Kettenbefristung
So sind Chefs bei Kettenbefristungen auf der sicheren Seite

Saisongeschäft, unsichere Auftragslage, Elternzeitvertretung: Es gibt viele Gründe, Mitarbeiter immer wieder befristet anzustellen. Doch eine Kettenbefristung ist nicht immer erlaubt. Was Unternehmer wissen sollten.

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Eine Kettenbefristung ist für Arbeitgeber immer mit einem gewissen Risiko verbunden.
Eine Kettenbefristung ist für Arbeitgeber immer mit einem gewissen Risiko verbunden.
© jskiba / E+/ Gettyimages

Jeder zwölfte Arbeitnehmer in Deutschland hat laut Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung aktuell einen befristeten Arbeitsvertrag, Auszubildende nicht mitgerechnet. Das sind 3,15 Millionen Menschen. Nur sechs Prozent von ihnen haben die Anstellung auf Zeit selbst gewählt: In den allermeisten Fällen entscheidet der Arbeitgeber, Mitarbeiter befristet anzustellen. Oft mehrmals hintereinander – mit einer Kettenbefristung.

Doch eine Kettenbefristung ist nur unter bestimmten Voraussetzungen erlaubt. In jüngster Zeit befassen sich immer mehr Gerichte, bis hin zum europäischen Gerichtshof, mit der genauen Auslegung des Teilzeit- und Befristungsgesetzes (TzBfG) – und die Urteile können Unternehmen juristischen Ärger bescheren. Grund genug, die wichtigsten Fragen zum Thema Kettenbefristung zu klären.

Was ist eine Kettenbefristung?

Verlängert ein Arbeitgeber einen befristeten Arbeitsvertrag über Jahre hinweg immer wieder, spricht man von einer Kettenbefristung. Grundsätzlich unterscheidet das TzBfG zwei Arten von Befristungen:

1. Die Befristung mit Sachgrund

Eine Kettenbefristung über zwei Jahre hinaus ist grundsätzlich nur zulässig, wenn es einen so genannten Sachgrund gibt. Liegt ein solcher Sachgrund vor, ist eine befristete Beschäftigung grundsätzlich auf unbeschränkte Zeit möglich – zudem dürfen Arbeitgeber die Befristung unter bestimmten Voraussetzungen immer wieder verlängern (siehe unten).

Welche Sachgründe Arbeitgeber geltend machen können, regelt das Gesetz genau:

  • Es besteht nur vorübergehend ein Bedarf an der Arbeitsleistung.
  • Die Befristung erfolgt im Anschluss an eine Ausbildung oder ein Studium, um den Übergang des Arbeitnehmers in eine Anschlussbeschäftigung zu erleichtern.
  • Der Arbeitnehmer wird beschäftigt, um einen anderen zu vertreten.
  • Die Eigenart der Arbeitsleistung rechtfertigt die Befristung – etwa wenn ein Schauspieler immer wieder befristet angestellt wird, um dieselbe Rolle in einer Krimiserie zu spielen.
  • Die Befristung erfolgt zur Erprobung.
  • Der Arbeitnehmer weist persönliche Gründe auf, die eine Befristung rechtfertigen – etwa eine befristete Aufenthaltserlaubnis.
  • Die Befristung beruht auf einem gerichtlichen Vergleich.

„Am häufigsten und typischsten ist eine Kettenbefristung im Rahmen von Elternzeitvertretungen“, so Patrizia Antoni, Fachanwältin für Arbeitsrecht. „Aber auch, wenn Unternehmen starke saison- oder projektbedingte Schwankungen im Mitarbeiterbedarf haben, kommen Kettenbefristungen häufig vor.“

Zur Person
Patrizia Antoni ist Fachanwältin für Steuer- und für Arbeitsrecht. Sie gründete 2002 die Kanzlei AHS Rechtsanwälte mit Standorten in Köln und Bonn.

2. Die Befristung ohne Sachgrund

„Ohne Vorliegen eines sachlichen Grundes“ dürfen Arbeitgeber Mitarbeiter in den meisten Fällen maximal zwei Jahre lang befristet beschäftigen – und den befristeten Arbeitsvertrag innerhalb dieses Zeitraums höchstens dreimal verlängern. Allerdings gibt es Ausnahmen.

