Arbeitszeiterfassung
Die Rechtslage zur Zeiterfassung – und was sich ändern wird

Ist Arbeitszeiterfassung Pflicht? Was ändert sich durch das EuGH-Urteil? Und was bedeutet das für Überstunden und Vertrauensarbeitszeit? Ein Überblick.

, von

Zurück zur Stechuhr? Das EuGH-Urteil zur Arbeitszeiterfassung versetzt viele Arbeitgeber in Unruhe.
© EyeOfPaul / iStock / Getty Images Plus / Getty Images

Wie ist die aktuelle Rechtslage zur Arbeitszeiterfassung in Deutschland?

Das aktuell gültige Arbeitsrecht in Deutschland verpflichtet Arbeitgeber, Überstunden sowie Arbeit an Sonn- und Feiertagen zu erfassen – nicht aber die generelle Arbeitszeit. „Bislang besteht also keine generelle Pflicht zur Stechuhr“, erklärt Sören Langner, Fachanwalt für Arbeitsrecht.

Allerdings: Schon heute unterliegen viele Arbeitgeber einer Dokumentationspflicht. Wer Minijobber beschäftigt, muss deren Arbeitszeit laut Paragraf 17 Mindestlohngesetz detailliert aufzeichnen. Ebenso jeder Arbeitgeber in Branchen, die im Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz genannt sind – wie beispielsweise das Bau- und Gaststättengewerbe, der Speditions-, Transport- und Logistikbranche, Gebäudereinigung sowie die Fleisch- und Forstwirtschaft.

Inwiefern ändert sich die Rechtslage durch das EuGH-Urteil von 2019?

Im Mai 2019 sprach der Europäische Gerichtshof (EuGH) ein Urteil zur Arbeitszeiterfassung (Az. C-55/18), das Unternehmer in ganz Deutschland verunsicherte.

Geklagt hatte eine spanische Gewerkschaft, die in einer Niederlassung der Deutschen Bank eine grundsätzliche Arbeitszeiterfassung durchsetzen wollte. Sie bezog sich mit ihrer Forderung unter anderem auf die Grundrechte-Charta sowie die Arbeitszeitrichtlinie der Europäischen Union (EU). Die Vertreter der Deutschen Bank argumentierten dagegen, dass sich aus der spanischen Rechtsprechung keine Verpflichtung ergebe, ein System zur Arbeitszeiterfassung einzurichten.

Weil die Frage nationales, aber auch europäisches Recht betraf, gaben die Richter den Fall an den EuGH ab. Der gab der spanischen Gewerkschaft recht: Um überprüfen zu können, ob arbeitsrechtliche Vorgaben aus Charta und Arbeitsrichtlinie eingehalten würden, sei ein zugängliches, nicht manipulierbares System unerlässlich, das die tägliche und wöchentliche Arbeitszeit objektiv und verlässlich bestimmt. Und nur mit diesen Dokumentationen könnten Arbeitnehmer ihr Recht, etwa auf eine wöchentliche Höchstarbeitszeit sowie tägliche und wöchentliche Ruhezeiten, gegebenenfalls vor Gericht einklagen.

Alle EU-Staaten müssen das Urteil nun für sich in nationales Recht umsetzen und Unternehmen verpflichten, ein System einzurichten, mit dem die tägliche Arbeitszeit der Mitarbeiter gemessen werden kann. Wie schnell das passieren wird, ist unklar.

Zur Person
Dr. Sören Langner ist Partner und Fachanwalt für Arbeitsrecht am Berliner Standort der Wirtschaftskanzlei CMS Deutschland. Sören Langner

Wird es für kleinere Unternehmen Ausnahmen bei der Pflicht zur Arbeitszeiterfassung geben?

Die Pressemitteilung zum EuGH-Urteil erklärt, es obliege den EU-Mitgliedsstaaten, die genauen Modalitäten zu regeln, wie und welche Arbeitgeber konkret verpflichtet werden, ein System zu Zeiterfassung einzurichten. Und inwieweit sie „dabei gegebenenfalls den Besonderheiten des jeweiligen Tätigkeitsbereichs oder Eigenheiten, sogar der Größe, bestimmter Unternehmen Rechnung tragen“. Laut Experte Langner ein wichtiger Satz: „Diese Ergänzung ist ein Wink mit dem Zaunpfahl an den Gesetzgeber, beispielsweise über Verordnungen oder ein begleitendes Regelwerk kleinere Unternehmen von der Pflicht zur Arbeitszeiterfassung zu befreien.“

Dass der Gesetzgeber Ausnahmen formulieren könnte, lasse sich Langner zufolge auch daran erkennen, dass bereits jetzt eine verbands- und parteiübergreifende Diskussion im Gange sei, ab welcher Größe Unternehmen von der Pflicht zur Arbeitszeiterfassung betroffen sein sollen. „Für die Unionsparteien und die Arbeitgeberverbände liegt der Schwellenwert traditionell höher als etwa bei der SPD. Das wird im Gesetzgebungsverfahren noch spannend, jedenfalls will Arbeitsminister Hubertus Heil das Thema noch dieses Jahr angehen“, so Langner.

