Strategie
Deutsche Unternehmer in Südtirol: Der Berg ruft

Hohes Einkommen, wenig Arbeitslosigkeit, stabiles Wachstum: Südtirol gilt als Vorzeigeregion Italiens. Wie deutsche Firmen die prosperierende Provinz als Sprungbrett nutzen können.

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Ökorebellen: Emanuele Bacchin (links) und Daniel Tocca produzieren in Bozen T-Shirts aus innovativen Fasern.
Ökorebellen: Emanuele Bacchin (links) und Daniel Tocca produzieren in Bozen T-Shirts aus innovativen Fasern.
© Giovanni Melillo Kostner/Agentur Focus

Daniel Tocca klingt ganz sachlich, wenn er erzählt, wie er die Modewelt revolutionieren will. Alles begann vor zwei Jahren mit vier T-Shirts, 70.000 Kilometern auf Europas Straßen und unzähligen Nächten auf durchgelegenen Sofas. Vier Monate lang fuhr der 28-Jährige mit seiner Mini-Kollektion durch Südtirol, Österreich und Holland. Nachts schlief er bei Freunden. Tagsüber verkaufte er seine Shirts an angesagte Klamottenläden. Gleich beim ersten Termin in einem Bozener In-Laden waren es 100 Stück. Am Ende seiner Tour hatte er an jeden zweiten Laden Ware verkauft.

Heute zählen mehr als 250 Geschäfte in Italien, der Schweiz, Österreich, Deutschland, den Beneluxländern und Japan zu Toccas Kunden. Mit seinen ­Mitgründern Daniel Sperandio und Emanuele Bacchin, beide 28, verkauft er Ökokollektionen mit Stoffen aus Bambus und organischer Baumwolle. „Re-bello“ haben die Jungunternehmer ihr Start-up genannt.

Ein italienisch-deutsches Wortspiel, das an „rebellisch“ erinnern soll und „die Wiedergeburt des Schönen“ heißt. 230.000 Euro Umsatz erwirtschaftete das Trio im ersten Jahr. Für 2014 rechnen sie mit einer knappen Million. Und es könnte noch mehr werden. Öko­kleidung hat einen Anteil von 2 bis 3 Prozent am europäischen Bekleidungsmarkt. Bis 2020 soll er auf 20 Prozent wachsen. „Die ganz große Revolution kommt erst noch“, ist Tocca sicher.

Südtirol erfüllt kaum ein Italien-Klischee

Die Krise in Italien ist noch nicht überwunden – vielen Unternehmen in Südtirol geht es trotzdem gut. Während die Arbeitslosenquote im Landesdurchschnitt 12,9 Prozent beträgt, herrscht in Südtirol mit 4,1 Prozent fast Voll­beschäftigung. Das Pro-Kopf-Einkommen von 34.700 Euro liegt deutlich über dem italienweiten Mittelwert von 25.900 Euro. Und auch sonst erfüllt Südtirol kaum eines der Klischees, die viele mit dem südeuropäischen Stiefelstaat verbinden.

Nachhaltige Produkte und Hightech haben die Region zu einer der wirtschaftsstärksten in Europa gemacht. Die unternehmerfreundlichste Provinz Italiens ist Südtirol ohnehin: Die Steuern sind vergleichsweise moderat, die Verwaltung arbeitet effizient und unterstützt innovative Unternehmen finanziell – was auch zahlreiche deutsche Firmen über die Alpen lockt: 37,4 Milliarden Euro betrug der Bestand deutscher Investitionen in Italien im Jahr 2012. Sechs Jahre zuvor waren es erst 27,1 Milliarden Euro.

Von der großzügigen Wirtschaftsförderung haben auch die Rebellen um Daniel Tocca profitiert. Ihr privates Startkapital von 20 000 Euro reichte gerade, um die Produktion der ersten Shirts zu bezahlen. Für die Entwicklung ihres Materials benötigten sie jedoch 180.000 Euro. Die Hälfte bekamen sie von der Provinz. Zusätzlich erhielten sie 50.000 Euro als zinsfreien Gründerkredit. „Ohne die Fördergelder hätten wir unseren Stoff nicht produzieren können“, sagt Tocca, „und ohne den Stoff gäbe es Re-bello nicht.“ Mittlerweile beschäftigt das Unternehmen in Bozen zehn Mitarbeiter.

