Strategie
Branchenschreck Audibene: „Jetzt geht es in die USA“

Das Startup Audibene mischt die Hörgeräte-Branche auf - und hat nun noch mehr Geld in der Kasse. Im impulse-Interview spricht Gründer Marco Vietor über ehrgeizige Expansionspläne.

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Im Hör-Labor von Audibene: "Fasziniert davon, dass mittlerweile auch immer mehr ältere Leute zuerst im Internet nach Informationen suchen"
Im Hör-Labor von Audibene: "Fasziniert davon, dass mittlerweile auch immer mehr ältere Leute zuerst im Internet nach Informationen suchen"
© Sebastian Pfütze

Im alten Umspannwerk in Berlin-Kreuzberg geben sich die Gründer die Klinke in die Hand. Hinter jeder Tür arbeitet ein anderes Team am Traum vom großen Durchbruch. Den hat das Startup Audibene bereits geschafft: Vor drei Jahren gründeten Paul Crusius und Marco Vietor den Hörgeräte-Händler, der online auf Kundenfang geht; heute beschäftigen sie bereits knapp 200 Mitarbeiter.

Audibene hat eine ganze Branche auf den Kopf gestellt: In kaum einem Wirtschaftszweig tummeln sich so viele kleine Familienbetriebe wie im lukrativen Handel mit Hörgeräten. Dass selbst dieses Geschäft ins Netz abwandern könnte, schien lange undenkbar. Jetzt folgt der nächste Paukenschlag: Audibene gehört künftig zum Sivantos-Konzern, der früheren Hörgeräte-Sparte von Siemens.

Audibene-Gründer Marco Vietor

Im impulse-Interview: Audibene-Gründer Marco Vietor© Sebastian Pfütze

Herr Vietor, mit dem Verkauf von Audibene an Sivantos verlieren Sie Ihre Unabhängigkeit.

Marco Vietor: Wir bleiben eine eigenständige Einheit hier in Berlin. Eigentlich ändert sich nichts, nur der Gesellschafter ist künftig ein anderer. Statt bislang Business Angels und Risikokapitalgebern wie Acton Capital und Sunstone Capital gehören wir mit dem Verkauf zur Sivantos Gruppe, hinter der die Unternehmerfamilie Strüngmann, Siemens sowie der Private-Equity-Investor EQT stehen. Wir Gründer bleiben an Bord – als Geschäftsführer und in verminderter Form auch als Anteilseigner der neuen Gesellschaft.

Wie viel hat Sivantos bezahlt, um Audibene zu schlucken?

Über die finanziellen Details der Transaktion haben wir Stillschweigen vereinbart.

Sivantos stellt unter verschiedenen Marken Hörgeräte her, Audibene verkauft sie – kicken Sie jetzt andere Hersteller aus dem Angebot?

Auf keinen Fall. Am Tag der Übernahme habe ich mit den Vorstandschefs der wichtigsten Hersteller gesprochen und vereinbart, dass wir ihre Produkte genau wie bisher anbieten und vertreiben. Das ist auch Bestandteil der Vereinbarung mit Sivantos. Wir wollen wachsen – welche Marken uns dabei helfen, ist zweitrangig, so lange wir mit ihnen Umsatz generieren.

Konkurrenten wie die Kette Kind werfen Audibene vor, Sie würden den Besuchern Ihres Portals vorgaukeln, neutral und unabhängig zu sein, das stimme aber nicht.

Wir sind nicht weniger unabhängig als Kind selbst, die ja auch Geräte herstellen. Unseren Kunden ist es nicht so wichtig, wem wir gehören, solange sie sich bei uns wohlfühlen und gut beraten werden. Wir schulen unsere Mitarbeiter genauso an Geräten anderer Hersteller. Unsere Produktpalette ist mit Sicherheit größer als die der meisten Wettbewerber. Und wenn Sie die Webseite von Kind besuchen, dann werden Sie vieles finden, was bei uns abgeschaut wurde.

Warum haben Sie sich zu einem Verkauf entschlossen?

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Weil wir wachsen wollen. Und zwar so schnell, dass wir das aus den laufenden Geschäften heraus kaum stemmen könnten. Der Markt für Hörgeräte ist weiterhin deutlich unterversorgt, das heißt, die Zahl der Hörgeräte-Träger hinkt deutlich der Zahl der Menschen hinterher, die eigentlich eines bräuchten. Das gilt für Deutschland, aber auch in anderen Ländern. Wir glauben, es ist wichtig, weiterhin schnell zu wachsen – sonst überholt uns ein Wettbewerber. Sivantos bringt zudem Branchen-Know-how mit, das uns helfen wird.

 Welche Märkte haben Sie im Blick?

Am 1. Juli starten wir in den USA. Dort bauen wir gerade ein eigenes Büro in Florida auf. Wir wollen dort unser bewährtes Modell übertragen: das Marketing und die Erstberatung online und telefonisch organisieren und vor Ort mit Hörgeräte-Akustikern zusammenarbeiten, die die Anpassung vornehmen und dafür eine Servicepauschale von uns bekommen. Außerdem schauen wir uns verschiedene andere Märkte an. Wir achten auf Länder mit schnell alternder Bevölkerung und aktuell sehr wenigen Hörgeräte-Nutzern im Vergleich zum gesundheitlichen Bedarf.

Letzte Frage: Wie kommt man als junger Gründer eigentlich auf die Idee, ausgerechnet in den Hörgeräte-Markt einzusteigen?