Welche Auswirkungen hat das EuGH-Urteil für Unternehmen?

„In Zukunft werden mehr Arbeitgeber, unabhängig von der Branche, der Dokumentationspflicht unterliegen“, so Experte Langner. „Außerdem wird die Vertrauensarbeitszeit mit diesem Urteil faktisch unmöglich – und es wird weniger unbezahlte Überstunden geben.“

1. Unbezahlte Mehrarbeit wird erschwert

Der Handwerker, der abends daheim nochmal fix mit einem Kunden telefoniert, der Vertriebler, der nach der eigentlichen Arbeitszeit auf dem Heimweg im Stau steht: Laut der Studie „Workforce View in Europe 2019“ des Personalunternehmens ADP geben mehr als zwei Drittel der deutschen Arbeitnehmer an, regelmäßig unbezahlt länger zu arbeiten. „Das wird in Zukunft von betroffenen Arbeitnehmern einfacher zu beweisen sein, wenn Arbeitgeber jede Minute Arbeitszeit dokumentieren lassen müssen“, erklärt Experte Langner.

Mehr zu Überstunden hier: Wann muss der Arbeitgeber Überstunden bezahlen?

In eigener Sache
Machen ist wie wollen, nur krasser
Machen ist wie wollen, nur krasser
Die impulse-Mitgliedschaft - Rückenwind für Unternehmerinnen und Unternehmer

2. Vertrauensarbeitszeit wird unmöglich

Zudem würden neue Regelungen Vertrauensarbeitszeit, mit der insbesondere kleinere Unternehmen bürokratischen Aufwand sparen konnten, unmöglich machen. Kritiker der Vertrauensarbeitszeit monieren indes schon lange, dass Arbeitgeber Mitarbeiter auf diese Weise verleiten konnten, unbezahlte Überstunden zu leisten.

Mehr zu Vertrauensarbeitszeit hier: Das sollten Arbeitgeber über Vertrauensarbeitszeit wissen

3. Überstunden werden leichter gerichtlich durchsetzbar

„Arbeitnehmer werden es in Zukunft damit leichter haben, die Bezahlung geleisteter Überstunden gerichtlich durchzusetzen“, sagt Langner. Bei solchen Verfahren liegt die Beweislast beim Arbeitnehmer: Sie müssen nachweisen, dass die Überstunden angeordnet und geleistet wurden. „Bislang war das meist nur durch eigene Aufzeichnungen möglich – eine generelle Arbeitszeiterfassung wird dies ändern“, so Langner.

Werden flexible Arbeitszeitmodelle durch das EuGH-Urteil künftig unmöglich?

Die Befürchtungen, wonach das Urteil und die entsprechenden Änderungen im Arbeitszeitgesetz ein neues Bürokratiemonster erschaffen und flexible Arbeitsgestaltungen unmöglich machen würden, sieht Langner differenzierter, weil:

  1. die Pflicht zur vollen Arbeitszeiterfassung in vielen Wirtschaftsbereichen bereits besteht – ein aktualisiertes Arbeitszeitgesetz also nur eine bestehende Lücke schließen würde;
  2. eine Praxis zur technischen Umsetzung deshalb bereits bestehen müsste. Ob wie bisher von der Excel-Liste bis zur App dann alles erlaubt ist, müssten laut Langner der Gesetzgeber oder notfalls wieder die Gerichte klären;
  3. die Regelungen in Sachen Überstunden schon jetzt sehr differenziert sind. Bezahlen müssen Arbeitgeber Überstunden meist nur dann, wenn das Gehalt von Arbeitnehmern unterhalb der Beitragsbemessungsgrenze der Deutschen Rentenversicherung liegt und die Arbeitnehmer jede einzelne Überstunde darlegen und beweisen können – ansonsten sind Regelungen in Arbeitsverträgen über eine pauschale Abgeltung von Überstunden im Ergebnis nicht angreifbar;
  4. bereits das Urteil des EuGH auf die Möglichkeit verweist, bestimmte Unternehmen und Tätigkeitsbereiche von der Dokumentationspflicht zu befreien – so dass es wahrscheinlich Ausnahmen geben wird.

