arbeitnehmer nur eine kurze Frist zur Aufnahme der Arbeit hat oder eine spezielle Ausrüstung mit sich tragen muss – und sich daher nicht uneingeschränkt seinen persönlichen Interessen widmen kann.

Im konkreten Fall ging es um einen Feuerwehrmann aus Offenbach, der auf Entschädigung für seine zu Hause geleisteten Bereitschaftsdienste klagte. Er muss bei einem Notfall innerhalb von zwanzig Minuten am Einsatzort sein. Das würde die Möglichkeiten seine Zeit “frei zu gestalten und sich seinen eigenen Interessen zu widmen, objektiv gesehen ganz erheblich beeinträchtigen”, urteilten die Richter.

Hat hingegen ein System-Administrator zum Beispiel das ganze Wochenende Rufbereitschaft, wird aber nicht angerufen, hat er nicht gearbeitet. Muss er sich am Samstagabend wegen eines Notfalls für eine Stunde ins System einloggen, um ein Problem zu lösen, gilt diese Stunde als Arbeitszeit.

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Die während der Rufbereitschaft geleisteten Arbeitsstunden muss der Arbeitnehmer erfassen und dem Arbeitgeber mitteilen. Hat er seine wöchentliche Arbeitszeit dann schon erbracht, wird der Arbeitseinsatz als Überstunden bewertet.

Lesen Sie außerdem: Müssen Chefs Arztbesuche während der Arbeitszeit vergüten, Raucherpausen oder Wege bei Dienstreisen? Arbeitszeitgesetz: Was gehört zur bezahlten Arbeitszeit?

Was müssen Arbeitgeber bei der Vergütung der Rufbereitschaft beachten?

Für die geleistete Arbeitszeit müssen Arbeitgeber den normalen Stundenlohn zahlen. Gegebenenfalls kommt noch ein Nachtzuschlag, ein Sonntagszuschlag oder ein Feiertagszuschlag dazu. Diese Zuschläge sind nach dem Einkommenssteuergesetz (§ 3b EStG) steuerfrei.

Die restliche Zeit der Rufbereitschaft gilt als Ruhezeit und muss nicht vergütet werden. Allerdings zahlen laut Bürger viele Arbeitgeber eine Pauschale: „Wer in Rufbereitschaft ist, muss immer erreichbar sein. Man kann also nicht die ganze Nacht durchfeiern oder weiter entfernte Ausflüge unternehmen. Die Pauschale soll für diese Einschränkungen entschädigen.“

Was ist in Bezug auf die Mindestruhezeit zu beachten?

Das Arbeitszeitgesetz sieht eine Mindestruhezeit von elf Stunden vor (ArbZG § 5). „Das kann bei der Rufbereitschaft zu Problemen führen“, so Bürger. Ein Beispiel: Ein Mitarbeiter macht um 18 Uhr Feierabend und ist bis zum nächsten Morgen um 6 Uhr zur Rufbereitschaft eingeteilt. Nachts um 3 klingelt sein Telefon und er muss von zu Hause aus eine Stunde arbeiten. Seine Ruhezeit wurde also unterbrochen. Das heißt: Ab 4 Uhr gelten die elf Stunden Ruhezeit erneut, er dürfte am nächsten Tag erst um 15 Uhr wieder arbeiten.

„Das kann Dienstpläne durcheinanderbringen und dazu führen, dass Mitarbeiter nicht auf ihre wöchentliche Arbeitszeit kommen“, umreißt die Expertin für Arbeitsrecht das Problem. „Deshalb kann es problematisch sein, Ruhezeit und Arbeitsanfall in der Praxis in Einklang zu bringen.“

Ungeklärt ist, welche Zeitspanne als Unterbrechung der Ruhezeit zählt – also ob auch schon ein Einsatz von wenigen Minuten ausreicht, um die vorgeschriebenen elf Stunden Ruhezeit erneut beginnen zu lassen. „Dazu gibt es keine gesetzlichen Vorgaben“, so die Anwältin. „Als Richtwert gilt alles ab 15 Minuten, aber das ist keine gerichtliche Entscheidung.“ Unstrittig sei es, wenn sich der Arbeitnehmer auf den Weg zum Arbeitsort machen muss. Dies gilt als eine klare Unterbrechung der Ruhezeit – selbst, wenn er vor Ort nur zehn Minuten gebraucht wird.