Mein Mitgründer kannte den Markt aus seiner Zeit als Unternehmensberater. Und ich war fasziniert davon, dass mittlerweile auch immer mehr ältere Leute zuerst im Internet nach Informationen suchen, wenn sie sich beraten lassen oder etwas kaufen wollen. Wir fühlen uns bestätigt: Die in der Regel kaufkräftigen „Silver Surfer“ ab 50 Jahren sind eine der vielversprechendsten Zielgruppen überhaupt.

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Im alten Umspannwerk in Berlin-Kreuzberg geben sich die Gründer die Klinke in die Hand. Hinter jeder Tür arbeitet ein anderes Team am Traum vom großen Durchbruch. Den hat das Startup Audibene bereits geschafft: Vor drei Jahren gründeten Paul Crusius und Marco Vietor den Hörgeräte-Händler, der online auf Kundenfang geht; heute beschäftigen sie bereits knapp 200 Mitarbeiter. Audibene hat eine ganze Branche auf den Kopf gestellt: In kaum einem Wirtschaftszweig tummeln sich so viele kleine Familienbetriebe wie im lukrativen Handel mit Hörgeräten. Dass selbst dieses Geschäft ins Netz abwandern könnte, schien lange undenkbar. Jetzt folgt der nächste Paukenschlag: Audibene gehört künftig zum Sivantos-Konzern, der früheren Hörgeräte-Sparte von Siemens. [caption id="attachment_2054573" align="alignright" width="180"] Im impulse-Interview: Audibene-Gründer Marco Vietor[/caption] Herr Vietor, mit dem Verkauf von Audibene an Sivantos verlieren Sie Ihre Unabhängigkeit. Marco Vietor: Wir bleiben eine eigenständige Einheit hier in Berlin. Eigentlich ändert sich nichts, nur der Gesellschafter ist künftig ein anderer. Statt bislang Business Angels und Risikokapitalgebern wie Acton Capital und Sunstone Capital gehören wir mit dem Verkauf zur Sivantos Gruppe, hinter der die Unternehmerfamilie Strüngmann, Siemens sowie der Private-Equity-Investor EQT stehen. Wir Gründer bleiben an Bord - als Geschäftsführer und in verminderter Form auch als Anteilseigner der neuen Gesellschaft. Wie viel hat Sivantos bezahlt, um Audibene zu schlucken? Über die finanziellen Details der Transaktion haben wir Stillschweigen vereinbart. Sivantos stellt unter verschiedenen Marken Hörgeräte her, Audibene verkauft sie - kicken Sie jetzt andere Hersteller aus dem Angebot? Auf keinen Fall. Am Tag der Übernahme habe ich mit den Vorstandschefs der wichtigsten Hersteller gesprochen und vereinbart, dass wir ihre Produkte genau wie bisher anbieten und vertreiben. Das ist auch Bestandteil der Vereinbarung mit Sivantos. Wir wollen wachsen - welche Marken uns dabei helfen, ist zweitrangig, so lange wir mit ihnen Umsatz generieren. Konkurrenten wie die Kette Kind werfen Audibene vor, Sie würden den Besuchern Ihres Portals vorgaukeln, neutral und unabhängig zu sein, das stimme aber nicht. Wir sind nicht weniger unabhängig als Kind selbst, die ja auch Geräte herstellen. Unseren Kunden ist es nicht so wichtig, wem wir gehören, solange sie sich bei uns wohlfühlen und gut beraten werden. Wir schulen unsere Mitarbeiter genauso an Geräten anderer Hersteller. Unsere Produktpalette ist mit Sicherheit größer als die der meisten Wettbewerber. Und wenn Sie die Webseite von Kind besuchen, dann werden Sie vieles finden, was bei uns abgeschaut wurde. Warum haben Sie sich zu einem Verkauf entschlossen? Weil wir wachsen wollen. Und zwar so schnell, dass wir das aus den laufenden Geschäften heraus kaum stemmen könnten. Der Markt für Hörgeräte ist weiterhin deutlich unterversorgt, das heißt, die Zahl der Hörgeräte-Träger hinkt deutlich der Zahl der Menschen hinterher, die eigentlich eines bräuchten. Das gilt für Deutschland, aber auch in anderen Ländern. Wir glauben, es ist wichtig, weiterhin schnell zu wachsen - sonst überholt uns ein Wettbewerber. Sivantos bringt zudem Branchen-Know-how mit, das uns helfen wird.  Welche Märkte haben Sie im Blick? Am 1. Juli starten wir in den USA. Dort bauen wir gerade ein eigenes Büro in Florida auf. Wir wollen dort unser bewährtes Modell übertragen: das Marketing und die Erstberatung online und telefonisch organisieren und vor Ort mit Hörgeräte-Akustikern zusammenarbeiten, die die Anpassung vornehmen und dafür eine Servicepauschale von uns bekommen. Außerdem schauen wir uns verschiedene andere Märkte an. Wir achten auf Länder mit schnell alternder Bevölkerung und aktuell sehr wenigen Hörgeräte-Nutzern im Vergleich zum gesundheitlichen Bedarf. Letzte Frage: Wie kommt man als junger Gründer eigentlich auf die Idee, ausgerechnet in den Hörgeräte-Markt einzusteigen? Mein Mitgründer kannte den Markt aus seiner Zeit als Unternehmensberater. Und ich war fasziniert davon, dass mittlerweile auch immer mehr ältere Leute zuerst im Internet nach Informationen suchen, wenn sie sich beraten lassen oder etwas kaufen wollen. Wir fühlen uns bestätigt: Die in der Regel kaufkräftigen "Silver Surfer" ab 50 Jahren sind eine der vielversprechendsten Zielgruppen überhaupt.
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