Was müssen Arbeitgeber jetzt tun?

Aktuell ändert sich mit dem EuGH-Urteil noch nichts. „Solange kein aktualisiertes Arbeitszeitgesetz in Kraft getreten ist, müssen Arbeitgeber nicht aktiv werden“, so Experte Langner.

Wann das Gesetz kommen wird, ist noch unklar. „Das Thema ist wichtig und betrifft viele. Es kann also durchaus sein, dass die Große Koalition es noch in dieser Legislaturperiode auf die Agenda nimmt“, erklärt Langner. „Gerade, weil die Positionen zum Urteil aber so kontrovers ausfallen, ist es genauso gut möglich, dass daraus in dieser Legislaturperiode nichts mehr wird.“

Allerdings: Langner rät Arbeitgebern, sich frühzeitig Gedanken zu machen, mit welchem System sie die Arbeitszeit ihrer Mitarbeiter erfassen lassen könnten, sollten sie später von der Dokumentationspflicht betroffen sein. „Eine App ist zwar sehr praktisch – aber nicht jeder Arbeitnehmer hat unbedingt ein Smartphone. Solche Dinge rechtzeitig zu planen, spart Ärger und Zeit, wenn das Gesetz kommt“, so Langners Fazit.

Welche Methoden kommen für die Arbeitszeiterfassung infrage?

  • Arbeitszeiterfassung mit Stundenzettel: Mit Stift und Zettel dokumentieren Mitarbeiter ihre Arbeits- und Pausenzeiten.
  • Arbeitszeiterfassung mit Web-Anwendung oder App: In einer Webanwendung oder App hat jeder Mitarbeiter ein Arbeitszeitkonto. Über Start- und Stopp-Button werden Pausen, Arbeitsanfang und Arbeitsende dokumentiert.
  • Arbeitszeiterfassung mit Chip oder Karte: Mit einem persönlichen Chip oder einer Karte loggen sich die Mitarbeiter an einem Terminal, etwa am Firmeneingang, ein und aus. Für Baustellen oder Außendienstler gibt es mobile Terminals.
  • Arbeitszeiterfassung mit biometrischen Daten: Per Iris-Scan, Stimmerkennung, Finger- oder Handabdruck checken die Mitarbeiter zu Arbeitsbeginn und -ende, etwa am Firmeneingang, ein und aus. Die biometrischen Daten fungieren oft auch als Türschlüssel.

Mehr Informationen über Funktionsweise, Kosten und Nachteile der Methoden hier: Zeiterfassung: 4 Methoden, um die Arbeitszeit im Team zu dokumentieren