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Wie können Arbeitgeber Vereinbarungen zur Rufbereitschaft regeln?

„Normalerweise wird die Rufbereitschaft im Arbeitsvertrag geregelt“, erklärt Bürger. „Dort verwendet man eine Formulierung wie: ‚Der Arbeitnehmer verpflichtet sich, Rufbereitschaft zu erbringen, sofern erforderlich‘.“ Wie man sie im Einzelnen ausgestaltet, fällt unter das Weisungsrecht des Arbeitgebers. Gibt es im Unternehmen einen Betriebsrat, müssen Chefs diesen dabei einbeziehen.

Worauf müssen Arbeitgeber achten, wenn sie Mitarbeiter zur Rufbereitschaft einteilen?

Entscheidend ist laut Bürger, dass Arbeitgeber ein gerechtes, generell geltendes System für die Einteilung finden. „Angenommen, Sie haben fünf Mitarbeiter, die im Notfall das IT-System wieder zum Laufen bekommen. Aber Sie teilen immer nur einen für die Rufbereitschaft am Wochenende ein, weil Sie den auf dem Kieker haben – das geht natürlich nicht.“

Üblich sei ein rotierendes System. Alle Mitarbeiter, die für die Rufbereitschaft in Frage kommen, sind dann im Wechsel dran.

Wie oft darf ein Mitarbeiter zur Rufbereitschaft eingeteilt werden?

Dazu gibt es keine gesetzlichen Vorgaben. Bei der Entscheidung, wer wie oft drankommt, müssen Arbeitgeber laut Bürger billiges Ermessen walten lassen. Das bedeutet: Haben alle Arbeitnehmer die gleichen Voraussetzungen und wohnen etwa gleich weit vom Arbeitsort entfernt, müssen alle gleich oft eingeteilt werden. „Hat einer der Mitarbeiter aber einen sehr weiten Arbeitsweg, pflegt zu Hause auch noch seine kranke Mutter und hat Drillinge, dann darf man ihn seltener für die Rufbereitschaft einplanen als die Kollegen, die Single sind und um die Ecke wohnen.“

Das Prinzip des billigen Ermessens gilt laut Bürger aber nur, falls es keine Vereinbarungen mit dem Betriebsrat oder einen Tarifvertrag gibt, die ein anderes System für die Einteilung vorsehen.

Dürfen Arbeitnehmer die Rufbereitschaft ablehnen?

Arbeitnehmer müssen Rufbereitschaft leisten – sofern es eine Rechtsgrundlage dafür gibt, dass der Arbeitgeber die Rufbereitschaft anweisen darf. Steht eine entsprechende Formulierung im Arbeitsvertrag oder gibt es eine Betriebsvereinbarung, ist der Arbeitnehmer in der Pflicht und darf nicht ablehnen. „Das wäre eine Arbeitsverweigerung, die der Arbeitgeber mit einer Abmahnung ahnden könnte“, so die Fachanwältin.

Mehr dazu lesen Sie hier: „Rechtssicher abmahnen: 8 Fehler, die eine Abmahnung unwirksam machen können“

Bürgers Erfahrung zufolge gibt es aber selten Konflikte bei der Rufbereitschaft. „Meist ist sie gar nicht so einschneidend in die Freizeit des Arbeitnehmers. Daher verläuft das in der Regel unproblematisch.“

Wie schnell muss ein Mitarbeiter in Rufbereitschaft einsatzfähig sein?

Es gibt keine klaren Vorgaben, wie schnell Mitarbeiter in Rufbereitschaft einsatzfähig sein müssen, weshalb sich immer wieder Gerichte damit beschäftigen. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) sieht im Urteil vom 09. März 2021 eine Zeitspanne von 20 Minuten als zu gering an. Dies allerdings auch unter der Besonderheit, dass der Arbeitnehmer als Feuerwehrmann seine Ausrüstung bei Dienstantritt bei sich zu tragen hatte und mit dem Feuerwehrfahrzeug die Dienstelle erreichen musste.

Eine klare Zeitspanne hat der EuGH in diesem Urteil allerdings nicht bestimmt. Vielmehr muss im Einzelfall der Arbeitnehmer die Möglichkeit haben, seinen sozialen und persönlichen Interessen nachgehen zu können.