Günstige Kredite für Unternehmer

Zentrale Anlaufstelle für Hightech-Firmen in Südtirol ist Techno Innovation South Tyrol (TIS). Der Technologiepark im Bozener Industriegebiet stellt Unternehmen in der Aufbauphase gegen eine Jahrespauschale von 1200 Euro Finanz- und Unternehmensberater zur Seite. Die Mitarbeiter helfen Firmen, Fördergelder zu beantragen, und bringen sie mit potenziellen Kooperationspartnern zusammen. Bei Bedarf bieten sie auch günstige Büroräume mit Telefon- und Internetanschluss an.

Geschäfte im Grünen: Anlagenbauer Schmack - im Bild Marketingchef Maro Mazzio - beliefert Italien von Bozen aus mit Biogasreaktoren.

Geschäfte im Grünen: Anlagenbauer Schmack – im Bild Marketingchef Maro Mazzio – beliefert Italien von Bozen aus mit Biogasreaktoren.© Giovanni Melillo Kostner/Agentur Focus

Auch der deutsche Biogasanlagenhersteller Schmack aus dem oberpfälzischen Schwandorf hat die Unterstützung von TIS in Anspruch genommen, als er 2006 nach Italien expandierte. So übernahm TIS ­beispielsweise einen Teil der Standmiete, wenn das Unternehmen Anlagen auf Messen ausstellte.

Vor allem lockten Schmack jedoch hohe Fördersätze für erneuerbare Energien nach Italien – und ein interessanter Absatzmarkt: Gerade einmal 1000 Biogasanlagen gab es damals landesweit. In Deutschland waren es 7000. Gleich zu Beginn ging Schmack eine Kooperation mit dem Südtiroler Biogashersteller Erkert ein und übernahm zwei Drittel der Firmenanteile. So wie bei Schmack dient die Region vielen deutschen Firmen als Sprungbrett in den italienischen Markt. „Fast alle Einwohner sprechen Deutsch. Dadurch fühlen sich viele Deutsche hier wie zu Hause“, sagt Schmack-Marketingchef Mauro Mazzio.

Komplizierter als der deutsche Markt

Wichtiger noch ist der Wissensvorsprung einheimischer Firmen: „Der italienische Markt hat für uns viel Potenzial, aber er ist auch deutlich komplizierter als der deutsche“, so Mazzio. Etwa beim Thema Büro­kratie: „Bis eine Anlage genehmigt ist, dauert es zum Beispiel manchmal ein Jahr“, sagt der Südtiroler. „In Deutschland sind es etwa vier Monate.“

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Oder in Sachen Zahlungsmoral: Häufig müssen Unternehmen lange auf ihr Geld warten. „200 Tage sind nicht unüblich“, sagt Norbert Pudzich, Vorstandsmitglied der Deutsch-Italienischen Handelskammer in Mailand. Die Forderungen einzuklagen bringt wenig. Laut der Außenwirtschaftsagentur Germany Trade and Invest dauert ein Gerichts­verfahren in Italien im Schnitt 3,3 Jahre, die Kosten fressen ein Viertel der Außenstände auf.

Der Südtiroler Partner half Schmack, die gröbsten Fehler zu vermeiden. Das Geschäft der Deutschen entwickelte sich in Italien so gut, dass sie nach zwei Jahren auch die restlichen Anteile von Erkert übernahmen. 50 der 380 Schmack-Mitarbeiter arbeiten heute in Bozen. Die Wirtschaftskrise bekam Schmack erst mit Verzögerung zu spüren – und hat prompt ­darauf reagiert: Im vergangenen Jahr änderte die italienische Regierung die staatliche Förderung für Biogasanlagen. Kleine Anlagen unter 300 Kilowatt lohnen sich seither besonders. Und genau diese Anlagen baut jetzt auch Schmack. „Wir erschließen dadurch neue Märkte“, sagt Mauro Mazzio.