Dass man einen Mitarbeiter grundsätzlich nur zwei Jahre befristet beschäftigen dürfe, gehört damit zu den prominenten Fehlannahmen in Sachen Arbeitsrecht.

Weitere Irrtümer hier: Befristeter Arbeitsvertrag: 9 Irrtümer rund um Befristungen

Für Gründer etwa gelten großzügigere Regeln bei der sachgrundlosen Befristung: Sie dürfen Mitarbeiter bis zu vier Jahre lang befristet anstellen und die Befristung in dieser Zeit mehrfach verlängern. Diese Regelung greift jedoch nicht, wenn die Gründung deshalb geschieht, weil ein bestehendes Unternehmen rechtlich neu strukturiert wird.

Eine weitere Ausnahme betrifft Mitarbeiter, die mindestens 52 Jahre alt sind und unmittelbar zuvor mindestens vier Monate lang arbeitslos waren, Transferkurzarbeitergeld bezogen oder an einer öffentlich geförderten Beschäftigungsmaßnahme teilgenommen haben. In diesen Fällen darf eine Befristung ohne Sachgrund bis zu fünf Jahre dauern.

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Wann ist eine Kettenbefristung unzulässig?

„Eine gesetzliche Vorgabe, wann eine Kettenbefristung zulässig oder unzulässig ist, gibt es nicht“, erklärt Expertin Antoni. Jeder Fall werde einzeln geprüft: Dabei betrachteten die Richter zunächst die Gesamtdauer des befristeten Arbeitsverhältnisses und die Zahl der Verlängerungen – und prüften dann die Umstände, um zu entscheiden, ob eine Kettenbefristung zulässig ist. „Die fehlenden Vorgaben sind natürlich für Arbeitgeber ein Problem“, so Antoni. „Aber die bisherigen Einzelfallentscheidungen liefern zumindest Indizien, an denen sie sich orientieren können.“

Beispielsweise entschied das Bundesarbeitsgericht: Die Kettenbefristung einer Arbeitnehmerin, die nach ihrer Ausbildung mithilfe 13 befristeter Arbeitsverträge über mehr als elf Jahre hinweg nur auf Zeit beschäftigt wurde, war unzulässig (BAG, 7 AZR 443/09). „Die Unzulässigkeit ergab sich in diesem Fall vor allem aus dem Umstand, dass die Klägerin fast durchgehend als Vertretung für andere Mitarbeiter befristet wurde“, so Fachanwältin Antoni.

Daraus ergibt sich: Ist für den Arbeitgeber absehbar, dass im Unternehmen über Jahre hinweg ein Vertretungsbedarf bestehen wird und sich eine unbefristete Stelle für die Vertretung schaffen ließe, dann kann eine Kettenbefristung unzulässig sein. „Das Gleiche gilt, wenn Projektarbeit zum Grundcharakter des Unternehmens gehört. Wenn die einzelnen Aufträge also auf eine gewisse Zeit begrenzt sind, der Arbeitgeber aber absehen kann, dass Folgeprojekte kommen werden und der Mitarbeiterbedarf bestehen bleibt“, so Expertin Antoni.

Wann ist eine Kettenbefristung zulässig?

Ebenfalls nicht genau geregelt ist die Frage, in welchen Fällen Arbeitgeber eine Kettenbefristung ausstellen dürfen – wieder liefern Einzelurteile Indizien. So entschied etwa das Landesarbeitsgericht Düsseldorf (7 Sa 450/13), dass die befristete Beschäftigung einer Vertretungslehrerin über neun Jahre hinweg mit insgesamt 18 Arbeitsverträgen zulässig war. „Entscheidend waren hier die Besonderheiten im Schulbetrieb, die sich aus unterschiedlichen Fächerkombinationen und Stundenzahlen ergeben und die es dem Arbeitgeber erschweren, einen ständigen Vertretungsbedarf abzusehen“, erklärt Antoni.