„Die Grenze zwischen Rufbereitschaft und Bereitschaftsdienst ist schwammig, aber es gibt Richtwerte“, so die Anwältin. „Wenn ein Arbeitnehmer in 10 bis 20 Minuten an seinem Arbeitsplatz sein muss, spricht es für einen Bereitschaftsdienst.“ Bei einer Rufbereitschaft sei es laut einem BAG-Urteil aus dem Januar 2004 (Aktenzeichen: 6 AZR 643/02) aber hinnehmbar, wenn der Arbeitnehmer innerhalb von 45 Minuten am Arbeitsplatz erscheinen muss.

Zur besseren Abgrenzung: Weitere Infos zu Bereitschaftsdiensten

Ärzte, Pfleger, Feuerwehrleute, Polizisten: Diese Berufsgruppen haben klassischerweise Bereitschaft. Für sie gibt es in der Regel Tarifverträge, aus denen hervorgeht, wie oft sie dafür herangezogen werden können. Auch die Vergütung regeln die Tarifverträge.

Bereitschaftsdienst und Mindestlohn

Bereitschaftsdienst gilt als Arbeitszeit. Oft wird er geringer vergütet als die normale Arbeitszeit, da er weniger belastend ist. Schließlich kann es sein, dass der Arbeitnehmer während der gesamten Zeit nicht zum Einsatz gerufen wird und beispielsweise schlafen oder sich am Computer um private Angelegenheiten kümmern kann.

Arbeitgeber müssen für Bereitschaftsdienste wenigstens den Mindestlohn zahlen – es sei denn, der Tarifvertrag enthält eine andere Vergütungsregel. „Sind dort nur 7 Euro die Stunde festgelegt, ist das Mindestlohngesetz nicht anwendbar “, so Bürger.

Höchstarbeitszeit

Wer Arbeitnehmer zum Bereitschaftsdienst einteilt, muss die maximal zulässige Wochenarbeitszeit beachten. „Bei einer 6-Tage-Woche sind laut Arbeitszeitgesetz in Ausnahmefällen 60 Stunden möglich, solange man für Freizeitausgleich sorgt“, so die Anwältin. Für Ärzte könne diese maximale Wochenarbeitszeit durch eine Öffnungsklausel für Tarifverträge aber auch noch höher gesetzt werden.