Wenig Steuern und ein gutes Image

Langsam fasst die italienische Wirtschaft wieder Fuß, auch wenn das Wachstum der drittgrößten Volkswirtschaft der Eurozone immer wieder ins ­Stocken gerät. Die Regierung unter dem reformfreudigen Ministerpräsidenten Matteo Renzi will kleine und mittlere Unternehmen mit zinsgünstigen Krediten zum Kauf und Leasing von Maschinen, Anlagen, Hardware, Software und digitalen Technologien bewegen. Auch deutsche Firmen, die eine Nieder­lassung in Italien haben, können diese Darlehen in Anspruch nehmen.

Manchen Nachteil, den Investoren in Italien noch durch die Wirtschaftskrise spüren, macht Südtirol durch seine unternehmerfreundlichen Bedingungen wieder wett: Die Gewinne kleiner und mittlerer GmbHs sind beispielsweise in vielen Fällen von der Körperschaftsteuer IRES befreit. Unternehmer, die bis Ende 2015 einen Firmensitz in Südtirol gründen, müssen darüber hinaus in den ersten fünf Jahren nicht die Wertschöpfungssteuer IRAP bezahlen.

Andere Vorteile der Region sind in Geld und Zahlen kaum messbar, für den Erfolg vieler Unternehmen aber dennoch entscheidend. So hat sich die Gegend ein Bio-Image erarbeitet, von dem „grüne“ Firmen wie Daniel Toccas Re-bello profitieren: „Durch die Berge und die Natur passen Ökoprodukte gut hierher“, sagt Tocca. „Ich glaube, dass sich unsere Shirts wegen ihrer Herkunft aus Südtirol noch einmal besser verkaufen.“

Von Südtirol in die Welt

Die Natur sorgt überdies dafür, dass sich die Mit­arbeiter der Unternehmen hier wohlfühlen. Wer Kletter- und Wandertouren, Ausflüge zum Badesee oder Skitouren mag, hat in Südtirol viele Möglichkeiten direkt vor der Haustür. „Wer einmal hier ist, will nie wieder weg“, sagt Tocca. Von Bozen ist man mit dem Auto in einer Viertelstunde auf dem ersten Berg. Ein gut ausgebautes Busnetz bringt Sportbegeisterte selbst im Winter bis auf die entferntesten Gipfel und in die abgelegensten Dörfer.

Georg Frener (links) und Franz Reifer produzieren in Brixen Fassaden für die ganze Welt. Die Brenner-Autobahn liegt direkt vor der Tür.

Georg Frener (links) und Franz Reifer produzieren in Brixen Fassaden für die ganze Welt. Die Brenner-Autobahn liegt direkt vor der Tür.© Giovanni Melillo Kostner/Agentur Focus

Von der guten Verkehrsanbindung profitiert auch Georg Frener, einer der beiden Unternehmens­gründer des Brixener Fassadenherstellers Frener und Reifer: Die Brenner-Autobahn liegt nur knapp drei Kilometer von seiner Produktionshalle entfernt. Für sein Unternehmen eine wichtige Verbindung zu den Kunden in der ganzen Welt.

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Seit 40 Jahren fertigt Frener und Reifer ausschließlich Fassaden-Sonderkonstruktionen. In Hamburg hat das Unternehmen zum Beispiel das Dockland-Bürohaus von außen verkleidet, jenen trapezförmigen Glasbau am Hafen, der schon Drehort vieler Filme war. Unzählige Fassaden für Villen und Bürogebäude hat das Unternehmen in die ganze Welt geliefert.

„Wo sollte es für mich schöner sein?“

120 Mitarbeiter fertigen in Brixen große Fassadenteile. Per Lkw werden diese dann in den 360 Kilometer entfernten Hafen von Ravenna geliefert. Von dort geht ihre Reise per Schiff weiter. Für Lieferungen in die USA oder nach Südamerika nutzt das Unternehmen Häfen, die weiter entfernt sind: Hamburg, Rotterdam und Bremerhaven. Die Bauelemente werden auf einen Lkw-Anhänger geladen, der in Brixen auf einen Spezialzug rollt. An der Küste angekommen, fährt eine Zugmaschine die Fracht in den Bauch des Schiffes. Vom Zielhafen aus geht es dann auf der Straße zur Baustelle.