Generell lässt sich festhalten: Je häufiger ein befristeter Arbeitsvertrag verlängert wird, desto eher könnte die Kettenbefristung unzulässig sein. „Übersteigt die Dauer der Befristung mehrere Jahre, steigt das Risiko, dass ein Arbeitnehmer auf Dauerbeschäftigung klagt – und umso mehr Gedanken sollten sich Arbeitgeber machen, ob die Befristung einen Sachgrund hat, der sich vor Gericht plausibel vertreten ließe“, so Expertin Antoni.

Immerhin hat das Bundesarbeitsgericht in einem Urteil 2017 einige Eckpunkte aufgestellt, ab wann eine Kettenbefristung unzulässig werden kann (Az.: 7 AZR 369/15). Es handelt sich um ein dreistufiges System, das an eine Ampel erinnert – es gibt eine grüne, gelbe und rote Phase für Arbeitgeber.

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Arbeitgeber bleiben bei einer Kettenbefristung im grünen Bereich, wenn sie einen Arbeitsvertrag:

  • über eine Dauer von bis zu sechs Jahren maximal neun Mal entfristet haben oder
  • maximal acht Jahre immer wieder befristet haben oder
  • maximal 12-mal verlängert haben.

Rechtlich haben Arbeitgeber in diesen drei Fällen nichts zu befürchten.

Kritisch wird es im gelben Bereich. Das ist der Fall, wenn der Arbeitsvertrag:

  • über einen Zeitraum von maximal 8 Jah­ren bis zu 12-mal verlängert wurde oder
  • über eine Dauer von acht bis zehn Jahren immer wieder befristet wurde oder
  • 13- bis 15-mal verlängert wurde.

In diesen Fällen müssen Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber mit dem Vorwurf rechnen, die Kettenbefristung zweckwidrig missbraucht zu haben. Allerdings müssen Arbeitnehmer diesen Missbrauch vor Gericht beweisen, was erfahrungsgemäß nicht einfach ist.

In die rote Zone kommen Arbeitgeber, wenn sie einen Arbeitsvertrag:

  • über einen Zeitraum von mehr als 8 Jahren immer wieder befristet und mehr als 12-mal verlängert haben oder
  • über einen Zeitraum von mehr als 10 Jahren immer wieder befristet haben oder
  • mehr als 15-mal verlängert haben.

In diesen Fällen müssen nicht mehr die Arbeitnehmer den Missbrauch der Kettenbefristung vor Gericht beweisen, sondern dem Arbeitgeber wird der zweckwidrige Einsatz von Befristungen quasi unterstellt. Er kann diesen Vorwurf nur ausräumen, wenn er das Gegenteil beweist. Das verschlechtert seine Prozesschancen deutlich.

Ist eine Kettenbefristung mit Unterbrechung zulässig?

Einen Mitarbeiter zwei Jahre lang sachgrundlos befristet beschäftigen, dann das Arbeitsverhältnis unterbrechen – und den Mitarbeiter ein paar Jahre später wieder sachgrundlos befristet anstellen? Das ist unzulässig, entschied das Bundesverfassungsgericht 2018.

Zuvor hatte das Bundesarbeitsgericht ein erneutes Arbeitsverhältnis mit sachgrundloser Befristung dann für zulässig erklärt, wenn die letzte Beschäftigung mindestens drei Jahre zurückliegt. Das, so die Verfassungsrichter, widerspreche jedoch dem Ziel des Gesetzgebers, unbefristete Dauerbeschäftigung als übliche Beschäftigungsform zu sichern – und auch der verfassungsrechtlichen Maßgabe, strukturell unterlegene Beschäftigte im Arbeitsverhältnis zu schützen.

Welche Konsequenzen drohen, wenn eine Kettenbefristung unzulässig ist?

Arbeitnehmer können sich mit einer sogenannten „Entfristungsklage“ beim Arbeitsgericht gegen befristete Verträge wehren. Entscheidet das Gericht, dass ein Arbeitgeber keinen Sachgrund vorweisen kann, der eine Kettenbefristung rechtfertigt, muss dieser den klagenden Mitarbeiter dauerhaft anstellen – und die Gerichtskosten tragen. „Ein Bußgeld oder sonstige Strafen drohen jedoch nicht“, so Antoni.