Wie ist die aktuelle Rechtslage zur Arbeitszeiterfassung in Deutschland? Das aktuell gültige Arbeitsrecht in Deutschland verpflichtet Arbeitgeber, Überstunden sowie Arbeit an Sonn- und Feiertagen zu erfassen – nicht aber die generelle Arbeitszeit. „Bislang besteht also keine generelle Pflicht zur Stechuhr“, erklärt Sören Langner, Fachanwalt für Arbeitsrecht. Allerdings: Schon heute unterliegen viele Arbeitgeber einer Dokumentationspflicht. Wer Minijobber beschäftigt, muss deren Arbeitszeit laut Paragraf 17 Mindestlohngesetz detailliert aufzeichnen. Ebenso jeder Arbeitgeber in Branchen, die im Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz genannt sind – wie beispielsweise das Bau- und Gaststättengewerbe, der Speditions-, Transport- und Logistikbranche, Gebäudereinigung sowie die Fleisch- und Forstwirtschaft. Inwiefern ändert sich die Rechtslage durch das EuGH-Urteil von 2019? Im Mai 2019 sprach der Europäische Gerichtshof (EuGH) ein Urteil zur Arbeitszeiterfassung (Az. C-55/18), das Unternehmer in ganz Deutschland verunsicherte. Geklagt hatte eine spanische Gewerkschaft, die in einer Niederlassung der Deutschen Bank eine grundsätzliche Arbeitszeiterfassung durchsetzen wollte. Sie bezog sich mit ihrer Forderung unter anderem auf die Grundrechte-Charta sowie die Arbeitszeitrichtlinie der Europäischen Union (EU). Die Vertreter der Deutschen Bank argumentierten dagegen, dass sich aus der spanischen Rechtsprechung keine Verpflichtung ergebe, ein System zur Arbeitszeiterfassung einzurichten. Weil die Frage nationales, aber auch europäisches Recht betraf, gaben die Richter den Fall an den EuGH ab. Der gab der spanischen Gewerkschaft recht: Um überprüfen zu können, ob arbeitsrechtliche Vorgaben aus Charta und Arbeitsrichtlinie eingehalten würden, sei ein zugängliches, nicht manipulierbares System unerlässlich, das die tägliche und wöchentliche Arbeitszeit objektiv und verlässlich bestimmt. Und nur mit diesen Dokumentationen könnten Arbeitnehmer ihr Recht, etwa auf eine wöchentliche Höchstarbeitszeit sowie tägliche und wöchentliche Ruhezeiten, gegebenenfalls vor Gericht einklagen. Alle EU-Staaten müssen das Urteil nun für sich in nationales Recht umsetzen und Unternehmen verpflichten, ein System einzurichten, mit dem die tägliche Arbeitszeit der Mitarbeiter gemessen werden kann. Wie schnell das passieren wird, ist unklar. Wird es für kleinere Unternehmen Ausnahmen bei der Pflicht zur Arbeitszeiterfassung geben? Die Pressemitteilung zum EuGH-Urteil erklärt, es obliege den EU-Mitgliedsstaaten, die genauen Modalitäten zu regeln, wie und welche Arbeitgeber konkret verpflichtet werden, ein System zu Zeiterfassung einzurichten. Und inwieweit sie „dabei gegebenenfalls den Besonderheiten des jeweiligen Tätigkeitsbereichs oder Eigenheiten, sogar der Größe, bestimmter Unternehmen Rechnung tragen“. Laut Experte Langner ein wichtiger Satz: „Diese Ergänzung ist ein Wink mit dem Zaunpfahl an den Gesetzgeber, beispielsweise über Verordnungen oder ein begleitendes Regelwerk kleinere Unternehmen von der Pflicht zur Arbeitszeiterfassung zu befreien.“ Dass der Gesetzgeber Ausnahmen formulieren könnte, lasse sich Langner zufolge auch daran erkennen, dass bereits jetzt eine verbands- und parteiübergreifende Diskussion im Gange sei, ab welcher Größe Unternehmen von der Pflicht zur Arbeitszeiterfassung betroffen sein sollen. „Für die Unionsparteien und die Arbeitgeberverbände liegt der Schwellenwert traditionell höher als etwa bei der SPD. Das wird im Gesetzgebungsverfahren noch spannend, jedenfalls will Arbeitsminister Hubertus Heil das Thema noch dieses Jahr angehen“, so Langner. Welche Auswirkungen hat das EuGH-Urteil für Unternehmen? „In Zukunft werden mehr Arbeitgeber, unabhängig von der Branche, der Dokumentationspflicht unterliegen“, so Experte Langner. „Außerdem wird die Vertrauensarbeitszeit mit diesem Urteil faktisch unmöglich – und es wird weniger unbezahlte Überstunden geben.“ 1. Unbezahlte Mehrarbeit wird erschwert Der Handwerker, der abends daheim nochmal fix mit einem Kunden telefoniert, der Vertriebler, der nach der eigentlichen Arbeitszeit auf dem Heimweg im Stau steht: Laut der Studie „Workforce View in Europe 2019“ des Personalunternehmens ADP geben mehr als zwei Drittel der deutschen Arbeitnehmer an, regelmäßig unbezahlt länger zu arbeiten. „Das wird in Zukunft von betroffenen Arbeitnehmern einfacher zu beweisen sein, wenn Arbeitgeber jede Minute Arbeitszeit dokumentieren lassen müssen“, erklärt Experte Langner. Mehr zu Überstunden hier: Wann muss der Arbeitgeber Überstunden bezahlen? 