Frener und Reifer nutzt die Nähe zur Grenze zudem, um das Beste aus dem italienischen und dem deutschen Markt zu kombinieren: Seit acht Jahren unterhält das Unternehmen eine Niederlassung in Augsburg, Europas wichtigstem Fassadenbau-Zen­trum. „In Deutschland rekrutieren wir viele Inge­nieure für unsere Firma“, sagt Georg Frener. „In ­Südtirol finden wir im Gegenzug hervorragend ausgebildete Handwerker.“

Südtirol ist für ihn der optimale Unternehmensstandort: Er zeigt auf den Berg, der wenige Hundert Meter vor seinem bodentiefen Bürofenster ansteigt. „Da oben wächst einer der besten Rieslinge des Landes. Hier bin ich aufgewachsen. Wo sollte es für mich schöner sein?“

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Daniel Tocca klingt ganz sachlich, wenn er erzählt, wie er die Modewelt revolutionieren will. Alles begann vor zwei Jahren mit vier T-Shirts, 70.000 Kilometern auf Europas Straßen und unzähligen Nächten auf durchgelegenen Sofas. Vier Monate lang fuhr der 28-Jährige mit seiner Mini-Kollektion durch Südtirol, Österreich und Holland. Nachts schlief er bei Freunden. Tagsüber verkaufte er seine Shirts an angesagte Klamottenläden. Gleich beim ersten Termin in einem Bozener In-Laden waren es 100 Stück. Am Ende seiner Tour hatte er an jeden zweiten Laden Ware verkauft. Heute zählen mehr als 250 Geschäfte in Italien, der Schweiz, Österreich, Deutschland, den Beneluxländern und Japan zu Toccas Kunden. Mit seinen ­Mitgründern Daniel Sperandio und Emanuele Bacchin, beide 28, verkauft er Ökokollektionen mit Stoffen aus Bambus und organischer Baumwolle. „Re-bello“ haben die Jungunternehmer ihr Start-up genannt. Ein italienisch-deutsches Wortspiel, das an "rebellisch" erinnern soll und "die Wiedergeburt des Schönen" heißt. 230.000 Euro Umsatz erwirtschaftete das Trio im ersten Jahr. Für 2014 rechnen sie mit einer knappen Million. Und es könnte noch mehr werden. Öko­kleidung hat einen Anteil von 2 bis 3 Prozent am europäischen Bekleidungsmarkt. Bis 2020 soll er auf 20 Prozent wachsen. "Die ganz große Revolution kommt erst noch", ist Tocca sicher. Südtirol erfüllt kaum ein Italien-Klischee Die Krise in Italien ist noch nicht überwunden – vielen Unternehmen in Südtirol geht es trotzdem gut. Während die Arbeitslosenquote im Landesdurchschnitt 12,9 Prozent beträgt, herrscht in Südtirol mit 4,1 Prozent fast Voll­beschäftigung. Das Pro-Kopf-Einkommen von 34.700 Euro liegt deutlich über dem italienweiten Mittelwert von 25.900 Euro. Und auch sonst erfüllt Südtirol kaum eines der Klischees, die viele mit dem südeuropäischen Stiefelstaat verbinden. Nachhaltige Produkte und Hightech haben die Region zu einer der wirtschaftsstärksten in Europa gemacht. Die unternehmerfreundlichste Provinz Italiens ist Südtirol ohnehin: Die Steuern sind vergleichsweise moderat, die Verwaltung arbeitet effizient und unterstützt innovative Unternehmen finanziell – was auch zahlreiche deutsche Firmen über die Alpen lockt: 37,4 Milliarden Euro betrug der Bestand deutscher Investitionen in Italien im Jahr 2012. Sechs Jahre zuvor waren es erst 27,1 Milliarden Euro. Von der großzügigen Wirtschaftsförderung haben auch die Rebellen um Daniel Tocca profitiert. Ihr privates Startkapital von 20 000 Euro reichte gerade, um die Produktion der ersten Shirts zu bezahlen. Für die Entwicklung ihres Materials benötigten sie jedoch 180.000 Euro. Die Hälfte bekamen sie von der Provinz. Zusätzlich erhielten sie 50.000 Euro als zinsfreien Gründerkredit. "Ohne die Fördergelder hätten wir unseren Stoff nicht produzieren können", sagt Tocca, "und ohne den Stoff gäbe es Re-bello nicht." Mittlerweile