Wichtig zu wissen: Je häufiger ein befristeter Vertrag verlängert wird und je länger das befristete Arbeitsverhältnis besteht, desto eher genauer schauen die Gerichte hin, ob die Kettenbefristung rechtmäßig ist. Die Beweislast liegt dann beim Arbeitgeber: Er muss darlegen, welche konkreten Umstände die Kettenbefristung nötig gemacht haben. „Einfach nur auf einen Sachgrund zu verweisen, genügt in solchen Fällen nicht“, erklärt Antoni.

Jeder zwölfte Arbeitnehmer in Deutschland hat laut Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung aktuell einen befristeten Arbeitsvertrag, Auszubildende nicht mitgerechnet. Das sind 3,15 Millionen Menschen. Nur sechs Prozent von ihnen haben die Anstellung auf Zeit selbst gewählt: In den allermeisten Fällen entscheidet der Arbeitgeber, Mitarbeiter befristet anzustellen. Oft mehrmals hintereinander – mit einer Kettenbefristung. Doch eine Kettenbefristung ist nur unter bestimmten Voraussetzungen erlaubt. In jüngster Zeit befassen sich immer mehr Gerichte, bis hin zum europäischen Gerichtshof, mit der genauen Auslegung des Teilzeit- und Befristungsgesetzes (TzBfG) – und die Urteile können Unternehmen juristischen Ärger bescheren. Grund genug, die wichtigsten Fragen zum Thema Kettenbefristung zu klären. Was ist eine Kettenbefristung? Verlängert ein Arbeitgeber einen befristeten Arbeitsvertrag über Jahre hinweg immer wieder, spricht man von einer Kettenbefristung. Grundsätzlich unterscheidet das TzBfG zwei Arten von Befristungen: 1. Die Befristung mit Sachgrund Eine Kettenbefristung über zwei Jahre hinaus ist grundsätzlich nur zulässig, wenn es einen so genannten Sachgrund gibt. Liegt ein solcher Sachgrund vor, ist eine befristete Beschäftigung grundsätzlich auf unbeschränkte Zeit möglich – zudem dürfen Arbeitgeber die Befristung unter bestimmten Voraussetzungen immer wieder verlängern (siehe unten). Welche Sachgründe Arbeitgeber geltend machen können, regelt das Gesetz genau: Es besteht nur vorübergehend ein Bedarf an der Arbeitsleistung. Die Befristung erfolgt im Anschluss an eine Ausbildung oder ein Studium, um den Übergang des Arbeitnehmers in eine Anschlussbeschäftigung zu erleichtern. Der Arbeitnehmer wird beschäftigt, um einen anderen zu vertreten. Die Eigenart der Arbeitsleistung rechtfertigt die Befristung – etwa wenn ein Schauspieler immer wieder befristet angestellt wird, um dieselbe Rolle in einer Krimiserie zu spielen. Die Befristung erfolgt zur Erprobung. Der Arbeitnehmer weist persönliche Gründe auf, die eine Befristung rechtfertigen – etwa eine befristete Aufenthaltserlaubnis. Die Befristung beruht auf einem gerichtlichen Vergleich. „Am häufigsten und typischsten ist eine Kettenbefristung im Rahmen von Elternzeitvertretungen“, so Patrizia Antoni, Fachanwältin für Arbeitsrecht. „Aber auch, wenn Unternehmen starke saison- oder projektbedingte Schwankungen im Mitarbeiterbedarf haben, kommen Kettenbefristungen häufig vor.