Ob beim Schlüsseldienst, dem IT-Dienstleister oder einem produzierenden Unternehmen mit Schichtbetrieb: In vielen Branchen ist es notwendig, dass sich Mitarbeiter auch außerhalb ihrer normalen Arbeitszeit für einen Einsatz bereithalten. Was Arbeitgeber dabei beachten müssen. Was ist der Unterschied zwischen Rufbereitschaft und Bereitschaftsdienst? Bereitschaftsdienst Beim Bereitschaftsdienst muss sich der Arbeitnehmer an einem bestimmten Ort innerhalb des Unternehmens (oder außerhalb, aber nicht weit entfernt) aufhalten, um seine Arbeit jederzeit aufnehmen zu können. Bereitschaftsdienste sind etwa in Krankenhäusern oder Pflegeheimen üblich. Ein Beispiel: Eine Ärztin im Bereitschaftsdienst bleibt über Nacht im Krankenhaus, sitzt in einem Aufenthaltsraum oder schläft. Wird sie gebraucht, schlägt ihr Piepser Alarm – und sie nimmt ihre Tätigkeit auf. Bereitschaftsdienst gilt seit einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs von 2000 (EuGH, 03.10.2000 - C-303/98) als Arbeitszeit und muss vergütet werden. Rufbereitschaft Anders als beim Bereitschaftsdienst darf ein Mitarbeiter in Rufbereitschaft seinen Aufenthaltsort normalerweise selbst bestimmen. Wer in Rufbereitschaft ist, kann also zu Hause bleiben und seinen Freizeitbeschäftigungen nachgehen. Aber: Er muss für seinen Arbeitgeber erreichbar sein. Und wird er gebraucht, muss er innerhalb einer gewissen Zeitspanne die Arbeit aufnehmen. „Wie genau der Mitarbeiter seine Arbeitsleistung dann zur Verfügung stellt, ist egal. Es muss der Tätigkeit angemessen sein“, erklärt die Arbeitsrechtlerin Kathrin Bürger. „Ein Systemadministrator kann sich vielleicht von zu Hause aus in das System einloggen, um ein Problem zu beheben. Der Haustechniker in Rufbereitschaft muss bei einem Notfall womöglich in den Betrieb kommen.“ Nicht zu verwechseln ist die Rufbereitschaft mit der Arbeit auf Abruf. Mehr zu diesem Thema: Arbeit auf Abruf: Diese Regeln gelten für Abrufarbeit  Arbeitsbereitschaft Im Zusammenhang mit Bereitschaftsdienst und Rufbereitschaft taucht häufig auch der Begriff Arbeitsbereitschaft auf – und sorgt für Verwirrung. Das Bundesarbeitsgericht hat Arbeitsbereitschaft im Jahr 1981 als „Zeit wacher Aufmerksamkeit im Zustand der Entspannung“ während der normalen Arbeitszeit definiert. Das heißt: Der Arbeitnehmer hält sich dabei an seinem Arbeitsplatz auf und wartet darauf, dass sein Einsatz gefragt ist. Etwa die Verkäuferin, die im Laden steht und darauf wartet, dass der nächste Kunde kommt. Oder der Call-Center-Mitarbeiter, der nur Anrufe entgegennimmt und zwischen zwei Telefonaten einen Leerlauf hat. „Arbeitsbereitschaft ist ganz klassische Arbeitszeit und muss normal vergütet werden“, so die Anwältin. Rufbereitschaft: Was gilt als Arbeitszeit? Früher galt Rufbereitschaft nur dann als Arbeitszeit, wenn der Arbeitnehmer tatsächlich zum Einsatz kam. Mit seinem Urteil entschied der Europäische Gerichtshof am 09. März 2021 (C-580/19), dass die Rufbereitschaft immer dann als Arbeitszeit gilt, wenn der Arbeitnehmer seine freie Zeit nicht selbst bestimmen kann. Beispielsweise wenn der Arbeitnehmer an seinem Arbeitsplatz, der nicht seine Wohnung ist, bleiben und dort verfügbar sein muss. Aber auch ein Rufbereitschaftsdienst, der nicht an einem vorgegebenen Ort abgeleistet wird, kann als Arbeitszeit gelten. Beispielsweise wenn der Arbeitnehmer nur eine kurze Frist zur Aufnahme der Arbeit hat oder eine spezielle Ausrüstung mit sich tragen muss - und sich daher nicht uneingeschränkt seinen persönlichen Interessen widmen kann. Im konkreten Fall ging es um einen Feuerwehrmann aus Offenbach, der auf Entschädigung für seine zu Hause geleisteten Bereitschaftsdienste klagte. Er muss bei einem Notfall innerhalb von zwanzig Minuten am Einsatzort sein. Das würde die Möglichkeiten seine Zeit “frei zu gestalten und sich seinen eigenen Interessen zu widmen, objektiv gesehen ganz erheblich beeinträchtigen”, urteilten die Richter. Hat hingegen ein System-Administrator zum