beschäftigt das Unternehmen in Bozen zehn Mitarbeiter. Günstige Kredite für Unternehmer Zentrale Anlaufstelle für Hightech-Firmen in Südtirol ist Techno Innovation South Tyrol (TIS). Der Technologiepark im Bozener Industriegebiet stellt Unternehmen in der Aufbauphase gegen eine Jahrespauschale von 1200 Euro Finanz- und Unternehmensberater zur Seite. Die Mitarbeiter helfen Firmen, Fördergelder zu beantragen, und bringen sie mit potenziellen Kooperationspartnern zusammen. Bei Bedarf bieten sie auch günstige Büroräume mit Telefon- und Internetanschluss an. [caption id="attachment_2029688" align="aligncenter" width="620"] Geschäfte im Grünen: Anlagenbauer Schmack - im Bild Marketingchef Maro Mazzio - beliefert Italien von Bozen aus mit Biogasreaktoren.[/caption] Auch der deutsche Biogasanlagenhersteller Schmack aus dem oberpfälzischen Schwandorf hat die Unterstützung von TIS in Anspruch genommen, als er 2006 nach Italien expandierte. So übernahm TIS ­beispielsweise einen Teil der Standmiete, wenn das Unternehmen Anlagen auf Messen ausstellte. Vor allem lockten Schmack jedoch hohe Fördersätze für erneuerbare Energien nach Italien – und ein interessanter Absatzmarkt: Gerade einmal 1000 Biogasanlagen gab es damals landesweit. In Deutschland waren es 7000. Gleich zu Beginn ging Schmack eine Kooperation mit dem Südtiroler Biogashersteller Erkert ein und übernahm zwei Drittel der Firmenanteile. So wie bei Schmack dient die Region vielen deutschen Firmen als Sprungbrett in den italienischen Markt. "Fast alle Einwohner sprechen Deutsch. Dadurch fühlen sich viele Deutsche hier wie zu Hause", sagt Schmack-Marketingchef Mauro Mazzio. Komplizierter als der deutsche Markt Wichtiger noch ist der Wissensvorsprung einheimischer Firmen: "Der italienische Markt hat für uns viel Potenzial, aber er ist auch deutlich komplizierter als der deutsche", so Mazzio. Etwa beim Thema Büro­kratie: "Bis eine Anlage genehmigt ist, dauert es zum Beispiel manchmal ein Jahr", sagt der Südtiroler. "In Deutschland sind es etwa vier Monate." Oder in Sachen Zahlungsmoral: Häufig müssen Unternehmen lange auf ihr Geld warten. "200 Tage sind nicht unüblich", sagt Norbert Pudzich, Vorstandsmitglied der Deutsch-Italienischen Handelskammer in Mailand. Die Forderungen einzuklagen bringt wenig. Laut der Außenwirtschaftsagentur Germany Trade and Invest dauert ein Gerichts­verfahren in Italien im Schnitt 3,3 Jahre, die Kosten fressen ein Viertel der Außenstände auf. Der Südtiroler Partner half Schmack, die gröbsten Fehler zu vermeiden. Das Geschäft der Deutschen entwickelte sich in Italien so gut, dass sie nach zwei Jahren auch die restlichen Anteile von Erkert übernahmen. 50 der 380 Schmack-Mitarbeiter arbeiten heute in Bozen. Die Wirtschaftskrise bekam Schmack erst mit Verzögerung zu spüren – und hat prompt ­darauf reagiert: Im vergangenen Jahr änderte die italienische Regierung die staatliche Förderung für Biogasanlagen. Kleine Anlagen unter 300 Kilowatt lohnen sich seither besonders. Und genau diese Anlagen baut jetzt auch Schmack. "Wir erschließen dadurch neue Märkte", sagt Mauro Mazzio. Wenig Steuern und ein gutes Image Langsam fasst die italienische Wirtschaft wieder Fuß, auch wenn das Wachstum der drittgrößten Volkswirtschaft der Eurozone immer wieder ins ­Stocken gerät. Die Regierung unter dem reformfreudigen Ministerpräsidenten Matteo Renzi will kleine und mittlere Unternehmen mit zinsgünstigen Krediten zum Kauf und Leasing von Maschinen, Anlagen, Hardware, Software und digitalen Technologien bewegen. Auch deutsche Firmen, die eine Nieder­lassung in Italien haben, können diese Darlehen