“ 2. Die Befristung ohne Sachgrund „Ohne Vorliegen eines sachlichen Grundes“ dürfen Arbeitgeber Mitarbeiter in den meisten Fällen maximal zwei Jahre lang befristet beschäftigen – und den befristeten Arbeitsvertrag innerhalb dieses Zeitraums höchstens dreimal verlängern. Allerdings gibt es Ausnahmen. Dass man einen Mitarbeiter grundsätzlich nur zwei Jahre befristet beschäftigen dürfe, gehört damit zu den prominenten Fehlannahmen in Sachen Arbeitsrecht. Weitere Irrtümer hier: Befristeter Arbeitsvertrag: 9 Irrtümer rund um Befristungen Für Gründer etwa gelten großzügigere Regeln bei der sachgrundlosen Befristung: Sie dürfen Mitarbeiter bis zu vier Jahre lang befristet anstellen und die Befristung in dieser Zeit mehrfach verlängern. Diese Regelung greift jedoch nicht, wenn die Gründung deshalb geschieht, weil ein bestehendes Unternehmen rechtlich neu strukturiert wird. Eine weitere Ausnahme betrifft Mitarbeiter, die mindestens 52 Jahre alt sind und unmittelbar zuvor mindestens vier Monate lang arbeitslos waren, Transferkurzarbeitergeld bezogen oder an einer öffentlich geförderten Beschäftigungsmaßnahme teilgenommen haben. In diesen Fällen darf eine Befristung ohne Sachgrund bis zu fünf Jahre dauern. Wann ist eine Kettenbefristung unzulässig? „Eine gesetzliche Vorgabe, wann eine Kettenbefristung zulässig oder unzulässig ist, gibt es nicht“, erklärt Expertin Antoni. Jeder Fall werde einzeln geprüft: Dabei betrachteten die Richter zunächst die Gesamtdauer des befristeten Arbeitsverhältnisses und die Zahl der Verlängerungen – und prüften dann die Umstände, um zu entscheiden, ob eine Kettenbefristung zulässig ist. „Die fehlenden Vorgaben sind natürlich für Arbeitgeber ein Problem“, so Antoni. „Aber die bisherigen Einzelfallentscheidungen liefern zumindest Indizien, an denen sie sich orientieren können.“ Beispielsweise entschied das Bundesarbeitsgericht: Die Kettenbefristung einer Arbeitnehmerin, die nach ihrer Ausbildung mithilfe 13 befristeter Arbeitsverträge über mehr als elf Jahre hinweg nur auf Zeit beschäftigt wurde, war unzulässig (BAG, 7 AZR 443/09). „Die Unzulässigkeit ergab sich in diesem Fall vor allem aus dem Umstand, dass die Klägerin fast durchgehend als Vertretung für andere Mitarbeiter befristet wurde“, so Fachanwältin Antoni. Daraus ergibt sich: Ist für den Arbeitgeber absehbar, dass im Unternehmen über Jahre hinweg ein Vertretungsbedarf bestehen wird und sich eine unbefristete Stelle für die Vertretung schaffen ließe, dann kann eine Kettenbefristung unzulässig sein. „Das Gleiche gilt, wenn Projektarbeit zum Grundcharakter des Unternehmens gehört. Wenn die einzelnen Aufträge also auf eine gewisse Zeit begrenzt sind, der Arbeitgeber aber absehen kann, dass Folgeprojekte kommen werden und der Mitarbeiterbedarf bestehen bleibt“, so Expertin Antoni. Wann ist eine Kettenbefristung zulässig? Ebenfalls nicht genau geregelt ist die Frage, in welchen Fällen Arbeitgeber eine Kettenbefristung ausstellen dürfen – wieder liefern Einzelurteile Indizien. So entschied etwa das Landesarbeitsgericht Düsseldorf (7 Sa 450/13), dass die befristete Beschäftigung einer Vertretungslehrerin über neun Jahre hinweg mit insgesamt 18 Arbeitsverträgen zulässig war. „Entscheidend waren hier die Besonderheiten im Schulbetrieb, die sich aus unterschiedlichen Fächerkombinationen und Stundenzahlen ergeben und die es dem Arbeitgeber erschweren, einen ständigen Vertretungsbedarf abzusehen“, erklärt Antoni. Generell lässt sich festhalten: Je häufiger ein befristeter Arbeitsvertrag verlängert wird, desto eher könnte die Kettenbefristung unzulässig sein. „Übersteigt die Dauer der Befristung mehrere Jahre, steigt das Risiko, dass ein Arbeitnehmer auf Dauerbeschäftigung klagt – und umso mehr Gedanken sollten sich Arbeitgeber machen, ob die Befristung einen Sachgrund hat, der sich vor Gericht plausibel vertreten ließe“, so Expertin Antoni. Immerhin hat das Bundesarbeitsgericht in einem Urteil 2017 einige Eckpunkte