Beispiel das ganze Wochenende Rufbereitschaft, wird aber nicht angerufen, hat er nicht gearbeitet. Muss er sich am Samstagabend wegen eines Notfalls für eine Stunde ins System einloggen, um ein Problem zu lösen, gilt diese Stunde als Arbeitszeit. Die während der Rufbereitschaft geleisteten Arbeitsstunden muss der Arbeitnehmer erfassen und dem Arbeitgeber mitteilen. Hat er seine wöchentliche Arbeitszeit dann schon erbracht, wird der Arbeitseinsatz als Überstunden bewertet. Lesen Sie außerdem: Müssen Chefs Arztbesuche während der Arbeitszeit vergüten, Raucherpausen oder Wege bei Dienstreisen? Arbeitszeitgesetz: Was gehört zur bezahlten Arbeitszeit? Was müssen Arbeitgeber bei der Vergütung der Rufbereitschaft beachten? Für die geleistete Arbeitszeit müssen Arbeitgeber den normalen Stundenlohn zahlen. Gegebenenfalls kommt noch ein Nachtzuschlag, ein Sonntagszuschlag oder ein Feiertagszuschlag dazu. Diese Zuschläge sind nach dem Einkommenssteuergesetz (§ 3b EStG) steuerfrei. Die restliche Zeit der Rufbereitschaft gilt als Ruhezeit und muss nicht vergütet werden. Allerdings zahlen laut Bürger viele Arbeitgeber eine Pauschale: „Wer in Rufbereitschaft ist, muss immer erreichbar sein. Man kann also nicht die ganze Nacht durchfeiern oder weiter entfernte Ausflüge unternehmen. Die Pauschale soll für diese Einschränkungen entschädigen.“ Was ist in Bezug auf die Mindestruhezeit zu beachten? Das Arbeitszeitgesetz sieht eine Mindestruhezeit von elf Stunden vor (ArbZG § 5). „Das kann bei der Rufbereitschaft zu Problemen führen“, so Bürger. Ein Beispiel: Ein Mitarbeiter macht um 18 Uhr Feierabend und ist bis zum nächsten Morgen um 6 Uhr zur Rufbereitschaft eingeteilt. Nachts um 3 klingelt sein Telefon und er muss von zu Hause aus eine Stunde arbeiten. Seine Ruhezeit wurde also unterbrochen. Das heißt: Ab 4 Uhr gelten die elf Stunden Ruhezeit erneut, er dürfte am nächsten Tag erst um 15 Uhr wieder arbeiten. „Das kann Dienstpläne durcheinanderbringen und dazu führen, dass Mitarbeiter nicht auf ihre wöchentliche Arbeitszeit kommen“, umreißt die Expertin für Arbeitsrecht das Problem. „Deshalb kann es problematisch sein, Ruhezeit und Arbeitsanfall in der Praxis in Einklang zu bringen.“ Ungeklärt ist, welche Zeitspanne als Unterbrechung der Ruhezeit zählt – also ob auch schon ein Einsatz von wenigen Minuten ausreicht, um die vorgeschriebenen elf Stunden Ruhezeit erneut beginnen zu lassen. „Dazu gibt es keine gesetzlichen Vorgaben“, so die Anwältin. „Als Richtwert gilt alles ab 15 Minuten, aber das ist keine gerichtliche Entscheidung.“ Unstrittig sei es, wenn sich der Arbeitnehmer auf den Weg zum Arbeitsort machen muss. Dies gilt als eine klare Unterbrechung der Ruhezeit – selbst, wenn er vor Ort nur zehn Minuten gebraucht wird. [mehr-zum-thema] Wie können Arbeitgeber Vereinbarungen zur Rufbereitschaft regeln? „Normalerweise wird die Rufbereitschaft im Arbeitsvertrag geregelt“, erklärt Bürger. „Dort verwendet man eine Formulierung wie: ‚Der Arbeitnehmer verpflichtet sich, Rufbereitschaft zu erbringen, sofern erforderlich‘.“ Wie man sie im Einzelnen ausgestaltet, fällt unter das Weisungsrecht des Arbeitgebers. Gibt es im Unternehmen einen Betriebsrat, müssen Chefs diesen dabei einbeziehen. Worauf müssen Arbeitgeber achten, wenn sie Mitarbeiter zur Rufbereitschaft einteilen? Entscheidend ist laut Bürger, dass Arbeitgeber ein gerechtes, generell geltendes System für die Einteilung finden. „Angenommen, Sie haben fünf Mitarbeiter, die im Notfall das IT-System wieder zum Laufen bekommen. Aber Sie teilen immer nur einen für die Rufbereitschaft am Wochenende ein, weil Sie den auf dem Kieker haben – das geht natürlich nicht.