2. Vertrauensarbeitszeit wird unmöglich Zudem würden neue Regelungen Vertrauensarbeitszeit, mit der insbesondere kleinere Unternehmen bürokratischen Aufwand sparen konnten, unmöglich machen. Kritiker der Vertrauensarbeitszeit monieren indes schon lange, dass Arbeitgeber Mitarbeiter auf diese Weise verleiten konnten, unbezahlte Überstunden zu leisten. Mehr zu Vertrauensarbeitszeit hier: Das sollten Arbeitgeber über Vertrauensarbeitszeit wissen 3. Überstunden werden leichter gerichtlich durchsetzbar „Arbeitnehmer werden es in Zukunft damit leichter haben, die Bezahlung geleisteter Überstunden gerichtlich durchzusetzen“, sagt Langner. Bei solchen Verfahren liegt die Beweislast beim Arbeitnehmer: Sie müssen nachweisen, dass die Überstunden angeordnet und geleistet wurden. „Bislang war das meist nur durch eigene Aufzeichnungen möglich – eine generelle Arbeitszeiterfassung wird dies ändern“, so Langner. Werden flexible Arbeitszeitmodelle durch das EuGH-Urteil künftig unmöglich? Die Befürchtungen, wonach das Urteil und die entsprechenden Änderungen im Arbeitszeitgesetz ein neues Bürokratiemonster erschaffen und flexible Arbeitsgestaltungen unmöglich machen würden, sieht Langner differenzierter, weil: die Pflicht zur vollen Arbeitszeiterfassung in vielen Wirtschaftsbereichen bereits besteht – ein aktualisiertes Arbeitszeitgesetz also nur eine bestehende Lücke schließen würde; eine Praxis zur technischen Umsetzung deshalb bereits bestehen müsste. Ob wie bisher von der Excel-Liste bis zur App dann alles erlaubt ist, müssten laut Langner der Gesetzgeber oder notfalls wieder die Gerichte klären; die Regelungen in Sachen Überstunden schon jetzt sehr differenziert sind. Bezahlen müssen Arbeitgeber Überstunden meist nur dann, wenn das Gehalt von Arbeitnehmern unterhalb der Beitragsbemessungsgrenze der Deutschen Rentenversicherung liegt und die Arbeitnehmer jede einzelne Überstunde darlegen und beweisen können – ansonsten sind Regelungen in Arbeitsverträgen über eine pauschale Abgeltung von Überstunden im Ergebnis nicht angreifbar; bereits das Urteil des EuGH auf die Möglichkeit verweist, bestimmte Unternehmen und Tätigkeitsbereiche von der Dokumentationspflicht zu befreien – so dass es wahrscheinlich Ausnahmen geben wird. Was müssen Arbeitgeber jetzt tun? Aktuell ändert sich mit dem EuGH-Urteil noch nichts. „Solange kein aktualisiertes Arbeitszeitgesetz in Kraft getreten ist, müssen Arbeitgeber nicht aktiv werden“, so Experte Langner. Wann das Gesetz kommen wird, ist noch unklar. „Das Thema ist wichtig und betrifft viele. Es kann also durchaus sein, dass die Große Koalition es noch in dieser Legislaturperiode auf die Agenda nimmt“, erklärt Langner. „Gerade, weil die Positionen zum Urteil aber so kontrovers ausfallen, ist es genauso gut möglich, dass daraus in dieser Legislaturperiode nichts mehr wird.“ Allerdings: Langner rät Arbeitgebern, sich frühzeitig Gedanken zu machen, mit welchem System sie die Arbeitszeit ihrer Mitarbeiter erfassen lassen könnten, sollten sie später von der Dokumentationspflicht betroffen sein. „Eine App ist zwar sehr praktisch – aber nicht jeder Arbeitnehmer hat unbedingt ein Smartphone. Solche Dinge rechtzeitig zu planen, spart Ärger und Zeit, wenn das Gesetz kommt“, so Langners Fazit. Welche Methoden kommen für die Arbeitszeiterfassung infrage? Arbeitszeiterfassung mit Stundenzettel: Mit Stift und Zettel dokumentieren Mitarbeiter ihre Arbeits- und Pausenzeiten. Arbeitszeiterfassung mit Web-Anwendung oder App: In einer Webanwendung oder App hat jeder Mitarbeiter ein Arbeitszeitkonto. Über Start- und Stopp-Button werden Pausen, Arbeitsanfang und Arbeitsende dokumentiert. Arbeitszeiterfassung mit Chip oder Karte: Mit einem persönlichen Chip oder einer Karte loggen sich die Mitarbeiter an einem Terminal, etwa am Firmeneingang, ein und aus. Für Baustellen oder Außendienstler gibt es mobile Terminals. Arbeitszeiterfassung mit biometrischen Daten: Per Iris-Scan, Stimmerkennung, Finger- oder Handabdruck checken die Mitarbeiter zu Arbeitsbeginn und -ende, etwa am Firmeneingang, ein und aus. Die biometrischen Daten fungieren oft auch als Türschlüssel. Mehr Informationen über Funktionsweise, Kosten und Nachteile der Methoden hier: Zeiterfassung: 4 Methoden, um die Arbeitszeit im Team zu dokumentieren