aufgestellt, ab wann eine Kettenbefristung unzulässig werden kann (Az.: 7 AZR 369/15). Es handelt sich um ein dreistufiges System, das an eine Ampel erinnert - es gibt eine grüne, gelbe und rote Phase für Arbeitgeber. Arbeitgeber bleiben bei einer Kettenbefristung im grünen Bereich, wenn sie einen Arbeitsvertrag: über eine Dauer von bis zu sechs Jahren maximal neun Mal entfristet haben oder maximal acht Jahre immer wieder befristet haben oder maximal 12-mal verlängert haben. Rechtlich haben Arbeitgeber in diesen drei Fällen nichts zu befürchten. Kritisch wird es im gelben Bereich. Das ist der Fall, wenn der Arbeitsvertrag: über einen Zeitraum von maximal 8 Jah­ren bis zu 12-mal verlängert wurde oder über eine Dauer von acht bis zehn Jahren immer wieder befristet wurde oder 13- bis 15-mal verlängert wurde. In diesen Fällen müssen Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber mit dem Vorwurf rechnen, die Kettenbefristung zweckwidrig missbraucht zu haben. Allerdings müssen Arbeitnehmer diesen Missbrauch vor Gericht beweisen, was erfahrungsgemäß nicht einfach ist. In die rote Zone kommen Arbeitgeber, wenn sie einen Arbeitsvertrag: über einen Zeitraum von mehr als 8 Jahren immer wieder befristet und mehr als 12-mal verlängert haben oder über einen Zeitraum von mehr als 10 Jahren immer wieder befristet haben oder mehr als 15-mal verlängert haben. In diesen Fällen müssen nicht mehr die Arbeitnehmer den Missbrauch der Kettenbefristung vor Gericht beweisen, sondern dem Arbeitgeber wird der zweckwidrige Einsatz von Befristungen quasi unterstellt. Er kann diesen Vorwurf nur ausräumen, wenn er das Gegenteil beweist. Das verschlechtert seine Prozesschancen deutlich. Ist eine Kettenbefristung mit Unterbrechung zulässig? Einen Mitarbeiter zwei Jahre lang sachgrundlos befristet beschäftigen, dann das Arbeitsverhältnis unterbrechen – und den Mitarbeiter ein paar Jahre später wieder sachgrundlos befristet anstellen? Das ist unzulässig, entschied das Bundesverfassungsgericht 2018. Zuvor hatte das Bundesarbeitsgericht ein erneutes Arbeitsverhältnis mit sachgrundloser Befristung dann für zulässig erklärt, wenn die letzte Beschäftigung mindestens drei Jahre zurückliegt. Das, so die Verfassungsrichter, widerspreche jedoch dem Ziel des Gesetzgebers, unbefristete Dauerbeschäftigung als übliche Beschäftigungsform zu sichern – und auch der verfassungsrechtlichen Maßgabe, strukturell unterlegene Beschäftigte im Arbeitsverhältnis zu schützen. Welche Konsequenzen drohen, wenn eine Kettenbefristung unzulässig ist? Arbeitnehmer können sich mit einer sogenannten „Entfristungsklage“ beim Arbeitsgericht gegen befristete Verträge wehren. Entscheidet das Gericht, dass ein Arbeitgeber keinen Sachgrund vorweisen kann, der eine Kettenbefristung rechtfertigt, muss dieser den klagenden Mitarbeiter dauerhaft anstellen – und die Gerichtskosten tragen. „Ein Bußgeld oder sonstige Strafen drohen jedoch nicht“, so Antoni. Wichtig zu wissen: Je häufiger ein befristeter Vertrag verlängert wird und je länger das befristete Arbeitsverhältnis besteht, desto eher genauer schauen die Gerichte hin, ob die Kettenbefristung rechtmäßig ist. Die Beweislast liegt dann beim Arbeitgeber: Er muss darlegen, welche konkreten Umstände die Kettenbefristung nötig gemacht haben. „Einfach nur auf einen Sachgrund zu verweisen, genügt in solchen Fällen nicht“, erklärt Antoni.
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