in Anspruch nehmen. Manchen Nachteil, den Investoren in Italien noch durch die Wirtschaftskrise spüren, macht Südtirol durch seine unternehmerfreundlichen Bedingungen wieder wett: Die Gewinne kleiner und mittlerer GmbHs sind beispielsweise in vielen Fällen von der Körperschaftsteuer IRES befreit. Unternehmer, die bis Ende 2015 einen Firmensitz in Südtirol gründen, müssen darüber hinaus in den ersten fünf Jahren nicht die Wertschöpfungssteuer IRAP bezahlen. Andere Vorteile der Region sind in Geld und Zahlen kaum messbar, für den Erfolg vieler Unternehmen aber dennoch entscheidend. So hat sich die Gegend ein Bio-Image erarbeitet, von dem "grüne" Firmen wie Daniel Toccas Re-bello profitieren: "Durch die Berge und die Natur passen Ökoprodukte gut hierher", sagt Tocca. "Ich glaube, dass sich unsere Shirts wegen ihrer Herkunft aus Südtirol noch einmal besser verkaufen." Von Südtirol in die Welt Die Natur sorgt überdies dafür, dass sich die Mit­arbeiter der Unternehmen hier wohlfühlen. Wer Kletter- und Wandertouren, Ausflüge zum Badesee oder Skitouren mag, hat in Südtirol viele Möglichkeiten direkt vor der Haustür. "Wer einmal hier ist, will nie wieder weg", sagt Tocca. Von Bozen ist man mit dem Auto in einer Viertelstunde auf dem ersten Berg. Ein gut ausgebautes Busnetz bringt Sportbegeisterte selbst im Winter bis auf die entferntesten Gipfel und in die abgelegensten Dörfer. [caption id="attachment_2029686" align="aligncenter" width="620"] Georg Frener (links) und Franz Reifer produzieren in Brixen Fassaden für die ganze Welt. Die Brenner-Autobahn liegt direkt vor der Tür.[/caption] Von der guten Verkehrsanbindung profitiert auch Georg Frener, einer der beiden Unternehmens­gründer des Brixener Fassadenherstellers Frener und Reifer: Die Brenner-Autobahn liegt nur knapp drei Kilometer von seiner Produktionshalle entfernt. Für sein Unternehmen eine wichtige Verbindung zu den Kunden in der ganzen Welt. Seit 40 Jahren fertigt Frener und Reifer ausschließlich Fassaden-Sonderkonstruktionen. In Hamburg hat das Unternehmen zum Beispiel das Dockland-Bürohaus von außen verkleidet, jenen trapezförmigen Glasbau am Hafen, der schon Drehort vieler Filme war. Unzählige Fassaden für Villen und Bürogebäude hat das Unternehmen in die ganze Welt geliefert. "Wo sollte es für mich schöner sein?“ 120 Mitarbeiter fertigen in Brixen große Fassadenteile. Per Lkw werden diese dann in den 360 Kilometer entfernten Hafen von Ravenna geliefert. Von dort geht ihre Reise per Schiff weiter. Für Lieferungen in die USA oder nach Südamerika nutzt das Unternehmen Häfen, die weiter entfernt sind: Hamburg, Rotterdam und Bremerhaven. Die Bauelemente werden auf einen Lkw-Anhänger geladen, der in Brixen auf einen Spezialzug rollt. An der Küste angekommen, fährt eine Zugmaschine die Fracht in den Bauch des Schiffes. Vom Zielhafen aus geht es dann auf der Straße zur Baustelle. Frener und Reifer nutzt die Nähe zur Grenze zudem, um das Beste aus dem italienischen und dem deutschen Markt zu kombinieren: Seit acht Jahren unterhält das Unternehmen eine Niederlassung in Augsburg, Europas wichtigstem Fassadenbau-Zen­trum. "In Deutschland rekrutieren wir viele Inge­nieure für unsere Firma", sagt Georg Frener. "In ­Südtirol finden wir im Gegenzug hervorragend ausgebildete Handwerker." Südtirol ist für ihn der optimale Unternehmensstandort: Er zeigt auf den Berg, der wenige Hundert Meter vor seinem bodentiefen Bürofenster ansteigt. "Da oben wächst einer der besten Rieslinge des Landes. Hier bin ich aufgewachsen. Wo sollte es für mich schöner sein?"
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