“ Üblich sei ein rotierendes System. Alle Mitarbeiter, die für die Rufbereitschaft in Frage kommen, sind dann im Wechsel dran. Wie oft darf ein Mitarbeiter zur Rufbereitschaft eingeteilt werden? Dazu gibt es keine gesetzlichen Vorgaben. Bei der Entscheidung, wer wie oft drankommt, müssen Arbeitgeber laut Bürger billiges Ermessen walten lassen. Das bedeutet: Haben alle Arbeitnehmer die gleichen Voraussetzungen und wohnen etwa gleich weit vom Arbeitsort entfernt, müssen alle gleich oft eingeteilt werden. „Hat einer der Mitarbeiter aber einen sehr weiten Arbeitsweg, pflegt zu Hause auch noch seine kranke Mutter und hat Drillinge, dann darf man ihn seltener für die Rufbereitschaft einplanen als die Kollegen, die Single sind und um die Ecke wohnen.“ Das Prinzip des billigen Ermessens gilt laut Bürger aber nur, falls es keine Vereinbarungen mit dem Betriebsrat oder einen Tarifvertrag gibt, die ein anderes System für die Einteilung vorsehen. Dürfen Arbeitnehmer die Rufbereitschaft ablehnen? Arbeitnehmer müssen Rufbereitschaft leisten – sofern es eine Rechtsgrundlage dafür gibt, dass der Arbeitgeber die Rufbereitschaft anweisen darf. Steht eine entsprechende Formulierung im Arbeitsvertrag oder gibt es eine Betriebsvereinbarung, ist der Arbeitnehmer in der Pflicht und darf nicht ablehnen. „Das wäre eine Arbeitsverweigerung, die der Arbeitgeber mit einer Abmahnung ahnden könnte“, so die Fachanwältin. Mehr dazu lesen Sie hier: „Rechtssicher abmahnen: 8 Fehler, die eine Abmahnung unwirksam machen können“ Bürgers Erfahrung zufolge gibt es aber selten Konflikte bei der Rufbereitschaft. „Meist ist sie gar nicht so einschneidend in die Freizeit des Arbeitnehmers. Daher verläuft das in der Regel unproblematisch.“ Wie schnell muss ein Mitarbeiter in Rufbereitschaft einsatzfähig sein? Es gibt keine klaren Vorgaben, wie schnell Mitarbeiter in Rufbereitschaft einsatzfähig sein müssen, weshalb sich immer wieder Gerichte damit beschäftigen. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) sieht im Urteil vom 09. März 2021 eine Zeitspanne von 20 Minuten als zu gering an. Dies allerdings auch unter der Besonderheit, dass der Arbeitnehmer als Feuerwehrmann seine Ausrüstung bei Dienstantritt bei sich zu tragen hatte und mit dem Feuerwehrfahrzeug die Dienstelle erreichen musste. Eine klare Zeitspanne hat der EuGH in diesem Urteil allerdings nicht bestimmt. Vielmehr muss im Einzelfall der Arbeitnehmer die Möglichkeit haben, seinen sozialen und persönlichen Interessen nachgehen zu können. „Die Grenze zwischen Rufbereitschaft und Bereitschaftsdienst ist schwammig, aber es gibt Richtwerte“, so die Anwältin. „Wenn ein Arbeitnehmer in 10 bis 20 Minuten an seinem Arbeitsplatz sein muss, spricht es für einen Bereitschaftsdienst.“ Bei einer Rufbereitschaft sei es laut einem BAG-Urteil aus dem Januar 2004 (Aktenzeichen: 6 AZR 643/02) aber hinnehmbar, wenn der Arbeitnehmer innerhalb von 45 Minuten am Arbeitsplatz erscheinen muss. Zur besseren Abgrenzung: Weitere Infos zu Bereitschaftsdiensten Ärzte, Pfleger, Feuerwehrleute, Polizisten: Diese Berufsgruppen haben klassischerweise Bereitschaft. Für sie gibt es in der Regel Tarifverträge, aus denen hervorgeht, wie oft sie dafür herangezogen werden können. Auch die Vergütung regeln die Tarifverträge. Bereitschaftsdienst und Mindestlohn Bereitschaftsdienst gilt als Arbeitszeit. Oft wird er geringer vergütet als die normale Arbeitszeit, da er weniger belastend ist. Schließlich kann es sein, dass der Arbeitnehmer während der gesamten Zeit nicht zum Einsatz gerufen wird und beispielsweise schlafen oder sich am Computer um private Angelegenheiten kümmern kann. Arbeitgeber müssen für Bereitschaftsdienste wenigstens den Mindestlohn zahlen – es sei denn, der Tarifvertrag enthält eine andere Vergütungsregel. „Sind dort nur 7 Euro die Stunde festgelegt, ist das Mindestlohngesetz nicht anwendbar “, so Bürger. Höchstarbeitszeit Wer Arbeitnehmer zum Bereitschaftsdienst einteilt, muss die maximal zulässige Wochenarbeitszeit beachten. „Bei einer 6-Tage-Woche sind laut Arbeitszeitgesetz in Ausnahmefällen 60 Stunden möglich, solange man für Freizeitausgleich sorgt“, so die Anwältin. Für Ärzte könne diese maximale Wochenarbeitszeit durch eine Öffnungsklausel für Tarifverträge aber auch noch höher gesetzt werden.